Die Entwaffnungsdebatte im Reichstag
Der Sigungsbericht
Bräfident Boebe eröffnet die Sigung um 11 Uhr 20 Minuten. Eingegangen ist ein Schreiben des Reichsverkehrsministers Gröner, wonad den Wünschen des Reichstages entsprechend ein Ausschuß zur Prüfung der technischen und finanziellen Verhältnisse der Reichseisenbahnen eingelegt worden ist. Ihm sollen neben Berkehrsjachverständigen 12 Reichstagsabgeordnete und 12 Mitglieder des Reichswirtschaftsrates angehören.
Die Entwaffnung der Bevölkerung
Auf der Tagesordnung steht zunächst der Gesehentwurf über die Entwaffnung der Zivilbevölkerung. Danach sind alle Militärwaffen bis zu einem von dem Reichstommissar für die Entwaffnung festzusetzenden Zeitpunkt an die von ihm zu bestimmenden Stellen abzuliefern. Dasselbe gilt für die Munition.
Reichsminister des Innern Koch: Zu dieser Vorlage find wir burch das Abkommen von Spaa verpflichtet. Wir tönnen diese Aufgabe aber nur lösen, wenn fie nicht gegen das Volt, sondern mit dem Bolte durchgeführt wird. Wie viele Waffen noch im Befihe der Bevölkerung find, fann auch nicht schahungsweise angegeben werden. General v. Seedt hat in Spaa eine Aufstellung übergeben, wonach in unbefugten Händen sich noch etwa 1,9 Millionen Gewehre, 8400 Maschinengewehre und 4000 Minenwerfer befinden. Reben den gesehlichen Maßnahmen wird daher auch eine weitgehende Aufklärung des Voltes notwendig sein. Di: Eniwaffnungsaftion selbst fann nur durch das Reich und nicht durch die Länder durchgeführt werden. Die Durchführung muß in ben Händen einer
zivilen Behörde
liegen. Es foll baher ein Reichskommissar für diesen Zwed eingesetzt werden, der völlig unparteiisch vorgehen soll. Die Hauptzahl der Waffen befindet sich in den Händen derjenigen, die einen Angriff Don der Gegenseite erwarten. Die Attion soll so unpolitisch wie möglich durchgeführt werden.( Lachen der U. S. )
Abg. Lübbring( S03.): Wir haben gegen den Gefeßentwurf die größten Bebenten. Er muß in einer gründlichen Kommillionsberatung noch wesentliche Verbesserungen erfah ten, wenn wir ihm zustimmen sollen. Das Gesetz muß dazu führen, daß sich Waffen nur noch in den Händen der Reichswehr und der Sicherheitspolizei befinden. Der Minister ist im Irrtum, wenn er glaubt, daß die Kreise, die Butschabfichten hegen, nicht mehr viele Waffen in Händen haben. Wir haben die allergrößten Bedenten gegen die Einwohnerwehren und die in Bilbung begriffenen Selbstschusverbände. Die letzteren Berbände werden schon dadurch genügend gekennzeichnet, daß fie bas Wert des reaktionären bayerischen Forstrats und Hauptmanns
D. Escherich find. Diese heimlich gegründeten Verbände vertoßen gegen die$ 8 128 und 129 des Strafgesetzbuches. Ich ver lange von der Regierung Antwort auf die Frage, ob auch diese Selbstschutzverbände unter die Wohltat des§ 2 des vorliegenden Gelegentwurfes fallen. Die Selbstichugverbände haben beschlossen, Ah einer Entwaffnung
mit Gewalt zu widerlegen
und fie finden dabei die Unterstügung der Wehrkreiskommandos. Der bayerische Ministerpräsident v. Rahr will es ja sogar auf einen Bruch mit dem Reich ankommen lassen, um unter allen Umständen die Entwaffnung zu verhindern. In Ostpreußen Rehen die Selbstschukverbände mit Zustimmung der Reichswehr anter Leitung von Offizieren, die aus der Sicherheitswehr entlassen werden mußten, weil sie inbezug auf die republikanische Verfassung nicht zuverlässig waren.( Sört! Sört!) Angesichts der großen Waffenlager, ble nody überall auf den Gütern vorhanden sind, en die Strafbestimmungen bedeutend verschärft werden. Es darf auch nicht vor der Bermögenstonfistation zurüdgeschredt wer ben. Nur, wenn die Vorlage gründlich umgeftaltet wird, fönnen wir ihr zustimmen.( Beifall bei den Soz.)
Abg. Ernst- Hagen( USP)
Ueber bie Frage, wo die Waffen sind, besteht anscheinend auch heute noch in der Regierung nicht die richtige Vorstellung. Wir bebanern, daß immer noch die Regierungsstellen das Spikel material aber rote Armeen usw. gläubig hinnehmen. Wir tönnen ihnen jederzeit nachweisen, daß die Arbeiterklasse in feiner Weise mit großen Waffenmengen versorgt ist, daß aber im Gegenteil die Renterrevolution mehr als genug Waffen hat. Auch im Ruhr gebiet haben wir die Waffen erft von der Einwohnerwehr und Bürgerwehr uns holen müssen, wir selbst hattten teine gehabt. Wenn später einige Waffen in den Händen der Arbeiter waren, le steht das in feinem Zusammenhang mit irgend einer politischen Bartei.( 3urufe.) Die deutsche Wirtschaftshilfe ist eine Organi fation, die seit Jahr und Tag systematisch unwahrheiten in Deutsche land verbreitet, mit der Absicht, die wirklichen Waffenfchieber zu verdenen, in dem fie handelt, wie der Spisbube, der schreit, haltet ben Dieb.( Sehr richtig!) Auf Grund dieser Schwindelorgani lation werden die tollsten Nachrichten in die Deffentlichkeit gelegt, m fie gegen die Arbeiter aufzuheben, und dagegen schreitet natür lich der Herr Reichsminister des Innern nicht ein. Bezahlt wird biese Schwindelorganisation, soweit wir unterrichtet sind,
von Herrn Stinnes und anderen Großindustriellen, Was wir auch verstehen können, da fie fo tüchtig im Dienst der Ronterrevolution arbeiten.( Sehr richtig!) Redner verliest einige besonders tolle Schwindelnachrichten. Es geht nicht, daß man hier eine Borlage einreicht, die sich gegen Teile der Bevölkerung richtet, und auf der anderen Seite unternimmt man nichts, um die realtionären Formationen, die Einwohnerwehren und die Zeitfreiwilligen usw. endlich aufzulösen. Nicht nur die Einwohnerwehren haben Waffen verschoben, sondern die Reichswehr selbst jabotiert Die Entwaffnung. Die ganzen landwirtschaftlichen Kreise find mit Waffenlangern übersät und diese Waffenschiebungen werden heute noch fortgesetzt. Noch dazu mit Mannschaften und Munition. Sehr richtig!) Die angeblich aufgelösten Freikorps find garnicht ufgelöst.( Sört! Sört!) Sie find in Lager oder auf dem Lande intergebracht und fönnen jederzeit das Heer der Reaktion von 200f 400 000 Mann und mehr erhöhen. Rebner führt auch hierzu inige Beispiele an, z. B. das Detachement Roßbach . Dieses Sefeß wird ganz Deutschland zu einer Spikelorganisation machen, eleitet von einem Direttor mit einer großen Anzahl Unterdiret ren, das Telephongeheimnis, das Postgeheimnis all das hört auf. Bir sind durchaus für die Gesamtentwaffnung der Be ölferung. aber nur im Berein mit der Arbeiterschaft, mit dem elamten Proletariat. Der Reichswehrminister Gehler hat nie was getan, um die Entwaffnung der Konterrevolution vorzuehmen, er ist nur ein ziviles Deforationsstüd seiner Militärs. Sein Geist scheint
von Seedt umnebelt
fein.( Seiterfeit.) Wenn es unter Noste schon schlimm war, o ist es heute noch viel schlimmer. Auf Grund all dieser Tatsachen find wir der Meinung, daß dieses Gesetz nicht angenommen werden lann, wir stimmen jedoch für die Ueberweisung an einen Ausschuß aus dem hoffentlich ein anderes Produkt hervorgeht.( Beifall bei ben 1. Goz.)
an,
es
find selbst an der Bildung der Einwohnerwehren schuld. Die Novemberrevolution brach über uns herein, wie ein Gewittersturm, und die Herren von rechts haben es uns gedankt, daß wir dann wieder für Ordnung sorgten. Der Kapp- Putsch aber störte eine ruhige Aufwärtsentwidlung ohne Grund.( Sehr richtig! links.) deutschen Arbeiter wehrlos machen, nachdem sie schon waffenlos Abg. Frau Zettin( K. P. D. ): Dieser Entwurf will nur die find. Er bedeutet eine zivile Militärdiftatur gegen die Arbeiter. Gegen die Entscheidung des tünftigen Diktators gibt es teine Instanz, denn die Reichsregierung ist ja mit ihm eins. Es hieße den Teufel mit Belzebub austreiben, wenn man der Bourgeoisie die Entwaffnung überläßt. Es fommt vor allen Dingen darauf wie bas Gesez durchgeführt und wer durchführt. Und die Spuren schreden bas deutsche Broletariat, denn sie weisen seit dem 6. Dezember 1918 ins Lager der Gegenrevolution. Die feierlichen Abkommen von Vieles feld und Münster wurden schändlich gebrochen, während die Kappverbrecher bis heute noch im großen ganzen strafftei ausgegangen find.( Sehr richtig!) Wer von den Arbeitern noch aus der Kriegszeit einen Karabiner oder ein Gewehr hatte. der wurde mit den allerschwersten Strafen belegt, während man nie davon etwas hörte, daß die Herren Gutsbesitzer, bei denen Riesenwaffenlager gefunden wurden, auch nur im geringsten zur Verantwortung gezogen wurden. Wenn hier gesagt wird, es dürfte sich in der Bevölkerung feinerlei Waffen befinden. so sage ich, die Staatsgewalt biete feine Bürgschaft dafür, daß sie ihre Waffen nicht gegen die Arbeiterschaft richtet, solange diefe fapitalistische Regierung, dieser Klassenstaat besteht, trotz seines demokratischen Aushängeschildes.( Sehr richtig!) Wir sind dafür, daß das Gesetz erst einer genauen Kommissionsberatung unterzogen wird, wenn wir uns auch vom Resultat nichts versprechen. Aber es muß bort festgestellt werden. daß die Waffen nicht beim Broles tariat sind, sondern bei der Gegenrevolution. Dieses Gesetz ist ein Baft der internationalen Gegenrevolution und nicht der internationalen Verteidigung.( Lebhafter Beifall linfs.)
Der Präsident ruft nachträglich auf Grund des stenographischen Protokolls die Abgg. Keppler und Wolf( Soz.) zur Ordnung. Abg. Unterleitner( USP)
Die Ausführungen des Gesandten v. Breger forbern ben Schärfsten Widerspruch heraus. Wenn er sagt, die bayerische Regierung ist gewillt die Entwaffnung durchzuführen, so habe ich und meine Partei dazu berechtigten Zweifel.( Sehr richtig!) Wir glauben dem Ministerpräsidenten v. Kahr , der nicht nur einmal Unwahrheiten gesagt hat, nicht, daß er dieses Versprechen hält. Wenn ein solcher Beamter einmal feinen Treueid bricht, wenn er an Besprechungen teilnimmt, die zum Sturz seiner vorgesezten Minister führen sollen,( Andauernde Unruhe. Zurufe: Unerhört!) bas ist unbestritten, daß er als damaliger Untergebener des Ministers Endres an dessen Sturz mitgearbeitet hat und nur durch eine Revolte des Militärs selbst Minister geworden ist, dann hat man zu einem solchen Mann nicht mehr das Vertrauen, daß er seine Worte hält. Leichtfertig hat Herr v. Kahr Gerüchte über Links bewaffnungen in die Welt gesezt, gegen sein besseres Wissen. Er stützt sich auf die Reaktion, auf die Einwohnerwehren und auf all jene Kreise, die der Herr Minister des Innern nicht entwaffnen wird. Er wird auch die Waffen nicht finden, die schon heute in großen Maffen nach Tirol verschoben werben.( Sört! Hört!) Oder in fast jeder Scheune verstedt sind. Wenn die Regierung wissen will, wo die Waffen sind, dann braucht sie nur die Unab hängige Sozialdemokratie fragen, die tennt die Waffenlager der Realtion Es liegt nicht nur im Interesse der Arbeiterschaft, fondern des ganzen Reiches, daß gerade in Bayern die Entwaffnung treng und gerecht durchgeführt wird.( Beifall bei den U. Soz Lärm bei den Bürgerlichen .)
Bayerisches Mitglied des Reichstats Hamm widerfpricht unter bauernder Unruhe der Unabhängigen den Ausführungen des Abg. Unterleitner( U. Soz.)
Reichsminister des Innern Dr. Roch: Bei Nichterfüllung bes Abkommens von Spaa erfolgt der Einmarsch der Entente. Da Jollte das Parlament sich zusammenfinden, um auf allen Seiten die Waffen herauszuholen. Ohne Ausnahmebestimmungen geht es nicht, denn das Reich ist ein Bundesstaat und ich habe feine Möglichkeit gegen die preußischen Behörden vorzugehen. Die Selbstschukorganisation wird unter Kontrolle der Reichsregie rung stehen, wir werden uns da nicht auf das Militär verlassen. ( Beifall.)
Abg. Simon( U. Soz.): Die Regierung Rahr ist nur durch einen Staatsstreich zur Herrschaft gelangt, das hat Minister Wirth in der ersten Sigung nach dem Kapp- Butsch hier festgestellt. ( Laute Rufe rechts: Das ist nicht wahr!) Nachträglich ist fle allerdings durch die Wahlen legalisiert. Soffmann ist nur unter militärischem Drud zurüfgetreten. In der Einwohnerwehr_be finden sich eine Arbeiter mehr, feitdem sie eingesehen haben, welche politischen Ziele fie verfolgt.( 3urufe rechts: Auch bas ist nicht wahr!) Die Einwohnerwehr zuft fünstlich Unruhen hervor, indem fie Verhaftungen vornimmt, die zu Demonstrationen führen müſſen.
Abg. Gruber( Soz.): Herr v. Kahr ist ja nur eine Marionette in den Händen anderer. General Möhl hat seiner Zeit die voll ziehende Gewalt für sich gefordert, sonst wollte er nicht mehr die Berantwortung für die Sicherheit der Minister tragen.( Sört, hört!) Soffmann wehrte ich, aber seine Kollegen entschieden war ein unerhörter Gewaltatt gegen die banerische Verfassung. ( Sehr richtig links.) Ich warne den Minister des Innern. Ich traue der bayerischen Regierung nicht. Nicht, weil sie böswillig ist, fie hat ja feinen Willen. Denn v. Kahr ist nur ein Blahhalter für Dr. Heim oder einen andern. Dr. Heim ist ein Schlauer Fuchs, der immer sein Alibi nachweisen wird.( Seiterkeit.) Das Vertrauen des Ministers Koch zur bayerischen Regierung ist geradezu gefährlich.
Abg. Edardt( U. Soz.): Bei der Entwaffnung Braunschweigs brauchte man tein folches Gefeh, sondern rädte mit gewaltiger Truppenmacht ein. So würde die Regierung wieder verfahren, wenn sie glaubte, daß die Arbeiterschaft noch Waffen hat. Jest wenn sie glaubte, daß die Arbeiterschaft noch Waffen hat. Jetzt zwingt die Entente die Regierung zur Entwaffnung ihrer eigenen Leute. die z. B. in Braunschweig von der Reichswehr noch Gewehre für 75 Pfennig erhalten haben.
Die Vorlage wird der Ausschußberatung überwieser Es folgt der Rest des Not Etats, beginnend mit dem
Haushalt des Reichspoftministeriums. Abg. Frau Zieh( U. Soz.): Der Erlaß des Postminifteriums über die Beamtenausschüsse hat bei den Beamten den größten 3orn hervorgerufen. Bei der Wahl ist das Dreillaffenwahlrecht eingeführt worden. Die Ausschüsse müssen nach unserer Meinung in gemeinsamen Wahlgang geschaffen werden. Das Ministerium handelt aber nach dem Grundsay: teile und herrsche. Dadurch foll das etelhafte Strebertum gefördert werden. Bei der Einordnung in die Besoldungsordnung sind viele Beamte unrecht behandelt worden. Die Besoldungsordnungen find viel günsinger als die des Reiches. Daher fühlen sich die Reichsbeamten benachteiligt. Es war von uns ein Antrag eingebracht worden, der die Benachteiligung der einzelnen Beamten ausgleicht, die durch die Einreihung in die verschiedenen Beamtentategorien entstanden waren und bis zur endgültigen Regelun Vorschüffe verlangte. Auch dieser Antrag belagte nur etwas ganz Selbstverständliches und frozdem wurde ez im Hauptausschuß gegen die beiden sozialistischen Parteien abgelehnt.( Sört, hört!) Wir sind der Meinung, daß der Staat verpflichtet ist, seinen Ar
Der bayerische Gesandte v. Breger weißt die Angriffe gegen den bayerischen Hauptmann Escherich den Organisator der bayerischen Einwohnerwehren zurück und betont, daß die Einwohnerwehr nur ur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung" notwendig sei. Unruhe bei ben. Soz.) Die bayerische Regierung wird sich Richt weigern, bie Einwohnerwehren zu entwaffnen Die gegen teilige Neußerung des Ministerpräsidenten v. Kahr ist bereits durch beitern und Beamten . Z. B. bementiert.( Beifall und Widerspruch.) Aba Dr. Röfide( D.- Rat.): Eine rote Armee exerziert fast alltäglich unter den Augen der Bevölkerung hter auf dem Tem pelhofer Felb.( Laden lints.) Die Effiziere, die Kapp folg ben, haben nur ihr Recht gesucht.
Abg. Dr. Sass( Dem.): Die Waffen gehören nur in die Hände bez fineilichen exeriennten Organisationen. Die Unabhängigen
indestens das Exifengminimum
zu gewähren.( Sehr richtig!) Man tann dabei nicht die Arbeiter im Privatbetrieb ausspielen gegen die Arbeiter im Beamten- und Staatsbetrieb.( Sehr wahr!) Wenn Sie fragen, woher das Geld genommen werden soll, so können wir Ihnen schon Mittel nennen, bie Sie aber doch nicht anwenden; die 3% Milliarben für Früh
Bruschprämien für Großagratier wären hier gleich zu nennen. Oder sozialisieren Sie doch die Bergwerke, dann haben Sie neue Einnahmequellen.( Sehr richtig!) Die Stellungnahme der Re gierung in der Frage der Beamtenbesoldung ist reichlich untlar und hat große Unruhe in der Beamtenschaft aufgelöst. Wir müssen alles fun, um die gerechten Wünsche der Beamten zu er füllen, denn nur so werden wir eine arbeitsfähige und arbeitss frohe Beamtenschaft erhalten.( Lebhafter Beifall bei den U. Eoz.) Der Präsident macht darauf aufmerisam, daß dem Wunsch des Reichstages, am Dienstag in Ferien gehen zu können, nur dann entsprochen werben tönnte, wenn das Redebedürfnis eingeschränkt würde.( Beifall.)
Reichspoftminister Giesberts: Jch habe die Hoffnung, daß die Wünsche der Beamten eine Regelung finden, die alle Beteiligten befriedigen. Ich habe bereits längst verfügt gehabt, daß bei der Boftverwaltung zunächst der halbe Borschuß auszubezahlen ist. Die persönlichen Ausgaben sind bei der Postverwaltung bes deutend höher als die fächlichen Ausgaben. Die bisherigen Bes amtenausschüsse find nur ein Proviforium, die eine gute Grundlage für die endgiltigen abgeben(( Beifall.)
Reichsfinanzminister Dr. Wirth: Ich habe immer betont, daß wir das Reichsbesoldungsgesetz umbauen und alle ungerechtig feiten beseitigen müssen, denn es geht nicht, daß die Rechte ber Länder besser dastehen als die Reichsbeamten. Es ist das Unglüd, da niemand draußen die Augen öffnen will gegenüber der fürchterlichen finanziellen Notlage, in der sich Deutschland bes findet. Ich mache mir Sorgen, ob die derzeitigen Gehälter der Beamten auf längere Zeit hinaus überhaupt noch bezahlt werden fönnen.( Sört, hört!) Angesichts der leidenschaftlichen Beunruhigung in der Beamtenschaft sage ich, daß man schnell geben muß, um doppelt zu geben. Umjomehr bin ich, und der Hauss haltungsausschuß aufs peinlichste berührt von einem Schriftstüd, bas mir gestern namens der drei großen Eisenbahnerorganisatios nen überreicht wurde. Darin heißt es, daß die Vertreter der großen Eisenbahnerorganisationen schärfften Protest dagegen er heben, daß die Nachprüfung der Besoldungsreform erst im Herbst stattfinden soll. Sie drohen mit
Demonstrationsstreit
des gesamten deutschen Eisenbahnpersonals, falls die Organisation bis zum 31. Juli, nachmittags 3 Uhr, vom Haushaltsausschus Erklärungen über die Erfüllung ihrer Wünsche haben. und von der Reichsregierung feine befriedigenden und bindenden ( zurufe: Unerhört! Unerhört! Lebhafte Bewegung.) Und das im gleichen Augenblid, wo die Verhandlungen vor dem Abschluß stehen.( Stürmische Bfuirufe.) So stößt uns eine Gruppe unverantwortlicher Führer den Dolch in den Rücken. Der deutsche Eisenbahnerverband hat durch den Mund des Abgeordneten koguhr erklärt, er wisse nichts von diesem Ultimatum und es ginge ganz gegen seine Ab ficht. Die Mehrheit des Ausschusses( 3uruf: Nur die Mehrheit?) war der Meinung, daß man den Berbänden Gelegenheit geben müsse, fich dazu zu äußern. Ich als Minister habe mich schärftens bagegen gewandt, da ich es nicht mit meiner Ehre ver einbaren fann, unter dem Drud eines solchen Ultimatums Berhandlungen zu führen.( Lebhafter Beifall. Suhurufe der 1. Goz.)
Abg. Frau Ziek( U. Soz.) bringt weitere Beschwerden über den Postverkehr vor, z. B., daß man vom Lande Bostanwärter holt, um in Berlin mißliebige abzuschieben. Besonders bebauerlich ist die Erscheinung, daß die süddeutschen Beamten von dem Recht des Rüdtritts in den Landesdienst Gebrauch gemacht haben. Wenn ich Mißstände hier zur Sprache bringe, so erfülle ich nur meine Pflicht als Bollsvertreterin.( Beifall bei den U. Soz.)
Abg. Ged( U. Soz.): Die Bedeutung dieses Jogenannten Ultimatums hat der Herr Reichsfinanzminister start übertrieben. Wenn jemand wirklich eine solche Aftion vor hätte, dann würde er sie sicherlich nicht in einem Briefe zuerst zur Kenntnis bringen. Redner protestiert bann an Hand von Beispielen gegen Telephon überwachung und Briefzensur.( Beifall bei den U. Soz.),
Der Haushalt des Reichspostministeriums wird genehmigt. Montag, 2. August, 1 Uhr: Amnesiegesch, dritte Beratung des Entwaffnungsgefehes, Rot- Etat, fleine Borlagen. Schluß 6 Uhr
Usp. und Sozialisierung
Im Reichstage hat am Schluß der Beratung über das Spaas Abkommen Klara 3ettin bei der Abstimmung über den Ans trag der Unabhängigen, der die Jofortige Sozialisierung des Berg baues verlangt, Stimmenthaltung geübt. Die Empfin bung, daß diefes eigenartige Verhalten eine Rechtfertigung notwendig macht, veranlaßt die Rote Fahne", in einem Ar tifel die Haltung der Unabhängigen Partei zur Sozialisierung zu erörtern. Sie schreibt:
Gewiß: ber Beginn der Sozialisierung ist, wie wir hier wie berholt bargelegt haben, die grundlegende Voraussetzung dafüt, daß die deutsche Wirtschaft gegen die Sabotage der Unternehmer geschützt wird, die das Kohlenabkommen zum Vorwand für Be triebsitillegungen zu benußen sich anschiden. Aber, die Sozialis fierung fann nicht durchgeführt werden durch Parla. mentsbeschlüsse. Wäre das der Fall, so wäre sie längst verwirklicht. Denn ein Sozialisierungsgesetz ist bereits von der Nationalversammlung angenommen worden, aber irgendein Schritt zur Durchführung dieses Gesetzes, das im übrigen völlig unzulänglich ist, ist bisher nicht getan worden."
Was hier die„ Rote Fahne" bemerkt, ist durchaus zutreffend. Aber es ist nicht nur die Ausbauung der K. P. D. ,, sondern vor allem die Ausbauung der Unabhängigen Bariei, die noch vor Erscheinen des Artikels in der Roten Fahne" vom Genossen Herz im Reichstage durchaus flat bargelegt worden ist.
Die Rote Fahne " gibt auch weiter zu, daß in dem Machtkampf des Proletariats um die Sozialisierung.„ die Parteien des Proletariats auch das Parlament benugen fönnen." Aber man dürfe dadurch nicht die Jllufionen auf das Parlament stärken, fondern die Massen zum Kampf um die Sozialisierung aufrufen. Auch bas hat die Unabhängige Sozialdemokratie gerade in den lekten Tagen mehrfach getan. Und der Antrag der Unabhängigen, weit davon entfernt, irgendwelche Jllufionen zu stärken, sollte gerabe die Aufgabe erfüllen, die Massen zum Kampf um die Sozialisierung aufzurütteln und gleichzeitig ben bürgerlichen Barteten die Maste herunterreißen. Auch diese ufgabe zu erfüllen ist notwendig, denn sie stärkt den Kampf der massen. Es ist daher sehr bedauerlich, daß durch das Berhalten Klara Zetkins diese Absicht durchkreuzt worden ist.
Für die Verbilligung des Schuhwerks
Die Schuhpreise find trok der Preisherabsehungen in Tehter Zeit immer noch so gewaltig, daß die breiten Massen der Bevölkerung fie einfach nicht bezahlen fönnen. Unsere Vertreter im vollswirt Schaftlichen Ausschuß des Reichstages haben nunmehr einen Geset entwurf eingebracht, nach dem ein Teil der Gewinne der Kriegsgesellschaften in der Leber- und Schuhwarenindustrie für die Sen fung der Schuhpreise in Anspruch genommen werden soll. Der Entwurf bestimmt in seinen ersten zwei entscheidenden Paragra phen folgendes:
§ 1.
Der Sicherheitsfonds der Deutschen Lederattiengesellschaft, der Liquidationsfonds des Ueberwachungsausschusses der Schuh industrie, der Liquidationsfonds des Sauptverteilungsausschusses des Schuhhandels,
der Liquidationsfonds der Sattlerledergesellschaft m. b. S. find mit Wirkung vom 1. Juli 1920 ab zu Gunsten des Reiches zum Zwede ber Versorgung der minderbemittelten Bevölkerung mit billigem, neuem ledernen Straßenschuhwert beschlagnahmt, werden Eigentum des Reichs und find an die Reichstasse abzu führen,
82.
Die gefeklichen Bertreter der in§ 1 genannten Organisationer find für die Abführung der Beträge persönlich hajibar. Insgesamt handelt es sich um eine Summe von etwa 35 Millis nen Mart, die der Reichstasse durch dieses Geset zugeführt werden follen