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3. Jahrgang
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Dienstag, den 3. August 1920
Nummer 310 Morgen- Ausgabe
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Das neue Zuchthausgeseh
Widerstand bis zum Aeußersten Beschränkung der Befugnisse des Reichskommissars herbei
Das Gesetz über die Entwaffnung der Bevölkerung ist infolge Einspruchs unserer Genossen gestern im Reichstage nicht mehr zur Beratung gelangt. Heute soll die Entscheidung fallen. Es ist höchste Zeit, daß die Arbeiterschaft sich regt, um noch im letzten Augenblid dieses neue Attentat auf das Volt abzuwchren.
Das unter dem Schein gleichmäßiger Entwaffnung der Arbeiter and der Reaktionäre, in Wahrheit lediglich gegen die Arbei= terschaft gerichtete Gesez, enthält so furchtbare Fesseln für die Arbeiterschaft, daß man in der Geschichte schon weit zurückgehen muß, um auch nur ähnliche gegen die Arbeiterschaft gerichtete Ge jege zu finden. Sozialistengeset, Umsturzvorlage, Nostes Auss nahmezustand, alles das waren nur Zwirnsfäden gegenüber den Rnebeln, die man jegt gegen die Arbeiterschaft vorbereitet.
Die Regierung benutzt den Friedensvertrag von Ver= sailles, um dieses furchtbare Ausnahmegesez gegen die Arbeiterschaft zu rechtfertigen. Nach dem Friedensvertrage find allerdings die deutschen Waffen, Munitionsvorräte und das Kriegsgerät etc. auszuliefern oder zu vernichten. Die Ab
machungen von Spa a lassen die Bestimmung zu, daß die deutsche Regierung eine Bekanntmachung" erläßt, welche die unverzügliche Auslieferung aller Waffen verlangt, die in Händen der Zivilbevölkerung sind und in Uebertretungsfällen wirksame Be strafungen vorsteht. Sollten die Befugnisse, welche der deutschen Regierung zurzeit noch im Gesetz zustehen, nicht genügen, um die Durchführung dieser Bekanntmachung zu sichern, so sind ohne Vers zug geseggeberische Maßnahmen zu treffen, um der genannten Regierung alle notwendigen Befugnisse zu verleihen."
Nach diesen Abmachungen ist ganz klar, daß die Entente nicht ohne weiteres neue Geseze verlangt. Zur Erfüllung des Friedensvertrages und der Abmachungen von Epaa hätte es völlig ausgereicht, wenn die dazu berechtigten Landesregierungen zur Auslieferung der Waffen auffordern. Es zeigt sich hier, wie willkommen der Friedensvertrag und die Abmachungen von Spaa unserer Regierung ist. Eie benutzt diese Vereinbarungen als Borwand, um gegen die Arbeiterschaft vorgehen zu fönnen.
Nach dem Gesezentwurf soll der Reichspräsident einen Reichsfommissar ernennen, der zunächst zur Abgabe von Waffen auffordern und nach vergeblicher Aufforderung das Recht haben soll, mit Silfe der Polizei, Sicherheitswehr, Reichswehr und sogar durch besondere Organisationen die Durchführung ber Entwaffnung des Volles herbeizuführen. Alle näheren Bestimmungen sind völlig dem Reichskommissar überlassen. Er allein bestimmt im Gesetzentwurf, welche Waffen als Militärwaffen an zusehen sind. Er setzt auch fest, welche Ausnahmen von der Ablieferungspflicht stattfinden sollen. Er soll die Möglichkeit haben, Organisationen die Waffen mindestens solange zu be lassen, bis die Entwaffnung der Zivilbevölkerung durchgeführt ist. Er fann also irgend eine Rapporganisation bewaffnen oder ihr die Waffen lassen, um mit ihrer Hilfe gegen die angeblich im Besitz von Waffen befindlichen Arbeiter vorzugehen. Unglaubliche Bes stimmungen, die schon von vornherein erkennen lassen, von wo der Wind weht.
Nach§ 7 des Gelegentwurfs, erster Absatz, kann der Reichstommissar im Rahmen derGesetze alle ihm notwendig er scheinenden Anordnungen treffen. Diese Bestimmung ist weits gehend, aber die Befugnisse des Reichskommissars werden immer hin durch die Geseze begrenzt. Noch weiter geht Absatz 2 des § 7, nach welchem der Reichskommissar von den wichtigsten gesetzlichen Beschränkungen befreit ist. Durchsuchungen und Beschlagnahmungen soll er außerhalb der durch ie Strafprozeßordnung ges 30genen Grenzen anordnen dürfen. Die geringen, durch dieses Ge= fetz zum Schutze der Bevölkerung gegebenen Rechtsgarantien werden also aufgehoben. Noch mehr: das Briefs, Posts, Teles graphen- und Fernsprechgeheimnis fann der Reichskommissar auf heben. Es existiert also nur noch von Gnaden dieses Reichskommissars das Geheimnis, mit dem das Gesetz den Betrieb der Postund Telegraphenbehörden umgibt. Jeder Brief tann auf der Post geöffnet, jedes Telegrammerbrochen, jedes Telephongespräch be lauscht werden. Alles auf Kommando des Dit tators Reichskommissar. Schließlich gibt§ 7 diesem Kommissar sogar das Recht, eine Kontrolle des Verkehrs, der Eisenbahn, der Schiffahrt, der Post, der Kraftwagen und sonstigen Fuhrwerke, sowie des Luftverkehrs anzuordnen. Die Belästigungen des Verkehrs, denen wir im Kriege ausgesetzt waren und die allmählich sich zu vermindern begannen, werden also nun von neuem einsetzen, wenn der Reichskommissar es so will. Unsere Vertreter im Ausschuß, die Genossen Dr. Rosenfeld, Unterleitner, Remmele und Ged protestierten aufs schärfste gegen die Bestimmungen des§ 7; sie fanden dabei aber nur bis zu einem ges wissen Grade die Unterstützung der Rechtssozialisten. Es war un erhört, daß diese Sozialisten für die Aufhebung der durch die Strafprozeßordnung für Durchsuchungen und Beschlagnahmungen gezoge nen Grenzen stimmten. Ein schlimmer Berrat der Rechte des Voltes!
Der§ 8 des Gefeßentwurfs gibt die Sicherheitswehr in die Hand des Reichskommissars. Auch die Reichswehr hat auf sein Erfuchen Hilfe zu leisten. Bei der Ausschußberatung, die mit großer Ueberstürzung unter Nichtachtung der sonst im Parlament geheilig ten Sonntagsruhe am Sonntag vorgenommen wurde, gelang es dem Genossen Dr. Rosenfeld wenigstens die eine Kleine
zuführen, daß die Verwendung der Reichswehr der Zustimmung der Reichsregierung bedarf. Damit ist gewiß nicht viel erreicht, da uns auch nur das geringste Vertrauen zur Reichsregierung fehlt. Aber die Reichsregierung fann wenigstens im Reichstag zur Ver antwortung gezogen werden, während der Reichskommissar, vom Reichpräsidenten eingesetzt, frei schalten darf.
Leider gelang es nicht, die weitere Bestimmung zu beseitigen, daß die Befehlsverhältnisse der Reichswehr unberührt bleiben. Jst also mit Zustimmung erst einmal die Reichswehr in Bewegung ge leht, dann haut der Säbel und die Flinte schießt, ganz nach Belieben des Leutnants von der Reichswehr. Schönen Zuständen werden wir mit solchen Bestimmungen entgegengeführt!
Nach§ 9 ist der Reichstommissar befugt, besondere Organisationen zur Durchführung der Entwaffnung zu schaffen. Das ist auch eine Bestimmung, die das schlimmste befürchten läßt. Der Antrag
Mittwoch nachmittag findet im Lustgarten eine Massenversammlung des Berliner Proletariats gegen das Entwaffnungsgesetz statt. Arbeiter, Parteigenossen! Sorgt für zahlreiche Beteiligung!
des Genossen Dr. Rosenfeld, diese Organisationen unter Mitwirtung der Arbeiterorganisationen aller Richtungen arbeiten zu lassen, wurde von der Mehrheit des Ausschusses abgelehnt. Dabei hatte der Minister selbst erklärt, daß er die Absicht habe, alle Bevölkerungsfreise heranzuziehen. Man sieht, welche Bedeutung solchen Erklärungen beizulegen ist.
Schließlich droht das Gesez die schwersten Strafen den jenigen an, die gegen das Gesez verstoßen. Für die kleineren Delifte Gefängnis nicht unter 3 Monaten und Geldstrafen bis 3000 Mart, für schwere Fälle 3uchthausstrafe bis zu fünf Jahren und für ganz schwere Fälle Zuchthausstrafen bis zu zehn Jahren!
Im Ausschuß mußte der Minister Koch gegenüber unseren Genossen, die mit Recht von einem Ausnahmerecht gegen die Arbeiterschaft sprachen, zugeben, daß das Gesez allerdings ein Ausnahmezustand ist. In mancher Beziehung ist der nach Annahme des Gesetzes entstehende Zustand sogar schlimmer als der Ausnahmezustand, weil die durch das Gesez Betroffenen nicht die geringsten Garantieen gegen Mißbräuche des Gesetzes haben. Die Monarchisten und Militarijten werden natürlich durch das Gejeg nicht getroffen. Der Reichspräsident wird schon einen Kommissar ausfindig machen, von dem die Reaktionäre nicht zu befürchten haben. Dagegen wird die ganze Härte des Gesetzes die Arbeiterschaft treffen, die an Händen und Füßen gefnebelt, dem Reichskommissar ausgeliefert wird.
In legter Stunde rufen wir die Arbeiterschaft auf, gegen diesen schweren Anschlag auf ihre Rechte zu protestieren. Die Arbeiters schaft ist bisher mit allen Gefeßen fertig geworden, die zu ihrer Knebelung bestimmt waren. Die Arbeiterschaft wird auch dieses Gesek überwinden!
Paris , 2. Auguft. Wie die Times aus Warschau melden, haben die englischen, amerikanischen und französischen Gesandtschaften in Warschau ihre Staatsangehörigen aufgefordert, Warschau auf dem schnellsten Wege zu verlassen. Diese Aufforderung der Gesandtschaften hat in Warschauer Kreisen einen sehr pein lichen Eindrud hervorgerufen.
Rußland achtet die Neutralität
Die Moskauer „ Prawda" meldet: Die boljchewistische Nords armee erhielt von Moskau aus den Befehl, die ostpreußische Grenze nicht zu überschreiten. Die im Kreise Lyd an der preußischen Grenze eingetroffenen bolichawistischen Formationen werden sofort nach dem Süden dirigiert, um an dem Hauptangriff der Roten Armee gegen Warschau teilzunehmen.
Brest- Litowsk von den Polen geräumt DA. Kopenhagen, 1. Auguft. Der russische Funtspruch meldet, daß Brest Litows! von den Russen befegt wurde. Die Russen haben die Narew Linie durch brochen und die Polen bei Kowel auf ben Stochob zurüd geworfen. Sie stehen bei Brody im Kampfe mit großen polnischen Kavalleriemassen, die dort den rus fischen Vormarsch aufhalten sollen. Singegen muß der russische Heeresbericht zugeben, daß General Wrangel bei Aleganbrowst, Heeresbericht zugeben, daß General Wrangel bei Aleganbrowst, bant der englischen Unterstügung, einen großen Ers folg hatte und um 80 Kilometer vorbringen Jonnte.
Die Regierungsbildung in Mecklenburg- Schwerin
Man schreibt uns aus Medlenburg:
Wie die Freiheit" bereits berichtet hat, wurde vom Lands tage zu Medlenburg- Schwerin mit 29 Stimmen ein Ministes rium aus Mitgliedern der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen Partei gegen 33 weiße Stimmzettel ge wählt. Der„ Vorwärts" gibt nun in Nr. 378 eine volltommen entstellte Darstellung des Sachverhaltes. In der Schilderung der Vorgeschichte der Regierungsbildung zeigt es besonders, daß das Blatt die wirklichen Verhältnisse in Mecklenburg auch nicht annähernd tennt. Es ist unrichtig, daß im alten Landtage die Rechtssozialisten eine schwache Mehrheit hatten. 32 rechtssozialistischen Landtagsabgeord neten standen 32 bürgerliche gegenüber. Von den bürgerlichen Abgeordneten befannten sich 17 zur demokratischen sam die Regierung. Im neuen Landtage stehen 33 bürgers Partei und mit dieser bildeten die Rechtssozialisten gemeinlichen Abgeordneten 31 sozialistische gegenüber. Eine Verschiebung ist weiter insofern eingetreten, als sich unter den bürgerlichen Abgeordneten nur noch vier Demokraten bes finden, nicht fünf, wie der„ Borwärts" in seiner Ahnungslosigkeit behauptet, und daß unter den sozialistischen Abgeordneten erstmalig die U. S. P. mit fünf Mitgliedern in den Landtag eingezogen ist.
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Die U. S. P. verdankte ihren Erfolg nicht, wie der„ Vorwärts" glauben machen will, einer wüsten Agitation, sondern den Taten der rechtssozialistisch- demokratischen Regierung. Die Landarbeiter haben die Tatsache, daß ihre Funktionäre bei einem partiellen Landarbeiterstreit unter dem Aus nahmezustand in das Gefängnis geworfen wurden, während der Rechtssozialist Stelling Minister des Innern war, nicht vergessen. Und die ganze Arbeiterschaft zog aus einer ans deren Tatsache, daß sich nämlich die rechtssozialistischen und | demokratischen Minister während des Kapp- Putsches in der unwürdigsten Weise aufführten, ihre Schlüsse. Hinzu kommt die Erinnerung an die Tendenzurteile gegen Arbeiter, die Nichtbestrafung der Kappe Putschisten , das Entwischenlassen des Leutnants le Fort, der die Stadt Waren unter dieser Sozialistischen" Regierung mit einer Kanone beschießen ließ. Ebenso erregten die Millionengeschenke an den Großherzog und die Konzessionierung einer staatlichen Spielhölle in Warnemünde durch den rechtssozialistischen Finanzminister Asch die Empörung der Arbeiterschaft.
Das Wahlergebnis brachte die bisherige Regierungs foalition in die Minderheit. Sie verlor 19 Mandate. Aber auch eine andere Koalition konnte feine Mehrheit durch den Stimmzettel erreichen. Die drei Parteien der Rechten( einschließlich des sogenannten Wirtschaftsbundes) erzielten 29 Mandate, Rechtssozialisten und Demokraten zus sammen 30, während einer reinsozialistischen Koalition 31 Stimmen zur Verfügung standen. Die Gesamtzahl der Mandate beträgt 64.
Die Rechtssozialisten traten vier Wochen nach der Wahl an die U. S. P. wegen der Teilnahme an einer Koalitionsregierung mit ihnen und den Demokraten heran. Dabei wünschten sie zu wissen, ob die U. S. P. bereit sei, wenn sie nicht selbst an der Regierung teilnehmen wolle, eine Minderheitsregierung der Demokraten und Rechtss fozialisten parlamentarisch zu unterstützen. Das mußte die U. S. P. ablehnen. Die Rechtssozialisten verlangten sogar, daß dann in feiner Weise Kritit, auch nicht in der Presse, an dieser Regierung geübt werden solle. Jm übrigen handelte es sich um ein Scheinangebot, denn die Demokraten hatten den Rechtssozialisten bereits zehn Tage vorher schriftlich er flärt, daß sie an einer Regierung mit den Unabhängigen nicht teilnehmen könnten.
Die U. S. P. erklärte sich aber bereit, an einer reinSozialistischen Regierung teilzunehmen, die die stärkste Minberheit im Parlament bei allen denkbaren Koalitionen hinter sich habe. Das lehnten die Rechtssozialisten mit der bezeichnenden Begründung brüst ab, die Demokraten werden eine solche Regierung sofort zu Fall bringen, weil sie eine sozialistische Politik bekämpfen. Einer der bisherigen rechtssozialistischen Minister versuchte nun nahezu alles, um eine Koalitionsregierung mit der Rechten zustande zu bringen. Die Minderheit in der rechtssozialistischen Frattion für ein Zusammengehen mit der Stinnespartei wurde immer größer, zuletzt waren von den 26 Rechtssozialisten bereits 12 für und nur noch 14 gegen eine Koalition mit Stinnes. In diesem Zeitpunkte drückte der linke Flügel der S. P. D. endlich den Beschluß durch, das Angebot der U. S. P. auf Bildung einer reinsozialistischen Regierung anzunehmen.
In gemeinsamer Beratung famen die beiden Fraktionen dahin überein, daß die S. P. D. mit drei, die U. S. P. mit zwei Mitgliedern in dem neuen Ministerium vertreten sein solle. Die entgegenstehenden Behauptungen des Vorwärts" find Erfindungen. Allerdings sei festgestellt, daß unsere Medlenburger Genossen auch der Bildung einer reinsozialistischen Regierung illusionslos gegenüberstanden. Ihnen tam es nur darauf an, die Rechtssozialisten von ihrer Anlehnung an die Bürgerlichen loszulösen. Das gelang