Nr. 310
Steuergerechtigkeit
Im Kampf des Zentrums gegen den Sozialismus gewinnt immer mehr ein System des sogenannten christlichen Solidarismus an Bedeutung, das Sozialismus und Kapitalismus gleicherweise überwinden soll. Seine volkswirtschaftliche Grundlegung stammt von dem Jesuitenpater Heinrich Pesch , einem schriftstellerisch außerordentlich fruchtbaren Nationalöfonomen. Dessen Ansichten. über„ Die Frage der Steuergerechtigkeit", die ein Teil des solidaristischen Systems sind auf die das Zentrum also verpflichtet ist! hat kürzlich einer Jeiner Jünger( 5. Lechtape) in einer Broschüre zusammengefaßt, die in dem bekannten zentrumskatholischen Verlage Herder in Freiburg erschienen ist.
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Die Schrift geht aus von der Auffassung, daß die Anwendung fozial- fittlicher Postulate für eine gute Finanzwirtschaft erste Voraussegung" ist. Als Grundprinzip der Besteuerung gilt das ,, der verteilenden Gerechtigkeit", d. h., daß jeder nach dem Maßstab jeiner Leistungsfähigkeit steuern müsse". Vor allem darf der Staat ,, nur von einer bestimmten Grenze an von seinen Bürgern Steuern fordern", diese Grenze zieht das Existenz- Minimum. Dieses darf nicht gleichbedeutend sein mit„ Darbe- Minimum", im Gegenteil muß es auch für die„ unteren Klassen" Der erreichten Kulturhöhe" entsprechen und ein um mindesten menschenwürdiges Dasein" sichern.
Dieses Existenz- Minimum darf der Staat nicht antasten, es muß steuerfrei bleiben. Wessen Einkommen die Grenze des Existenz- Minimums nicht überschreitet, der kann nicht als steuerfähig angesehen werden
Besteuerung also nur des nicht für die notwendigen Bedürfnisse gebundenen Einkommens". Das freie Einkommen aber ist progressiv zu besteuern, wobei wiederum das„ fundierte"( aus Kapitalbesitz) höher zu besteuern ist, als das Arbeitseinkommen. ,, Vorbelastung des Kapitaleinkommens
dem Arbeitsein
fommen!" Verbrauchssteuern, die die wirtschaftlich Schwächeren stärker belasten als die Wohlhabenden", lassen sich grundsätzlich nur durch die Dringlichkeit des Bedarfes rechtfertigen, und auch nur dann, wenn durch entsprechende Vor= wegbelastung des Besitzes und der höheren Einkommenstufen ein gerechter sozialer Ausgleich geschaffen ist." Das„ zentrale Betätigungsfeld" der Besteuerung wird immer wieder in den drei großen direkten Steuern, den Abgaben aus Vermögen, Einkommen und Erbschaften" zu erbliden sein.„ Jedem ist das Seine nach seiner Leistungskraft zuzuerteilen, nicht mehr, nicht weniger."
Alle diese schönen Grundsäge zur Betörung der katholischen Arbeiter sind vom Zentrum in der politischen Praxis schnöde verraten worden. Bei der Einkommensteuer ist mit Zustimmung des Zentrums als steuerfreies Existenz- Minimum ein Betrag angesetzt worden, der geradezu blutiger Hohn auf die Ansichten des christ lichen Solidarismus wirkt. Rücksichtslos wird zur Zeit durch den 10prozentigen Steuerabzug vom Lohn ein unentbehrlicher Teil des für die notwendigen Bedürfnisse gebundenen Einkommens" Dom Staate tonfisziert. Die Verbrauchssteuern sind zu ungeheuerlicher Höhe gesteigert, ohne daß durch entsprechende Vorwegbelastung des Besitzes und der höheren Einkommenstufen ein gerechter sozialer Ausgleich geschaffen ist." In dieser Beziehung spricht die vor einigen Tagen im Reichsanzeiger" veröffentlichte Uebersicht über die Einnahmen des Reiches aus Zöllen, Steuern und Gebühren in der Zeit vom 1. April 1919 bis Ende Januar 1920 eine beredte Sprache. Die direkten Steuern erbrachten in dieser Zeit insgesamt 1365 Millionen Mart, davon die Kriegsabgabe 1918 1044, die Erbschaftssteuer 95, die Kriegsabgabe 1916 95, die Besitzsteuer 74 Millionen Mark usw. Dagegen wurden vereinnahmt aus der Kohlensteuer 1108, aus den Zöllen 852, aus der Tabat- und Zigarettensteuer 636, aus der Weinsteuer 388, aus der Zuckersteuer 151, aus der Biersteuer 125, aus der SalzSteuer 60, aus der Leuchtmittel- und Zündwarensteuer 52, aus der Mineralwassersteuer 51 Millionen Mark usw. Die Verbrauchssteuern übertrafen also im ersten Finanzjahr der Republik an Ergiebigkeit weitaus die direkten Steuern.
Die schlimmste Steuer- Ungerechtigkeit ist im republikanischen Deutschland Trumpf! Für das Zentrum, das für die Steuerpolitik des Reiches sein volles Maß von Verantwortung trägt, sind demnach die Grundsätze der steuerlichen Gerechtigkeit, wie sie der christliche Solidarismus vertritt, nichts als ein„ pofitives" Agitationsmittel gegen die sozialistische Bewegung. Dessen Wirkungsdauer wird aber um so enger begrenzt sein, je deutlicher
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Die schwere Stunde
Roman
von
Victor Panin
Nachdem sie fort war, lebte ich den ganzen Tag unter einem merkwürdigen Eindruck. Mitunter war ich von einer neuen Musik erfüllt, empfand ich eine unerklärliche Rührung, die sich in mächtigem, hellem Strome in meine Seele ergoß. Bisher mir unbekannte Saiten lösten ein göttliches Lied aus, und je mehr ich diesen Lauten horchte, umso mehr versant ich in einen mir unbekannten Rausch.
Aber diese Augenblide gingen vorüber und dann verfiel ich vollkommen der Macht beißender Vorwürfe. Das Herz frampfte sich zusammen, als würde es von Hunderten von Nadeln gestochen und die Brust wurde von einem so untröst lichen, nagenden Gram erfüllt, daß ich am liebsten die Augen geschlossen und wie ein Hund vor dem Tode geheult hätte, ich hätte mit dem Kopf an die Wand schlagen mögen und vor den Menschen, vor mir selber fliehen, solange unaufhaltsam rennen mögen, bis ich traft- und besinnungslos niedergesunken wäre.
Als Njussia an jenem Abend mich wie gewöhnlich liebkosen wollte, rannte ich, von Schrecken erfüllt, in mein Kabinett, -Sperrte mich dort ein und bebte am ganzen Körper. Es schien mir, als hätte ich sie, meine eigene Tochter, heute der UnSchulb beraubt.
Es vergingen einige Monate; der Mensch vergißt ja alles im Leben, so begann auch ich allmählich diese Episode zu vergessen, sie verblaßte einfach in meiner Erinnerung. Ich begann sie zu vergessen, dachte nicht mehr daran..
Dann fand ein Literaturabend statt und ich war mit meiner Frau zugegen. Ich glaubte, ich stand und unterhielt mich über etwas unbedeutendes mit einer Dame, als mich plöglich eine Unruhe, eine Erregung erfaßte, es erwachte in mir der unbezwingliche Wunsch, mich umzuwenden und zurückzubliden.
Als ich mich umwandte, sah ich in einigen Schritten Entfernung die vergessene, junge Besucherin, mit den sonderbar glänzenden Augen und dem traurigen Lächeln um den Mund. In einem eleganten Ballkleid bewegte sie sich auf mich zu, mir schon von ferne mit dem Kopfe zunickend.
Beilage zur„ Freiheit"
die soziale Ungerechtigkeit der Steuerpraxis des Zentrums offenbar wird. Zeit und Umstände arbeiten mit Hochdruck daran, sie zu enthüllen.
Gewerkschaftliches
In der Generalversammlung der Ortsverwaltung Berlin , des Verbandes der Sattler , Tapezierer und Portefeuiller, am 29. 7., wurde beschlossen, eine außerordentliche Generalversammlung mit der Tagesordnung: Stellungnahme zur Reichsarbeitsgemeinschaft abzuhalten. Kollege Gottschalt will das Referat übernehmen und der Zentralvorsitzende Koll. Blum soll aufgefordert werden, das Korreferat zu halten. Als Mitglied zum Zentralvorstand ist der Koll. Eichen mit 391 Stimmen gewählt, der Koll. Minn erhielt 207 Stimmen. Die Koll. Ogrodowski, Kazmierszak, Sieler und Lemte, wurden zu Revisoren der Hauptversammlung gewählt; der Koll. Blume einstimmig zum Leiter der Jugendabteilung. Zu Mitgliedern des Kuratoriums für den paritätischen Arbeitsnachweis sind die Kollegen Blume, Schröder, Kiehlmeyer, Hoffmann und Ernst Schulze gewählt worden, bei Sigungen wird der Bevollmächtigte der Ortsverwaltung oder sein Vertreter stimmberechtigt hinzugezogen. Als Ersagmitglieder wurden die Koll. Klose, Döhnert, Wolff, Muselmann und Münch bestimmt. Zur Regelung des Angestelltenverhältnisses hat die Vertrauensmännersizung beschlossen, der Generalversammlung vorzuschlagen, das Hilfskräfteverhältnis bis zum 1. Oktober bestehen zu lassen, inzwischen aber die Stellung eines 5. Angestellten der Ortsverwaltung auszuschreiben und ebenso eine kaufmännische weibliche Hilfskraft( perfette Stenotypistin) einzustellen. Nach sehr langer Diskussion wurde der Antrag auf Anstellung eines 5. Beamten abgelehnt, dagegen wurde die Anstellung einer kaufmännischen weiblichen Hilfskraft beschlossen. Ferner wurden folgende Anträge angenommen: Die auf dem Bureau beschäftigten Hilfskräfte bleiben bis zum 1. Oktober in Stellung. In Zukunft sind Hilfsfräfte, die erforderlich sind, aus den Reihen der arbeitslosen Funktionäre einzustellen; Hilfskräfte und Ortsverwaltungsmitglieder müssen mindestens 2 Jahre organisiert sein. Der von den Tapezierern in die Ortsverwaltung als Hilfskraft übernommene Kollege wird demzufolge, weil nicht 2 Jahre organisiert, zum 1. September gekündigt werden. Die Einstellung der Hilfskräfte soll der Ortsverwaltung überlassen werden. Koll. Weyher gab dann Erläuterungen zu dem Kassenbericht der Monate Mai und Juni, der gedruckt vorlag. Die Einnahmen für die Hauptkasse betrugen 104 907,70 M. und konnten 57 921,14 M. an die Hauptkasse abge= führt werden. Die Lokalkasse hat einschließlich eines früheren Bestandes von 95 389,18 M., eine Gesamteinnahme von 135 879,89 M., der eine Ausgabe von 41 455,55 M. gegenüberstanden. Am 30. Juni verblieb ein Bestand von 94 424,34 M. Es war am 30. Juni ein Mitgliederbestand von 6590 männlichen und 1148 weiblichen Kollegen.
Das Ergebnis der Wahl der Angestellten des deutschen Buchbinderverbandes( 3ahlstelle Berlin ) Insgesamt abgegebene Stimmen: 5496, ungültig: 42. Es erhielten Stimmen: Kaspar 4819, Rothe 4763, beide als Bevollmächtigte. 1. Kassierer Bitomsky 2614, 2. Kassierer Wöllner 2977. Leiter der Buchbinderbranche Czerny 4920. Leiter der Kartonbranche Triema 3470. Leiter der Lurusbranche Lüdecke 4878. 3 Sekretäre. 1. Sekretär Töpfer 4966, 2. Becher 4936, 3. Schaarschmidt 4883. Hilfskraft für die Kassengeschäfte Helene Müttermüller 2699.
welche schon seit Anfang der Revolution um ein menschenwürdiges Den Arbeitnehmern in der Darmbranche in den Stadtgeschäften, Dasein ringen, wird von Unternehmerseite in ihren Forderungen der heftigste Widerstand entgegengesetzt. Trotzdem gerade in dieser Branche vor und während dem Kriege ungeheure Gewinne erzielt wurden, wurden die produktiv arbeitenden Kräfte immer so ge= halten, daß sie das Existenzminimum taum zur Hälfte erreichten. Úm nun den wirtschaftlichen Forderungen einigermaßen gerecht werden zu können, haben sich die Arbeiter, von der Not gezwungen, an die Arbeitgeber gewandt und um Erhöhung der Löhne gebeten. Die Arbeitgeber sind in der Arbeitgebervereinigung im Darmhandel Groß- Berlin in einer festen Organisation zusammenge= schlossen und lehnen jede Lohnerhöhung brüst ab.
Sie stellen mithin an die Ehrlichkeit der Arbeiter die allerhöchsten Anforderungen und überlassen es denselben, mit 188 bzw. 123 M. Wochenlohn, von dem die Steuern und sonstige Abzüge abgehen, die Gewinne der Arbeitgeber mit zugeschnürtem Magen immer weiter steigern zu helfen.
Das Gewerbegericht wird hoffentlich für die Lage der Arbeiter ein besseres Verständnis haben.
Bauarbeiter. Die Bewegung der Stater hat vorläufig ihren Abschluß gefunden. Vor dem Schlichtungsausschuß Groß- Berlin tam folgender Vergleich zustande: Die Stater nehmen am 2. August die Arbeit auf, die Fahr- und Laufzeit und Fahrgeld
Ich weiß nicht, weshalb mich ein Schrecken erfaßte; ich mußte eine unmenschliche Anstrengung machen, um nicht zu schwanken und nicht umzufallen. Deutlich stürmte mir der Gedanke durch den Kopf, daß gleich ein schrecklicher Standal vorfallen und daß mein Name auf ewig geschändet sein werde. Ja,„ geschändet", gerade so dachte ich in dem Augenblicke, ich hielt ja soviel auf die öffentliche Meinung.
In Augenblicken der äußersten Gefahr kehrt die Kaltblütigfeit zu mir zurück, und hier kam mir ohne Ueberlegung, mehr durch Erleuchtung, dieser Gedanke.
Als sie dicht an mich herantrat und mir sogar die Hand entgegenstreďte, fehrte ich ihr langsam den Rüden zu.
Im nächsten Augenblid ertönte hinter meinem Rüden der durchdringende Schrei eines verwundeten Tieres, und ich hörte, wie etwas Weiches zu Boden fiel und einen dumpfen, Hohlen Laut hervorbrachte. Im Fallen berührte sie meine Schulter mit ihrer Hand. Als ich mich umwandte, lag sie schon in einem epileptischen Anfall; auf ihren schmerzlich zufammengepreßten Lippen traten Blasen von weißem Schaum hervor.
Ich fragte die Dame, die neben mir stand, indem ich auf die am Boden Liegende wies: ,, Wissen Sie, wer das ist?"
Dienstag, 3. August 1920
werden zunächst wie bisher bezahlt. Es tritt aber binnen einer Woche die Tariftommission wieder zusammen, um über§ 5 des Tarifvertrages eine endgültige Neuregelung im Einigungswege zu erreichen. Für den Fall, daß in dieser Kommission eine Einigung nicht zustande kommt, sind die Parteien verpflichtet, den Schlichtungsausschuß zur endgültigen Entscheidung anzurufen. Alle arbeitslosen Stater haben sich im Bureau zu melden.
Deutscher Bauarbeiter- Verband, Zweigverein Berlin . Fabritarbeiter! Bei der Asbestfabrit W. Reinhold, Reis nickendorf, ist es wegen tariflicher Differenzen und des provofatorischen Verhaltens der Firma dem Betriebsrat gegenüber zum Ausstand gekommen. Wir ersuchen Gummi- und Asbestarbeiter sowie organisierte Kollegen um strengste Solidarität. Verband der Fabrikarbeiter.
Groß- Berlin
Ausbeutung im Ledigenheim
Es sieht sehr schön aus, das Ledigenheim in der Waldenser Straße in Moabit . Es war auch ein guter Gedanke, der der Sache zugrunde liegt. Leider ist nun allem Anschein nach ein Geschäftsunternehmen daraus geworden, das einigen Herren gute Rebeneinkünfte abwerfen soll. Der e. V. Ledigenheim" hat sich mit einem e. V. ,, Soziale Arbeitsgemeinschaft" verbunden, weil, wie uns der Geschäftsführer angibt, der Eigentümer des Vereins„ Ledigenheim" alt geworden ist und die Sache nicht mehr selbst beherrschen kann. Die„ Soziale Arbeitsgemeinschaft" hat nun einen Inspektor und einen Geschäftsführer hingesetzt und für sie Dienstwohnungen eingebaut, von dem jede etwa neun Zimmerchen Mietraum wegnimmt. Der Herr Geschäftsführer, der nebenbei Pastor ist, läßt außer dem Gehalt von 6000 Mart, das er bezieht, seiner Frau 200 Mark monatlich für das Ver= teilen der Wäsche ausbezahlen, wie uns einer der Mieter versichert. Etwaige Ueberschüsse sind vertragsmäßig zwischen beiden Vereinen aufzuteilen. Aber selbst wenn feine vorhanden sein sollten, so sind doch, durch die Unterbringung einiger Leute aus der„ Sozialen Arbeitsgemeinschaft", die Verwaltungskosten so hoch, daß sie nur durch Bedrückung der Mieter eingebracht werden können. Und diese wird reichlich ausgeübt.
Die Schlaftäfige, die als Zimmer vermietet werden, sind so klein, daß einzelne Mieter ihren Stuhl auf den Schrank stellen müssen, um sich bewegen zu tönnen. Sie haben im Frieden 10 bis 12 Mart monatlich gekostet. Heute werden 25 bis 30 Mark verlangt. Licht und Heizung sind gesondert zu bezahlen. Für ein Bad werden 2 Mart verlangt. Bettwäsche wird alle sechs Wochen gewechselt. Dementsprechend gibt es auch reichlich Ungeziefer. Im Leseraum sind weder Bücher noch Zeitungen. Auch wird er, ebenso wie die langen Korridore, nicht beleuchtet. Solcher Annehmlichkeiten gäbe es noch mehr aufzuzählen. Und für all dies will der Herr Geschäftsführer den Mietspreis auf 65 Mart im Monat für jedes Kämmerchen hinauftreiben. Da die sogenannte Einrichtung der Zimmerchen nur aus fommißderben Gegenständen besteht( eiserne Bettstelle, Schrant, Tischchen und Stühle), glauben die Mieter, daß eine Steigerung von 50 C Prozent über dem Friedenspreis reichlich angemessen wäre. Das Mieteinigungsamt, das angerufen wurde, hat 100 Prozent, das sind 24 Mart, als Höchstsumme bestimmt. Trotzdem verlangt die Anstalt auch weiterhin 30 Mart und läßt die Ermäßigung nur für den einen Mieter gelten, der den Spruch veranlaßt hat. Ein Mieterausschuß oder Mieterrat wird nicht anerkannt. Seine Ankündigungen werden vom Schwarzen Brett heruntergerissen. Es sind also richtige Ausbeutermanieren, die da betätigt werden und für die die Firma„ Soziale Arbeitsgemeinschaft" trefflich past. wäre dringend erforderlich, daß die Gemeinnüßigkeit dieses Unternehmens überprüft wird und daß die Mieter, ents sprechend der Firma, auch Einfluß und Mitbestimmungsrecht in der Verwaltung dieses Unternehmens erhalten.
Anmeldung der Tumultschäden
Es
Das am 14. Mai in Kraft getretene neue Reichstumultschädengesetz verlangt, daß alle Tumultschäden, die seit dem 1. Nov. 1918 entstanden sind, neu angemeldet werden müssen..Das Gesetz bezieht sich sowohl auf den erlittenen Sachschaden als auch auf
verschwunden. Vielleicht ist es die beste und allernatürlichste Lösung der unnormalen Verhältnisse, die sich in legter Zeit zwischen uns eingestellt haben. Sowohl sie als ich fühlten ganz genau, daß es uns unmöglich wäre, zusammen zu leben. Sollten wir die unsaubere Prozedur der Scheidung beginnen? Wem und wozu dient all dieses ekelhafte Zeug, wenn unsere natürlichen Verhältnisse schon längst aufgelöst waren, wenn uns gar nichts mehr verband?
Mit einem ungewöhnlichen Genuß wühlen die Menschen wie Schweine im Schmug der persönlichen Verhältnisse der Mitmenschen, und mir scheint es, als sei die Scheidung gerade von dieser schmutzigen, menschlichen Neugierde geschaffen, und von dem Wunsche, sich immer in die persönlichen, intimen Angelegenheiten der anderen Menschen einzumischen.
Nachdem ich den Brief durchgelesen hatte, empfand ich meiner Frau gegenüber eine aufrichtige Hochachtung, daß sie so leicht und menschlich unser verwickeltes Verhältnis gelöst hatte und ohne Tränen, ohne Szenen, ohne Vorwürfe, das Haus verließ.
" Ich gestehe", schrieb sie, daß es mir schwer fällt, mich von Wowa zu trennen, ich liebe ihn zu sehr. Da ich scheinbar der schuldige Teil bin, so muß ich folglich auch die Strafe der Trennung tragen. Aber ich denke, du wirst mir doch nicht
" Das ist Olja, die Tochter des berühmten Malers Narsti." verbieten, Wowa zu sehen; was hätte ein solches Verbot auch
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Den 10. November.
Es ist fast ein Monat her, seit ich mein Heft nicht mehr berührt habe.
Es gibt Zeiten im Leben, wo man eine geheimnisvolle, unverständliche Macht fühlt, die einem auflauert und einen von allen Seiten umhüllt. Ringsum umgeben einen Reze, und man mag fich wenden, wohin man will, überall lauert einem das Unglück auf.
Der Mensch fühlt sich in der Lage eines gehezten Tieres, er will sich herausreißen, aber es gibt feinen Ausweg. Anfangs empört sich die Seele, sie protestiert, sie will gegen diese unbekannte, böse Macht anfämpfen, sie fordert das Schicksal heraus. Bald aber ermüdet sie, ihre Kräfte erschlaffen und der Mensch ergibt sich, indem er die Hände sinten läßt, der Macht des dunklen, schonungslosen Schicksals. Nun soll kommen, was da mag... sagt er mit einem bitteren Aerger in der Seele.
Erft hat meine Frau das Haus verlassen. Eines Morgens
hat sie der Wärterin einen kleinen Brief übergeben und ist
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für einen Sinn? Adieu, du bist doch ein guter Mensch, tch bin deiner nicht würdig.' was für Ich denke: ihr verbieten, Wowa zu sehen? ein Unsinn! Wem fönnte auch ein ähnlicher Gedanke in den Sinn kommen, und wozu? Soll sie ihn nur sehen, wieviel sie will, sie ist ja seine Mutter! Jst denn die Tatsache, daß sie nicht in demselben Hause mit mir lebt, ein Grund, ihr natürliches Gefühl, ihre Anhänglichkeit an das Kind zu bestreiten?
Es hat mir immer geschienen, daß die Kinder die Blumen im Leben seien. Der Mensch fann und darf an ihnen nicht ohne Lächeln, ohne Liebkosung vorübergehen, da jede Berührung mit dieser reinen findlichen Seele den beschmutzten Menschen reinigt. Die Kinder sind der freudige Lichstrahl Freude an Wowa zu haben? Wie kann denn dann die Mutter dieser Freude beraubt werden? Das wäre ja ungeheuer
lich, finnlos, und wofür würde ich einen Menschen so strafen?,
( Fortsetzung folgt.)