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Freitag, den 6. Auguft 1920
Nummer 316
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Morgen- Ausgabe
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greiheis
der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands
Solidarität für Sowjetrußland!
Aufruf zur Tat
Der zweite Kongres der Moskauer Internationale wendet sich mit einem Aufruf an die Proletarier aller Länder, in dem er zu Solidarischem Handeln mit Sowjetrußland auffordert. Der Aufruf weist eingehend auf die friedfertigen Vorschläge gegenüber Polen hin, die von den polnischen Imperialisten, angestachelt durch die Imperialisten der Ententeländer, mit einer groß angelegten militärischen Offensive gegen Rußland beantwortet wurde. Wenn Ruß land jetzt den polnischen Weißgardisten eine Atempause gewähre, ihnen die Möglichkeit gebe, ihr geschlagenes Heer wieder aufzu richten und mit Hilfe der Entente auszurüsten, so werde es morgen wieder gezwungen sein, Hunderttausende seiner Söhne für einen neuen Verteidigungskrieg an die Front zu schiden. Der Aufruf fährt dann wörtlich fort:
,, Arbeiter und Arbeiterinnen! Wenn das kapitalistische Gesindel der ganzen Welt von der Bedrohung der Unabhängigkeit Polens schreit, um einen neuen Feldzug gegen Rußland vorzubereiten, so müßt ihr eins wissen: Eure Sflavenhalter zittern, sie wissen, daß, wenn unter den Schlägen der Roten Armee das weißgardistische Bolen auseinanderfällt, die polnischen Arbeiter die Macht in ihre
Hände nehmen, es den deutschen , österreichischen und italienischen Arbeitern leichter fallen wird, sich von ihren Ausbeutern zu befreien, und daß ihnen auch die Arbeiter Englands and Ameritas folgen werden. Die Aufgabe der Proletarier aller Länder besteht darin, daß sie mit allen Kräften verhindern, daß die Regierungen Englands, Frankreichs , Italiens und Ameritas den polni schen Weißgardisten irgend welche Hilfe leisten.
Proletarier der Ententelände;! Es ist Eure Pflicht, an allen Orten und an allen Grenzen auf der Sut zu sein, darauf acht zu geben, daß kein einziger Zug, fein einziges Schiff mit Lebensmitteln oder Waffen nach Polen gesandt wird. Wo die Regie rungen und Privatkapitalisten auf Eure Proteste nicht hören, dort veranstaltet Streits und verhindert gewaltsam die Ausführung der Wünsche Eurer Regierungen. Auf keinen Fall aber dürft Ihr den polnischen Grundbesigern und Kapitalisten helfen, Eure Brüder zu
töten.
Deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen! Die Stunde ist gekommen, wo Jhr das in die Tat umsehen könnt, was Ihr in tausenden von Kundgebungen versprochen habt- Euch an die Seite Eurer russis schen Brüder zu stellen und zusammen mit uns für Eure Befreiung zu kämpfen! 3hr dürft es nicht zulassen, daß auf deutschem Boden irgendwelche Versuche gemacht werden, dem weißgardistischen Polen zu Hilfe zu kommen: gestattet teine neuen Anwerbungen von Söld. nern. Beobachtet sorgfältig alle Züge, die nach dem Often gehen, habt ein wachsames Auge auf alles, was in Danzig vorgeht..
Der zweite Weltkongreß der Kommunistischen Internationale fordert Euch auf: Geht auf die Straßen, zeigt Euren Regierungen, daß Ihr die Hilfe für das tapitalistische Polen und die Einmischung in Angelegenheiten Sowjetrußlands nicht zulassen werdet! Stellt jede Arbeit ein, wenn Ihr seht, daß die kapitalistische Clique aller Länder, trotz Eurer Proteste einen neuen Angriff auf Sowjetrußland vorbereitet! Laßt kein einziges Schiff, keinen einzigen Zug nach Polen durch, zeigt, daß die Solidarität des Proletariats nicht nur in Worten, sondern in Taten besteht!
Es lebe Sowjetrußland!
Es lebe die Rote Armee!
Nieder mit dem weißgardistischen Polen !
Es lebe Sowjetpolen!
Es lebe die Armee der Kommunistischen Internationale!
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Arbeiter schützen die Neutralität Ein Riesenschmuggel für Polen aufgedeckt ( Eigene Drahtmeldung der Freiheit".) Karlsruhe , 5. Auguft.
In Karlsruhe sind mehrere Züge mit Betriebsmaterial für Bolen angehalten worden. Auf Borstellung bei der Eisens bahndirektion in Karlsruhe erklärte ein Regierungsrat im Auftrage der Eisenbahnverwaltung, daß diese von der Reichsregierung ein Telegramm erhalten habe, aus dem ersichtlich sei, daß in den nächsten Tagen die Durchführerlaubnis für 200 Waggon Flugzeuge, 150 Waggon Fett und 100 Waggon Uni formen erteilt werde. Dieser Transport soll angeblich für die Tschecho- Slowatei bestimmt sein, was natürlich kein vernünftiger Mensch glauben tann. Die Eisenbahnarbeiterschaft weigert sich, Transporte für Polen durchzulassen und ist ges willt, die angekündigten Züge nicht zu transportieren.
DA. Basel, 5. Auguft.
Wie die Baseler Nachrichten" von unterrichteter Stelle er fahren, dürfte Frankreich in nächster Zeit den Bersuch stellen, Munition und Artillerie über Deutschland nach Polen gelangen zu laffen. Truppentransporte werden jedoch nicht beabsichtigt, da
man jeden Zusammenstoß mit der deutschen Arbeiterschaft vermeiden will und man genau weiß, daß Truppentransporte bestimmt aufgehalten werden würden.
Demonstrationen in Bukarest ( Eigene Drahtmeldung der Freiheit".)
Die Bukarester Sozialisten haben in den verschiedenen Stadtvierteln Bersammlungen veranstaltet, in denen sie gegen den Wunsch der Regierung, Rumänien in einen Krieg gegen Räterußland hineinzuziehen, protestieren.
Internationale Kampfbereitschaft Die englischen Transporter an die Danziger Hafenarbeiter
Die„ Sumanité" erfährt aus London , daß Robert Williams, Vorsitzender des englischen Transport= arbeiterverbandes und der internationalen
Transportarbeiterföderation, an die deutschen Transportarbeiter folgendes Telegramm gerichtet hat:
„ Wir begüdwünschen die Danziger Hafenarbeiter zu ihrer Weigerung, Munition für die polnische Reaktion auszuladen. Ich bebaure, daß englische Soldaten als Streits brecher verwendet werden. Die englische Trade- UnionBewegung hat beschlossen, zur direkten Aktion zu schreiten, um die Sendung von Waffen an die Feinde Ruhlands
zu verhindern."
Zunächst wird es notwendig sein, daß das Danziger Beispiel in Deutschland selber im gegebenen Augenblid Na ch= ahmung findet. Das Telegramm ist nicht an die deutschen Transportarbeiterorganisationen gelangt, anscheinend, weil die englische Postbehörde die Versendung verhindert hat. Das dürfte indes die Organisationen der deutschen Transportarbeiter nicht von der Verpflichtung zu einer Gegen äußerung entbinden.
Neue Erfolge der Rufsen
Die Bolen haben bisher die Einnahme von Lomsha und Brest - Litowst noch nicht offen zugegeben. Ihr gestriger Heeresbericht meldet aber Angriffe bei Ostrolenta und Ostrow . Beide Orte liegen füblich von Lomsha an der Bahnlinie, die von Ortelsburg nach Siedlez führt. Dabei ist es von Wichtigkeit, daß der russische Heeresbericht vom 4. August, 10 Uhr abends, die Besetzung von Ciechanowice und Mesewjezt meldet und von Kämpfen berichtet, durch die der Widerstand der Polen bei Sjeblez gebrochen worden sei. Die Richtigkeit dieser Meldung vorausgesetzt, würde bedeuten, daß die Sowjettruppen den Bug auf breiter Front überschritten haben Vormarsch wird Warschau von den Haupteisenbahnlinien, die nach und geradenwegs auf Warschau losmarschieren. Durch diesen Südpolen führen, abgeschnitten. Den Polen scheint das Glüd nur bei Lemberg hold gewesen zu sein. Sie melden die Wiedereroberung Brodys. Wir registrieren nachfolgend die wichtigsten Meldungen:
TU. Paris, 5. August. Die heutige Morgenpresse rechnet mit absoluter Bestimmtheit mit der Einnahme Warschaus durch die Rätetruppen, und nimmt zu diesem Ereignis im voraus Stellung. Der„ Matin" schreibt: Lloyd George warnte die russische Regierung, daß ein Friede zwischen England und Rußland unmöglich set, wenn der Waffenstillstand mit Bolen nicht geschlossen werde. Die französi sche Regierung beschäftigt sich weiter sehr angestrengt mit der europäischen Situation, die aus der Einnahme von Warschau entstehen könnte.
Eine weitere Meldung des Matin" aus London sagt: Mehrere bolfchemistische Divisionen haben den Gereth in breitester Front überschritten. Die polnischen Truppen ziehen sich aus Lemberg zurüd. Die polnische Seeresleitung beabsichtigt, Lemberg zu räumen, dagegen die Festung Brzemysl mit allen Kräften zu verteidigen. Die polnische Nordfront ist bis auf 50 Kilometer an Warschau herangerüdt. In Warschau herrscht ausesprochene BanitStimmung. Die wohlhabenden Kreise flüchten nach Lodz und Betritau.
Frankreich als Retter Polens Paris , 5. Auguft. Paderewski hat erklärt, daß Lloyd George in Spaa gegenüber dem polnischen Ministerpräsidenten Grabsti eine andere Sprache geführt habe, als Bonar am bies in englischen Unterhause getan habe. Grabsfi habe in Spaa die schriftliche Er flärung erhalten, daß Großbritannien Bolen helfen werbe und daß seine Gristenz innerhalb der Bolen aufgezwun genen Grenze gesichert werden würde. Paderewsti fragt: Wer hilft uns in diesem Augenblid? Ich fann sagen, nur Frankreich .
Ernste Lage
Der Reichstag ist gestern nach der Durchpeitschung des Ente waffnungsgesetzes in die Ferien gegangen, obwohl man nach den bedeutsamen Erklärungen des Ministers Simons über die äußere Politik hätte annehmen dürfen, daß die Abgeord neten ihr Ferienbedürfnis zügeln und beisammen bleiben würden. Die Fraktion der Unabhängigen Sozialdemokratie teilte denn auch sofort dem Präsidium ihr Verlangen mit, daß der Reichstag in einem solchen fritischen Moment nicht auseinanderlaufe, sondern einstweilen solange zusammenbleibe, bis die außenpolitische Situation völlig geflärt sei. Diese Forderung fand aber bei den Abgeordneten der bürgerlichen Parteien so wenig Gegenliebe, daß nicht einmal beschlossen wurde, die wichtigsten Ausschüsse tagen zu lassen.
Recht bezeichnend sind die Gedankengänge, die für die Ablehnung des Vorschlags der Unabhängigen maßgebend waren. Man müsse, so hieß es, mit einem Generalstreit der gesamten deutschen Eisenbahner rechnen, wenn die Entente tatsächlich Anstalten treffen sollte, die deutsche Neutralität zu verlegen und Truppen durch deutsches Gebiet nach Polen zu senden. Andererseits halte man auch einen in Einmarsch bolschewistischer Truppen Deutschland für feineswegs unwahrscheinlich, wenn die deutsche Regierung auch nur die geringste Verlegung der deutschen Neutralität zulassen sollte. Ueber Nacht könnte dann Deutschland zum Kriegsschauplah werden, und deshalb hielten es die Herren Abgeordneten für besonders notwendig, Schleunigst Berlin zu verlassen und sich daheim in Sicherheit zu bringen.
Es ist begreiflich, daß selbst in der bürgerlichen Bresse gegen diese Würdelosigkeit der bürgerlichen Parteien Protest erhoben wird, die in einer so fritischen Situation auseinanderlaufen und genau wie die Parteien des alten Reichstages der Regierung freie Hand für die wichtigsten Entscheidungen las sen. Es ist unbegreiflich, schreibt Herr E. Dombrowsti im ,, Berliner Tageblatt", daß der Reichstag in denselben Fehler verfalle, wie fein Vorgänger aus der vorrevolutio nären Zeit, und aus Saumseligkeit und Ruhebedürfnis immer dann nicht versammelt sein wolle, wenn Deutschlands Schickfal auf dem Spiele stehe. Das ist ja gerade das Elend der deutschen bürgerlichen Politik, daß sie weder Charakterfeſtigs feit, noch genügend Verantwortlichkeitsgefühl hat, um ents scheidend auf den Gang der inneren und äußeren Ereignisse einwirten zu wollen. Die bürgerlichen Parteien trifft deshalb in erster Linie die Verantwortung, daß das deutsche Volt in den nächsten schicksalsschweren Wochen nicht die Möglichkeit haben wird, eine Kontrolle über die Handlungen der Regierung auszuüben, und daß diese Regierung selbst dem Ausland gegenüber nicht von der Autorität der Volksvertretung unterstützt wird auftreten fönnen. Abgesehen von der Beeinträchtigung des politischen Ansehens Deutschlands , wird eine solche Situation den ihr Unwesen treibenden militärisch- junterlichen Cliquen in größerem Maße als sonst Gelegenheit geben, ihren abenteuerlichen Plänen nachzujagen und die Regierungspolitik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Umsomehr wird es nun Aufgabe der Arbeiter flasse sein, auf das sorgfältigste über alle Ereignisse zu wachen, um durch ihre berufenen Organe die schärfste Kontrolle über die innere undäußere Polis tit in die Hand zu nehmen.
Der Ernst der gegenwärtigen Situation beruht vor allem barin, daß das Richtzustandekommen des russisch - polnischen Waffenstilstandes und der unaufhaltsame Vormarsch der rus fischen Armeen, die die polnische Hauptstadt und die Ueberreste des polnischen Heeres mit der Kapitulation bedrohen, bei den Ententemächten, vor allem bei Frankreich , jenen Kreisen mehr und mehr Oberhand verschaffen, die auf einen neuen Krieg gegen Rußland hinarbeiten und zu diesem 3wed auch nicht davor zurüdschreden wollen, durch Verlegung der deutschen Neutralität Deutschland in den Strudel des Krieges hineinzuziehen. Mit bewußter Absicht wird der Sowjetregierung unterstellt, daß fie gar feinen Frieden wolle, sondern lediglich die Absicht habe, Polen zu überrennen, um als Eroberer in Westeuropa einzudringen und den Völkern gewaltsam die bolfchewistische Gesellschafts verfassung aufzuzwingen. Mit diesem Schreckmittel arbeitet vor allem die französische Presse, sie findet aber auch Widerhall in England und in Deutschland , wo an die rückständigsten Klasseninstinkte des Bürgertums appelliert wird, um die heiligsten Güter der Kultur" vor der sich heranwälzenden roten Flut zu schützen.
In England steht man dem von den französischen Militaristen und der mit ihnen verbündeten Finanzclique gepredigten Kreuzzug gegen Sowjetrußland im allgemeinen ablehnend gegenüber. Man hat an den Mißerfolgen genug, die die englische Politif mit ihren Experimenten und Interven tionen in Sowjetrußland erlitten hat. Man will die Millio nen nicht unnük aus dem Fenster hinauswerfen, sondern ist vielmehr bestrebt, in regelrechte geschäftliche Verbindungen mit Sowjetrußland zu treten, das als Rohstofflieferant und Warenabnehmer für die englische Industrie unentbehrlich ist. Man muß endlich auch mit der steigenden Opposition der eng