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Sonnabend, den 7. August 1920

Nummer 318

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Morgen- Ausgabe

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greiheis

Berliner Organ

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Tage der Spannung

Bedrohung der deutschen

Neutralität

DA. Berlin. 6. Munut.

Wie der Dena" aus zuverlässiger Quelle berichtet wird, haben bie Alliierten bei den deutschen Geschäftsträgern in Paris und London sowie durch ihre eigenen Vertretungen in Berlin wieders holt Anregungen in bem Sinne gegeben, die deutsche Regierung an einer Besprechung über die Frage der Durchlassung von

Auslande über die internationale Lage ausreichend unter­richtet ist, dürfte am allerwenigsten darüber im 3wiefel sein, daß eine derartige Haltung den Frieden mehr gefährden als fördern müßte, und nur den Kriegstreibern in Frankreich und England willkommen sein würde. Wir sind umso eher be­rechtigt, die Richtigkeit dieser Meldung in weifel zu ziehen, als es in ihr zum Schluß heißt, daß die Sowjetregierung nach wie vor bereit sei, die Unabhängigkeit Volens zu ga rantieren und ihm günstige Grenzen zu gewähren.

interalliferten Truppentransporten für Boten Die polnisch- russischen Verhandlungen

einzuladen. Unter Hinweis auf die deutsche Neutralitätserklärung, die eine Zulassung von Truppentransporten selbstverständlich völlig ausschließt, hat die Reichsregierung derartige Aufforderungen un zweidentig abgelehnt.

Die Alliierten versuchen nun, den Friedensvertrag dazu zu be nagen, eine birefte Auseinandersegung in diefer für sie hochwich tigen Frage mit Deutschland zwangsweise herbeizuführen. Der beutsche Geschäftsträger in Paris, Dr. Mayer Kaufbeuren, wurde in das französische Minifterium des Aeußeren gerufen und ihm eröffnet, die Alliierten hielten es für nötig, Deutschland auf die unbedingte Forderung der Alliierten in Bezug auf die Durch laffung von Truppen und Munitionstransporten hinzuweisen.

London , 6. August.

Morning Boft" meldet, daß sich eine polnische Delegas tion mit Bollmachten zum Abschluß eines Friedensvertrages mit den Bolschewisten am 5. dieses Monats nach Minst begeben habe.

Warschau , 6. August.

,, Kurjer Warszawski" berichtet, daß das Kabinett gestern den ganzen Tag über die dem bollchemistischen Friedensvorschlag ges genüber einzunehmende Stellung beraten hat. Es wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, die Entsendung von Friedensdele gierten von der vorherigen Antwort der Bolschewisten auf die pol nischen Bedingungen, welche der Sowjetregierung in einer be­fonderen Rote übermittelt werden sollen, abhängig zu machen.

Die englisch russischen Verhandlungen Diese Bedingungen sollen wie folgt lauten:

Amsterdam , 6. Auguft.

Bet seinen gestrigen Ausführungen über die russisch- polnische Frage im Unterhause sagte 21ond George u. a. noch: Bisher jei teine Antwort der Sowjetregierung auf das Telegramm vom 29. Juli über die Londoner Konferenz eingegangen. Doch höre er Joeben, daß Kamenem ein Telegramm der Sowjetregierung empfangen habe, über das er wahrscheinlich eine Mitteilung machen werde. Ueber den Inhalt des Telegramms sei indessen nichts befannt. Ueber die Zusammenkunft mit den Sowjetdele­gierten Jagte Lloyd George : Er und Bonar Lam hätten Rame new und Krassin flar gemacht, daß die Forderung der Sowjet­regierung, zugleich mit der Beratung der Waffenstilstandsbedin gungen auch den Frieden zu erörtern, und in Berbindung damit der beschleunigte Vormarsch der Sowjetarmee auf Warschau not­wendigerweise den Verdacht erwede, daß die Sowjetregierung bei bem von ihr geäußerten Wunsch nach Frieden und bei ihrer Er­flärung, daß fie beabsichtige, die Freiheit und Unabhängigleit Bolens zu achten, nicht aufrichtig sei, und daß dieser Ber­dacht durch die lange Verzögerung in der Beantwortung des eng­lischen Telegramms vom 29. Juli verstärkt worden sei. Sie hätten ferner darauf hingewiesen, daß der sofortige Abschluß eines Waffenstillstandes zu billigen Bedingungen das einzige Verfahren fei, welches geeignet sei, diesen Verdacht zu zerstreuen. Mit Rüd­ficht auf die Tatsache, daß die Sowjettruppen in das etnographische Bolen eingerüdt seien, würde die englische Regierung wirksame Schritte tun, um die Hindernisse zu beseitigen, die der Durchsen­bung von militärischem Material aus Danzig nach Polen im Wege Steben.

London , 6. Auguft.

Daily Expreß " behauptet, zu wissen, daß Lloyd George gestern Krassin und Kamenew mitgeteilt habe, es feien Befehle über Wiederaufrichtung einer neuen Blodabe an die britischen Seeftreitkräfte ergangen. Nach dem Daily Herald" hat das Geschwader in der Nordsee den Befehl erhalten, nach dem Balti schen Meere in See zu gehen.

Die Antwort der Sowjetregierung

London , 6. Auguft.

Die Antwort der Sowjetregierung ist hier eingetroffen. In der Antwortnote wird, wie verlautet, gesagt, die Bolschewijten tönn. ten im Augenblid ihre Operationen gegen Bolen nicht aufgeben. Sie seien der Ansicht, daß sowohl aus mili tärischen als auch rechtlichen Gründen der Vormarsch ges rechtfertigt lei. Sie erklärten sich bereit, die Berhand. Inngen über einen Waffenstillstand und den Friedensvertrag aufzunehmen, sobald polnische Delegierte in Minst einge troffen feien und sobald sie den Beweis dafür hätten, daß diefe Des Tegation bie erforderlichen Bollmachten befize, um über den Frieden zu verhandeln. Die Sowjetregierung erklärt sich außerdem bereit, bie volle Unabhängigkeit Bolens zu garantieren unb Polen ginkige Grenzen zu gewähren. Die Somjet regierung wolle mit Bolen über einen Separatfrieben vers handeln. Die Sowjetregierung erflärt ferner, bas Krassin und Kamenew Bollmachten hätten, den Frieden abzuschließen. Die Sowjetregierung weigert sich jedoch, den Vertretern der Rand taaten Zutritt zu den Friedensverhandlungen zu geftatten. Man wird das Urteil über die Antwort der Sowjets regierung zurüdstellen müssen, bis ihr authentischer Text vorliegt. Nach der bisherigen Haltung der Sowjetregierung gegenüber Polen erscheint es einigermaßen zweifelhaft, daß fie nun dem Abschluß des Waffenstillstandes und der Ein­leitung der Friedensverhandlungen Schwierigkeiten in den Weg legt, um den Vormarsch gegen Warschau fortsetzen zu fönnen. Die Sowjetregierung, die durch ihre Vertreter im

1. Anerkennung ber Souveränität bes polnischen Staates, 2. Berpflichtung der Sowjetregierung, fich in die inneren An­gelegenheiten Polens nicht einzumischen.

Der ursprüngliche Blan, die Friedensdelegation sofort nach Minst zu entfenden, ist fallen gelassen worden.

Der Widerspruch zwischen den beiden Meldungen ist so eklatant, daß man annehmen muß, die polnische Regierung habe zwar am 5. d. M. die Delegation nach Minst abgesandt, aber gleich darauf wieder nach Warschau zurücgerufen.

Arbeiter gebt Acht!

Betriebsräte und Betriebsobleute aller Industries und Verkehrsgruppen Groß- Berlins

Die glänzende Reichswehr

In dem Gesez für die vorläufige Regelung bes Reichs. haushalts sind die Unkosten für das zukünftige Hunderts taufend- Mann- Heer in Bausch und Bogen zusammengestellt morden. Es werden insgesamt für das laufende Etatsjahr 2% Milliarden Mart angefordert. Eine eingehende Kritik über die Verwendung der angeforderten Summen ist nicht möglich, weil eine genaue Gliederung der Truppenteile durch die Verteilung der Kräfte auf dieselben dem Gesetz nicht beigefügt ist. Es ist bei unserer Reichswirtschaft nach dem Grundfag verfahren worden: auf ein paar Millionen, vielleicht auch Milliarden mehr oder wes niger fommt es nicht an. Die Hauptsache ist, daß das Hun berttausend- Mann- Heer seinen 3med erfüllt. Nach den Zah

er idhelmen bie 3wede pieses Heeres etwa folgende zu ſein:

1. Eine Versorgungsanstalt für Offiziere, insbes fondere für alte ergraute Offiziere; 2. ein Verein von Soldaten, der sich hauptsächlich die Pflege des Unteroffi­zierſtandes zur Pflicht gemacht hat; 3. eine Anstalt, die neben einigen militärischen Uebungen hauptsächlich die Angehörigen für alle übrigen nühlichen und unnüglichen Tätigkeiten im menschlichen Leben vorbildet; 4. eine Vereinigung für hip­pologische 3 mede, bei der die Mitglieder sich nicht nur reiterlich betätigen, sondern sich auch zur Hebung der Pferde­zucht als Pferdehändler ausbilden fönnen; 5. eine Ber­waltungsmaschine, in der mehr Papier verschrieben wird, als die ganze Reichswehr wert ist; 6. durch ihren ganzen Aufbau und ihre Betätigung dem Bolte den Nachweis zu führen, daß man besser heute wie morgen dieses Söldner­institut aufhebt und es durch einen aus dem Arbeitsverhält nis hervorgehenden Ordnungsjchus erlegt,

Betrachten wir zuerst die 3 ahl der Offiziere im Verhältnis zur Mannschaftsstärke. Das Hunderttausend­Mann- Heer soll sich aus 4000 Offizieren und 96.000 Unter­offizieren und Mannschaften zusammensetzen. Die Streit macht braucht allein 4 Bollgenerale und 14 Genes ralleutnants. Dabei hat man wahrscheinlich nur an die schönen Uniformen gedacht, die diese Herren tragen. Die Uni­formen sollen anscheinend konserviert werden. Es wäre aber viel besser, die Reliquien im 3eughaus der Nachwelt zu erhalten. Denn welche verschiedenen Armeen die Generäle in einem zufünftigen Krieg führen sollen, ist noch nicht be­fannt. Weiter sieht der Etat 36 Generalmajore vor. werden die einzelnen Glieder sich schließlich so im Wege stehen, 10 hätten sicherlich auch genügt. Bei der Fülle dieser Charge daß man jährlich sicher ein Viertel als überständig verabs schieden muß. Insgesamt haben wir bei der Reichswehr 54 Generäle, b. h. so viel, daß auf 1800 Soldaten 1 General entfällt.

Die imperialistischen Anschläge gegen Sowjetruhland treten immer deutlicher zutage. Täglich laufen neue Wels bungen ein über Waffen- und Munitionstransporte, die von der Arbeiterschaft, von den Eisenbahnern angehalten werden. Aus den belegten Gebieten werden Truppentonzenziere und 205 Oberstleutnants. Wenn der Herr trationen gemeldet. Die Entente und ganz besonders Frankreich - wird ihre Pläne dann mit Macht durchzubrüden versuchen, wenn ihre Borbereitungen diefe Möglichkeit zu laffen. Dann ist es notwendig, daß nicht nur hier und dort einzelne Transporte angehalten werden, sondern daß die Be triebsräte in allen Industrien planmäßig die Fabrikation und den Transport von Waffen und aller Art Kriegsmaterial schärftens tontrollieren. Die Betriebsräte der Eisen bahn haben darauf zu achten, daß jeder Zug kontrolliert wird. Es werden auch Züge unter einem falschen Bisum burazu Schmuggeln versucht, hier ist ganz besondere Aufmerksamkeit am Blaze.

Die Betriebsräte der Speditionsbetriebe und des Berkehrs überhaupt haben alle Güter, die zu transportieren find, vorher genau zu prüfen.

Die Betriebsräte der Drudereien haben acht zu geben auf die Drudiachen, die hergestellt werden, speziell auch Auf­rufe, Flugblätter und dergleichen. Die Auftraggeber ver­dächtiger Druderzeugnisse sind schnellstens festzustellen.

Die Betriebsräte der Metallindustrie und anderer Industriegruppen haben darauf zu achten, ob und welche Kriegsmaterialien hergestellt werden.

Die Betriebsräte der Lebensmittelindustrie, ganz besonders des Großhandels, müssen ihren Ges schäftsgang genau beobachten.

Alle Wahrnehmungen, die irgendwie darauf schließen laffen, daß es sich um Lieferungen an Bolen und damit um Attionen gegen Sowjetrußland handelt, find sofort der unter. zeichneten Körperschaft mitzuteilen.

Arbeiter, Arbeiterinnen, Angestellte und Beamte! Seib euren Betriebsräten bei allen Feststellun gen behilflich und bedenkt, daß, wenn es nicht gelingt, die auch von der deutschen Regierung proflamierte Neutralität zu erzwingen, Deutschland Kriegsschauplat wird. Segt Der Solidarität der Ausbeuter die Solidarität der Ausgeben. teten entgegen! Kämpft für die Aufrechterhaltung der Nens tralität! Berhindert jede Unterstützung der neuen Kriegs­treiber! Die provisorische Zentrale der Betriebsräte Groß- Berlin, Münzstraße 24.

Karl Bollmerhaus Rich. Müller Borfizzende

Zu den 54 Generälen fommen dann noch 795 Stabsoffis Reichswehrminister die Entente nicht auf dumme Gedanten bringen will, wäre es gut, eine nähere Erläuterung dafür zu geben, wozu die vielen Stabsoffiziere gebraucht werden. Auf netto 120 Mann tommt nämlich ein Grabsoffizier. Ohne an den Vorzügen dieser Herren irgendwie rütteln zu wollen, erscheint uns dieses Verhältnis denn doch ein bißchen zu auf­fällig. Die Futtertrippe der Reichswehr ist zwar ziem lich groß. Wenn aber jeder Stabsoffizier einen richtigen Happen wegschnappen will, fann es bei der Fütterung sehr leicht zu einem peinlichen Gedränge fommen.

Der Etat, beschenkt uns dann weiter mit 1058 Haupt. Ieuten. Das Zahlenverhältnis tritt hier noch frasser in die Erscheinung, als bei den Stabsoffizieren, denn wenn an 240 Mannschaften 2 Stabsoffiziere herumdrillen, so kommen auf einen Hauptmann nur 90 Soldaten, dem außerdem noch 2 Leutnants zugeteilt werden, falls der Herr Haupt­mann mit seinen Leuten in 12 Jahren nicht ganz fertig wer den sollte. Es ist schwer, über diesen Offiziersandrang feine Satyre zu schreiben. Für die Webergangszeit, d. h. bis zum 1. Januar 1920, treten dann noch 2475 Offiziere hinzu, jedenfalls, um sich gegenseitig auf die Hühneraugen zu treten. Es wird ein furchtbarer Konkurrenztampf ents brennen, der uns noch allerlei angenehme Ueberraschungen bescheren fann.

An einer Stelle des Etats famen wir auf den stillen Bere dacht, daß man die Gegner in einem zukünftigen Kriege nicht mit Handgranaten, Gasgranaten, Gewehrtugeln und andern mörderischen Instrumenten belämpfen will, sondern mit dem Fidelbogen oder sonst einem Musikinstrument. Eine andere Erklärung läßt sich für die 109 Obermufifmeister schlechterdings nicht finden. Sehr stattlich ist auch das Seer von Feuerwerkern, 3eugfeldwebeln, Schirrmeistern, Brief= taubenmeistern usw. Welcher Beschäftigung diese Leute nach gehen sollen, ist uns schleierhaft. Jedenfalls rechnet man in ber Umgebung des Reichswehrministeriums damit, jährlich mindestens ein Dugend Revolutionen niederzuschlagen. Auf

Und nun die Front- Unteroffiziere! 96 000 Köpfe entfallen 16 413 wirkliche Unteroffiziere, alſo auf noch nicht 5 Mann einer. Doch auch diese Rechnung ist nicht ganz richtig, denn es heißt in den Erläuterungen, daß die Zahl der Unteroffiziere einer Formation das Dop pelte der planmäßigen Gesamtstärke der ein zelnen Dienstgrade( Oberfeldwebel, Unterfeldwebel, Unter offiziere ) betragen darf. Die überplanmäßigen Unteroffis