Einzelpreis 30 Pfg. 3. Jahrgang

Sonnabend, den 14. August 1920

Nummer 330

Morgen- Ausgabe

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Freiheit

Berliner Organ

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Ein Ultimatum der englischen Arbeiter Frankreichs Schlingen

fagt Lloyd George , daß die englischen Arbeiter der öffentlichen handlungen seitens Rußlands mit England und Polen bestehen.

Drohungen mit dem Generalstreik Meinung in Rußland farmachen werden, daß sie auf ehrliche Ver­

London, 13. Auguft.( Reuter.)

Die Arbeiterkonferenz hat in der ruffisch- polnischen Frage den Bollzugsrat ermächtigt, einen Allgemeina uskand Beginn der Minsker Berhandlungen zu verkünden, falls die Regierung General Wran gel unterstügen oder Sowjet- Ruhland in irgend einer Form angreifen follte.

Im englischen Unterhaus hat eine Konferenz von

Bertretern der Gewerkschaften, der Ar= beiterpartei und der parlamentarischen Ara beitervertretung stattgefunden, die wohl als eine der wichtigsten seit dem Bestehen einer Arbeiterbewegung in Eng­land bezeichnet werden fann. Die Konferenz besprach die gegenwärtige Lage, deren große Gefahren sie erkannte, und fie beschloß eine Politik der vollständigen Arbeits niederlegung für den Fall, daß der Versuch gemacht werden sollte, England in einen Krieg zu stürzen. Es wurde weiter mit großer Klarheit festgestellt, daß dieser Beschluß auch dann in Kraft treten solle, wenn die Blockade erneuert werde. Die Arbeiterschaft werde das nicht zugeben, ebenso wenig wie fie erlauben werde, daß die Marine gegen Rußland mobilisiert werde oder das England in Friedensverhand­lungen zwischen Rußland und Polen interveniere.

Die Resolution, die angenommen wurde, hat folgenden

Wortlaut:

Diese vereinigte Konferenz, die im Trades Union Kongres die Labour Party und die parlamentarische Labour- Party vertritt, empfindet es als sicher, daß Krieg zwischen den alli ierten Mächten und Sowjetrußland wegen Polen droht und erklärt, daß solcher Kriegein nicht zu duldendes Verbrechen gegen die Menschheit sein würde. Sie warnt deshalb die Regierung, daß die ganze in dustrielle Macht der organisierten Arbeiter angewendet werden wird, um diesen Krieg zu befämpfen.

Die Exekutivkomitees der angeschlossenen Organisationen

über das ganze Land werden aufgefordert, sich bereit zu halten, um sofort nach London zu einer nationalen Konferen zu eilen. Es wird ihnen geraten, ihre Mitglieder auf die Instruktionen einer solchen nationalen Konferenz hin zu der Arbeitsniederlegung zu veranlassen.

Ein Attionsrat soll sofort tonstituiert werden, um die Schritte zu unternehmen, die nötig werden können, um die genannten Beschlüsse in die Tat umzusehen."

Die Konferenz wählte alsdann 15 Mitglieder, die bas Recht der Zuwahl haben, und gewissermaßen als General­It ab fungieren. Sie halten Sigung in Permanenz, lo lange die Krisis dauert, und sie treten sofort in direkte Berhandlungen mit Kamenew und Krassin auf der einen und dem polnischen Gesandten auf der anderen Seite.

Unmittelbar nachdem das Ultimatum der Ar= beiter herausgegeben war, trat das Kabinett zu einer Sigung zusammen, und es wurde ein Zusammentreffen des Attionsfomitees mit Lloyd George für den folgenden Tag ver einbart.

Das entschiedene und entschlossene Auftreten der Arbeiter­nertreter hat einen gewaltigen Eindruck beider Regierung sowohl wie im Lande gemacht. Man fühlt, baß hier eine Macht auftritt, die stärker ist als die Regierung, denn sie stützt sich auf die Massen des Boltes, ohne deren Tätigkeit das wirtschaftliche Leben zusammen­bricht, und sie fönnen über diese Massen gebieten, weil in der Entscheidung über die Frage Krieg oder Frieden" die mo­ralischen Qualitäten auf ihrer Seite find.

Zusammengehen der englischen und französischen Arbeiter

EN London, 18. Auguft. Die Nationalfonferenz der Delegierten der englischen Gewerk schaften femmen brute in London zusammen. Es wird ein Vor fchlag auf die Tagesordnung gebracht werden, eine Abordnung ber englischen Arbeiter nach Paris zu senden, um die französischen Arbeiter zu bitten, baran mitzuwirken, baß lein Mißverhändnis zwischen ben englischen unb franzöfifchen Arbeitern aufkommt. Ein weiterer Bunkt enthält die Forderung, baß England nicht in einen Krieg zwischen Frankreich und Rußland hiueingezogen werben darf.

Lloyd George an die englischen Arbeiter

SR. London, 13. August. Lloyd George hat an das Attionstomitee der Arbei. terpartei einen Brief über die Lage zwischen Rußland und Bolen geschrieben. Darin heißt es zum Schluß, daß die Aussichten auf einen Frieden zwischen Rußland und England von der Art hes Friedens abhängt, der mit Bolen suftande kommt. Ich hoffe,

London , 13. Auguft. Reuter erfährt, die polnisch- russische Waffenstillstands­fonferenz würde am 14. Augustin Minst beginnen.

Die Schuld an der Verzögerung der Berhandlungen

( Eigene Drahtmeldung der Freiheit".)

Paris , 13. Auguft.

Die russische Regierung hat an den Vertreter in London , Ka­menem, folgenden Funtspruch gerichtet: An allen Berzöge rungen find die Polen su Id. Unsere Antwort vom 7. Auguft wurde am selben Tage funtentelegraphisch nach Warschau über­mittelt. Die Warschauer Funtenstation verweigerte zuerst die Abnahme diefes Funtspruches. Später bestätigte sie jedoch dessen Empfang. Am 9. August warteten die russischen Vertreter bei Siedlce vergebens auf die polnische Delegation. Diese war in Siedlce nicht anwesend. Am 10. Auguft schickten unsere Vertreter Automobile nach Siedlec. Man erklärte ihnen jedoch, die Dele gation sei noch nicht eingetroffen. Als unmittelbar danach bie Rote Armee Siedlce einnahm, fand sie dort die Delegation. Später ftellte es sich heraus, daß es nur ein Teil davon war. Sie erklärten, fie feien nur zur Information gekommen und schlugen vor, daß die Delegation am 14. Auguft die Frontlinie überschreiten solle. Wir gingen sofort auf den Vorschlag ein. Die Bolen nd deshalb allein an der Verzögerung schuld. Unsere Mostauer Funkenstation achtet fortgefekt auf den Warschauer Funtendienst, aber die dortige Funtenstation läßt nichts von sich hören. Auch auf Anruf antwortet sie nicht. Die britische Regierung soll darauf be­stehen, daß die Sabotage des Funkendienstes von Warschau aus ein­geftellt wird.

Hilferufe Hilferufe der polnischen Regierung

Kopenhagen . 8. Auguft.

Einem Telegramm aus Warschau zufolge, hat der Ministerrat einen Aufruf veröffentlicht, in dem es heißt: Der Vorschlag auf Abschluß eines Waffenstilstandes ist von der Sowjetregieruna ab­gelehnt worden, fie hofft Warschau zu erobern und bort den Frie den nach ihrem Willen diktieren an fönnen. Die poluische Regie rung appelliert an das ganze Volt, die Freiheit und Unabhängig feit des Vaterlandes zu verteidigen und erklärt gegenüber der sisi­lifterten Welt, daß sie nur einen gerechten und bauern­ben Frieden erstrebt. Die Regierung ist fest entfchloffen, jeben Boll vaterländischen Bodens an verteidigen. Der Außenminifter Sapieha hat an den Generalsekretär des Bölterbundes Dru moni ein Telegramm gerichtet, in bem es heißt: de Bolen Mitglied des Bölferbundes ift, teilt die polnische Regierung ihnen amtlich mit, baß die Haltung ber russischen Regierung das Einstellen der Feind feligkeiten unmöglich macht. Die Sowjetregierung hat es abge­lehnt, Berhandlungen über die Waffenstilstandsbedingungen einzu­Ieiten. Nichtsbestoweniger hat die polnische Regierung nicht aufge hört und wird auch nicht aufhören, alles mögliche au tun, um zu einem annehmbaren Frieben an gelangen. Sie weift aber jede Berantwortlichkeit für die Berlängerung des Krieges zurüd. Diese fällt ausschließlich auf die Sowjetregierung.

Die Heeresberichte

( Eigene Drahtmelbung ber Freiheit".) Ropenhagen, 13. August.

Der ruische Operationsbericht vom 12. melbet: Am 10. August wurde die Stadt Mlawa befeht, wobei mir Gefangene und Waffen erbeuteten. Wir besetzten Pultust. Am 10. Auguft nahmen wir die Stadt Siedlce ein und eine Reihe von Ortschaften zwölf Werft öst­lich von Lutow. In Richtung Cholm segten unsere Truppen über den Bug und erreichten die Straße Misbawa- Cholm. Eine Reihe Ortschaften nördlich von Cholm wurde besetzt. Im Abschnitt Wla dimir- Wollynst besetzten wir bie Stadt Grubejchom und den Flecken Brylow. Am Dnjestr und an der Rüfte des Schwarzen Meeres feine Beränderungen.

Der polnische Heeresbericht metbet: An der Nordfront haben unsere Abteilungen Mlawa und Bultust geräumt. Das 203. Freie willigen- Regiment hat bei einem Ausfall von Ciechanow 4 Ma­fchinengewehre und 100 Gefangene eingebracht. Auf der Linie Wyschtow- Tlußzh- Kaluschin- Belisahom nur schwache Rämpfe mit dem Feinde. Unsere Infanterie- und Kavallerie Abteilungen ver drängten an der Südfront den Feind aus Radzinkow und Lopatyn nach Stanislawzyc und Toparow. An der Strypa haben weitere Rampfe begonnen. Die utrainischen Truppen haben in der Go gend Ben Brozbes 5 Maschinengewehre erbeutet und eine ngant Gefangene gemat

Swei beachtenswerte Funfsprüche der Moskauer Regierung Find gestern befanntgeworden. In dem einen fragte der russia She Bolfskommissar des Auswärtigen, Tschitscherin , bei dem deutschen Minister des Auswärtigen an, ob die auf deuts sches Gebiet übergetretenen polnischen Truppentei le tatsächlich entwaffnet und interniert seien. Man braucht hinter dieser Anfrage feine irgendwie dunklen Absichten zu vermuten, denn da die Sowjets feine diplomati Ichen Vertretungen in Berlin besigen, mußten sie sich dieses Mittels bedienen, um sich zu vergewissern, daß Deutschland bie Erfordernisse der Neutralität iatsächlich erfüllt. Auf bemfelben undiplomatischen Wege haben die Rufen inzwischen eine befriedigende Antwort erhalten, und es bleibt nun nur nod festzustellen, daß hier zum erstenmal die russische Res gierung mit der deutschen in einen unmittelbaren amtlichen Verkehr getreten ist.

Der zweite Funfspruch richtete sich an die Adresse der französischen Arbeiter, und er weist auf die Ge­fahren hin, die durch die französische Anerkennung der füde russischen Republik und des Generals Wrangel erwachsen, Auf zwei Bunfte legt er besonderen Nachdrud. Er erflärt einmal, daß die Möglichkeit eines russisch- frana zöfifchen Krieges gegeben sei, und er betont sodann daß Frankreich durch seine Tat den Bruch der Verhand Iungen zwischen Rußland und Polen herbeig geführt habe.

Die Bemerkung über die Störung der Verhandlungen ist nicht ganz verständlich. Sie ließe fich so auslegen, daß fich die bolshewistische Regierung jetzt, nachdem Frankreich durch bie Anfündigung ber Unterstügung Wrangels ben Polen indirekt zu Hilfe geeilt ist, nicht mehr an ihr Versprechen ges bunden halte, unverzüglich die Waffenstilstands- und Bor friedensverhandlungen mit den Delegierten der Warschauer Regierung zu beginnen. Diese Auffallung fann eine gewisse Stüße finden in dem Telegramm, nach dem die Prawda" bie Fortsetzung des Krieges bis zur Ausrufung der Sowjets republik in Warschau angekündigt habe. Aber daß das Bolschemistische Organ sich wirklich so geäußert hat, möchten wir einstweilen bezweifeln, und wenn es der Fall sein sollte, so wäre noch immer die Frage offen, ob es sich hier um eine Auslastung handelt, die amtlichen Charakter trägt. Sie ließe fich ficher nicht in Uebereinstimmung bringen mit den letzten Rachrichten über Borbereitungen zur Zusammenkunft der beiderseitigen Delegierten und noch weniger mit der Hale tung, die Kamenew in London eingenommen hat.

Seit der Bekanntgabe der russischen Friedensbedingungen in London ist durch den unerhörten Borstoß Frankreichs die Lage allerdings wesentlich verändert und verschärft worden. Doch wir dürfen den Ruffen schon genügend politischen Vers tand zutrauen, um nicht anzunehmen, daß sie sich durch Millerands Eselei zu unflugen Entschlüssen hinreißen lassen. Das französische Sondervorgehen hat die Einigkeit ber Entente betröchtlich gestört und die Sowjetrepu blick hat alles Interesse daran, die Kluft, die zwischen Eng land und Frankreich entstanden ist, nicht sofort wieder zu­zufchütten. Die Stellung Lloyd Georges, der sich die An ertennung der Sowjetregierung und die Verständigung mit thr zum Ziel gelegt hat, ist infolge des franzöfifchen Vor­gehens, das die Engländer als eine Berlegung der Abmachun gen von Hythe und auch als eine Art von Kränkung ihrer Ehre empfinden, beträchtlich gestärkt worden, und es wird dem Premierminister heute leichter als noch vor acht Tagen, sich mit seinen Ansichten gegen die Widerstände im eigenen Lande durchzusetzen. Würde Rußland jezt die Verhandlungen mit Bolen hinauszögern oder Kriegsziele aufstellen, die mit dem Londoner Programm nicht zu vereinbaren wären, so wäre bas der beste Weg, die französisch- englischen Meinungsvers schiedenheiten zu beseitigen und die Weststaaten gegen Ruß­ land zu vereinigen.

Nach den Proben, die wir bisher von der diplomatischen Fähigkeit Tschitscherins erhalten haben, darf, wie gesagt, mit einer berartigen Politit nicht gerechnet werden, und aus demselben Grunde brauchen wir auch die Erwähnung der Möglichkeit eines russisch- frangolischen Krieges in den Funtspruch an die fraznösischen Arbeiter noch nicht als die Ankündigung eines solchen Ronflittes anzusehen. Selbstverständlich werden etwaige Hilfstruppen, die zur Vera Hartung des Generals Wrangel gesandt werden sollten, von ber Roten Armee als Feinde behandelt werden und mit thren tenterrevolutionären Offizieren das Schidial des pol nischen Seeres teilen. Aber das wäre an sich noch nicht im eigentlichen Sinne ein Krieg zwischen Rußland und Frank reich, den man sich überhaupt schwer serftellen fann, solange Deutschland als neutrales Gebiet zwischen den beiben liegt.

Sowjetrußland befindet sich in einer Lage, in der es in Ruhe und mit Zuversicht die Verhandlungen der angefün bigten Londoner Konferenz abwarten fann, denn bei diesen Verhandlungen wird Frankreich mit feinen Auf fassungen nicht durchbringen. Die ganze französische Politis djeint ja denn auch auf den Versu hinauszulaufen, das Ha andelommen diefer Konferenz zu hintertreiben. Ste chub bie Unvermeiblichtett von Bestufen, die die Olifragen in einer fe lahe tnbequemen Waife- rege wilgben. Gie inte