Ein alldeutscher Arzt
Der Professor und Obermedizinalrat Max v. Gruber in München hat an den Professor Bumm, den Leiter der Ber liner Universitäts - Frauenklinit, das folgende Schreiben ge= richtet, das in der„ Münchener Medizinischen Wochenschrift" veröffentlicht wird:
,, Sehr geehrter Herr Kollege!
Sie und die anderen Herren Unterzeichner des Rundschreibens pom 15. Mai über die internationale Hilfsaktion für Rettung der Tuberkulosefinder Deutschlands werden sich wohl über meine telegraphische Absage gewundert haben. Ich vertenne natürlich ebensowenig wie Sie die Furchtbarkeit der Gesundheitslage, in der sich unser Bolf befindet, und ich würde ebenso gern wie Sie abhelfen. Ich halte es aber für unabwendbar, daß in der einen oder anderen Weise die 10 bis 15 Millionen ausjterben, für die wir infolge des Raubes unserer Handelsflotte, unserer Kolonien, unseres ganzen Befigtums im Ausland und eines Teiles unserer heimischen Bodenschäze, infolge der Vernichtung der Industrie und des Handels mit dem von uns selbst Bearbeiteten den Tisch nicht mehr decken können. Bom Bettel aber kann und darf das deutsche Volk nicht leben wollen, und völlig unvereinbar mit seiner Ehre wäre es gar, wenn wir jene anbetteln würden, welche durch ihren längst geplanten gemeinsamen Raubanfall, durch die Sungerblockade, durch die mit teuflischer Ueberlegung ausgedachten Bestimmungen des sogenannten Versailler Friedens uns in das entsetzliche Elend der kommenden Tage gestürzt, welche uns sechs Jahre lang bis heute mit Berleumdung, Schimpf und Schande überhäuft haben. Ohne völkische Ehrliebe gibt es übrigens auch gartein gesundes Gedeihen für ein Volt. Sagen Sie den feindlichen Nationen, daß sie die Schuld trifft, wenn unsere Kinder in Krankheit verkommen dabei würde ich mittun aber rufen Sie nicht die Menschlichkeit derjenigen an, welche die Menschlichfeit in beispiellos unmenschlicher Weise mit Füßen getreten haben; rufen Sie nicht den Papst an, den Wächter christlicher Sittlichkeit, der kein Wort gewagt hat gegen die Hungersperre und gegen den Versailler Frieden"!
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Mit kollegialer Hochachtung Ihr ergebener
Max Gruber."
Dieser Gruber gehört zu den führenden Aldeutschen, er war einer von denen, die womöglich die ganze Welt annek tieren und die anderen Völker mit Stumpf und Stiel ausrotten wollten. Jetzt wünscht er, daß 10 bis 15 Millionen Deutsche aussterben sollten. Dieser Wunsch zeugt von einer wahrhaft erhebenden Auffassung des ärztlichen Berufs durch diesen Professor und Medizinalrat. Wir glauben, wenn es schon ans Sterben gehen sollte, so wäre es für das deutsche Bolt am besten, wenn der Professor v. Gruber und seine Gesinnungsgenossen die ersten find, die daran zu glauben hätten, denn um Leute mit solchen Auffassungen wäre es wirklich nicht schade. Aber Herr v. Gruber wird schon dafür gesorgt haben, daß er selbst nicht unter den Folgen des Krieges zu leiden braucht. Das ist ja gerade das Kennzeichen dieser Alldeutschen, sie wollen stets nur die anderen sterben lassen und selbst immer bei bestem Wohlsein bleiben.
Eine Totenfeier
Aus Bochum wird uns geschrieben:
Das Städtchen Haltern an der Lippe hat in den Märztagen 1920 einen Namen erlangt, der für immer im Gedächtnis des revolutionären Boltes Westfalens haften wird. Der Name Haltern wird immer erinnern an den heldenhaften Kampf der Ruhrarbeiter gegen die monarchisch- tapitalistische Konterrevolution, er wird erinnern an die bestialische Mordlust nostiti.
waren mit der Bahn über Wanne nach Haltern gefahren, viele hunderte Genossinnen und Genossen hatten sich ihnen angeschlossen. Der Zug, der sich mit Fahne und Kränzen zu den Grabstätten bewegte, zählte über 1000 Frauen und Mädchen und auch eine stattliche Schar Männer. An den Gräbern ließen die Sängerinnen flingen und legten Kränze nieder. Ihr Andenken wurde außerdem und Sänger ihre Lieder zu Ehren der toten Revolutionshelden ergefeiert durch Gedächtnisreden der Genossen Teuber, Biehl und Frau Horbach. Sie flangen aus in ein Gelöbnis der Treue zum Sozialismus und zum Ausharren im Kampfe für die Befreiung der Menschheit.
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Die Bochumer Arbeiterschaft hat am 12. August mit ihrer Totenfeier gezeigt, daß sie ihre gefallenen Brüder und Schwestern zu ehren weiß. Sie wird dies auch fernerhin bekunden dadurch, daß sie die Gräber ihrer teuren Toten würdig herrichtet. Denn die Massengrüfte bei Haltern werden künftighin zu den Wallfahrtsorten des sozialistischen Proletariats Westfalens zählen.
Waffenschiebungen für Bolen
Konterrevolutionäre Schieber am Werke
In unserer Freitagabend- Nummer brachten wir eine Meldung ans Rotterdam , daß dort 100 Stiften mit Waffen, die als Spielzeug deklariert waren, von den Transportarbeitern angehalten wurden. Die Waffen tamen aus Hamburg und waren für Polen bestimmt. Aus Amsterdam tam später die Meldung, daß die deutsche Besagung des gegenwärtig im Rotter damer Hafen liegenden nach Danzig bestimmten Dampfers ,, Epha" sich geweigert hat, 500 große Stiften, in denen Kriegsmaterial für Polen war, aufzuladen.
Man sieht, daß fortgefeßt Schieber am Werke sind, dte trot Neutralität und trotz der Aufmerksamkeit der Arbeiterschaft versuchen, Waffenfchiebungen nach Polen vorzunehmen. Die Hauptschieber haben anscheinend ihr Quartier in Berlin aufgeschlagen. Wie jetzt bekannt wird, weilte bis vor zirka 14 Tagen ein gewiffer Oberst Bondorowski als Vorsitzender der Utrainischen Eintaufskommission" im Hotel Bristol in Berlin , deffen Aufgabe es war, Waffen, Munition und Heeresausrüstungen für Polen aufzukaufen. Er stand mit verschiedenen Berliner Firmen in Verbindung, die den zuständigen Behörden als Schieberfirmen seit langer Zeit bekannt sind.
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Die für Polen aufgekauften Ausrüstungsgegenstände gehen, wie anzunehmen ist, mit gefälschter Ausfuhrbewilligung unter der Deklaration Maschinentetle" oder" Spielwaren" über Ham burg nach Holland , um von dort aus die Verfrachtung mit einem Dampfer nach Danzig vorzunehmen. Unter den dabei beteiligten Berliner Firmen und Personen spielt auch der bekannte Leo Schiffmann eine hervorragende Rolle. Die meisten der dabei beteiligten Firmen und Personen, die teilweise auch als Unteragenten Staatsanwaltschaft bekannt, die bereits seit acht Wochen in dieser Angelegenheit Boruntersuchungen angestellt hat. Es ist unbegreiflich, daß bisher keinerlei Verhaftungen erfolgten. Die polnischen Auftäufe von Kriegsmaterial haben anscheinend einen sehr großen Umfang angenommen. Es soll in einem Berliner Bankhaus Unter den Linden ein nam
Es
hafter Millionenbetrag für Bezahlung der getätigten Auftäufe deponiert sein. Ein weiterer derartiger Betrag befindet sich im Depot elner Danziger Bant. Die Angelegenheit scheint weite Kreise zu ziehen. In Verbindung mit thr wird auch der Name bes hiesigen ukrainischen Gesandten Dr. Porsch genannt. wäre au der Zeit, daß die maßgebenden Regierungsstellen der Deffentlichkeit mitteilten, was bisher geschehen ist, um diesen pol= nischen Waffenschiebern, die unter der Maste von Ütrainischen Eintaufstommissionen seit Monaten in ganz Deutschland Heeresgut zum Zwecke der Verschiebung nach Polen auftaufen, daß Handwerk zu legen.
wollte. Es tam zu lebhaften Szenen, in deren Verlauf General Groener veranlaßt wurde, den Saloumagen zu verlassen und sich mit der Demonftrantengruppe in ein Zimmer des neuen Bahnhofs zu begeben, wo weiter verhandelt wurde. Der Reichsverkehrsminister hielt eine Ansprache und gab die Versicherung ab, daß er die Wünsche der Demonstranten in Berlin bercitwilligst zum Ausdruck bringen werde, was mit Beifall aufgenommen wurde. Die Teilnehmer der Rundgebung gingen dann auseinander.
Aus dem Reichswirtschaftsrat
Der Schluß der Freitagsigung
Die am Nachmittag abgebrochene Sigung der vereinigten Auss schüsse für Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik wurde um 9 Uhr abends wieder aufgenommen. In den allgemeinen Anträgen des Unterausschusses über die Ursachen der Produktionsftodungen und Der Preissteigerung und über die Mittel der Abhilfe ist zum Teil ein Einverständnis erzielt worden. Ein Abänderungsantrag Keinath, der als Ursachen der Preissteigerung besonders auch die Berringerung der Arbeitsleistung, die Berkürzung der Arbeitszeit, die hohen Löhne usw. angibt, wird in der Abstimmung nach Köpfen abgelehnt. Von der Unternehmergruppe wird unter Berufung auf die Geschäftsordnung eine Abstimmung nach Gruppen verlangt, wogegen Abg. Wissell Widerspruch erhebt, da Die Ausschüsse bereits nach Gruppen zusammengesetzt seien und die Geschäftsordnung eine Gruppenabstimmung nicht unbedingt vorschreibe. Direktor Kraemer erwidert, daß die Geschäftsordnung auf Verlangen einer überstimmten Gruppe die Gruppenabstim mung vorsehe, damit der Regierung die Stimmung der einzelnen Gruppen mitgeteilt werden könne. Nach längerer Geschäftsord nungsdebatte wird nochmals nach Gruppen abgestimmt. Dabei stimmen die Unternehmer mit 11 Stimmen bei einer Stimmenthaltung und die Mitglieder der Gruppen 7-10, Verbraucherschaft, Beamtenschaft und freie Berufe und vom Reichsrat und Reichsregierung ernannten Mitglieder mit drei Stimmen für den Antrag Keinath, die Arbeitnehmer stimmen mit allen 19 Stimmen und die Mitglieder der Gruppen 7-10 mit 6 Stimmen gegen den Antrag. Mit ähnlichem Stimmenverhältnis werden einige Ab änderungsanträge Reinath abgelehnt, darunter der Antrag, zu dem Ausschußvorschlag, daß eine Gesundung der Wirtschaft nur durch eine Ausgleichung der Warenpreise an die Kauftraft erreicht werden kann, hinzuzufügen: und durch zielbewußte Förderung des Exports und durch Beseitigung der Exporthindernisse unter voller Wahrung der heimischen Wirtschaft."
Zu dem Ausschußvorschlag: Ein durchgreifender Preisabbau fann nur durch eine nach den Gesichtspuntten höchster Wirtschaftlichkeit zu regelnde Mehrproduktion, insbesondere auch in der chung der Worte insbesondere auch in der Landwirtschaft". Abg. Landwirtschaft erfolgen", beantragt Abg. Keinath die StreiRöside erklärt es für unmöglich, hier die Landwirtschaft beson ders ohne jede Motivierung hervorzuheben, da die Mehrproduktion der Landwirtschaft von vielen Faktoren, wie billigen Düngemitteln usw. abhänge. Der Antrag auf Streichung wird abgelehnt. Die allgemeinen Vorschläge des Unterausschusses werden demnach mit den vereinbarten Abänderungen, aber unter Ablehnung sämtlicher von Unternehmerseite gestellten Anträge angenommen. Die vom Unterausschuß für den Fall von Betriebsstillegungen vorgeschlagenen Maßregeln werden gleichfalls unter Ablehnung Don Abänderungsanträgen der Unternehmerseite angenommen. Die Unternehmervertreter erklärten sich dabei besonders dagegen, daß die Grenze von 26 Wochen für die Dauer von Erwerbslosenunterstüßung grundsäglich beseitigt werde. Ein dagegen gerichteter Antrag Reinath wird abgelehnt. Abg. Baltrusch( Arbeitervertreter) beantragt einen Busay, wonach das Kohlenabkommen von Spaa eine Umstellung der deutschen Industrie dahin bedinge, daß Luxuswaren nicht mehr für das Inland, sondern nur noch für den Export hergestellt werden. Kraemer warnt dringend vor der Annahme dieses Antrages, der die Arbeiterschaft der Lurusindustrie nur schädigen könne. Nur ein ganz geringer Teil des Wissell erwidert darauf, daß der Kohlenbedarf beschränkt werden muſe und daß darunter in erster Linie der Lurusbedarf leiden müsse. Der Antrag Baltrusch wird mit Ersegung des Wortes ,, Luxuswaren" durch wirtschaftlich unwichtige Waren" angenommen. Die für einzelne Gewerbe schon geplanten Maßnahmen( Gemeinwirtschaftliche Regelung der Holzwirtschaft, Prüfung der Durchführbarkeit eines Häutemonopols, anderenfalls Ueberwachung der Häuteauktionen, Zusammenschluß von Erwerbslosen zu gemeinnügigen Arbeitskreisen, Wiederaufbau der Sandelsflotte usw.) werden in der Fassung des Unterausschusses angenommen.
der Söldner, wird aber auch die Erinnerung wachhalten an Die Bewegung gegen den Steuerabzug Fohlenverbrauchs entfalle auf die Luxusinduſicie. Abg. Wijfelt
die preußische Justiz, die bis heute noch keinen Schritt unternommen hat zur Sühnung des graufigen Mordes an 50 Bochumer Arbeitern.
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Am Morgen des 1. April affo 30 Stunden vor Ablauf des Friedensschlusses von Münster waren die Reichswehrtruppen des Generals v. Watter über die Lippe vorgedrungen und richteten unter den im Dorfe Samm- Boffendorf liegenden Mannschaften der Bochumer Arbeiterwehr ein fürchterliches Blutbad an. Unter anderem wurden 31 Gefangene ohne jedes Berhör mit Schüssen und Kolbenschlägen ermordet und die zum Teil bis aufs Hemd ausgeplünderten Leichen weitab vom Dorfe in der Heide verscharrt. Weitere acht Mann wurden nach einem soge nannten Standgericht erschossen und nebst einer Arbeiterjamarite rin, die in den voraufgegangenen Kämpfen gefallen war, auf dem Kirchhof in Haltern beerdigt. Ferner ermordeten die Watterjohen Söldner 15 bayerische Kanalarbeiter, die vollständig unbeteiligt, sich im Meisschen Hause geborgen hatten. Auch der Hausbesitzer Meis wurde mit erschossen.
Am Donnerstag, den 12. Auguft, veranstaltete das Proletariat des Bochumer Bezirks an den Gräbern dieser Opfer der Gegen revolution eine schlichte Totenfeier. Gesangvereine von Bochum
gingen nach Sause, um das Mittagsmahl einzunehmen. Für Diesen Tag hatten fie gratis eine doppelte Nahrungsmittelration Dom Staate empfangen. Wer fein eigenes Heim hatte, fonnte in den städtischen Speiseanstalten ohne Bezahlung- natürlich unter natürlich unter Vorzeigung einer Bescheinigung, daß er an diesem Tage gearbeitet hatte leidlich gut essen.
Rach dem Mittagessen, gegen 4 Uhr, begann der Festzug. Bon den kleinsten Kindern, die faum laufen fonnten, bis zu den ältesten Greisen; die ganze Einwohnerschaft bewegte sich durch die Straßen zu den Blägen, wo überall Meetings stattfanden.
Nach den Versammlungen fanden in allen Gärten für die flei nen Kinder Spiele und Beluftigungen statt, während die größeren Kinder mit den staatlichen Flußdampfern Ausflüge machten. Für Erwachsene, auch für Kriegsgefangene, sorgten Theater, Konzerte, Zirtus, Kinos( alle Veranstaltungen ohne Eintrittsgeld) für Unterhaltung und zerstreuung.
Erst am späten Abend tamen die Kinder von den Dampferfahrten zurück. Von großer Ferne hörte man den Gesang von unzähligen Kinderstimmen, und langsam legten die Fahrzeuge am Hafen an.
Ein leiser Wind spielte um die roten Fahnen an den geschmückten Schiffsmasten. Die Kinder stiegen aus, wuchtig sangen sie die Internationale.
Noch lange erschollen in die dunkle Frühlingsnacht aus jungen Menschentehlen jubelnde Freiheitslieder.
So erlebte ich den Weltfeiertag der Arbeit unter der Sowjetherrschaft.
Wir lämpfen weiter!
Es war Winter; in furchtbarer Kälte zogen sich die verwahrlosten Heere Koltjáhats in wilder Flucht zurüd, hinter sich alle Magazine und wichtigen Bahnpunkte zerstörend. Die rote Armee folgte ihnen auf dem Fuße, und in Mittelsibirien wurde dann Koltschat und seine Armee völlig vernichtet.
Wir sahen die roten Truppen( also die Bolschewiften) antommen, und schon am nächsten Tage konnten wir die erste Maßnahme dieser neuen Regierung wahrnehmen. Ein Kommissar ( Vorsitzender der politischen Organisation) tam ins Lager, verfammelte alle Kriegsgefangenen und erklärte, daß es von diesem Moment an teine Kriegsgefangenen gibt, und daß alle im Lager untergebrachten früheren Soldaten fremder Staaten nunmehr als freie Ausländer im freien Rußland gelten. Gleichzeitig wurden wir zu einem Konzertmeeting für den nächsten Abend nach dem Volkshause eingeladen.
Ich besuchte dieses Meeting, das eine geschicte AgitationsverJamalung darstellte. Der Einbrud war ein gewaltiger.
Let Bersammlungsleiter eröffnete mit einigen wenigen Be
Stuttgart, 18. Auguft.
Staatssekretär 58le vom Reichsfinanzministerium setzte heute nachmittag in einer größeren Versammlung von Vertretern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen die Gründe auseinander, weshalb die Reichsfinanzverwaltung trotz des gerade in Württem berg besonders leidenschaftlichen Widerstandes der Arbeiterschaft auf die verbesserte Form des zehnprozentigen Steuerabzuges nicht verzichten tönne. Es entstand eine lebhafte Debatte. Ju diesem Augenblick zog ein Demonstrationszug von etwa 1500 Eisenbahnern bor das Eisenbahndirektionsgebäude um die Aufhebung des Zohnabzuges zu erreichen. Präsident Siegle empfing eine Abordnung, der er die Absendung eines bringenden Telegramms mit ihren Wünschen nach Berlin versprach und außerdem zusagte, daß Delegierte der Demonstranten nach Berlin reisen dürften, um dort ihre Wünsche persönlich vorzutragen. Als bie Rundgebung fich auflöfte, entdeckte eine Gruppe ber Demonftranten im Hauptbahnhof den Salonwagen des Reichsveetehrsministers Groener, der gestern aus Berlin zu Besprechungen eingetroffen war und abends dorthin zurückreisen
grüßungsworten an die Erschienenen die' Versammlung und forberte sie auf, fich von den Plätzen zu erheben. In diesem Augen blid setzte die Musik ein, und die tosenden Klänge der Internationale" durchbrausten den Raum, und viele zielbewußte Arbetter sangen den Text dazu.
Msdann betrat der Borsitzende des republikanischen Ortsausschusses das Podium und sprach einige einleitende Worte. Bevor er aber auf sein eigentliches Thema überging, gedachte er der pielen Opfer, der Tausenden von Menschen, die für die Freiheit Rußlands , wie überhaupt für die Freiheit der Menschen gefallen find. Besonders aber gedachte er zweier Personen, die in dem Lande ihrer aufopfernden, selbstlosen Tätigkeit unter den Augen der Machthaber, die ihre früheren Parteigenossen waren, hingemordet und von ihnen noch über das Grab hinaus geschmäht wurden: Das freie Rußland aber wird diese beiden Vorfämpfer immer ehren; Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg wird kein freiheitlicher Russe vergessen.
Bei diesen Worten sprang der Redner vom Podium, der Saal wurde finster, die Bühne war in Halbdunkel gehüllt, alle Anwesenden waren aufgestanden, die Musit spielte einen ergreifenden Trauermarsch. Und als die legten länge dieser Trauerweisen zu unseren Ohren gedrungen waren, da wurde es wieder bie Worte:„ Wir tampfen weiter!" hell im Saale, der Rebner sprang wieder aufs Podium, und schrie
Die Musit spielte sofort, während noch alle Personen standen, wieder die Internationale".
Ich habe häufig Versammlungen besucht, ich sah häufig, daß junge und alte Leute mit Ehrfurcht die Bilder der jetzigen rus fischen Staatsmänner grüßten, ich sah junge Mädchen die Bilder Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, die an jedem Bahnhofe, an jedem Agitationspuntte, in jedem Kontor hängen, bekränzen, ich sah, wie Mädchen und Frauen, und Jünglinge und Greise diese Bilder füßten.
Abtransport nach der Heimat.
Mit einem gut eingerichteten Sanitätszuge, der uns von der Sowjetregierung gestellt war, und unter Begleitung eines Vertreters des Petersburger Arbeiter- und Soldatenrates, fonnten wir von Petersburg nach Narwa ( Estland ) fahren. In Narwa bestiegen wir das Schiff und fuhren über Swinemünde nach Stettin .
Die Secreffe dauerte uns zu lange, die Sehnsucht nach dem Vaterlande, die Sehnsucht nach den Angehörigen peinigte zu start und hieß uns die Minuten als Stunden erscheinen.
Aber wie wurden wir ernüchtert, wir, die wir ein ,, freies", in einer Revolution befreites" Baterland' erwarteten, als wir bei
Mitte September gedenkt der wirtschaftspolitische Ausschuß den Bericht der Sozialisierungskommission in Beratung zu nehmen. Schluß gegen 11% Uhr.
Brasilianische Liebesgaben. Wie der Korrespondent der„ Telegraphen- Union" erfährt, ist aus Brasilien ein großer Dampfer Die mit Lebensmitteln auf dem Wege nach Europa . Liebesgaben find hauptsächlich für Wien und Berlin bestimmt. deutschen Kolonien in Brasilien gesammelt worden sind. Es handelt sich hier offenbar um Liebesgaben, die von den großen
unserem Empfang in Stettin nur Offiziere ber Reichswehr, ein großes Aufgebot von Sicherheitswehr, und zum ersten Male die deutschen Stahlhelme erblidten. Von Zivilbehörden sah man feine Person.
Wir haben nicht genug in den vielen Jahren gelitten, wir müssen noch bei unserer Ankunft in Deutschland gequält werden, wir müssen uns den schlimmsten Militarismus durch überpatriotische Reden( dieselbe Art wie vor dem Kriege, nur ohne Kaiserhoch) gefallen lassen, wir müssen uns Kriegsmärsche ohne Aufhören an hören.
Einige Tage mußten wir in Kretow verweilen; an diese Tage werde ich denken.
Sier besaßen Offiziere ganz öffentlich den Mut, gegen Juden ( obwohl sich unter den Heimkehrenden auch einige befanden) in der fürchterlichsten Weise zu hezen. Ein anderer Offizier, der sehr jung war und wohl auf andere Art und Weise noch nie einen Pfennig verdient hatte, war so liebenswürdig, den Angetommenen stundenlang die Bedeutung des Hakenkreuzes zu erklären und für diesen Bund Mitglieder zu sammeln. Und wieder ein anderer Offizier machte direkte Propaganda gegen die jeßige Staatsform und für Zurückberufung des früheren Kaisers,
Was den angekommenen Kriegsgefangenen an Gebührnissen und Liebesgaben gegeben wird, ist bekannt. Es reicht bei der jetzigen Teuerung noch nicht mal zur Anschaffung der wichtigsten Gebrauchsgegenstände, viel weniger zum Leben, auch nur für vier Wochen.
Also fand ich die Heimat wieber: Stahlhelme, Satentreuz, Reattion, Antisemitismus. Wo aber ist die Freiheit, wo find die Erfolge der Revolution?
5. N.
„ Zigeunerliebe " in der Boltsbühne. Die Sommerdirektion der Voltsbühne war fünstlerisch nicht gut beraten, als sie Lehars " Bigeunerliebe" auf den Spielplan setzte, obschon es auch ihr an Bugtraft nicht fehlen wird. Dabei machte Kienzls„ Ruhreigen" noch immer volle Säuser, und wenn es nun schon eine Operette sein sollte, dann gibt es selbst von Lehar weit bessere als diese üble Mischung von füßem Kitsch und schmachtendem Pathos: Halb Oper, halb Operette, und im ganzen ein musikalischer Delbrud. Man sollte solche Geschmacksverwüstungen bekämpfen statt sie zu pflegen. Aber man muß schon sagen, daß die Aufführung mit dem Blüthnerorchester( Dirigent Feliz Günther) und gesanglich so hervorragende Leistungen, wie sie in erster Reihe der glänzend disponierte Dresdener Tenor Richard Tauber und Margarete Schlemüller boten, eine respettable Söhe erreicht. Mit ihr stieg der Beifall und erzwang stürmisch Wiederholungen ber Schlagnummern, besonders im zweiten Aft.