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3. Jahrgang
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Montag, den 16. August 1920
Nummer 333
Abend- Ausgabe
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London , 16. August. " Daily Expreß " meldet aus Warschau , daß mindestens 300 000 Einwohner die Stadt verlassen haben. Die französische und die englische Militärmission befinden sich noch in der Stadt. Nach einer Meldung, die amtlich noch nicht bestätigt ist, sollen russische Truppen bereits in Praga , die auf dem rechten Weichelufer liegende Vorstadt Warschaus , eingebrungen sein. Bon anderer Seite wird berichtet, daß auch die Weichsellinie gefährdet sei. Wie weit diese Nachricht zutrifft, kann erst beurteilt werden, wenn genauere Meldungen über die Stellung der starken polnischen Weichselfeftungen vorliegen.
Beginn der Schlacht
Paris , 15. Auguft. Der Sonderberichterstatter des„ Matin" meldet aus Warschau vom Sonnabend abend, die große Schlacht um Warschau habe begonnen. Die erste Phase sei wegen des Versagens eines pol nischen Regiments nicht gut gewesen. Eine wichtige Pofis tion bei Radzymin habe aufgegeben werden müssen, aber im Laufe bes Tages habe das Gleichgewicht wieder hergestellt werden kön nen. Die Stellung set mit großen Berlusten für die Rote Armee wiedergenommen worden, und die polnischen Truppen hätten einen für die Gesamtverteidigungslinie wichtigen Erfolg erzielt. Das Schicksal der Slagt werde in etwa vier Tagen entigieben sein.
Polnischer Heeresbericht
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Man erwartet teinerlei Ergebnis der Unterhandlungen in Mins! bis frühestens Mittwoch. Im allgemeinen hat man ziemli pessimistische Ansichten über die Verhandlungen. Man fürcht, daß die französische Politik die ablehnende Haltung ber Bolen bestärken wird, so daß fie vielleicht die vorgeschlagenen she biten felbft find mit milderen Bedingungen ihrer Führer Bebingungen der Sowjetregierung ablehnen werden. Die Bols aidst zufrieden und wünschen Warschau zu besetzten. Die Raten Tenppen greifen jeht auf einer Front von 40 Kilometer von Norden bis Nordosten die Stadt an.
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Die polnische Delegation
Dem Weekly Despatch wird aus Warschau gemeldet: Die polnische Waffenstillstands- und Friedenstommission habe gestern früh Warschau verlassen. An ihrer Spike stehe der Unterstaatssekretär Domsti. TU. Warschau, 16. August.
Der Rat für nationale Verteidigung hält am 17. b. Mts. eine Sigung ab, in der das Ergebnis der Berhandlung von Minst zur Beratung steht.
Der Warschauer Korrespondent des Manchester Guardian meldet, die polnischen Delegierten seien überzeugt, daß die Polen nicht geschlagen seien und bei einer Fortdauer des Kampfes ihre Lage verbessern tönnten. Die Delegierten hätten Auftrag erhalten, jede Entwaffnung, gleichviel, ab vollständig oder teilweise, abzulehnen.
Bolnischer Heeresbericht vom 15 August: Die Attionen unserer TU. Warschau , 16. Auguft. Nordarmee verlaufen günstig für uns. Die Zahl der Gefangenen erhöht sich in der Gegend von Sochocin auf 600. Wir erbeuteten 120 Munitions- und 80 Proviantwagen. Die Haltung unserer Kas vallerie, die auf diesem Abschnitt nur aus Freimigen besteht, ist bei diesen Kämpfen besonders hervorzuheben. Im Rayon Warschau griff der Feind am 14. d. Mts. hartnädig den Abschnitt Cigrce- Radcymin- Stunien- Lesriatowicna an. Die Kämpfe um Radzymin waren besonders erbittert. Der Ort wechselte Waffenstiilstandsbedingungen abzuändern. mehrere Male seine Besizer. Am 15. d. Mts. war Radzymin endgültig von unserer Abteilung befeht. Auch bei Cholm und Hrubieszow haben unsere Truppen Erfolge gehabt. Bei Hrubieszow find 11 Maschinengewehre und ansehnliche Munitionsvorräte in unsere Hände gefallen, außerdem mußte der Feind mehrere Geschütze und Maschinengewehre im Bug versenden. Wir nahmen 100 Bolschewiften, darunter einen Stabschef gefangen. Im Süden wurden die Orte Sohol und Brody in aller Dronung geräumt, wobei wir sämtliches Eisenbahnmaterial fortifften.
Wie Petit Paristen aus London meldet, hat Kamenew cinen Brief an Lloyd George gerichtet, in dem er fagt, angesichts der Feindseligkeit der französischen Regierung, die mit der polnischen Sowjetregierung erschwert werde, und das darauf hinausgehe, die Regierung ein Bündnis eingegangen sei, durch das die Haltung der internationale Friedenstonferenz zu verhindern, halte es die russische Regierung nicht für nötig, bie der englischen Regierung mitgeteilten
Polnisch- russische Berhandlungen Pessimismus in England
HR. London, 15. Auguft. Manchester Guardian erfährt, daß die Aussichten auf ein Gelingen der Verhandlungen in Minst nicht g' n tig feien. Die Bolen hätten noch die Ueberzeugung, daß sie noch nicht geschlagen jeien und durch eine Forthegung des Kanipfes ihre Stellung ver bessern
ben önnen. Die polnische Friedensbordnung hat den Auftrag erhalten, die Forderung, daß Polen sich ganz oder teilweise
entwaffnen solle, nicht anzunehmen.
Der englische Attionsrat hat ein Telegramin des Sekretärs der zweiten Internationale, Huysmans , erhalten, in dem dieser mitteilt, daß französije Munitionsjenbungen für Wrangel bereits in Antwerpen eingetroffen find, wo sie von der belgischen Regierung wegen der Weigerung der Arbeiter, Munition zu befördern, angehalten wurden.
Die Friedensaktion der englischen Arbeiterpartei
Renter zufolge hat der Aktionsrat der englischen organisters ien Arbeiterschaft beschlossen, den Borsigenden Adamson und das Mitglied Gosling nach Baris zu senden, um mit den Vertretern der Confederation generale du travail und den franzö Fischen Sozialisten zu beraten.
„ Daily Mail" schreibt: Die gestrige Arbeiterkonferenz in Lon don war vermutlich die einigste, bedeutungsvollste und wichtigste politische Bersammlung der Kräfte der Arbeitertlalle, die unsere Geschichte je erlebt hat. Rar zwei Tage waren dazu vermendet worden, die Versammlung einzuberufen, und mehr als tausend Delegierte waren zugegen. Zum ersten Male seit dem Kriege waren alle Richtungen der Arbeiters aft vertreten. Am bemerkenswertoften war es, daß teine Opposition, fein Gezänt, feine Kriterien und feine Berstimmung tam. Es war nichts als vollzählige und begeisterte Einmütigkeit zu be
Der Temps schreibt offenbar beeinflußt, die französische Regierung habe die polnische Regierung nicht aufgefor= dert, die Friedensbedingungen der Bolschewisten zurückzulichen Wunsch auszusprechen, daß die Friedensbedingungen, die weisen, sie habe sich lediglich darauf beschränkt, den sehr natürman annehmen sollte, die politische Unabhängigkeit Bolens und Seine ethnographische Integrität nicht berührten.
Jm Leitartikel des Temps heißt es, ebenso wenig, wie die englische, habe die französische Regierung geplant, Truppen gegen die Rote Armee zu senden. Militärisch würde es gefährlich sein, ein Expeditionstorps zwischen ein feindseliges Deutschand und Rußland zu schieben, politisch aber widerfinnig, denn die französische Politik beruhe darauf, dem Vertrage von Versailles Achtung zu verschaffen, das heißt, am Rheine wacht zu halten. Wenn Frankreich Bolen zu beschützen hätte, so müßte dies im Westen und nicht im
Often geschehen.
merken. Für glüdliche Eintracht dankte Robert Smillie unserem Kameraden Churchill ". Winston , sagte er, hat die englische De motratie geeinigt, was sie bisher aus eigener Kraft nicht fertiggebracht hat. Jezt, wo die Einigkeit da ist, möge Gott uns den Verstand geben, daß wir sie bewahren.
Einberufung des Büros des Internationalen Gewerkschaftsbundes
Paris, 15. Auguft.
Bureau des Internationalen Gewerkschaftsbundes auf den
Savas berichtet, daß einer Einladung der C. G. T. folgend das
19. August nach Amsterdam einberufen würde zur Prüfung der durch den russisch- polnischen Krieg geschaf fenen Lage. Präsident des Internationalen Gewerkschaftsbundes ist Appleton von der englischen Tradeunion, Bizepräst dent ist Jouhaug.
Der russische Eisenbahnverkehr
HN. London, 16. Auguft. Manchester Guardian erfährt von seinem Rorrespondenten in Moskan, daß dieser nach einer Reise von 20 Stunden von der Grenge in Mostan eingetroffen ist. Er gibt ein ausführliches Bild bon den gebefferten Bunden in Sowjetrußtand, befenders auf dem Gebiete des Etsenbahnverkehrs. Der Verkehr set joht weit beffer als vor vier Monaten. Dieses betreffe nicht nur die unmittelbare Um gebung Mostaus, fondern ganz Rußland ,
Vor dem Zusammenbruch der Getreidebewirtschaftung
Immer deutlicher stellt sich heraus, daß noch nicht einmal die hohe Frühdruschprämie instande ist, die Großgrundbesitzer zur Ablieferung des Getreides zu veranlassen. Wir haben schon von einer Mitteilung des preußischen Lands wirtschaftsministers Kenntnis gegeben, wonach die Ablieferung von Brotgetreide aus der neuen Ernte so lässig betrieben werde, daß eine Stockung in der Belieferung der Großstädte mit Mehl für die nächste Zeit zu befürchten sei. Auch das Reichsfinanzministerium verbreitet eine Erklärung, in der festgestellt wird, daß die Lieferungen an Brotgetreide hinter den Erwartungen erheblich zurückbleiben. Es sei dadurch unmöglich geworden, Dispositionen für einen längeren Zeitraum zu treffen. In der Erklärung heißt es:
Schleunigste und restlose Ablieferung des Getreides vor Beginn der Kartoffeltransporte im Herbst ist das Gebot der Stunde. Die Landwirtschaft hat es somit in der Hand, an den planmäßigen Abbau der Zwangswirtschaft mitzuwirken. Mit jedem Zentner Brotgetreide und Gerste, der bis zum Ottober abgeliefert wird, trägt der Landwirt dazu bei, die Ernährung der Bevölkerung zu Derbessern und damit Ruhe und Ordnung im Lande zu sichern. Es darf erwartet werden, daß die Landwirtschaft das ihr, gestellte große Ziel der Sicherung der Boltsernährung klar erfennt und alle Kräfte an die Lösung ihrer Aufgabe sezt.
Vor einigen Wochen erst wurden von den Behörden die Klage der Verbraucher über das schlechte Brot mit der Vers tröftung auf die neue Ernte beantwortet, die es ermöglichen werde, die Zusätze bei der Mehlverbadung herabzumindern. Aus den neuen amtlichen Erklärungen geht hervor, daß die Erwartungen der Behörden sich nicht erfüllen; im Gegenteil, wir stehen vor der Gefahr eines völligen Vers sagens der Brotversorgung. Als Gründe für die schlechte Ablieferung des Getreides werden angegeben das schlechte Wetter, die Streifdrohungen der Arbeiter, die Maul und Klauenseuche und die in einem Teil der Landwirtschaft herrschende unzufriedenheit mit den Preisen. Die ersten drei Gründe find geradezu lächerlich. Wir hatten daß wir eine Refordernte zu erwarten gehabt hätten, wenn in diesem Jahr so gutes Wetter für Wachstum und Reife, nicht die Nachwirkungen des Krieges das verhindert hätten Mit Streifdrohungen der Arbeiter haben die Landwirte fast gar nicht zu rechnen gehabt; trog ungenügender Bezahlung, Verpflegung und Unterkunft haben die Landarbeiter vollauf ihre Pflicht erfüllt. Die Maul- und Klauenseuche schließlich beschränkt sich nur auf einige Gebiete des Reichs, thr Einfluß. auf die Getreideernte ist außerordentlich gering.
Üebrig bleibt nur die Unzufriedenheit mit den Preisen. Das ist der Grund dafür, daß wir einem völli gen Banterott der Ernährungswirtschaft zutreiben. Den Großgrundbesitzern genügen die Preise von 1400 M. für Roggen und 1550 M. für Weizen pro Tonne, wozu dann noch die Frühdruschprämie tommt, nicht, sie verlangen die völlige Aufhebung der Zwangswirtschaft, damit die Preise für Ges treide fich den Weltmarktspreisen angleichen sollen. Das würde bei dem schlechten Stande der deutschen Valuta be deuten, daß der Konsument für das Brot ein Mehrfaches von dem zu zahlen hätte, was ihm bisher dafür abgenommen worden ist. Die Agrarier halten mit ihrer Ablieferung zurüd, weil sie die Zwangswirtschaft sprengen und den freien Handel auch mit Brotgetreide durchsehen wollen. Geht ihr Wille in Erfüllung, so würde das zur Folge haben, daß auch das Brotzum Lurusartifel wird und die Lebens
haltung der minderbemittelten Bevölkerung sich noch weiter
und in rasendem Tempo verschlechtert.
In den Auslassungen der agrarischen Organisationen fommt dieses Bestreben auch deutlich zum Ausdrud. So bes hauptet der Julibericht der Landwirtschaftsfammer für die Provinz Pommern, daß die Festsegung der Höchstpreise für das Getreide der Landwirtschaft eine große Enttäuschung gebracht hätte. Man wolle dem Landwirt nur noch die Verzinsung seines Betriebskapitals laffen, ein Unternehmergewinn solle fortfallen. Es sei damit zu rechnen, daß die Brotgetreideernte piel niedriger ausfallen werde, als nach dem Stande des Strohes angenommen wer den konnte. Vor der Landwirtschaft schwebe drohend das Gespenst der unrentablen Betriebsführung. Diese Frage müsse immer wieder erörtert werden. Solange noch die Landwirtschaft unter dem Joch der verhaßten 3 wangswirtschaft seufze", also für die Gestaltung der Preishöhe ihrer Produkte nicht das Gesetz von Angebot und Nachfrage maßgebend sei, sondern die Gewalt des Staates. Diese Ausführungen werben noch ergänzt durch eine Entschließung, die der Vorstand der Landwirtschaftstammer für Pommern angenommen hat. Es wird dort behauptet, daß der Frühdrusch ein so geringes Ernteergebnis erbracht habe, daß ein Ausfall von 800 M. pro Heftar entstanden sei. Dazu träten die erhöhten Deputatabgaben, die hohen Ausgaben für Düngemittel, für Löhne usw., so daß eine weitere Herauffezung der Getreidepreise gefordert werden müsse, wenn bie Bandwirtschaft leistungsfähig erhalten bleiben solle.
Hier haben wir den Kernpunkt des Falles. Die Agrarier verlangen die Beseitigung der verhaften Zwangswirtschaft, fre fordern die völlige Freiheit des Sandels mit Getreide, damit fie die Bewucherung der Bevölkerung bis zum äußers