Eine schwere BeschuldigungDie„Rote Fahne" veröffentlicht folgende Mitteilung:Ich lese in der deutschen Presse, daß der frühere StaatsanwaltW e i g m a n n, der jetzt das Amt des Kommissars für Aufrecht-erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung bekleidet, Spitzel-berichte in der Presse veröffentlicht, nach denen in der Wohnungunseres Berliner Vertreters, des Genossen Kopp, eine Konfe-renz von kommunistischen und unabhängigen Führern stattgefun-den habe, in der Kopp zur baldigen Organisation eines Um-sturzes aufforderte. Der Herr Staatsanwalt ist mit seinemSpitzclbericht hereingefallen, denn es konnte sofort öffentlich fest-gestellt werden, daß Kopp die Wohnung, in der die Versammlungstattgefunden haben soll, seit Wochen aufgegeben hat, und daßmehrere Genossen, die als Teilnehmer an der geheimen Konferenzvom Herrn Staatsanwalt genannt worden sind, an dem genann-ten Tage gar nicht in Berlin waren. Trotzdem hielt die deutscheRegierung es nicht für ihre Pflicht, dem Beamten, der Spitzel-berichte gegen den diplomatischen Vertreter Rußlands in derOeffentlichkeit verbreitete, um eine Pogromstimmung zu erzeugen.den Laufpaß zu geben. Somit möge es mir erlaubt sein, ihr zusagen, daß, falls sie auf Herrn Weißmann verzichten würde,ste kein Kleinod verlieren würde. Ich habe die Bekanntschaft die-ses Herrn gemacht/ als ich die Gastfreundschaft der deutschen Ne-gierung im früheren Moabiter Zuchthausgefängnis genossenhabe. Nach mehr als einem Monat meiner Inhaftierung, alsdas Justizministerium schon die Abnahme meiner Fesseln bewirkthatte, befahl Herr Weißmann, mir Fesseln während der Spa-ziergänge anzulegen. Auf meinen und des UntersuchungsrichtersProtest wurde dieser barbarische Befehl ausgehoben. Auf einmaländerte sich das Verhältnis des Herrn Staatsanwalt» zu mir: ergewährte, obwohl das nicht seine Sache war, verschiedenen politi-schen Persönlichkeiten Zutritt zu mir, die die deutsche Regierunggewiß nicht gerne bei mir sehen konnte: das alles als Entgeltfür die freundliche Beihilfe bei der Erlangungdes Schweizer Paßvisums, die ihm einer meinerFreunde gewährte, ohne zu wissen, wie sehr er ihn verpflichtete.Wir erfuhren die Gründe der überwältigenden Dankbarkeit desHerrn Staatsanwalts bald. Der biedere Hüter derOrdnung hat bei einem Hasardspiel etwa eineMillion gewonnen und mußte sie nach derSchweiz verschieben.Ich halte es für vollkommen berechtigt, daß auf den Hüter derOrdnung der Schieber Herr Staatsanwalt Weißmann folgt.Wilddiebe werden oft gute Waldhüter, und wer soll eine Echte-berrepubltt verteidigen, wenn nicht ein Schieber. Meine Auf-gäbe als Plutarch ist beendet. Ich will ste mit einer Prophe-zeihung schließen: So wie es sich nicht feststellen ließ, daß HerrStrauß durch Schicücrgeschäfte Millionen verdient hat, obwohldas der ganzen politischen und geschäftlichen Welt bekannt war,so wie sich das oben Erzählte amtlich nicht feststellen lassen wird,obwohl cs allen Kollegen de» Herrn Wetßmann bekannt ist, wirdHerr Meißmann weiterhin seine Spitzelarbeit verrichten. Bittedalür zu sorgen, daß er unseren diplomatischen Vertreter in Ruh«läßt, aber die Pflicht unseres Auswärtigen Amtes anerkennt,daß es den Herrn Hilger nicht besser zu behandeln braucht alsViktor Kopp behandelt wird. Karl Rädel.Den letzten Satz des Artikel» bitte ich Sie, sich zu merken.Tschitfcherin.Wir aeben diese Mitteilung, soweit sie sich auf die angeb-lichen Schiebungen des Herrn Weißmann bezieht, mit allemVorbehalt wieder und erwarten von der Regierung eineschleunige Untersuchung zur objektiven Feststellung des Tat-bestandes. Hilger, gegen den Repressalien angedrohtwerden, ist der deutsche Leiter de« Gefangenenaustausches inMoskau.Diktator EscherichForstrat Escherich hat von Regensburg aus an den Reichs-Präsidenten folgendes Telegramm gerichtet:„Der preußisch« Minister des Innern hat ein Telegramm an dieOberprästdenten gerichtet, in dem er die Organisation Escherichal» ungesetzlich bezeichnet und befiehlt, gegen sie mit Verbot undAuslösung vorzugehen. Gegen dieses, Recht und Gesetz verhöhnende,Versahren des preaßifchen Ministers erhebe ich schärfsten Protest.Ich werde kein mir versassungsgemäß zur Verfügung stehendesMittel unversucht lassen, um der Organisation, die«in E. V. ist,ihr Recht zu erkämpsen.Mit großen persönlichen Opfern und Mühen ist es mir gelungen, alle zur Organtsatioii gehörenden Verbände und Verein«verschiedenster Richtungen untermeinerLeitungzuver-einen und auf unser, auf der Verfassung aufgebautes Pro-gramm zu verpflichten. Trotz meiner beruhigenden Einwirkunghat da» Verfahren der preußischen Regierung, welche» ganz offengegen Artikel 124 der Reichsverfassnng verstößt, ein«begreifliche Erregung innerhalb meiner Organisation hervor-gerufen, für deren etwaige Folgen die preußische Regierung dieVerantwortung zu tragen haben wird.Nach wie vor hege ich die bestimmte Hoffnung, daß es derReichsregierung doch noch gelingen wird, die Maßnahmenderpreußtschen Regierung, welche aus Unkenntnis oderMißachtung der Ziele und des Wesens meiner Organisationgetroffen sind, b a l d i g st unwirksam zu machen. Auch heutenoch will ich mich in meinem Vertrauen nicht beirren lassen undmuß ausdrücklich verlangen, daß die Reichsregierung die in derWeimarer Verfassung garantierten Grundrechte der Deutschen auflfür die Angehörigen meiner Organisation zu schützen wissen wird.Ich bitte crgebenst, mir eine möglichst baldige Antwort zu«kommen zu lassen.R e g e n s b u r g, den 18. August. Escherich."Herr Escherich tritt in diesem Telegramm, das er in Re«gensburg sicher gemeinsam mit dem Bauerndoktor Heimaufgesetzt hat, als Diktator auf. Wir haben bereits in derheutigen Morgenausgabe nachgewiesen, daß die Orgeschkein Recht hat, sich auf die Verfassung zu berufen. Es han-delt sich nicht um eine Vereinsbildung, sondern umdie planmäßige Bildung von bewaffneten Haufen,ein Vergehen, das nach dem Gesetz mit Gefängnis oderZuchthaus bestraft werden kann. Die„Post" plaudertheute früh aus, daß sich die Escherichorganisation als„Reicks«verband über ganz Deutschland und Deutschösterreich" aus»dehne. Eis heuchelt dann etwas von„Verfassungstreue".„Versöhnung der Volksklassen",„Wiederaufbau Deutsch«lands". Das alles sind natürlich nur vorgeschobene Schein-gründe, die der Orgesch das Daseinsrecht ermöglichensollen. Die Namen und die Vergangenheit der Hauptorganisatoren der Orgesch, sagen hinreichend genug, wohin dieReise geht. Es muß sich nun heigen, wer der Stärkere ist:Der Diktator Escherisch oder die Reichsregierung. Siegtder Bayer, dann siegt die Konterrevo-l u t i o n. dann wird Orgesch seine Mannen über kurz oderlang in Bewegung setzen, dann wird das Beispiel Bayernsauch im Reiche verwirklicht werden. Ein Dr. Kahr stehtsicher schon in Reserve. Für die Arbeiterschaft heißt es da«her auf die Wacht zu steigen. Der geschlossenen Kampffrontder Reaktionäre muß die zum Handeln entschlossene Ein-heitsfront des sozialistischen Proletariats entgegengestelltwerden.Seid auf der Hut!Zedenfall« infolge b*t Stellungnahme der Eisenbahner z« de«.Waffen! ranoporten ist heut« plötzlich die Eifrnbahndirektion Berlin»Schöneberger Ufer 1 bi» von Sicherheitspolizri befetzt worden.In de? Umgegend de» Direktionegebäudcs streifen starke Patrovil«illen. Die Brücken sind befetzt. An die Arbeiterschaft ergeht dieAufforderung sich unter keine» Umstände» provoziere» z» lasse».Ein VerfassungsbruchHaussuchung bei Genossen DißmannAu» Frankfurt a. M. wird uns gemeldet:Im hiesigen Bezirksbureau der U. S. P. erschienen am Diens«tag nachmittag mehrere Kriminalbeamte, um in der Wohnungdes Genossen Dtßmann, sowie in den Räumen der Partei ein«Haussuchung nach Waffen vorzunehmen. Die Grund«-lage dieser Maßnahme bildete eine anonyme Denunzia-t i o n in der angeführt wurde, daß die U. S. P. Kisten mit Was-fen und Munition für Maschinengewehr«, Gewehre und Hand«granaten erhalten habe. Bezeichnend ist, daß die Krinun-U-*Polizei an den Straßenecken Posten aufgestellt hatte, die im Falleteines Widerstande» sofort eingreifen sollten. Gefunden wurdenatürlich nichts. Mit einer höflichen Entschuldigung zogen die'Beamten ab. Dem Polizeipräsidenten scheint noch nicht bekannt fzu fein, daß Genosse Dißmann Reichstagsabgeordneterist und daß das Vorgehen der Kriminalpolizei einen Verfaf«-fungsbruch darstellt. J'Französische Justiz. Da» Krieasgericht von Saarbrückenverurteilte drei Polizeioffi ziere dieser Stadt zu dreiMonaten Gefängnis und dreihundert Mark Buße, weil ste der|Proklamierung des Belagerungszustandes Hindernisse in den Weg>gelegt hatten.— Das Kriegsgericht von Mainz verurteilte wegen:Propaganda zu Gunsten Deutschlands im Saar-[gebiet drei Deutsche zu zwanzig Jahren Gefängnis und zuAufenthaltsverbot, einen Preußen zu zehn Iahren Gefängnisund zu Aufenthaltsverbot. Vier andere zu einem Jahr Eefäng«ni» und zehntausend Mark Buße.trag wieder auf rund 90 Milliarden gesunken sein. Es seidies hier auch deshalb hervorgehoben, weil FinanzministerWirth in seiner Reichstagsrede vom 2. August noch— irrigerweise— mit 92 Milliarden gerechnet hat.Dem kleinen Rückgang der fundierten Schulden in denletzten anderthalb Jahren steht eine gewaltige Vermehrungder schwebenden Schulden gegenüber. Die diskontiertenSchatzanweisungen stiegen von 5S,1 Milliarden am 81. Dezember 1918 bis auf 86,2 Milliarden am 31. Dezember 1919und weiter auf 91, S Milliarden am 31. März 1920 und auf113,1 Milliarden am 30. Juni 1920! Die ungeheure Zunahme im letzten Vierteljahr beruht zu einem kleinen Teileauf der Uebernahme preußischer Schulden mit der Verreich-lichung der Staatseisenbahnen, in der Hauptsache aber aufden Maßnahmen zur Verbilligung von Lebensmitteln, denAusgaben für das Heer und den Zuschüssen bei den Betriebs-Verwaltungen. Zu den diskontierten Schatzanweifungen ge-seilt sich als weitere schwebende Schuld eine Reihe von Zah-lungsverpflichtungen. die das Reich insbesondere zugunstenseiner früheren Verbündeten eingegangen ist. Sie beliefensich Anfang Juni 1920 auf 10,8 Milliarden. Die Gesamt-schuld des Reiches(ohne die noch nicht erfüllten Verpfuch-Inngen an Länder und Gemeinden) wird in der Denkschriftfür den 30. Juni 1920 auf 216 Milliarden angegeben. WennWirth in seiner Reichstaasrede vom 1. Juni mit nur 209Milliarden rechnete, so scheint er damals über die diskontier-ten Schatzanweisungen, für die er nur 107 statt 113 Milliar-den ansetzte, falsch unterrichtet, gewesen zu sein.»**Der zweite Hauptteil von W i r t h s Denkschrift behandelt„die voraussichtliche Gestaltung des Reichshaushalts imRechnungsjahr 1920". Die Darlegungen sind außerordentlichlehrreich. Zu beanstanden ist nur, daß Wirth trotz derKritik, die seine Steuerertragschätzungen vom 27. April er-halten haben, an seinen viel zu hohen Anschlägen festdalt.Wenn Erzberger den Ertrag des Reichsnotopfers auf 46 Mil-liarden geschätzt hat, so ist das doch kein hinreichender Grund,um diese Zahlen immer wieder nachzubeten. Das Reichsnot-opfer wird nicht mehr alp 26 Milliarden bringen. Unddeshalb sollte das Finanzministerium als Jahresertrag statt2)4 Milliarden nur 1)4 Milliarden einsitzen. Die Ein-kommensteuer wird l m Reiche nicht, wie Wirth hofft,2,1 Milliarden bringen: das Reich wird noch froh sein, wennes nicht auf Grund des K 66 des Landesstevergefetzes denLändern und Gemeinden etwas yerauszaknen muß. Die Um-satzsteuer wird dem Reiche nicht 3,1 Milliar'' n bringen: siewar stets eine Enttäuschung, brachte dem Reiche 1919 nur687 Millionen und wird auch im lausenden Rechnungsjahrdem Reiche nicht mehr als 2 14 Milliarden abwerfen. Daßdie Ausfuhrabgoben 1 Milliarde bringen könnten, glaubtheute doch kein Mensch mehr im Ernst«. Auch sonst sindmanche Ansätze in dem Haushaltsplan r m Wirth viel zuhoch. Und trotzdem gelangt er nur zu einer Eesamteinnahmevon 24,86 Milliarden bei einer Gesamt"�sbe von 27,77Milliarden im ordentlichen Haushalt und �7,6 Milliardenim außerordentlichen Haushalt(einschließlich Betriebsver-waltungen). Wie will er nun den Fehlbetrag von reichlü'30 Milliarden(ich schätze ihn auf rund 40 Milliarden)decken? Die 27,6 Milliarden für den außerordentlichenHaushalt sollen„aus Anleihemitteln", d. h. jedenfalls durcheine weitere Vermehrung der ohnehin erdrückenden schweben-den Schulden beschafft werden. Für die 2922 Millionenaber, die Wirth im ordentlichen Haushalt fehlen, hat ereinen Einnahmeposten„aus neuen Steuern" eingefetzt. AuchErzberger hatte im Haushaltsplan von 1919 einen solchenPosten„aus neuen Steuern", der sogar 9600 Millionen auf-wies. Das war der Voranschlag. Die Jsteinnahme aber be-trug, wie jetzt aus der Denkschrift Wirths hervorgeht, nochkeine 96 Millionen I Und dabei hatte Erzberger vor einemJahre ein ausgearbeitetes Cteuerprogramm, das derRationalversammlung schon großenteils vorgelegt war, wäh»rend Wirth von dem Inhalt seiner„neuen Steuern" nochnichts hat verlauten lassen.So ist denn die Denkschrift Wirths keine staatsmännistheLeistung, vor allem schon deshalb nicht, weil sie keinen Aus-weg aus unserer Fmanznot zu zeigen vermag. Trotzdemmöchte ich ihr nochmals weiteste Verbreitung wünschen. Dennsie enthält eine Menge lehrreicher und bisher unbekannterZahlen und bietet ein vorzügliches Rüstzeug für alle, die ineiner Abkehr von unserer bisherigen unzulänglichen Steuer»polttik und in der schleunigen Durchführung einer großeneinmaligen Vermögensabgabe den einzig möglichen Weg zueiner Gesundung der Reichsfinanzen erblicken.Seufzender Saftvon Peter Hill«Schlummernde Kinder.„Wo find die Kinder?"..„Sie sind vorn und machen ihre Schularbeiten.So still— so streitlos traulich, das bin ich nicht gewohnt hier.Da stört die eine mit lautem Aufsagen. Da gibts zu Friedens-a eilen einen Tanz:„Nun wollen wir ech einen machen: Siehstdu wohl, da kimmt er, lange Schritte nimmt er." Zur größerenFeierlichkeit aber wurden vorher Nosenblätter gestreut. Dannnimmt man sich im Arm und wiegt sich ein.In den viel häufigeren Kriegsausbrüchen aber führt ein«schnelle Entscheidung bald zu Greinen oder Anklagen.Ich öffne die Tür—Da liegen ste auf dem Sofa.Aber nun— nichts— kein Atemzug und kein Schnarchen trotzdes offenen Mäulchens des Pussels Mathilde.Und doch atmen die zarten lebensheftigen Leiber in leisen, Rüh-rung weckenden Rythmen.Das schlafende Leben ist ein Geheimnis, da- man nicht stören"�Ich wenigstens habe»ine solche Ehrfurcht vor Schlummer, ichvermags nicht über mich, daraus zu wecken. �Und so setze ich mich denn als Schutzengel mit meinem langenrotbraunen Bart auf die Sofalehne, iah mit Beobachterfreude dieheftig-roten Wangen und scheucht« die Fliegen, die sich angelocktvon der mit feinsten Schweißtropfen suchten Duftregung derHaut, auf Arm und Nacken hartnäckig, fast klebsam niederließen.Man mußte ein-, zweimal zuscheuchen.Ein Regen, ein Stammeln geisterhafter Worte, ein Umlege»und Wtedereinnesteln.«in Hinetnruf in diese vermeintliche Ritzedes Schlummers fand indes keine Oeffnungen.Einzig schön die Gruppe, wie sie dalagen auf dem Sofa.Man hätte sich eine Kunst gewünscht, die alles das fassen konnte.So eine lange, bläulich grün gestreifte Gewandung, aber nochneu in blanken knitternden Falten, hüllte wie ein Genieengewand«in die knieend gegen die Sofalehne angezogenen Füße der ab-gewendet, mit Kopf und Arm auf der Seitenlehne Ruhenden.Hier das blonde weiche Haar, dort da» Bronzelockengestrudel,hier die schüchterne Seelengestalt der Kindheit, dort die ge-fchlechtslos abgeschlossen« Wetbesgestalt de» Kindes vor Durch-bruch der Reif«. Durch die herabgelassenen Vorhänge fiel einreichgelber, treibhausüppiger Schein.In Fenstersonn««in Glas mit welkendem Blumenstrauß lDavon fast körperhaft musikalischer, sprechender Duft, wie ein«üppige Wehmut redend aus dem müden Mutwillen der Nelken,der Ausgelassenheit de« Rittersporns und dem zum Aufklappenreizenden Löwenmäulchen mit dem nachdrucksam bekümmert ge-eckten Kinnbacken.Dazu am Boden Tornister, Bücher auf der Fensterbank, daswahllos hingeworfene der Kindheit: Unordnung, die hier nichtbeleidigt, sondern zur Sache gehört.*•»«• Recht der Kindheit.DieKinder kommen herein vom Spiel. Diese ungestüme FrischeiUnd dieser köstliche Heißhunger. Di« komische Verzweiflung allerMamas IUnd der Duft, den sie mit heimbringen an ihren Kleidern, inihrem Haar, wo er stch gefangen hat!Das macht, ste haben sich gewälzt im Grünen, wie sie es immer fogern tun, den Hügel hinab!Warum tun wir es denn nicht auch? Vielleicht, daß uns nur des-halb die Jugend verläßt, weil wir diese Uebung unterlassen.Und warum unterlassen?Aus Menschenfurcht!Dieser Unverstand!Ja, wenn wir erst die Menschen fragen wollten, ob sie e» uns,gnädig verstatten, glücklich zu fein, da können wir lange warten!Die werden uns schon nicht gar zu viel zuteilen.Ste selbst verstehen nicht, glücklich zu sein, und darum sollen eseben andere auch nicht sein.Ja, wenn man stch anderen in die Hände spielt!Nein, ich führe mich ausschließlich selbst au», sei«» nun zumGuten oder Bösen.Die Kindheit soll au» eigenem Rechte da sein. Nicht bloß ge-duldet.Sie soll nicht von den Begriffen vergewaltigt werden, den greifenBegriffen.Neid macht Vorschriften.Schwäche, die nicht mehr genießen kann, verbietet.Die Kindheit ist ein Kundschafter, den die ratlose Menschheit vor-aussendet, um einen sicheren Lebensgrund zu erspähen. So müssenwir ste sich selbst überlassen, ihrem Lebensinsttnkt, der von Ver-rohung und haltungslofer Alberet wohl zu unterscheiden ist. Wiedie Brieftauben müssen wir die Kinder auffliegen lassen.—--Z>a» Kind stürmt dahin, fröhlich unbewußt.Nur nicht Erziehung im alten Sinne, die eigentlich Verziehungist, Verzerrung sogar.Nur beileibe keine Aenderung, keine Vorschrift!Entdecken wir das KiudlDie große Entdeckung, die noch aussteht, ist ein wahres Kinder»spiel. Sie erfordert keine unerhörte Kühnheit, nicht den heroischenVorsatz, mit allen Gefahren und Entbehrungen es aufzunehmen:ste ist keine Nordpolfahrt.„Liebe im Schnee" heißt die neu« Operette der Komische«O p er, mit der dort die Winterspielzeit begann. Die Singspielefabrikanten scheinen einen Art Orgesch-Bund zur Aufrechterhaltungdurchlauchtigster Fürstenhöfe wenigstens auf den Operettenbühnengeschlossen zu haben. Darunter machen sie es partout nicht mehr,Die kleine Hoheit verliebt lich diesmal in einen schmalzigen Tenorsum fchliegltch einen steifleinenen, aber noch immer„standcs« fgemäßen" Herzog zu heiraten. Die Musik von Ralph B e n a tz k yist teils mager, teils schwülstig und zehrt in Marschrythmen, Walzer«takten und Gassenhauereien von Erinnerungen. Dem Text merttman es nur selten an, daß Willy P r a g e r etwas von ieineniWitz beigesteuert hat. Die Aufführung unter Direktor Charle wai' �farbig, aber noch ohne den letzten Schliff. Alfted L ä u t n e r alsjovialer Trottel und Serinissinm» war am lustigsten und half auchüber den ersten Akt(o Gott!) hinweg, Earl Gr unwald lag alsLiebhaber in unglücklichem Kampf mit feinem widerspenstigenTenor, und von den mitwirkenden Damen hatte die mit Zierlick- lkeit begabte Else Müller wenigstens d,e Entschuldigung, da»fie nur durch Heiserkeit stimmlich versagte. Der Premierenbeifalsunktionierte nicht schlecht.'Heber künstliche Verjüngung und Gefchlechtsumwandluna, nachProfessor Steinach, volkstümlich dargestellt, betitelt stch eintklein« Schrift von Dr. Magnus Htrichfeld, dem bekanntenLeiter des Instituts für Sexualwissenschaft, Berlin. Sie ist intVerlag Johndorfs und To., Berlin, NW. 87, erschienen und schivdert an der Hand der bisherigen Experimente des Wiener Fortschere an Tieren und Menschen die Verjüngung und sexuelle Beieinflussung durch Uebertragung oder röntgenologische Neubelebuichder Pubertätsdrüse. Allzu weitgehende Hoffnungen aber hierap;zu knüpfen, ist zum mindesten verfrüht.Arbeiterjugend und sexuell« Frage ist eine kleine Aufklärung�schrift betitelt, die von der Verlagsgenosscnschaft„Freiheit'jüngst herausgegeben wurde. Der Verfasser Hans H a ck m e gbeleuchtet die verschiedenartigen Probleme des Geschlechtslebensund der sexuellen Erziehung in gemeinverständlicher Weise uckltritt im Kampfe gegen falsche Prüderie für neue stttliche Auftjassung und für dt« Jugenhehe des Proletariat» ein,