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Einzelpreis 20 Pfg. 3. Jahrgang Sonnabend, den 21. August 1920 Nummer 342

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Berliner Organ

ber Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Oberschlesien und die Entente

Eine deutsche Note

Es wird mitgeteilt, daß die deutsche Regierung an die Entente eine Note richtete, in der sie sich in der schärfsten Weise gegen die Berdächtigungen wendet, daß die Unruhen in Oberschlesien von der deutschen Regierung mit ihrer Unterstützung oder auch nur mit ihrem Vorwissen angezettelt worden seien. Die Regierung ver­langt, daß die Interalliierte Kommission in Oberschlesien die ihr Durch den Friedensvertrag obliegende Aufgabe eines Treuhänders auch gegenüber den Polen in unparteiischer und nachdrücklichster Weise wahrnehme.

Ruhige Lage

"

Die Annahme, daß es sich in Oberschlesien nicht um einen wohl­porbereiteten polnischen Aufstand", sondern um eine Abwehrattion handelt, scheint sich zu bestätigen. Der geftrige Tag ist ruhig ver­laufen; daß es zu einem allgemeinen Streit im Industrierevier tommt, ist kaum anzunehmen. Die Telegraphen- Union verbreitete heute früh die folgende Meldung:

Bis um Mitternacht war es gestern in Kattowik ruhig. Es be­teht begründete Hoffnung, daß in allerfürzester Zeit die normalen Zustände wieder hergestellt werden. Die Bejagungstruppen find vollkommen Herr der Lage. In Beuthen machte sich gestern gegen abend eine nervöse Stimmung bemerkbar, aber auch hier tam es zu teinerlei Zwischenfällen. Das Lebn widelt sich ganz normal ab. In Oppeln war es gleichfalls durchaus ruhig. Der Durchgangsverkehr durch Oppeln ist dagegen auffällig start, wohl von Flüchtlingen aus Oberschlesien , die sich nach dem Reiche be­geben. Der Landfreis Rattowig befand sich noch in den Händen der Bolen, die ihr Unwesen auch auf den Kreis Plek ausdehnten, wo sie Schreden verbreiteten. An der oberschlesisch­polnischen Grenze herrschte ein überaus reger Verkehr. Die Polen gehen unbewaffnet über die Grenze und tehren schwer bewaffnet zurüd. Ganze militärische Verbände wurden in Zivil hinüber­gebracht, um bewaffnet au werben. Es scheint sich zu bestätigen, bak polnische reguläre Truppen sich unter den Injurgenten be finden. In My slowig wurde eine Hundertschaft der Sicher­

heitspolizei entwaffnet und gefangengenommen, und zum Teil nach Polen , zum Teil in das Quartier der Insurgenten nach Schopinik gebracht. Schopinis, Myslowi z und Laurahütte waren nicht zu erreichen, auch der Eisenbahnverkehr nach dort war unterbrochen. Das polnische Hauptquartier der Aufständigen be­findet sich in Schopiniz und Eichenau . Jm Kreise Pleß traten gestern nachmittag poinische Banden in Attion, umzingelten den Ort Anahlt und setzten ihn in Brand. Ein Teil des Dorfes wurde niedergebrannt. Bon hier aus zogen die Banden gegen abend auf Jmilin und Alt- Berun zu. Der Bevölkerung des Kreises Pleß hatte sich eine ungeheure Erregung bemächtigt. Aus Laurahütte lagen auch gestern abend noch keine vollständigen Nachrichten vor, es stand nur soviel fest, daß dort start geplündert worden ist. Leobschüt- Süd bei Kattowik, befand sich in den Händen der polnischen Aufrührer. Es tam dort zwischen der Sicherheitspolizei und den Polen zu schweren, verlustreichen Gefechten, in deren Verlauf sich die Sicherheitspolizei wegen ungenügender Bewaff­nung vor dem an 3ahl weit überlegenen Gegner zurückziehen mußte, um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden. Die Streit bewegung im Bergrevier hat großen Umfang angenommen, be­sonders in den polnischen Grubenbezirken um Myslowig und Kattowitz . Sie dehnt sich neuerdings auch auf den Hindenburger Bezirk aus. Es ist zu erwarten, daß die Streitbewegung heute noch größeren Umfang annehmen wird. Ueber Kattowig- Land wurde der Belagerungszustand verhängt. Nach Informationen an zuständiger Stelle, hatte es den Anschein, als ob die Interalliierte Kommiffion fich gegen die Aufstandsbewegung wenden wird, wäh­rend es gestern noch so schien, als ob französischerseits die Polen unterstützt würden. Es wurde verlautbar, daß für die deutsche Bevölkerung fein Grund zur Beunruhigung vorliege, und daß dem Bordringen der Polen bald Einhalt geboten würde. Die deutsche Bevölkerung wurde aufgefordert, die Maßnahmen der Interalli­ierten Kommission nicht zu durchtrenzen, sondern alles daran zu setzen, Ruhe und Ordnung zu bewahren.

Auch aus dieser Meldung geht deutlich hervor, daß die von den beteiligten Kreisen verbreiteten Nachrichten zum großen Teil auf Vermutungen und Gerüchten beruhen. Insbesondere ist es unerklärlich, daß man über die Ereignisse in denjenigen Ort schaften zu berichten weiß, die sich in der Sand der Polen befinden und mit denen jede Berbindung abgebrochen sein soll.

tigt und die Räteverwaltung ausgerufen. Post- und Telegraphen Banken und öffentliche Gebände sind in den Händen der Roten. Die Bewegung gehe Don der K. A. P. D. ans. Bewaffnete Banden sollen im Marsch von Velbert nach Wülfrath fein. In Elberfeld finden Demonstrationen statt. In Düsseldorf find für heute abend Bersammlungen angesezt, ebenso in Gelsenkirchen und Herne . In Essen, Barmen und Remscheid fordern Plakate zum Kampf auf. Die Volksstimme" in Hagen kündigte für die Woche vom 22. bis 28. Auguft eine rote Woche an, was natürlich nur die Ankündigung einer Agitations. woche zur Gewinnung von Abonnenten und Parteimitgliedern be­deutet. Die Sicherheitspolizet glanbt der Lage Herr zu werden.

Putschversuch in Elberfeld

Unverantwortlich und dumm Unsinnige Putschversuche im Industrierevier Wir haben am Freitag nachdrücklich vor putschistischen Unternehmungen gewarnt, zu denen eine Reihe verant wortungsloser Personen die Arbeiterschaft wieder aufzu­stacheln versuchte. Eine ähnliche Warnung hatte auch die tommunistische Zentrale veröffentlicht. Trotzdem ist es im Rheinland zu einzelnen Putschversuchen gekommen. Die Kundgebungen sollen von der K. A. P. D. ausgehen und diesem zusammenhangslosen und wirren Haufen von Aben­teurern und sensationsgierigen Literaten, denen leider auch einzelne Arbeiter ohne politische Schulung nachlaufen, ist der Blödsinn schon zuzutrauen, auf eigene Faust in der einen oder anderen Industriestadt die Räterepublit" zu errichten. Die Berichte stimmen auch darin überein, daß es sich um Aftionen fleiner Gruppen handelt, und daß selbstverständlosen veranstalteten gestern mittag wieder eine Kundgebung bei der lich die organisierte Arbeiterschaft überall diesen Treibe­reien aufs Entschiedenste entgegentritt. Der praktische Er­folg fann nur der sein, daß die Gegenrevolution, die durch die Aufdeckung der Orgesch- Verschwörung einen emp= findlichen Schlag erlitten hat, aufs neue gestärkt wird und daß der französische Militarismus unter Ums ständen einen erwünschten Vorwand erhält, das Ruhrgebiet zu besetzen. Für uns besteht auch kein Zweifel, daß an die fem Unfug provolatorische Elemente beteiligt find, und es gehört schon der ganze Unverstand und die ganze Gewissenlosigkeit der K. A. P. D. - Leute dazu, solchen Ele menten das Spiel zu erleichtern.

Natürlich wird der Sput rasch vorüber sein, da sich die Arbeiter an solchen Abenteuern nicht beteiligen. Das ändert aber nichts daran, daß solche Versuche einen argen Schaden bedeuten und nur im Interesse der Gegner der Arbeiterklasse liegen. Es ist Pflicht unserer Genossen, den politischen Abenteurern überall mit der größten Energie und Rücksichtslosigkeit entgenzu=

treten.

WTB. Köln, 21. Auguft. Die Rölnische Zeitung" meldet aus Elberfeld : Die Arbeits­durch die Wortführer der Etadtverwaltung eine Anzahl von Forderungen unterbreitet wurden. Nachmittags segte ein miß. glückter Putsch versuch etnes Häufleins Anhänger der R. A. P. D. ein. In einer Bersammlung auf dem Grerzierplatz hatten ihre Redner zum sofortigen Handeln, zur Ausrufung der Räterepublik und Diktatur des Proletariats aufgefordert und etwa 1000 bis 1500 Personen zogen zum Rathause; es war vor den Anrückenden aber rechtzeitig verschlossen worden. Gin Trupp awetgte zum Polizeigefängnis ab um dort die Herausgabe der Waffen zu bewirken, man konnte sie jedoch durch gütliches Zureden zum Abzug bewegen. Vor dem Rathause blieb die Menge noch längere Beit versammelt. Bur größeren Sicherheit war eine Abteilung Sicherheitspolizei herbeigerufen worden, die das Rathaus mit drei Maschinengewehren umstellten. Die Sicherheitspolizei konnte nach einiger Zeit wieder abrücken.

Das Abenteuer beendet

Düsseldorf , 21. Auguft.( W. T. B.) Der Regierungspräsident teilt mit: Belbert, wo gestern die Räterepublik ausgerufen worden war, ist heute in den frühen Morgenstunden durch Sicherheitspolizei, Abteilung Essen , genommen worden. 25 fommunistische Aufrührer wur­ben verhaftet. Die verfassungsmäßigen Zustände sind in Velbert wieder hergestellt.

Gegen den Krieg mit Rußland

Räterepublik in Belbert WTB. Düsseldorf, 20. August. In Belbert ist die Räterepublit ausgerufen worden. Hundert Mann haben das Rathaus besetzt und requirierten in der Stadt Automobile und Fahrräder. Bei den Wohlhabenderen wird Geld erpreßt. Von der Reichsbant soll bereits eine Million Mart erpreßt worden sein. Auch in Düsseldorf find Unruhen ausgebrochen, doch haben dieselben keinen blutigen Cha­rafter angenommen. Um 6 Uhr 30 Minuten ist eine Versamm­lung der Kommunisten auseinandergegangen, weil die Redner noch nicht gekommen waren. Es wurde das Stichwort! Holt enre Waffen!" gegeben. Die Menge hat sich um 7 Uhr gegen das Rat­hans in Marsch gesetzt. Die Sipo versucht, die Menge wegzudrängen. Von einer anderen Seite wird mitgeteilt: In Velbert bei Elber- Der Arbeiterrat von Sidney hat beschlossen, sich jeder militäri­feld haben sich heute rote Banden der öffentlichen Gewalt bemächschen Intervention gegen Rußland zu widersetzen.

Amsterdam , 21. Auguft. In Groß London ist laut Telegraaf ein Aktionsrat gebildet worden. Heute sollen große Kuudgebungen für Rußland stattfinden.

Sidney, 21. Auguft.

Der ruffisch- polnische

Friede

Die in der heutigen Morgenausgabe wiedergegebenen Friedensbedingungen, die der Vorsitzende der russisch- utrai­nischen Friedensdelegation Danischewski bei den Ver­handlungen in Minst bekannt gab, schaffen endlich völlige Klarheit darüber, auf welcher Basis die Sowjetregierung den Frieden mit Polen herbeiführen will. Gegenüber allen densbereitschaft Sowjetrußlands anzweifeln, geht aus diesen Ausstreuungen von gegnerischer Seite, die die ehrliche Frie­Bedingungen hervor, daß die Sowjetregierung fonsequent an der Linie festhält, die sie wiederholt in ihren Kundgebun­gen an das polnische Volk zum Ausdruck gebracht und die sie noch neuerdings in der Note, die Kamenew der englischen Regierung am 10. August übermittelte, in aller Klarheit formuliert hat.

abhängigkeit Polens und das Recht des_polnischen Die russischen Friedensbedingungen erkennen die Un­Volfes an, seine Regierung nach eigenem Ermessen einzu­setzen. Damit ist neben der polnischen Unabhängigkeit auch die Souveränität des polnischen Boltes an erkannt. Es ist zugleich dadurch der strikte Beweis erbracht, daß die Sowjetregierung, im Einklang mit den Kund­gebungen Tschitscherins, nicht die Absicht hat, dem polnischen Bolte eine Verfassung aufzuzwingen, die nicht seinen eigenen Wünschen entsprechen würde. Das polnische Volk hat selbst darüber zu bestimmen, wie es nach der jezigen Katastrophe, in die es durch seine bisherigen Machthaber hineingetrieben wurde, seine staatlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufzubauen gepentt.

Was Sowjetrußland in erster Linie anstrebt, ist die Sicherung seiner Grenzen vor jedem neuen Ueber­fall der polnischen Imperialisten und der hinter ihnen stehen­den Imperialisten der Entente. Diese Forderung ist durchaus berechtigt, denn Polen hat den Krieg begonnen als räuberischen Angriffstrieg gegen die Ukraine und Sowjeta rußland, das sich 1% Jahre ehrlich bemüht hatte, alle Diffe renzen mit Polen auf dem Wege der Verständigung aus dem Wege zu räumen und ein allgemeines friedliches Abkommen mit seinem westlichen Nachbarn zu schließen. Die Forderung der Abrüstung bis zu der Grenze von 50 000 Mann, ebenso wie die Forderung, daß Polen keinem fremden Staate gestatten dürfe, sein Land als Operations- oder Etappengebiet gegen Rußland zu benutzen, ist um so eher berechtigt, als noch jetzt umfassende Borbereitungen im Gange sind, eine neue Angriffsfront gegen Ruß­ land vorzubereiten und Ungarn , Rumänien , Bolen als Stützpunkle für eine neue militärische Intervention im Often zu benutzen. Als Gegenleistung für die Abrüstung Bolens ist Rußland bereit, den Rüdmarsch der russischen Armeen bis hinter die von Lord Curzon am 11. Juni an­gegebene Grenzlinie zu vollziehen. Es besteht also feine neue militärische Bedrohung durch Rußland , zumal die russische Regierung das zwischen beiden Armeen liegende Gebiet als neutrale Zone erflärt, deren Verwaltung in die Hände Pos lens und einer gemischten, von den Gewerkschaften gebildeten Kommission gelegt werden soll.

Es ist bemerkenswert, daß die Sowjetregierung trotz der ungeheuren Opfer, die der polnische Angriffstrieg Rußland und der Ukraine verursacht hat, feine Entschädigung von Polen verlangt. Es müssen lediglich die aus dem be setzten Gebiet fortgeschleppten landwirtschaftlichen und in dustriellen Mobilien sowie das geraubte Eisenbahnmaterial an Rußland zurückgegeben werden. Die einzige Forderung, die Rußland an Polen stellt, ist die des freien Transits für Personen und Güter durch Polen und der Uebergang der Eisen­bahn Wolkowischt- Grajewo in den Besitz und die Kontrolle der russischen Republit. Diese Forderung wird bedingt durch die Notwendigkeit, endlich in freien Wirtschaftsverkehr mit den westlichen Ländern zu gelangen, und Polen wird um so weniger berechtigt sein, diese Forderung abzulehnen, als es selbst die Notwendigkeit des polnischen Korridors" durch Deutschland damit begründet hat, daß es einen freien Zu gang zur Ostsee brauche, um wirtschaftlich existieren zu

fönnen.

Diese wesentlichsten Punkte der russischen Friedens bedingungen fennzeichnen das aufrichtige Bestreben der Sowjetregierung, ein Abkommen mit Polen zu treffen, das frei ist von jenen gewaltpolitischen Tendenzen, die die Friedensschlüsse von Brest- Litowsk , Versailles und St. Germain erfüllen. Im Gegensatz zu den Imperialisten Deutschlands und der Ententestaaten will die russische Sow­jetregierung, als Bertreterin der arbeitenden Klassen Ruß­ lands und der Utraine, einen Frieden herstellen, der auf gebaut ist auf den Grundsägen der nationalen Unabhängig­feit und des Selbstbestimmungsrechtes des polnischen Boltes. Es liegt nun an Polen und an den regierenden Kreisen der Entente, ob dieses Ziel Rußlands verwirklicht wird. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Polen , berauscht von den militärischen Erfolgen, die sie in den letzten Tagen errun­gen haben, in ihre imperialistischen Wahnvorstellungen zurüdfallen und gemeinsam mit den friegerischen Cliquen, die in den Ententeländern ihr Unwesen freiben, den Fries den mit Rußland zu sabotieren suchen. Würde dieser Fall

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