Hetze gegen Dissidenten

Genosse M. Peters, Gemeindevorsteher in Alt- Glienice, der fürzlich auf eine Anzeige des Kirchenrats seiner Gemeinde hin wegen einer Rede am Grabe verurteilt worden ist, schreibt uns: Die Verfassung der deutschen   demokratisch tapitalistischen Repu­blit, die just vor einem Jahre unter pumphaftem Gepränge in der Rationalversammlung zu Weimar   beschlossen wurde, verspricht allen Bewohnern des Reiches volle Glaubens- und Gewissens­freiheit". Die ungestörte Religionsübung" soll durch die Ver­fassung gewährleistet" sein. Das ist ein fühnes Bersprechen. Bolle Glaubens- und Gewissensfreiheit" tann in einem fapitalt­tischen Staate unmöglich existieren. Die Auswirkungen der un­gleichen ökonomischen und sozialen Machtverhältnisse auf das Geistesleben lassen sich durch papierne Bestimmungen nicht hem­men. Immerhin wären die staatlichen Organe verpflichtet, den In der Berfassung versprochenen Schuß für Religionsübungen aller Art durchzuführen. Aber auch davon ist in unserem Staats­wesen feine Rede. Der Flügelschlag der neuen Zeit hat unsere Rechtspflege am geringsten berührt und die zur Berfolgung der aatsfeindlichen Elemente geschaffene vorrevolutionäre Recht­prechung wird auch heute noch uneingeschränkt betrieben.

Und da der Be­

Insbesondere ist die seinerzeit geschaffene ausnahmerechtliche Be­handlung der Deissidenten unverändert geblieben. Ist es doch den Dissidenten unter Umständen auch heute noch nicht möglich, thre Angehörigen in der von ihnen gewünschten Art bestatten zu lassen! Des Schöffengericht in Copenid hat fürzlich den Schreiber biefer Zeilen verurteilt, weil er am Grabe eine improvifierte Trauerrebe gehalten hat. Das niebrige Strafmaß( 3 M.), das ir nur jeiner geachteten Stellung in der Gemeinde" verdankt, darf hicht über die Gefährlichkeit des Urteils hinwegtäuschen. Denn trhält es Rechtstraft, so wird die ganze große Schar der schwar­en Gendarmen und ihrer Advokaten auf den Plan treten, um bie vor der Revolution im Interesse der Erhaltung des Privilegs Paftoraler Leichenrebner efftig betriebene Satz gegen Laien­tebner Don neuem beginnen. สิน riff Rede" einer gesetzlichen Erläuterung entbehrt, werden wir es wieder erleben, daß dret Widmungs­borte am Grabe eines toten Freundes genügen, um die Trauer­feier zu stören und den Redner" zu bestrafen. In diesem Ge­bantengang, der den Rechtsanschauungen vorrevolutionärer Zeit entspricht, bewegte sich auch durchaus die Begründung des erwähn en Urteils. Jeder Late, der am Grabe einige Worte spricht, ei als Leiter und Veranstalter eines ungewöhnlichen Leichenbegängnisses anzusehen, und wenn er nicht die Genehmi­gung dazu, eingeholt hat, zu bestrafen. Diese Begründung be­tuft fich auf die§§ 9 und 19 des Reichsvereinsgesetzes vom 19. April 1908. Entstanden ist sie in der Zeit der Sozialisten­and Diffidentenverfolgungen. Eine Stüße im Gesetz selbst findet biese Rechtsprechung aber nicht. Der flare Sinn des§ 9 bes Reichsvereinsgefeges ist ber, den Bolizelorganen die Rechte zu ichern, Leichenbegängnisse, die als Aufzüge einen demonstrieren­ben Charakter tragen, von ihrer Genehmigung abhängig zu machen. Und nach dem Wortlaut des§ 19 find nur Beran after ober efter von Versammlungen unter freiem Simmel der Aufzügen ohne polizeiliche Genehmigung strafbar. Eine Be trafung des Rebners it überhaupt nicht vorgesehen. Es tann unmöglich die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, die Polizei­behörde zu veranlassen, in jede Trauerversammlung störend ein

jugreifen.

Die ungeheure Härte, die in dem oben erwähnten Urteil gegen­über der Dissidenten liegt, wird indessen erst offenbar, wenn man bie Friedhofsverhältnisse, sowie die Rechte der Kirchenbehörden und der Gemeinden näher betrachtet. Die politischen Gemeinden haben auch heute noch nicht das Recht, selbständig Friedhöfe qu trichten. Die Anlage oder Erweiterung eines Friedhofes ift bielmehr abhängig von der Genehmigung der Ortspolizeibehörde, bie tungspräsidenten erteilen darf. Die Regierungspräfiden­ten hinwiederum haben vor Erteilung der Zustimmung wegen Berücksichtigung der firchlichen Interessen mit den geistlichen Oberen sich in Verbindung zu jezen."( Erlaß des Ministers vom 12. August 1891.) Die Kirchenbehörden fönnen also, wenn sie burch einen neu zu schaffenden Gemeindefriedhof eine Schädigung ihrer Interessen befürchten, die Anlegung eines solchen Begräb nisplages hintertreiben. In vielen Otten gibt es nur einen, den

Hirchlichen Friedhof.

wächst

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Die Kirchengesellschaften, die Begräbnispläge befizen, find nun allerdings verpflichtet, Andersgläubige aufzunehmen. Daraus er­so sollte man wenigstens meinen von selbst die moralische Pflicht, die Art der Bestattung dem Trauergefolge zu überlassen. Ueber Moral und Sitte indessen darf man mit den Vertretern der Kirche nicht streiten. Rechtlich liegen die Dinge so, daß fie den Minoritäten Gastrecht auf ihren Friedhöfen nur bei Anerkennung der von ihnen geschaffenen Friedhofsord nung gewähren brauchen. Diese Friedhofsordnungen bestimmen aber Art und Charakter der Trauerfeier. Die Mitwirkung von Laienrednern" verbieten sie durchweg. Selbst die Ortspolizei­behörde hätte nicht einmal das Recht, derartige Reben, die die Friedhofsordnung untersagt, zu genehmigen.

Gefühl mit Schwung und Schmiß und hat besonders im Marsch­textes des zweiten Aftes einen richtiggehenden Schlager, der alles herausreißt und den großen Erfolg besiegelt. Das reizvoll aus­gestattete Werfchen war mit Geschmad und Geschick vom Ober­regisseur Franz Groß in Szene gelegt. Er selbst, der Ballen­berg der Operette, gab darin eine Bauernrolle mit außerordent licher Charetterfomit. Lotte Wettmeister, übersprudelnd von Draftil und Drolerie, Margit Suchy, anmutig im Spiel und Ge fang, Julius Dewald, Franz Felix   und die anderen hatten mit Orchester und Ballett beim Publitum glatt gewonnen.

Das Junge Deutschland   beschließt seine Tätigkeit mit der Ur­aufführung von Otto Baret Raiser Karl V.  ", die am Sonntag, den 29. August, 12 Uhr mittags, im Deuts Ichen Theater, stattfindet. Das Wert des jungen Dichters wird ausschließlich von jungen Schauspielern dargestellt werden. Die Inszenierung leitet seing Herald.

Ratten".

Die Folge dieser verworrenen Rechtsverhältnisse ist nun, daß die Bestattung von Andersgläubigen auf dem Friedhof irgendeiner Kirchengemeinde ohne jede Feierlichkeit, fang und langlos, vor sich zu gehen hat, sofern nicht die ausführenden Organe der be­treffenden Kirchengemeinde ein Entgegenkommen zeigen. Die Be­gräbnisart der Dissidenten hängt also vollkommen von der Willkür ber Kirchhofsbehörden abein durchaus unwürdiger Zustand, der durch das oben erwähnte Urteil aufs neue rechtlich" fant­tioniert wird. Die Aufhebung des Urteils ist somit eine zwin= gende Notwendigkeit, um diesen unerhörten Ausnahmezustand gegenüber Dissidenten, zu beseitigen.

Das Role- Theater eröffnet die diesjährige Winterspielseit am 2. September mit Gerhart Hauptmanns  Im Laufe der Spielzeit gelangen noch folgende Werte zur Auf­fhrung: Otto Ludwig  : Der Erbförster" mit Bernhard Rose  , Richard A. Edon: Der Anti- Christ", Regie: Emil Leffing, Gaft­Spiel Jda Orloff, Robert Respital und Franz Starosson: Ber  flucht jei der Ader", Sellmuth Unger: Der/ verlorene Sohn", Gastspiel da Orloff, Shakespeare:" Gin Wintermärchen" und Der Kaufmann von Benedig", Kogebue: Die deutschen Klein­Städter", Emil Rosenow  : Kater Lampe"." Die Aufführung von Jbsens Gespenster" wird am 22. und 29. August nachmittags 3 Uhr, wiederholt.

Im Reyen Volkstheater wird von heute ab täglich Heyermanns Smauspiel Die Soffnung auf Gegen" gegeben. Die Winterspielzeit beginnt am 1. September mit Gerhart Hauptmanns Diebstomöble Der Bieberpela".

In der Bolfsbühne wird allabendlich Lehars erfolgreiche 3igeunerliebe" wiederholt. An den Sonnabend- und Sonntagnachmittagen Die Fledermaus  ".

Im Residenztheater geht in den ersten Tagen des September Hermann Sudermanns Schauspiel Die Freundin" zum erstenmal in Szene. Tilla Durieux   spielt die Titelrolle.

Daneben muß endlich aufgeräumt werden mit den alten minifte= riellen Erlassen und Verordnungen, die bestimmten Kirchengesell­schaften Privilegien einräumen. Solange jie noch bestehen, kann davon keine Rede sein, daß die Verfassung die ungestörte Reli­gionsfreiheit gewährleistet und ihr staatlichen Schuß angedeihen läßt, wie es auf dem geduldigen Papier der deutschen   Reichs­verfassung so schön zu lesen ist.

Orgesch auch in Sachsen  

Dresden  , 21. Auguft.

Die Telegraphen- Union meldet: Das fächsische Ministerium des Innern hat Kenntnis davon erhalten, daß auch in Sachsen   versucht wird, eine Selbstschutz- Organisation von Städten und Gemeinden zu bilden. Die Polizeibehörden find foeben angewiesen worden, allen solchen Bestrebungen mit Nachbend entgegenzutreten und be reits bestehende Orgesch Organisationen aufzulösen. Die sächsische Regierung warnt auf das Eindringlichste vor der Beteiligung an der Orgesch und erklärt: Jeder Versuch von Personen, solche Ver­bände zusammenzuschließen, würde als ein Verstoß gegen die Ber­ordnung des Reichspräsidenten. vom 30. Mai 1920, betreffend die zur Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicher heit notwendigen Maßnahmen angesehen und demgemäß mit Zuchts haus bis zu 5 Jahren, bei vorliegenden mildernden Umständen mit Gefängnis bestraft werden müssen. Als zulässige Selbstschutz­Einrichtungen der Gemeinden können nur solche angesehen werden, welche den vom Ministerium des Innern unterm 3. Mai erlassenen Richtlinien über den örtlichen Schuß entsprechen. Die Orgesch Organisationen entsprechen diesen Richtlinien nicht und würden daher schon aus diesem Grunde unzulässig sein. Die Auflösung der Orgesch Organisationen ist schon deshalb notwendig geworden, damit nicht bis zum Bekanntwerden der Ausführungs bestimmungen zum Entwaffnungsgesez sich neue bewaff­nete Organisationen bilden, die dann auf Grund dieser Bestimmun gen doch aufgelöst werden müßten. Das Bestehen der Orgesch- Or­ganisationen widerspricht den in Spaa mit den Berbands- Mächten getroffenen Abmachungen.

Im Deutschen   Künstlertheater gelangt am 1. September ein musikalischer Schwant Die Scheidungsreise" von Rudolf Presber   und Leo Walter Stein, Musit von Hugo Strich, unter der Leitung von Direktor Victor Palfi zur ersten Auf­führung.

Im neuen Operettenhause wird die Winterspielzeit am 28. d. M. mit der Caitosbatoneß", im Metropoltheater An­fang September mit Kalmans 5olland weibchen" eröffnet. Sturmbühne Zukunft" nennt sich eine Gruppe lunger Schau­spieler und Dichter. Am 22. August um 12 mittags findet im Meistersaal, Köthener Str. 38, eine Programmerklärung statt.

Die Juden- Razzia in Oberschleften

Zu der standalösen Auslieferung jüdischer militärpflichtiger Ar­beiter an die Polen   wird uns aus kattomis geschrieben:

Am 17. d. M. ist in Kattowig eine sogenannte Ausländer­Razzia" veranstaltet worden, worüber die tattowiger Zeitung" in folgender Weise berichtete: Auf Anordnung der hiesigen inter­alliierten Kommission wurde am gestrigen Nachmittage von der blauen und grünen Polizei eine Ausländer- Razzia" in den Straßen, Lokalen und den bekannten Schlupfwinkeln von Kattowiz und Myslowig vorgenommen mit dem Ergebnis, daß mehrere hundert Personen, die ohne Baßausweis waren, über die Grenze abgeschoben wurden."

Dazu muß vor allem festgestellt werden, daß die Festgenommenen ausnahmslos Juden waren, so daß die Benennung Juden­Razzia" geeigneter ist. Dann muß weiter nachdrücklich betont wer­den, daß der größte Teil der Abgeschobenen vorschriftsmäßige Aus­weispapiere besaß; es wurden aber alle Ausländer" ohne weiteres verhaftet und abgeschoben, auch die, die in Kattowih be schäftigt sind und Pakausweise besitzen. Die Razzia" soll auf An­ordnung der interalliterten Rommiffion vorgenommen worden setn; es ist aber eine Frage, ob das eine Angelegenheit der inter alliferten Kommiffion set, und ob die Kattomizer Behörde in solchen Angelegenheiten den franzöfifchen Befehlen gehorsam sein muß. Diese Razzia ist jedoch vielmehr eine Folge der Judenhezze, bie auch von der Rattowiger Zeitung" betrieben wird, unter der Ausflucht, daß alle Oftiuden" Schieber seien. Es steht aber feft, daß eine solche ,, Razzia" die wirklichen Schieber niemals berührt, weil die Schieber immer Mittel besigen, um sich der Festnahme zu entziehen. Dagegen hat die Razzia fast ausschließlich bie jüdischen Arbeiter getroffen, die hierher gewan­bert sind, um ihr Leben vor dem polnischen Militarismus zu retten, und die nicht gegen die russischen Arbeiter fämpfen wollen. Die Abgeschobenen waren bis auf wenige Ausnahmen polnische Militärpflichtige. Niemals werden sonst Militärpflichtige bem Lande wieder ausgeliefert, aus denen sie geflüchtet sind. Solche Leute ausliefern, heißt mehr als unverantwortlich handeln- es heißt verbrecherisch handeln, denn dem größten Teil der Abge­Schobenen droht Todesstrafe, der andere Teil wird nach furchtbaren Mißhandlungen an die Front geschickt werden. Die deutsche Re­aftion handelt somit den polnischen Gesinnungsgenossen Hand in Hand. Und ist denn das fein Neutralitätsbruch?

Run behauptet man, daß die Abgeschobenen unerwünschte Ele­mente seien, die sich meist mit dunkeln Geschäften befassen. Dem gegenüber muß nochmals betont werden, daß unter den Abgeschobe­nen sich einige hundert befanden, die hier beschäftigt waren und richtige Ausweispapiere hatten. Wenn sich unter den Abgeschobe nen auch viele Arbeitslose, also ,, lästige Elemente", und auch solche, die sich mit Schieberei beschäftigten, befanden, so ist das nur die Schuld der hiesigen Behörden. Der größte Teil dieser jüdischen Flüchtlinge will nach Palästina fahren, die deutschen   Behörden faten aber nichts, um ihnen die Reise zu ermöglichen. Die Katto­wizer Polizei weiß sehr gut, wer die wahren Schieber sind, aber biese werden nicht angetastet.

Der Schlußfolgerung des Königsberger Blattes wird man, falls sich seine Angaben bewahrheiten, die Berechtigung gewiß nicht ver­fagen dürfen. Immerhin braucht man sich über die republikanische Konfistationspragis nicht weiter zu verwundern. Sie hat Vor­gänge: man dente nur an ble merkwürdige Auseinandersetzung mit dem Hause Hohenzollern  . Was dem Herzog recht ist, muß dem Diener billig sein. Da ste zudem beide in der Stunde der Gefahr austniffen, braucht man sich auch nicht aus moralischen Er­wägungen heraus zu einer differenzierten Behandlung zu per­stehen, so daß alles in Ordnung ist. Kann man mehr verlangen?

Herrn Kapps Zwangsverwalter Bekanntlich war gegen Herrn Kapp, den geflüchteten Reichs­fanzler der Lüttwig- Aera, weil man ihn selbst durch die Lappen gehen ließ, die Vermögenstonfistation ausgesprochen worden. Sie wurde durchgeführt, sein oftpreußisches Gut unter staatliche Ber­waltung gestellt, aber so, daß man glauben möchte, sie wolle als eine Art Treuhänderin für die Familie Kapp dienen. Die Königs­berger Volkszeitung" berichtet also darüber:

Russische Beschwerdeführung

TU. Wien, 21. Auguft.. Der Bevollmächtigte der ruffischen Sowjettommiffion in Wien  , Bronsti- Warszwawsta, hat an den Staatssekretär des Aeußeren, Dr. Renner, eine Note gerichtet, in der er Beschwerde führt, daß er, unter Hinweis auf das Kontrollrecht der Entente­machte am funtentelegraphischen Berteht mit Rußland   ge= hindert werde. Dadurch werde ein Punkt des Kopenhagener Uebereintommens verlegt. Die Note beruft sich auch auf die zwischen der österreichischen   und ungarischen Regierung zustandegekommene Staatssekretär des Aeußeren abgegebenen Neutralitätserklärung Uebereinkunft  . Ferner beschäftigt sich die Note mit der von dem der österreichischen Republik imKampfe zwischen Rußland   und Polen  und stellt fest, daß die österreichische Regierung in dieser Frage eine Haftung eingenommen habe, die als Schädigung der Inter­essen der russischen Sowjetrepublit betrachtet werden müsse und Teilen des Kopenhagener Vertrages widerspricht. Die Note schließt mit der Erklärung, daß der Vertreter der Sowjetkommission alles daran jezen werde, daß das Kopenhagener Uebereinkommen vom ersten bis zum legten Punkte durchgeführt werde.

Offiziersspitzel Ehrenmänner!

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schiedener Offizier: In der Leipziger Boltszeitung" schreibt ein freiwillig ausges

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et

Früher gab es ein Ehrengericht, meine Herren. Das war eine sehr fluge Einrichtung. Davor wurden alle die gezogen, denen man nachsagen zu fönnen glaubte, sie hätten, wenn man es durch eine ganze spezielle Brille ansah, ein Tüpfelchen auf ihrem blanten Ehrenschild. Solche Anschauungen waren der reine Hohn auf die Menschlichkeit. Wenn ein Borgesetzter nämlich seinen Offizier der­art bis aufs Blut schifanierte-o, das verstanden sie mitunter recht gut, die Herren!, daß jener aus sich herausbrach wurde abgetan. Oder ein Offizier setzte sich warm für seine Leute ein, vernachlässigte die Sauferei im Kasino und pfiff überhaupt auf das ganze affettierte Maschinenmenschentum er wurde abe getan; Borwände gabs genug. Dafür fonnte er aber ruhig die Frau eines Kameraden verführen und seine Ehe zerstören; wenn er bloß schneller und sicher abbrüden fonnte, dann hatte jener Bes trogene nämlich noch obendrein seine Kugel im Herzen. Dann war die peinliche Affäre aus der Welt; die Festungshaft war ehrenhaft und wurde bald geschenkt, und ein solcher Mann ward der ehrenwerteste Seld der Gesellschaft einer Gesellschaft, die durch ihr Handeln sich von selber richtet, so daß man kein Erbarmen mit ihr zu haben braucht, wahrhaftig nicht. Und sprang einer auf bei der Ehrenratsverhandlung und warf glühenden Gefichts ein paar tühne, fürsprechende Worte dazwischen, da erhob sich der Kommandeur sehr selbstbewußt: Ich bin verantwortlich für den Geist in meinem Offiziertorps. Und Seine Majestät wünschen, daß wir gerecht, aber streng urteilen. Recht streng, damit er sieht, wie untablig wir denten, nur damit wir ihm nicht das Vorrecht der Ausübung seiner Allerhöchsten Gnade vorwegnehmen!"- Und der fühne Sprecher war schon vornotiert für den nächsten Fall. Der Kaiser aber dachte gar nicht daran, Milde zu üben, denn er war von Gott   begnadet. Man tönnte Bände schreiben über solche Fälle. Aber das warmherzige Menschenherz zog sich zusammen im Krampf und im Ingrimm. Aus so etwas wurde der Haß geboren. Wir müssen das Ehrengericht wieder haben", schreien die Offi­ziere. Es wäre ihnen ein recht bequemes Handwertszeug, alle Sie gesellschaftlich totzumachen, die revolutionär empfanden. Die nicht jeder eine Abschlußliste vorzuweisen haben, wieviele Bolts feinde, Spartatisten sie in den lezten beiden Jahren beseitigt haben. Das wären dann die neuen Salonlöwen benn das be­wußte Hingemordethaben in den vier langen Kriegsjahren, das ist bereits etwas so unbedeutendes; es gehört gewissermaßeit zur Borbildung. Und die Frauen finden es heldenhaft schön! Und welche Wahnvorstellungen werden erst deiner feudal- bürgerlichen Jugend eingeimpft, du Deutschland   der Zukunft! Denn eines steht heute schon feft: Lodspigeltum, heimliches, etelhaftes, verlogenes Serum pionieren, aufputschen und aufhezen, damit dumme, vers trauende Sigtöpfe in aufgestellte Nezze laufen.

Zwangsverwalter des Kappschen Rittergutes Pilzen in Ost­ preußen   ist ein ehemaliger attiver Hauptmann, der die, Land­wirtschaft erlernt!! Tatsächlich verwaltet das Gut der leib­haftige Sohn Kapp jun. Es schweben Verhandlungen zwecks Verpachtung des Gutes an ihn! Er hat die Absicht, so viel wie möglich für den Staat aus der Bewirtschaftung herauszuschlagen. Er verlangt Verpachtung an ihn auf zehn Jahre, bei vorzeitiger Kündigung eine Entschädigung von einer halben Million Mart. Kapp jun. ist es bisher leider noch nicht gelungen, aus dem Gute Erträge für den Staat flüssig zu machen. Er hat durch von der Landwirtschaftskammer bescheinigte Bücher ,, bewiesen", daß das Gut feit jeher mit Unterbilanz gewirtschaftet(!) und sein Vater nur zugefekt hat. Nur aus Liebe zum Vaterland hat er dauernd die Wirtschaft aufrechterhalten.(!) Das Gut ist 2500 Morgen groß, hat einen Wert von 2% Millionen Mart und ist mit einer halben Million Mart belastet. Sert Kapp ist also zweifacher Millionär. Er beabsichtigt, demnächst Borschüsse Dom Staat zur weiteren Durchführung der Zwangsverwaltung Das flingt alles geradezu unglaublich. zu erfordern usw. Schließlich wird bei dieser Art von 3wangsverwaltung" aus der Vermögenskonfistation noch eine Bereicherung der Familie Kapp auf Staatstoften.

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von

Das ist sehr ehrenhaft, wenn du es tust, nämlich für deine Interessen, solange fie nämlich die deiner Offizierskameraden, deiner Gesellschaft vertörpern. Macht das ein Arbeiter, schieß ihn über den Haufen, den Hund! Ueberhaupt mußt du alles, was sich bei ihnen regt und einsett, beiseiteschaffen, so allmählich Liebknecht an( Bravo  !) über Marloh bis zu Paasche( noch besser) und Marburg  ! Das waren Männer, siehst du. Dabei tommt nie mals etwas heraus, und die unbequemen Hallunken sind wir los. Was tönnen fie nämlich für Unheil anrichten, wenn sie das Bolt noch weiter sehend und frei machen-tnall sie doch nur heimlich über den Haufen, das ist ehrenhaft! Bravo!

Man muß sich die Psyche jener Kreise vergegenwärtigen, um nämlich solche Niederträchtigteiten überhaupt begreifen zu fönnen. Da figen in Magdeburg   Offiziere, durch deren Sände fließt das Geld. Da voltigiert in Sachsen   ein Reichswehrleutnant mit zehn­tausenden: Bringt uns Berichte, es mag ja alles erstunten und er­logen sein. Sauptsache, daß es fnallig wirft! Daß dem Bürger­tum das schlotternde Entsetzen ankommt vor den Schrecken bolsche wistischer Greuel, daß es händeringend zu ihnen gelaufen tommt: o wir brauchen euch so nötig, ihr lieben Offiziere, bleibt unfre Rettung! Und diese Herren pochen sich selbstüberzeugt an die Brust: Ehrenmänner, tüchtige Leute! Da hängt ein überall verzweigtes heimliches Verschwörernet über ganz Deutschland  . Ueberall hin Strecken sie die Krallen aus. Wer intelligent ist und wer gefährlich werden könnte, den muß man greifen. Beseitigen bei der aller nächsten Gelegenheit! Bis dann endlich der Augenblick da ist, nach Vorbereitungen von unendlicher Mühe, wo das Netz über dem Lande zusammengezogen wird. Erbarmungslos- wo alles tierilch vernichtet wird, was sich den Ehrenmännern" nicht beugt. Uno triumphierend steigt dann wieder hoch die alte Gesellschaft, mit der Knute in der Faust: Kusch dich, Gefindet, jest sollst du an der Kette liegen bleiben und uns sollst du nicht mehr überraschen

tönnen.

Bor thre neuen Ehrengerichte aber wird die neue( alte) Ge­fellschaft ihre Spikel und zutreiber nicht laden. O nein, die haben den Ehrenplayz babei.

Bürgertum, Abel, Offiziertorps, reißt euch die Binde von den Augen. Daß ihr seht, wie elendiglich gemein thr geworden seid! Efelt euch nicht vor euch selber? Aber freilich, eure Zeitungen schreiben euch ja so etwas nicht. Das wird flüchtig als unbequem übergangen. Und bein Kapital und deine Industrie geben die Tausende dazu dafür müssen jetzt auch die Angestelltenlöhne gefürzt werden, damit der Ausfall wieder hereinkommt. Und das Geld steden die Offiziere ein. Ehrenmänner- wahrlich, jeder ist ein ehrenwerter Mann!

Alte Kameraden, seid ihr blind? Stoßt ihr jene Lumpen nicht von euch, die tünstlich lebenglühende Menschen gegen leben­glühende Menschen, deutsche Brüder in soviel Schlachten und Blut gegen dieselben deutschen   Brüder hehen? Gehen euch nicht die Augen über, wo ihr seht, wie unendlich gemein das ist? Wie hundsgemein! Aber ihr begreift ja nicht, weil ihr nicht wollt in eurem beleidigten Düntel. Weil ihr fein Herz habt. In eurer Bruft fight etwas anderes: die trasse Selbstfucht, die Angit ,, bie Nun, dann muß fie euch ein anderer Hoffart, der blinde Hah! herunterreißen, die falsche Larve! Einer, dessen froher Stolz es

frei! Und untadelig. Aber der dabei immer sein Herz hat klopfen hören unter der Uniform in der Liebe zu seinen Boltsbrüdern,