Einzelpreis 20 Pfg. 3. Jahrgang

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Freitag, den 27. August 1920

Nummer 353

Abend- Ausgabe

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Berliner Organ

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

Pöbelherrschaft in Breslau

Alldeutscher Krawall

Nationalistisch- antisemitische Ausschreitungen in Breslau Breslau

, 26. Auguft.

WTB. meldet: In Breslau , wo heute auf dem Schloßplatz eine Demonstrationsversammlung stattfand, in der Flüchtlinge aus Oberschlesien sprachen, tam es nach Schluß der Versammlung zu erregten Borgängen. Aus Oppeln war das Gerücht eingetroffen, baß dort bewaffnete polnische Haller- Soldaten in Zivil angelangt und seit den Mittagsstunden mit der deutschen Bevölkerung in Kämpfe verwidelt seien. Diese Nachricht versetzte die Menge in höchste Erregung. Dazu tam, daß nach Schluß der eigentlichen Bersammlung noch wilde Redner auftraten. Beim Berlassen des Plates machte sich die Erregung in drohenden Rufen gegen die Bolen und Franzosen Luft. Plöglich ertönte aus der Menge der Ruf: ,, Wo ist das polnische Konsulat?" Es wird behauptet, daß der Ruf von einem polnischen Spigel stammte. Bor dem Monopol­Sotel am Ausgang des Plates nahm die Menge eine brohende Haltung an, da sie französische Offiziere im Hotel vermutete. Da bie Bermutung nicht zutraf, wovon sich die Menge überzeugen liek, begaben sich mehrere Trupps halbwüchsiger Burschen zum polnischen Konjulat, brangen dort ein und zerstörten die Ein­ichtung. Die zum Schutz des Konsulats bort dauernd stationier ten Beamten der Sicherheitspolizei waren dem plötzlichen An­brang der Menge nicht gewachsen. Diese zog dann zu verschiedenen anberen Hotels, in denen sie fremde Offiziere vermutete. Im Sotel Fürstenhof, wo die interalliierte Kommission ihren Sit bat, flüchtete das Bureaupersonal in den Garten. Infolge des hnellen Eingreifens der inzwischen herbeigeeilten Sicherheits polizei ist es jedoch hier zu Gewalttätigteiten nicht gelommen. Der belgische Adjutant der Friedenstommission hat im Laufe des Abends dem Polizeipräsidium gegenüber seine Befriedigung dar­über ausgesprochen, daß der Schutz so schnell wirksam gewesen ist, und sich in den Räumen der Kommission teine Uebergriffe er­eignet haben. Leider war jedoch inzwischen derselbe Saufe zum franzöfifchen Konjulat gelangt, wo sich die ebenfalls dauernd hier aufgestellte Sicherheitswache dem plötzlichen Ansturm gegenüber als zu schwach erwies. Die Räume wurden zerstört und die Atten auf die Straße geworfen. Der starten zum Schutz des französischen Ronsulats inzwischen entsandten Truppe gelang es jedoch, den Geheimschrank des französischen Konfuls vor der Zerstörung zu be­

Die russische Note an England Russisches Entgegenkommen

Paris , 27. Auguft. Nach einer Matin"-Meldung aus London ist gestern pät abends die Antwortnote der Sowjettegies ung auf die Note Balfours bei Ramenew und Kraffin ein getroffen. Obwohl die Antwort noch nicht vollständig be­fanntgeworden ist, glaubt man, daß fie im großen und ganzen den englischen Wünschen soweit entgegenkommt, daß sie die Mögligteit für Berhandlungen bietet.

HR London, 27. Auguft. Der Korrespondent des Daily Expreß " hatte eine Unterredung mit dem polnischen Außenminister Sapieha . Dieser erklärte, die polnische Regierung wolle mit Rußland einen Frieden schließen, ber weber dem polnischen noch dem russischen Bolte die ihnen rechtmäßig gehörenden Gebiete nimmt. Da aber die Grenzdistrikte von einer gemischten Bevölkerung bewohnt werden, ist bei der Regelung der Grenzfrage die Mitwirkung beider Bar­teien unbedingt notwendig. Er erklärte weiter, daß die Be= teitwilligteit, zu einem Frieden zu tommen, Bolens Seite bestimmt vorliege und Polen auch bereit sei, a b= zurüsten, wenn Rußland und Deutschland das gleiche tun

Gebiet erwerben wolle.

Günstige Aufnahme in Paris

TU. Paris, 27. August.

auf

Die Erklärung der polnischen Regierung, daß sie nicht die Absicht habe, ihre erfolgreiche Offensive über die ethnographischen Gren­zen Bolens auszudehnen, wird hier mit der größten Befriedi gung aufgenommen und man hofft auf das baldige 3u tanbetommen eines Friedens.

Mie aus zuverlässiger Quelle verlautet, soll der Ministerpräsident Miller and der polnischen Regierung eine Note gesandt haben, in der darauf hingewiesen wird, daß die Alliierten großen Wert auf den Abschluß des Friedens legen und daß bie polnischen Forderungen sich in den bereits früher von der Entente bezeichneten Bahnen halten sollen.

London , 27. August.

wahren. Der weitere Schutz des Konfulats ist hinreichend sicher­gestellt.

Im Anschluß an diese Borgänge haben sich dann leider in den Abendstunden noch weitere Störungen ereignet, die zum Teil einen ausgesprochen antisemitischen Charakter annahmen. Untontrollier­bare Elemente haben in der Antonienstraße das Blattsche Hotel bedroht, in dem Ostjuden zu verkehren pflegen, doch ist es zu wirklichen Störungen dort nicht gekommen, wohl aber in der Bohrauer Straße, wo das Warenhaus von Herzfeld geplündert wurde. Auch die französische Autozentrale in der Subenstraße ist im Laufe des Abends erbrochen worden. Es sind Maßnahmen ge­troffen, die Ruhe und Ordnung in der Stadt wiederherzustellen und zu sichern.

Ein Aufruf des Oberpräsidenten Breslau , 26. Auguft.

Der tommissarische Oberpräsident von Niederschlesien , Zimmer, erläßt folgenden Aufruf:

An die Einwohner Breslaus ! Im Anschluß an die Demonstra­tionsversammlung auf dem Schloßplay haben unverantwortliche Elemente das polnische und französische Konsulat gestürmt und be schädigt. Des weiteren wurde in verschiedenen Stadtteilen ver­fucht, Jüdische Geschäfte zu plündern und fremdländische Offiziere zu belästigen. Diese Borgänge find geeignet, der Reichsregierung ungeheure Schwierigkeiten zu bezeiten.

Ich bitte die Einwohner Breslaus dringend, solche und ähnliche Ausschreitungen zu verhindern. Es find alle Borkehrungen ge troffen, um Leben und Eigentum zu fügen, sowie alle Aus­schreitungen nachdrücklichst zu unterdrüden.

Es ist außerordentlich zu bedauern, daß der berechtigte Unwille der Flüchtlinge aus Oberschlesien über ihre Lage von unverantwortlichen Elementen dazu benutzt wird, um die nationalistischen Gegensage immer aufs neue zu verschärfen und daran eine Hege gegen die Franzosen zu Inüpfen. Wer bei den Borgängen in Breslau seine Hände im Spiel gehabt hat, das geht deutlich aus den antise mitischen Exzessen hervor. Letzten Endes hat die Folgen derartiger Borgänge das ganze Bolt zu tragen. Die Arbeiterschaft muß demgegenüber ständig auf der Hut sein, daß ihre Rundgebungen nicht von Leuten mißbraucht werden, bie solche Gelegenheiten benügen wollen, um ihre ver­brecherischen Pläne zu verwirklichen.

Der Zustand der russischen Armee

( Eigene Drahtmeldung der Freiheit".) Königsberg , 26. Auguft.

Ich erfehe aus! der deutschen Bresse mit Erstaunen die tens benziösen Berichte über die russische Armee, bie zum Teil als verwahrloftes Gesindel geschildert wird. Ich muß auf Grund achitägiger enger Fühlung mit allen Truppengattungen diese Behauptung( als unrichtig bezeichnen. Die rote Armee ist gut diszipliniert, hält troh völliger Bernichtung auf dem Rückzuge vorzügliche Ordnung. Der Geist der, Trup pen ist völlig anders als im deutsch - russischen Feldzug. Die Bil dungs und Aufklärungsarbeit ist in ihrem Erfolge deutlich er­tennbar. Der rote Golbat wirft eher sein Gepää und sein Brot fort, als join Gewehr und seine Patronen. Plünderungen find nur vereinzelt vorgelommen. Ich selbst habe solche in Lomsha gesehen und berichtet. Es handelt sich aber durchaus um Ausnahmen. Selbst weniger als die Fronttruppen diszipli­nierte Kolonnen haben die Obstgärten, Läden und Gehöfte uns versehrt gelassen. Ich habe mit roten Soldaten oft in Gastwirt schaften gegessen. Sie haben auf Seller und Pfennig bezahlt, allerdings mit dem offizellen Zwangskurs, din Rubel gleich eine polnische Mart. Selbst die Requisitionen haben sich auf dringend notwendige Pferde und Rinder beschränkt. Dagegen läßt man im besetzten Gebiet durch tommunistische, Experimente Waren beschlagnahmen, allen Handel und somit die Lebensmittel versorgung stören. Aber auch diese Maßnahmen erträgt die Be völkerung lieber als die Rüdfehr der Polen . Die politische Bes handlung des eroberten Gebietes ist durchaus faljo. Man jezt revolutionäre Komitees ein, die feine Fühlung mit der Bevölke rung haben und aus Rußland mitgebracht sind. In Grodno bes steht das revolutionäre Komitee, obwohl mindestens 80 Prozent jüdische Bevölkerung, aus ded: Polen , einem Russen und einem Juden. Die Folge ist Unzufriedenheit selbst unter der jüdischen Bevölkerung. Bei Grodno organisiert sich ein russischer Gegenkoß. Man erwartet balbige heftige Kämpfe.

Räumung Wilnas

HN. Warschau, 27. August. Die roten Truppen räumten Wilna . Der Bahnhof wurde von

stand vorbereiteten, wurden geschlagen.

Staaten halbamtlich von der polnischen Regierung die Ein Telegramm aus Washington meldet, daß die Vereinigten Litauern besetzt. Die bolschewistischen Litauer, die einen Auf­Berficherung erhalten haben, daß die polnischen Truppen die in Versailles festgelegte Grenze nicht überschreiten werden.

( Weitere Nachrichten siehe 3. Geite.)

Die Neutralität Danzigs

Aus Danzig wird uns geschrieben:

Danzig scheint sich zu einem Einfallstor für den polnisch russischen Krieg zu entwideln. Durch die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages ist es den Polen gestattet, sämtliche Hafenanlagen Danzigs für die Ein- und Ausfuhr zu benutzen. So werden unendlich viel Material, Munition, Verpflegungs- und Truppentransporte über Danzig geleitet. Außer den etwa 7 bis 10 Prozent Polen , die es im Freistaat gibt, fieht wohl kein Mensch diese Transporte gern. Die deutsche Bourgeoisie freut sich, wenn Polen ordentlich Siebe bekommt; die Arbeiterschaft des Freistaates dagegen be fämpft die reaktionäre Politit der polnischen Regierung, und der besonders in Pommerrellen dem abgetretenen deuts schen Gebiet- herrschenden Militärdiktatur und sieht in der Roten Armee den Befreier aus den Klauen des in Danzig bestehenden reaktionären Bürgerblods.

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Wie weit die reattionäre Politit und die Milis tärdiktatur in Polen geht, dafür sei das folgende an geführt: In Pommerellen wurden sämtliche radikalen Par­teien unterdrückt. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei ist gleich bei Abtretung des Gebietes aufgelöst wor den, ihre Mitglieder werden hart verfolgt. Die Briefe an die unabhängigen Genossen werden geöffnet. Viele Parteis genossen wurden verhaftet, unter den nichtigsten Gründen in die Gefängnisse geworfen und zu schweren, bis zu einem halben Menschenalter reichende Strafen verurteilt. Die ver­hafteten Genossen wurden meistens weit weg von ihrem Wohnorte verschleppt. In Graudenz sollen 17 Arbeiter führer hingerichtet worden sein. Der Woyewode von Pommerellen dementierte zwar die Nachricht, aber sie wurde dann erneut aufgenommen. Auf einen Einschreibebrief an den mir persönlich bekannten Führer der P. P. S.- Bols nischsozialistische Batteiden jezigen Bizepremierminister Daszynsti, der in den verschiedensten Beitungen aufs heftigste angegriffen wurde, den ich unter Beifügung allen Materials darauf aufmerksam machte und ihn um eine authentische Erklärung ersuchte, ist eine Antwort nicht zu­gegangen. Daher muß angenommen werden, daß die Mel­dung von der Erschießung von Arbeiterführern auf Wahr­heit beruht. Ebenso ist die sozialdemokratische Partei­Richtung Scheidemann verfolgt, aber nicht in der Weise, wie die Partei des Vizepremierministers Daszynski, die P. P. S. Diese Partei ist in Pommerellen im Entstehen be griffen, hat bereits eine ansehnliche Mitgliederzahl aufzu weisen, und schon wird sie genau so verfolgt, wie die U. S. P. Ein Zeichen, wie wenig Einfluß Daszynski auf die Militärs behörden hat. Ja, selbst linksstehenden polnischen Zeitungen spielt man übel mit. Der hier erscheinende Dziennit Gdanst", ein bürgerlich- polnisches Blatt, das die polnische Militärdiktatur scharf betämpft, wird ebenfalls von den pol nischen Behörden verfolgt.

Aus diesen und ähnlichen Gründen ist es fein Wunder, wenn in Danzig niemand für Polen besondere Neigung hat, trotzdem es nur im Interesse beider Staaten läge, zu einer Verständigung zu gelangen. Die Danziger Arbeiterschaft hat schon mehrfach ihre Sympathie für Rußland und ihre Anti­pathie gegen Polen zu verstehen gegeben. Der Gewerkschafts­bund Danzigs beschloß, die Verbände zu beauftragen, dafür zu sorgen, daß Kriegsmaterial für Polen weder hergestellt noch gelöscht oder abtransportiert wird. Die Eisenbahner widersetzen sich dem Transport von Material- und Truppen­transporten und haben bereits einen Transport angehalten. Die Hafenarbeiter verweigern ebenfalls die Löschung von Kriegsmaterial, und trotzdem nun die englische Militärbe­hörde englisches Militär dazu angestellt hat, werden die Dampfer, an denen das Militär schon einige Wochen löscht, nicht leer. Die englischen Soldaten fangen auch an, Solida rität zu üben, und 20 Soldaten find schon wegen Dienstver weigerung in Saft genommen worden. Auf dem Danziger Sauptbahnhof befreiten Danziger Arbeiter 63 Bolschewisten aus polnischer Kriegsgefangenschaft.

Go übt bereits die Arbeiterschaft praktische Neutralität. Den Forderungen der Danziger Arbeiterschaft ist nun auch der Oberkommandierende der alliierten Truppen in Danzig , der englische General Hating, nachgekommen, indem auf seinen Befehl der Dampfer" Juno", ber Waffen für Bolen brachte, auf der Reede liegen blieb und wahrscheinlich zurüd gehen wird. Das hat nun Paris arg verschnupft. Auch die englischen Truppen aus dem Abstimmungsgebiet sollen mit ihrer Bewaffnung wieder nach England zurückgeschickt wor den sein.

Trotzdem wird in Danzig noch viel für Polen hergestellt. Auf der Danziger Staatswerft werden Tag und Nacht Kanonenboote für Polen gebaut. Eines dieser Boote hat fürzlich erst den Hafen verlassen. Ferner werden dort Lokomotiven zusammengesetzt, die über See in Teilen hergebracht und montiert wieder abtransportiert wer den. Auch amerikanische Maschinen werden fertig­gestellt, die ebenfalls für Polen bestimmt sind. In anderen technischen Instituten werden Gewehrteile Kriegsbedarfsartitel für Polen hergestellt, so daß etwa 75 Prozent der Arbeiterschaft der Stadt Danzig für polnische Aufträge arbeiten. Wenn also die Danziger Ars beiterschaft alle Arbeiten, die zur Unterstükung Polens dies

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