Einzelpreis 30 Pfg. 3. Jahrgang Sonnabend, den 28. August 1920 Nummer 354
Die Freiheit erfcheint morgens und nachmittags, Sonntags und Montags nur einmal. Der Bezugspreis beträgt bei freier Zuftellung ins Haus für Groß- Berlin 10, M. im voraus zahlbar, von der Spedition felbft abgeholt 8,50 M. Für Bost beng nehmen fämtliche Boftanstalten Bestellungen entgegen. Unter Streifband bezogen für Deutschle nb und Desterreich 16,50 m., für das übrige Ausland 21,50. uglich Baluta Huffchlag, per Brief für Deutschland und Desterreich 30,-. Redaktion, Expedition und Berlag: Berlin C2, Breite Straße 8-9.
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greiheit
der Unabhängigen Sozialdemokratie Dentfchlands
Arbeiter, Angestellte und Beamte von Berlin und der Provinz Brandenburg !
Entsprechend dem Auftrag der Reichskommission, zur Sicherung trengster Neutralität zur Bekämpfung der Konterrevolution alle Waffen-, Munitions- und Truppentransporte zu kontrollieren, haben die unterzeichneten Körperschaften beschlossen, in Berlin und der Provinz Brandenburg an allen wichtigen Eisenbahntnotenpunkten und Transportwegen Kontrollinstanzen einzusehen. Diese müssen auf das Strengste die Kontrolle aller Waffen-, Munitions- und Truppentransporte durchführen. Eine Ausnahme bilden nur die auf Grund des Friedensvertrages erfolgen den Transporte der Entente, die nachweislich für die Besagungstruppen bestimmt und als solche tenntlich gemacht sind, jedoch muß auch über diese der untengenannten Zentralstelle sofort Mit teilung gemacht werden. Diese Kontrollstellen sind nicht berechtigt, jelbständige Entscheidungen von weittragender Bedeutung zu tref fen, sondern sind verpflichtet, in Zweifelsfällen sich sofort mit
unjerer
3entralfelle, Genosse Hermann Müller , Berlin D. 27, Shidlerstr. 5/6. Telephon: Aleg. 3007 u. Könight. 3759,
in Berbindung zu sehen. Wir ersuchen die Kontrollinstanzen, ihre Zusammenfegung in derselben Weise vorzunehmen, wie sie Don den unterzeichneten Körperschaften erfolgt ist und die Adresse des Obmanns unverzüglich an den Genossen Hermann Müller einzusenden.
Arbeiter, Angestellte und Beamte! An Euch liegt es nun, bas für zu sorgen, daß entsprechend dem Aufrufe der Internationale und der Reichskommission der Konterrevolution teine Waffen und Munition geliefert werden und Deutschland nicht zum Tummels plaz chauvinistischer Elemente von West- und Ost- Europa wird. Für die U. S. P. D. , Bezirksverband Berlin- Brandenburg , Brühl .
Für die S. P. D., Bezirksverband Groß- Berlin: Häusler. Für die Gewerkschaftskommission Berlin und Umgegend:
Sabath.
Für die Provisorische Betriebsrätezentrale: Wegmann. Für die Betriebsräte der S. P. D.: Reinknecht. Für den Eisenbahner- Verband, Ortsgruppe Berlin : Uhlich. Für den Transportarbeiter- Verband, Bezirksverwaltung GroßBerlin: Klose.
Für den Bezirks- Betriebsrat der Eisenbahner: Marci. Für den Zentralverband deutscher Post- und Telegraphenbedienste ten, Bezirksverband Groß- Berlin: Seyn.
Alle arbeiterfreundlichen Blätter werden um Abdruck dieses Aufrufes gebeten.
Helft Sowjetrußland!
Die Kommunistische Arbeiterpartei Polens veröffentlicht einen Aufruf An das Proletariat aller Länder! in dem es unter anderem heißt:
Die Liquidierung des polnischen Imperialismus hat noch einmal eine Verzögerung erfahren. Den vereinten Anstrengungen der polnischen Armee und der Wrangelschen weißen Garden ist es gelungen, den Siegesvormarsch der Roten Armee zurückzuwerfen und Sowjetrußland wieder in Todesgefahr zu bringen.. Die Regierung des imperialistischen Bolens, diese beinahe niedergeworfene wilde Bestie, richtet sich jetzt zum neuen Sprung auf. Die Vertreter der polnischen Regierung in Minst labofieren die Friedensverhandlungen, und die Clique Pilsudstis stellt die Losung der Bufferstaaten zwischen Bolen und Rußland diesen heuchlerischen Kampfruf des polnischen Imperialismus wieder auf.
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In diesem Moment halten wir polnische Kommunisten für
nötig,
sungen unterbrüdt, die Arbeitergenossenschaften Arbeitern, die von ihren Hentern mißhandelt und ausgehungert werden. Zu diesem phyſtſchen geſellt sich der moralische Terror
werden drangfaliert. In Gefängnissen schmachten Tausende von
in der Gestalt der antisemitischen und antibolschewistischen Hezze, die in blutige Pogrome ausartet, und einer unerhörten Aufpeitschung der chauvinistischen Instinkte.
Und dennoch kämpft das polnische Proletariat gegen den Krieg. In seiner großen Masse folgt es nicht der legalen, von der Regierung begünstigten polnischen Sozialisti= schen Partei, sondern der illegalen, unterirdischen kommunistischen Partei. Es ist eine Lüge, daß der polnische Arbeiter hinter seiner nationalen" Regierung stehe, und die Bolschewisten hasse. Wäre dem so, so wäre es nicht notwendig, den Ausnahmezustand zu verhängen und im Sejm das Ausnahmegesetz und andere Repressiomaßregeln zu beschließen, so flösse nicht das Blut des polnischen Arbeiters in den Straßen von Warschau , Lodz , Posen, gäbe es teine Standgerichte und Zuchthausurteile. Arbeiter Europas und Amerikas !
In diesem Befreiungskampfe des polnischen Proletariats tönnte für dasselbe feine schlimmere Niederlage geben, als die Niederwerfung Sowjetrußlands. Der Sieg des Bündnisses PilsudskiWrangel bedeutet eine unerhörte Stärkung des polnischen Imperialismus, eine blutige Niederschlagung der Arbeiterbewegung in Polen , eine restlose Fesselung des polnischen Proletariats.
Wir polnischen Arbeiter, deren Unabhängigkeit der polnische Militarismus zu schützen vorgibt, rufen Euch zu: Wollt Ihr uns zur Befreiung verhelfen, so tut das eine: Selft Sowjetrußland!
Die Feinde der Solidarität
Bezugnehmend auf den Artikel„ Gegen die Preisgabe der Staatsautorität" in der Nr. 400 des„ Lokal- Anzeigers" vom 26. August, ersucht uns der Vorsitzende des Hauptbetriebs= rats der Eisenbahner um Aufnahme nachstehenden Artifels:
Seit einigen Tagen geht ein Sturm durch die bürgerliche Presse aller Schattierungen, welcher seinen Ursprung in der festen Haltung der Arbeiterschaft hat, gegenüber allen Bersuchen der Kreise, welche jede Situation ausnügen, um ihre realtionären Pläne zu verwirklichen.
Der Allgemeine Eisenbahner- Verband fühlt sich bei dieser Gelegenheit veranlaßt, durch seinen Generalsekretär Riedel sowohl durch persönliche Versicherung bei einer Verhandlung im Reichsverkehrsministerium wie auch durch einen Artikel im Lotal- Anzeiger" unter seinem berühmten frommen Augenaufschlag zu versichern, daß seine Schäfchen artig sind, und daß der böse Borsigende des Hauptbetriebsrates ohne Erlaubnis der übrigen Mitglieder des Hauptrates den Aufruf unterzeichnet hat. Demgegenüber stellte ich fest, daß in der Vollsizung des Hauptbetriebsrates, am 7. August 1920, an der auch die Mitglieder des Allgemeinen Eisenbahner- Ber= bandes teilnahmen, beschlossen wurde, teine Waffenund Munitionstransporte, welche zu Kriegs= 3weden geeignet sind, durchzulassen. Außerdem wurde dem Vorsitzenden Blanto- Vollmacht für etwa vorkommende Fälle erteilt. Weiterhin ist noch interessant, zu bemerken, daß die Zusammenlegung des Hauptbetriebsrates eine solche ist, daß gerade der A. E. V. die wenigste Ursache hat, große Töne anzuschlagen; denn von den 20 Mitgliedern des Hauptbetriebsrates gehören ganze 2 dem A. E. B. an. Da außerdem sowohl Borstandsmitglieder als auch ein großer Teil der A. E. B.- Mitglieder in den sozialdemokratischen Parteien organisiert sind, so wäre ich begierig, zu wissen, was diese Mitglieder gegen die unfaire Handlungsweise ihres Generalsekretärs, der ja auch schon infolge seiner häufigen Entgleisungen mit einem besonders lieblichen Spitznamen behaftet ist, zu unternehmen gedenten. Paul Klibor.
Somit ist die Haltung des Allgemeinen Eisenbahner- Verbandes, die wir schon gebührend behandelt haben, nicht nur verräterisch, sondern die Begründung dieser Haltung ist auch noch, verlogen.
Von Artur Crispien
II.
Vor unserer Reise nach Moskau hatten wir in einer ge meinsamen Sigung des Zentralfomitees, des Beirats und der Kontrollkommission unserer Partei nochmals eine Ausi sprache über die Frage der Internationale und über die Aufgaben unserer Delegation nach Moskau . Es herrschte Einstimmigkeit darüber, daß wir, entsprechend dem Beschluß des Leipziger Parteitags, auf Grund des Aktionss programms unserer Partei in Moskau zu verhandeln hatten unter Wahrung der Autonomie unserer Partei für ihre inneren Angelegenheiten und taktischer Maßnahmen. Die Autonomie für unsere Partei hielten wir alle für ganz selbstverständlich. Nach den Beschlüssen des 2. Kongresses der Kommunistischen Internationale bleibt jedoch nicht die Spur einer Autonomie für unsere Partei. Jch habe denn auch in der letzten Sigung mit dem Exekutivkomitee festgestellt, daß die Beschlüsse in Widerspruch zu dem Auftrag stehen, den unsere Delegation von den leitenden Körperschaften der Partei einstimmig erhalten hat. Daran halte ich auch heute noch fest, weil es mir nicht gegeben ist, je nach Bedarf, alle acht Tage eine andere Meinung über ein und dieselbe Frage zu haben.
Wir haben es bisher für eine der wichtigsten Bord bedingungen für die siegreiche Durchführung der profes tarifchen Revolution gehalten, die Massen zur Gelba ständigkeit zu erziehen. Jeder einzelne tlassen bewußte Arbeiter soll selbständig denken und urteilen, soll bewußt sozialistisch wirken und jederzeit aktiv sein. Aus solchen einzelnen geistig hoch entwickelten, selbstbewußten und sich verantwortlich fühlenden Menschen muß die Masse bes stehen, die alles einsetzen will, um die sozialistische Gesells schaft aufzubauen. Die Führer dürfen nur beratende und ausführende Organe der Massen sein, die wissen was sie wollen. Was zu geschehen hat und wie es geschehen muß, darüber entscheidet die geschulte Masse.
Die Kommunisten wollen neuerdings das strifte Gegen teil. Bisher haben die deutschen Kommunisten, allerdings aus niedrigen demagogischen Gründen, eine beispiellofe Hehe gegen die Führer, die„ Bonzen" anderer Parteien bes trieben. Sie haben damit zerrüttend und demoralisierend auf die Arbeiter und vergiftend auf den Klassendampf ges wirkt. Wenn man sagt, daß Marr seiner Zeit die inter nationale Parole ausgegeben habe: Proletarier aller Länder vereinigt Euch! und daß aus dieser Parole durch die Schuld der 2. Internationale der Ruf wurde: Proletarier aller Länder tötet Euch!( was durchaus stimmt), so muß dem aber hinzugefügt werden, daß die Kommunistische Internationale den marristischen Schrei der proletarischen Solidarität in jenen brudermörderischen Befehl verwandelt hat: Proletarier aller Länder spaltet Euch! Und die Reaktion macht vortreffliche Geschäfte dabei,
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Nach den neuesten Beschlüssen der Kommunistischen Inters nationale sollen nun auf einmal die sonst so viel gelästerten Bonzen" unumschränkte Ge= walt ausüben. Die Masse wird als Kanonenfutter oder, wie man will, als Kulturdünger bewertet. Straffe militärische Disziplin, blinder Gehorsam. Keine Meinung darf gelten als die der obersten Bonzen", das ist das neue kommunistische Evangelium.
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So fommen wir zu dem Gipfel der Vollkommenheit der russischen Kommunisten, nämlich zu der russischen Art der Reinigung der Partei. Das geschieht in Rußland in der Weise, daß etwa alle drei bis vier Monate fünf Parteigenossen damit beauftragt werden, die Mitgliederlisten der Partei durchzusehen und ohne jedes weitere Ver-diejenigen zu streichen, die man eben streichen zu müssen glaubt. Ich höre shon, wie mir zugerufen wird, in Rußland fei dies Berfa ten notwendig!
tarig, unsere Stimme zu erheben, um dem europäischen Brole Eine Vertretung Wrangels in Berlin ? fahren diejenigen zu streichen, die- la, wie soll ich sagen
zu erklären, bak polnische Arbeiter mit dem Invasionskrieg des polnischen Militarismus gegen Sowjetrußland nichts gemein haben, daß sie diesen Krieg, der nicht dem Schutz der Unabhängig felt gilt, sondern dem der Weltherrschaft des Kapi tals, aufs schärfte verdammen,
daß sie in den roten Truppen nicht die unsere Freiheit bebrohenden Eroberer, sondern unsere Bundesgenossen im revolutionären Befreiungstampfe sehen. Sowjetrußland, daß zuerst die Anerkennung der polnischen Unabhängigkeit proklamierte, das den polnischen Staat wiederholt den Frieben anbot, das in Momenten der größten friegerischen Erfolge die Integrität der polnischen Grenze verkündete, ist nicht ein Feind der polnischen Unabhängigkeit, sondern vielmehr deren sicherste Garantie. Die angebliche Verteidigung der Unabhängigkeit ist nichts als lügnerischer Borwand für einen gegenrevolutionären Eroberungskrieg.
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Seit anderthalb Jahren regiert die polnische Regierung mittels permanenten Ausnahmezustandes. Die Beteiligung ber logenannten Sozialisten an der Regierung änderte an diesem Zustande nichts, ermunterte vielmehr die Bourgeoisie zu einer noch grausameren Ausübung der militärischen Diktatur. tommunistische Preise und Organisation find verboten, die Gewerkschaften werden wegen der Leitung der Lohnbewe
Die
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Nach einer Meldung, die vom 8- Uhr- Abendblatt allerdings mit Vorbehalt wiedergegeben wird, teilt eine unterrichtete Stelle" mit, daß der Herr General Wrangel unter der Flagge einer großen „ Einkaufs- und Handelszentrale" eine politische Vertretung in Berlin etabliert hat. Diese Filiale der russischen Ronterrevolution soll mit den hiesigen Vertretern der russischen Randstaaten Berhandlungen angeknüpft haben, um sie in eine Ronföderation mit der südrussischen Regierung einzubeziehen. Ausgeschlossen werden sollen nur Finnland und Polen , deren volle slaatliche Unabhängigkeit und Souveränität Wrangel freundlichst anzuerkennen beliebt.
Wenn es stimmt, so ist das ein niedliches Plänchen. Die Beherbergung einer Sowjetrußland feindlichen Organisation in Berlin , die ihre hiesigen Beziehungen benutzt, um den Kampf gegen Sowjetrußland zu dienen, steht im Widerspruch mit der Neutralität Deutschlands . Das. Proletariat jeden= falls ift nicht geneigt, sich die Etablierung einer derartigen Filiale der Konterrevolution gefallen zu lassen. Es hat genug an seinen Erfahrungen mit früheren Unternehmungen gleichen Stils. Gs erwartet deswegen von der Regierung eine schneite Untersuchung des Borfalls und eine sofortige Beseitigung der Zeute Wrangels aus der Reichshauptstadt.
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Ja, zum Teufel, mag das stimmen oder nicht stimmen. Mögen die russischen Kommunisten meinetwegen alle acht Tage grundsätzlich 100 Prozent ihrer Mitglieder rausschmeißen, obgleich es doch einfacher wäre, nicht erst Leute in die Partei aufzunehmen, um sie dann wieder sang- und flanglos zu entfernen. Aber dagegen wende ich mich, daß man uns ähnliche Reinigungsturen zumutet. Darauf, und auf nichts anderes laufen die hier in Betracht kommenden Bedingungen für die Aufnahme in die Kommunistische Internationale hinaus. Sie sind eine Kriegserflä= rung nicht an den Kapitalismus, sondern aw das flaffenbewußte Proletariat, das sich nicht als willenlole Masse brauchen lassen will.
Alle Preßorgane und alle Parteinerlage müssen völlig dem Parteivorstand unterstellt wer den. Aus allen Redaktionen, Frattionen, Bars teiinstanzen und Parteiorganen muß jeder Genosse entfernt werden, mit dessen Parteizugehörigkeit sich die russischen Kommunisten nicht abfinden tönnen. So fordern es