herausstellen, daß der größte Teil der Anschlußbedingungen und des Statuts der dritten Internationale nichts enthält, was sich nicht als Konsequenz der zur Verwirklichung des Sozialismus angestrebten proletarischen Diktatur herausstellt..
Bei der Diskussion über die Anschlußbedingungen, die zweifellos einen Bruch mit unserer ganzen bisherigen Parteitradition bedeuten, wird flar und offen auszusprechen sein, welche Konsequenzen die Annahme der Bedingungen für die Mitglieder der Partei haben, wenn das Ganze eben nicht nur Formel bleis ben soll. Es steht außer Zweifel, daß die Herstellung einer einheitlich geschlossenen Kampffront gegen die internationale Konterrevolution nur zu wünschen ist. Das Bürgertum in Deutsch land , das sich heute wirtschaftlich so stark fühlt, daß die Arbeiter faum Aussicht haben, in einem wirtschaftlichen Kampfe Vorteile zu erringen, starrt in Waffen und lauert nur darauf, das Proletariat blutig niederzuschlagen. Die Arbeiter müssen sich deshalb klar darüber sein, daß die Annahme der russischen Organisationsprinzipien nur einen Sinn hätte, wenn sie den Kampf mit dem Bürgertum, der ihnen zu jeder Stunde zur Verteidigung der Revolution aufgedrungen werden kann, mit demselben Opfermut aufnehmen wollen wie das russische Proletariat. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die inners und außenpolitischen Kampfbedingungen für die deutschen Arbeiter ungleich ungünstiger find als in Rußland . Nur dann hätte der Bruch mit allen unseren historisch gewordenen Organisationsprinzipien und eine Einordnung in die von einem Willen beseelte attive Kampfesorganisation einen Sinn, wenn das Proletariat auch fähig ist, mit dem Feuer und dem Eifer eines heiligen Glaubens für das kommunistische Ideal den Kampf auf Leben oder Tod zu wagen und fein Proletarier in dem Kampfe zurücsteht. Das muß dem Proletariat in den nächsten Wochen durch die Diskussion aller Einzelheiten der Anschlußbedingungen so nahe als nur möglich gebracht werden. Wir sind deshalb der Meinung, daß die Frage des Anschlusses nicht durch den Parteitag, sondern durch eine Urabstimmung endgültig ents schieden werden kann, deren Resultat zugleich ein Gradmesser wäre für die Reife, die das Proletariat erlangt hat. Für den Anschluß tönnen wir uns deshalb nur erklären, wenn sich in der Abstimmung durch eine starte Majorität erweisen würde, daß die Massen von größter Opferwilligteit beseelt und im felsenfesten Vertrauen auf die Führer bereit sind, für die Zeit des entscheidenden Kampfs auf das zu verzichten, was wir seither in unserer Organisation mit Stolz Selbst- und Mitbestim= mung der Massen in allen Parteifragen genannt haben.
Wir wollen bei alledem nicht verhehlen, daß nach diesen Darlegungen doch einige Puntte der Bedingungen übrig bleiben, die uns sehr bedenklich erscheinen. Das sind vor allen Dingen bie Frage der bisher opportunistischen Führer und die Aus übung der Dittatur nach der Ergreifung der politischen Macht. Wir sind indessen der festen Ueberzeugung, daß sich in diesen Fragen die Eretutive in Mostau nicht an Formalitäten und Buchstaben flammern wird...
Go darf man im allgemeinen der guten Hoffnung sein, daß der Weg zur Einigung mit den der britten Internationale ans geschlossenen Parteien durch die Anschlußbedingungen nicht so hoffnungslos verbaut ist, als es manchem Genossen im ersten Augenblid ehien.
Die
Der Betriebsräte- Kongreß
Gewerkschaftliche Betriebsrätezentrale des A. D. G. B. und der Afa fendet uns folgende 3ufchrift: Durch einen Teil der Arbeiterpresse laufen Notizen, welche insbesondere das Wahlverfahren bemängeln. Zur Aufklärung sei hierzu folgendes bemerft:
Die Richtlinien des A. D. G. B. und der Afa für die Zusammenfassung der Betriebsräte betreffen den örtlichen Aufbau der Betriebsräte. Außerdem besteht noch ein provisorischer Beirat von 17 Betriebsräten, welcher dem geschäftsführenden Ausschuß der gewerkschaftlichen Betriebsrätezentrale des A. D. G. B. und der Afa beigegeben ist.
Die Bestätigung der Richtlinien für den örtlichen Aufbau erfolgt durch den Betriebsrätetongreß. Auf demselben sollen außerdem die Richtlinien für den weiteren Aufbau der Betriebsräte nach Wirtschaftsgebieten beraten und beschlossen werden. Ebenso wird auf dem Kongreß die Zusammensetzung des Beirates endgültig beschlossen und die Wahl des Beirates vorgenommen.
Die Einberufung weiterer Kongresse erfolgt dann durch die von dem ersten Betriebsrätekongreß gewählten Organe.
Die Einberufung des ersten Kongresses selbst mußte natur gemäß durch die Gewerkschaften erfolgen.
Die gesamte Arbeitnehmerschaft hat einmütig den Willen befundet, daß der Kongreß schnellstens einzuberufen sei. Die Einberufung ist nunmehr zum 5. und 6. Oktober erfolgt. Die Zeit zur Vorbereitung der Wahlen mithin von vornherein sehr furz gewesen.
Die örtliche Zusammenfassung der Betriebsräte ist noch nicht allenthalben vorgenommen. Insbesondere bestehen hierüber noch in einzelnen Teilen Deutschlands innerhalb der Arbeiterschaft prinzipielle Differenzen. Von einem Aufbau nach Wirtschaftsbezirken tann überhaupt noch nicht die Rede fein. Die Zahl der Kongreßteilnehmer ist mit 1100 bereits bis zur äußersten Grenze der Verhandlungsfähigkeit einer derartigen Körperschaft festgesetzt. Trotzdem entfällt noch nicht einmal auf jeden größeren Ort ein Delegierter, geschweige denn auf die vielen großen und bedeutenden Werke, die vereinzelt liegen. Es sei hier nur auf das Leuna - Wert oder Golpa- 3schornewiß als Beispiele verwiesen.
Derartige Werte, welche eigentlich alle durch einen Delegierten vertreten sein müßten, gibt es Hunderte. Wie hätte man in der furzen Zeit bis zur Einberufung des Kongresses ein Wahlver
Bezirksverband Berlin- Brandenburg
Heute, Sonnabend, abends 6 Uhr, findet in der„ Neuen Welt ", Hasenheide, eine Konferenz der Berlin - Branden: burger Parteifunktionäre statt. Tagesordnung:
„ Berichterstattung von Moskau "
Referent: Genosse Crispien. Korreferent: Genosse Däumig.
Es wird besonders darauf aufmerksam gemacht, daß der Eintritt nur gegen Vorzeigung der roten Ausweiskarte er= folgt.
Die Geschäftsleitung.
fahren finden sollen, welches die Gewähr gegeben hätte, daß bei Wahlen durch die Industriegruppen wirklich alle ihrer Bedeutung entsprechend vertreten gewesen wären? Ohne Dugende von Bezirtstonferenzen wäre man bestimmt nicht ausgekommen. Auch dann hätte man eine Gewähr für ordnungsmäßige Wahlen nicht
übernehmen tönnen.
Auch die Kosten, welche der Kongreß schon verursacht, müssen in Betracht gezogen werden. Sie sind sehr groß. Die Kosten für Bezirkskonferenzen hätten diejenigen für den Kongres insgesamt noch überschritten. Außerdem liegt die Schwierigkeit der einheitlichen Zusammenfassung der Betriebsräte zur Zeit doch auch noch darin, daß eben der Betriebsrätetongreß noch nicht gesprochen hat und den augenblidlich bestehenden Richtlinien mithin die Santtion der Betriebsräte fehlt.
Um aber nun unter allen Umständen eine ihrer Bedeutung entsprechende Bertretung aller Industriegruppen und aller Wirtschaftsgebiete herbeizuführen, werden erstmalig die Wahlen von den Gewertschaften eingeleitet, die durch ihren Organifationsapparat in der Lage sind, eine Gewähr für die ordnungsmäßige Durchführung der Wahlen zu bieten. Die Wahlen selbst erfolgen ausschließlich durch die Betriebsräte resp. Arbeiter- und Angestelltenratsmitglieder und die Obleute der Kleinbetriebe. Es tönnen außerdem nur im Amte befindliche Angehörige von Be triebsvertretungen gewählt werden.
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-tg. Niemals hätte mit dem Wort„ Demokratie" im Ver lauf der Revolution ein so arger Mißbrauch getrieben werden fönnen, wenn nicht, wie ein Evangelium in den Massen der zähe Glaube an einen Zustand rein menschlicher Gleichberechtigung lebte. Der trägere Teil der Arbeiterschaft meinte schon in den ersten Aeußerungen der formalen Demokratie einen tröstenden Anfang des ersehnten Gesellschaftszustandes zu sehen, der sich als Begriff so unendlich unterschiedlich in den Köpfen der Mil lionen Proletarier spiegelt. Wahre, echte Demokratie bedeutet schließlich ein Gemeinschaftssystem, das den Schwachen um soviel mehr schütt, als ihn förperliche und geistige Mängel hinter einer gefunden Rorm, zurücstehen lassen. Wahre Demokratie bedeutet Gleichrichtung der heutigen Gegenfähe zum Wohle aller für die Allgemeinheit schaffender Menschen. Wir wissen, daß dieser uns heute noch sehr, sehr ferne Zustand der Gesellschaft nicht gebracht wird durch gemeinsame Arbeit mit denen, die ihn nicht wünschen, die ihn aus dem Gedankenkreis ihrer Erziehung und der egoistischen Logtt ihrer Verhältnisse bekämpfen. Wir wissen, daß ein Uebergangsstadium nötig ist, in dem die Masse der Besiglosen und wirtschaftlich Schwachen den Gegnern der wahren Demokratie ihren Willen solange aufzwingt, bis Verhältnisse geschaffen sind, die ein Fortentwideln zur flassenlosen Gesellschaft garantieren, die einen Rüdfall in das System der Ausbeutung unmöglich machen. Es steht aber auch fest, daß selbst dem Teil der Arbeiterschaft, der sich bewußt oder unbewußt den Gegnern der Klassenlosen Gesellschaft unterwirft, als Anhängsel dieser Gegnerformationen der Wille der revolutionären Arbeiterschaft aufgezwungen werden muß. Nun ist es eigentlich selbstverständlich, daß dieje Diftatur des Proletariats ausgeübt werden muß von der Masse derer, die bewußt auf die Beseitigung des heutigen Systems hinarbeiten und dabei jedes Zugeständnis an das System selbst ablehnen. Innerhalb dieser zur Ausübung der Diftatur berufenen Masse müssen die einzuschlagenden Wege und die Art der zu treibenden Politik- immer im Hinblid auf das gestedte Ziel und unter nüchterner Wertung der einwirkenden Verhältnisse fachlich erörtert und durch Mehrheitsbeschluß festgelegt werden. Es gibt jedenfalls feine andere Möglichkeit, um die zur Durchführung der fich ergebenden, ungeheuren Aufgaben nötige Willenseinheit zu erzielen. Nun stehen wir heute noch nicht vor der Möglichkeit, die Diktatur des Proletariats in die Tat umzusetzen. Lediglich ihre tommende Notwendigkeit fönnen wir an den tausend Beis spielen des politischen und wirtschaftlichen Lebens propagieren. Aber auch in diesem Stadium der Vorbereitung ist größtmögliche Einheitlichkeit des Willens und der Auffassung absolut not wendig. Wiederum bleibt auch zur Erreichung dieser Einheitlich. Im übrigen sind die Delegiertensige nach Maßgabe der Mitlichkeit nur der Weg der Verständigung innerhalb der vorwärts drängenden Masse, wenn nicht der Versuch, einer Minderheitsauffassung diktatorische Geltung zu verschaffen, ein Chaos völlig auseinanderstrebender Meinungen oder die gesunde Absonderung der diktaturlüfternen Minderheit zur Folge haben soll. Ein solcher Diftaturversuch innerhalb der Masse, welche das Schwergewicht bei der Durchführung der sozialen Revolution bilden will und soll, muß eine Krise heraufbeschwören, die die Schlagkraft der Masse völlig lahmlegen fann, wenn diese Masse nicht aus Individuen besteht, die jeden Anspruch auf Geistestätig feit stlavisch aufgegeben hat. Vor eine solche Krije stellen die Bedingungen des 2. Kongresses der 3. Internationale heute die Arbeiterschaft der U. S. P. Wir haben diese Bedingungen veröffentlicht. Sie laufen in ihrer Zusammenfassung auf folgendes
hinaus:
Die Arbeiterschaft der U. E. P. D. verzichtet in Zukunft darauf, eine Meinung zu haben, die nicht in allen Buntten der Auffassung einiger weniger Männer entspricht; sie verzichtet auf das Recht, die aus den praktischen Verhältnissen erworbenen Erfahrungen der vielen Einzelnen der Masse bei den Entschlüssen einer nach Moskauer Direktiven arbeitenden Zentralleitung gewertet zu sehen.
Die Arbeiterschaft schaltet bewußt ihre gesunde Kritik aus und suggeriert sich die durch eine streng einheitlich beeinflußte Presse verbreiteten Ansichten als unumstößliche Wahrheit. Die Arbeiterschaft, die von heißem Streben nach revolutionärer Betätigung beseelt ist, aber sich nicht in die eiserne Disziplin" der Parteizentrale fügen tann, weil sie auf eigene Geistestätigkeit nicht ver zichten will, muß, wenn sie nicht die Geschäfte lendenlahmer Kleinbürger besorgen will, jede politische Regung in sich erstiden.
Das ist der Kern der hauptsächlichsten Bedingungen, die der U. S. P. D. von Moskau gestellt wurden.
Man wird mit noch so großer Mühe in ihnen, nichts entdecken fönnen, was einer proletarischen Gleichberechtigung von Menschen mit eigenen Verstand entspricht. Diese geforderte, geistige Selbst tastrierung würde zwar auch eine äußerliche Einheit proletarischen Willens vorspiegeln, hätte aber mit proletarischer Demokratie nicht das geringste gemein.
Es ist nicht anzunehmen, daß den Kritikern dieses Wahlverfahrens die Schwierigkeiten jeder anderen Durchführung der Wahlen unbekannt sind. Seitens der Gewerkschaften ist andererseits noch nie behauptet worden, daß der gefundene Wahlmodus ein Jdeal darstellen würde. Unter Berücksichtigung der zur Zeit bestehenden Verhältnisse ist er jedoch immer noch die beste Lösung. Vor allen Dingen ist jede Gewähr einer ordnungsmäßigen Wahl gegeben und die Betriebsräte sind in der Lage, die Durchführung dieser Wahlen zu kontrollieren.
Wenn den 2andartcitern eine etwas stärkere Vertretung zugestanden worden ist, so ist dies mit Rücksicht auf die Bedeu tung der Landwirtschaft geschehen. Eine Majorisierung des Kongresses in irgend einer Form ist jedoch dadurch nicht möggliederzahl der einzelnen Gewerkschaften verteilt worden. Die Arbeiterpresse wird um Abdrud gebeten.
Die Zuschrift zeigt, wie viel wichtige Arbeit der Rätekongres für den zukünftigen Aufbau der Räteverbindungen zu leisten hat. Ferner gibt sie zu erkennen, daß sich die Gewerkschaftliche Betriebsrätezentrale der Mängel des vorläufigen Wahlsystems be wußt ist, wovon wir gern Notiz nehmen. Umso notwendiger ist wußt ist, wovon wir gern Notiz nehmen. Umso notwendiger ist die lebhafte Teilnahme aller im freigewert schaftlichen Lager vertretenen Richtungen an den Wahlen, damit der Kongreß vor seinen schwerwiegenden Entscheidungen alle Meinungen kennen lernt und alle Vorschläge zu prüfen vermag.
Betriebsräte
Die Theater- Betriebsräte für selbständige Betriebsräteorganisation
A
In einer am Dienstag von der Afa einberufenen Versammlung der Theater Betriebsräte wurde nach einem Referat des Genossen Wolff von der Betriebsrätezentrale und nach kurzer Diskussion einstimmig der nachstehende Beschluß gefaßt:
Die am 31. Auguft im Gewerkschaftshaus versammelten Arbeiter. und Angestelltenräte der Groß- Berliner Theater erklären, daß fie ein enges Zusammenarbeiten von Arbeitern und Angestellten für etn unbedingtes Gebot der Stunde halten. Ste lehnen die Be= strebungen auf Ifolierung der Arbeiter und Angestellten entschieden ab und stellen sich auf den Boden ber selbständigen Be triebstäteorganisation. Die Betriebsräte verpflichten sich, in diesem Sinn zu wirken und fich der Zentrale der Be triebsräte anzuschließen"
Gewerkschaftliches
Maßregelung wegen Einklagung schiedsgerichts licher Ansprüche
Der Angestelltenverband des Buchhandels, Buch- und Zeitungs gewerbes teilt uns folgendes mit: In Tarifftreitigkeiten der Stuttgarter Angestellten des Groß und Kleinhandels und des Buchhandels wurde vom Schlichtungsausschuß ein Schiedsspruch gefällt, der durch das württembergische Arbeitsministerium für verbindlich erklärt wurde. Trotz dieser Verbindlicherklärung sabo tiert der Arbeitgeberverband der Deutschen Buchhändler, Orts gruppe Stuttgart, diesen Beschluß und versuchte Durchzudrücken, daß die Angestellten statt der 105 bezw. 110prozentigen Zuschläge auf die Grundgehälter nur 100 Prozent erhielten.
Der Gauvorsitzende unserer Organisation erhob dementgegen beim Kaufmannsgericht in Stuttgart Klage gegen seine Firma, die bekannte Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Leipzig und Stuitgart. Das Kaufmannsgericht gab der Klage statt und erklärte Sas Urteil für vorläufig vollstrecbar. Daraufhin wurde dem Kollegen mit der Begründung gefündigt ,,, es widerstrebt uns, mit einem Angestellten zusammenzuarbeiten, der mit uns in einer Prozeß liegt". Diese beispiellose Sabotierung, nicht nur der gesezlichen Schlichtungseinrichtungen, durch eine Unternehmung, die sonst immer nur die Hochhaltung von Gesez und Recht verkündigte, sondern auch jeder gewerkschaftlichen Arbeit. muß aufs schärfste zurückgewiesen werden. Es liegt hier eine Maßregelung vor, die von einem Uebermut des Kapitalismus zeugt, den sich die breiten Massen der Angestellten und Arbeiter unter feinen Umständen ruhig gefallen lassen dürfen. Die Zeiten sind vorüber, wo Angestellte und Arbeiter hilflose Sklaven gegenüber der Willkür des Unternehmertums waren. Auch die Union wird erkennen müssen, daß ein für allemal auch der Angestellte das volle Recht hat, in Wahrnehmung seiner gesetzlichen Rechte das ihm zustehende zu fordern. Die Arbeiterschaft und Angestelltenschaft aber muß ertennen, daß sie nur durch den rüchaltlosen Zusammenschluß in ihren Organisationen in der Lage ist, der Willtür eines derartigen Unternehmertums, das sich wieder„ Herr im Hause" fühlt, ent gegentreten zu können.
Tariftrene und Tarifbruch
Ueber die Warschauer Bierhallen", Warschauer Ede Romintener Straße, hat der Verband der Gastwirtsgehilfen den Boykott verhängt. Von dem Jnhaber des Lokals, Herrn Hahn, wird an die Gäste ein Flugblatt verteilt, worin Herr Hahn bemerft, daß nichts weiter gegen ihn vorliege, als daß er zwet Kellner be schäftige, bie er unter Umgebung bes Arbeitsnachweises eingesielt habe. Diese Stellner seien aber Familienväter, die lange Zeit ohne Erwerb gewesen sind.
Der Verband der Gastwirtsgehilfen schickt uns nun ein Schreiben, worin gesagt wird, daß die Umgebung des Arbeitsnachweises ein Tarifbruch sei. Der eine Kellner sei bis Februar 1920 bei ber Sicherheitswehr gewesen und habe nicht so wie andere unter der Arbeitslosigkeit gelitten. Der Betreffende habe sich ohne Rücksicht auf längere Zeit arbeitslose Kollegen, die zum großen Teil auch finderreiche Familienväter find, angebettelt. Die beiden Kellner haben zwar noch die Mitgliedsbücher der Organisation in Händen, aber ob sie noch ferner sich zur Organisation betrachten können, fei fraglich. Die Warschauer Bierhallen, so schließt das Schreiben des Verbandes, sind nach wie vor für Orgarnisierte gesperrt."
Die Lohnbewegung der Droschkenführer tann nach den am Donnerstag stattgefundenen Versammlungen als mit teilweisem Gr folg beendet angesehen werden. Ein bereits vor längerer Zeit gefällter Schiedsspruch hatte den Grundlohn von 2 auf 3 Mart und den Verdienstanteil von 25 Prozent auf 30 Prozent erhöht. Die entschiedene Ablehnung des Spruches durch die Unternehmer hat einen Teilstreik hervorgerufen, der mit einer teilweisen us. sperrung beantwortet wurde. Die Einigung, die schließlich zustande fam, gewährt eine Erhöhung des Grundlohnes von 2 auf 4 Mart ab 19. Auguft. Der Vertrag gilt bis 31. Dezember mit 14 tägiger Kündigungsfrist.
Die Lohnbewegung der Darmarbeiter, welche im Zentralverband der Fleischer organisiert sind, hat mit einem vollen Erfolg für dieselben geendet. Nachdem die Verhandlung vor dem Eintaunas amt des Gewerbegerichts teine Einigung brachte, beauftragte die Vollversammlung die Sektionsleitung, ihre Forderung der Arbeit. gebervereinigung gegenüber aufrecht zu erhalten und beschloß bei Nichteinigung die Arbeitseinstellung. Das feste Zusammenhalten der Arbeitnehmer hat seinen Eindruck auf die Arbeitgeber nicht verfehlt und brachte eine Bohnerhöhung von wöchentlich 76,50 Mr., so daß dieselben mit einem Wochenverdienst von 265 Mt. wenigstens einigermaßen den Anforderungen des Lebens gerecht werden können.
Groß- Berlin
Lehrstellen für geistige und körperliche Krüppel
Bei der Beratung und Vermittlung Lehrstellensuchender hat es sich als ein besonderer Mangel herausgestellt, daß keine Gelegenheit vorhanden ist, geistig zurüdgebliebene, förperlich verunstaltete und taubstumme Jugendliche in geeignete Lehrstellen unterzubringen. Die normal veranlagten Schulentlassenen finden immer noch diese oder jene Gelegenheit, eine zwedentsprechende Ausbildung zu ergreifen. Dagegen aber bleiben die erstgenannten in den meisten Fällen sich völlig überlassen in dem Bewußtsein, daj teine Möglichkeit besteht, ihnen eine Berufsausbildung 34 beschaffen.
Diesem Zustand muß unbedingt baldigst Abhilfe geschaffen werden. Lehrmeister finden sich nur selten, die überhaupt bereit sind, diese von der Natur vernachlässigten Kinder in eine Lehre zu nehmen. Die wenigen Meister, die dazu geneigt sind, sind meistens aber nicht befähigt und geeignet, gerade diesen Lehr lingen entsprechende Ausbildung zu gewähren. Entweder suchen sie zu große Vorteile von diesen Aermsten der Armen zu ziehen, oder aber sie besigen nicht die unbedingt notwendigen Fähig= keiten, die zur Ausbildung und Behandlung berartiger Hilfs bedürftiger vorhanden sein müssen. Meistens fehlen alle Einrichtungen, die z. B. zur Ausbildung von Krüppeln erforderlich sind. Die bestehenden Anstalten, die sich mit der Ausbildung von geistig und förperlich Anormalen befassen, fommen ous diesen oder jenen Gründen ebenfalls oft nicht in Frage.
Hunderte solcher Hilfloser müssen daher aus dem vorerwähnten Grunde ohne jede berufliche Ausbildung bleiben. Das hat zur Folge, daß sie gezwungen werden, sich als Bettler und Hausierer auf den Straßen herumzutreiben, um von Almosen und Armen unterstügungen zu leben.
Würde nur ein Teil der enormen Mittel, die an Armenunter= stügungen für diese Berufslosen ausgegeben werden müssen, für deren Ausbildung verwendet, so tönnten wohl die meisten von ihnen ihren Unterhalt ganz oder zum Teil selbst aufbringen. Es würden dadurch nicht nur große Summen gespart werden, sondern auch das an sich schon traurige Los der Betreffenden wesentlich erleichtert und verschönert.
Für solche Jugendlichen, die nicht bei geeigneten Lehrmeistern in Lehrstellen gebracht werden können, müßten Lehrwerkstätten eingerichtet werden, die ohne Pension und Internat sein können; denn in Frage kommen nur solche Jugendlichen, die wenigstens noch über die Möglichkeit verfügen, den Weg von der Wohnung nach der Werkstätte zurückzulegen und zu Hause verpflegt werden. Der Deputation für das städtische Berufsamt in Berlin ist jetzt ein diesbezüglicher Antrag unterbreitet worden, und es ist zu wünschen, daß diefer so schnell wie möglich zur Erledigung fomm damit möglichst schon für die bevorstehende Schulentlassung den in Betracht kommenden Knaben und Mädchen ein wertvoller Dien geleistet werden kann.