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Einzelpreis 20 Pfg. 3. Jahrgang

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Dienstag, 7. September 1920

Nummer 371

Abend- Ausgabe

Die achtgespaltene Monparellezelle oder beren Raum koftet 5,- M. einschließlich Teuerungszufchlag. Kleine Anzeigen; Das fettgedruckte Wort 2,-M., jedes weitere Wort 1,50 M., einschließlich Teuerungszuschlag. Laufende Anzeigen laut Tarif. Familien- Anzeigen und Stellen Gesuche 3,20 m. netto pro Zeile. Stellen Befuche in Wort- Anzeigen: bas fettgedruckte Wort 1,50 m., jedes weitere Wort 1,- M. Sernsprecher: Bentrum 2030, 2645, 4516 4603, 4635, 4648, 4921

greiheit

Berliner   Organ

der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands  

Das russische   Friedensprogramm

Tschitscherin über die allgemeine fättat ben Empfang ber burch den pointſchen Gesandten in Riga  

politische Lage

HN. Mostan, 7. September.

Tichitscherin gewährte einem englischen Korrespondenten eine Unterredung über die allgemeine politische Lage. In erster Linie verteidigte er die Politik der Sowjetregierung bei den Friedens verhandlungen, wobei er darauf hinwies, daß, seitdem Sowjets rußland die Forderungen über die Errichtung einer Arbeitermiliz hat fallen lassen, tein einziges Hindernis mehr für den Frieden bestehe, und daß der Frieden leicht zustande fommen fönne, wenn nur die englische   Regierung die Sowjets diplomatie unterstütze, wozu fie in Uebereinstimmung mit ihren eigenen Erklärungen verpflichtet sei. Jedenfalls tann Tschitscherin sich nicht vorstellen, daß die britische Regierung in der Frage der Grenzregulierung von der in der feierlichen Erklärung des Obers ten Rates festgestellten Curzon linie einen anderen Stand­punkt einnehmen tönne. Eine Ertlärung Englands in dieser Richtung würde im gegenwärtigen Augens blide von höchstem Werte sein, da Polen   von Frank­ reich   unterstützt werde und sich unzweideutig weigere, das gutzue heißen, was tatsächlich bei den Friedenspräliminarien bereits an genommen worden war. Es könne teine andere Lösung der terri torialen Fragen geben, als die Unabhängigkeit der Ukraine   und Weißrußlands   zu gewähren.

Auf die Frage, ob die Sowjetregierung den Polen   die Fordes rung stellen werde, ein Referendum in diesen Gebieten abzu­halten, antwortete Tschitscherin  , das ukrainische Volt habe bereits zweimal durch Vermittlung der Sowjets seinen Willen Ausdruck gegeben und auch Weißrußland   habe dies bereits zweimal getan. Tichitscherin erklärte, wir ziehen ein Referendum durch Vermitt lung der Sowjets vor. Bezüglich Ost- Galiziens erklärte Tichitscherin, Galizien   sei für Sowjetrußland von einem bes fonberen Interesse. Hierüber bestehe aber eine große Meinungsverschiedenheit zwischen Rußland   und Frankreich  . Eng land weigere sich dentlich, Lemberg   an die Polen   zu geben, wäh­rend die polnische Regierung, unterstügt von Frankreich   und vers mutlich von den französischen   Petroleuminteressenten darauf be­tehe, Dit- Galizien zu erhalten. Tschitscherin würde eine deutliche Erklärung der englischen Politik auch hierüber begrüßen und eine falche Erklärung würde viel dazu beitragen, Polen   zu bewegen, Gegenvorschläge einzuleiten, wodurch das größte Hindernis bei den Friedensverhandlungen wegfallen würde.

In den Erklärungen Tschitscherins ist vor allem von Be­deutung, daß nach russischer Auffassung kein einziges Hinder­nis mehr für den Frieden besteht, da sich die Sowjetregierung vollkommen auf den Boden jener Forderungen gestellt hat, die einerseits von dem Obersten Rat der Entente und ande rerseits bei den Friedenspräliminarien von den Polen   selbst erhoben worden sind. Mit Recht weist nun Tschitscherin   das rauf hin, daß es in erster Linie von der englischen   Re­gierung abhängt, ob der Friede zustandekommt oder nicht. Erklärt die englische   Regierung nicht flipp und flar, daß fie an ihrem bisherigen Programm festhält, so erbringt sie damit den Beweis, daß es ihr mit ihren früheren Erflärungen nicht ernst war und daß sie sich vollständig in das Fahrwasser der, französischen und polnischen Kriegstreiber begeben hat.

Die Erklärungen Tschitscherins gewinnen noch dadurch an Bedeutung, daß er im Namen der Sowjetregierung erklärt, die ostgalizische Frage sei von feinem besonderen Interesse für Sowjetrußland. Diese Frage bildet bekanntlich einen heftigen Streitpunkt zwischen Polen   und der Ukraine  , wäh­rend andererseits über die Zuweisung Osigaliziens an Polen  eine starke Differenz zwischen England und Frankreich   besteht, die auf die gegensäglichen wirtschaftspolitischen Interessen der Entente- Staaten zurüdgeht. Die Utrainer machen mit Recht geltend, daß die große Mehrheit der ostgalizischen Be­völkerung ukrainisch sei, und daß Ostgalizien eines der wich­tigsten fulturellen Zentren der ukrainischen Republik   bilde. Die Polen   dagegen versteifen sich auf den Besitz Lembergs  , der Hauptstadt Ditgaliziens, und wollen um feinen Preis die. Privilegien der herrschenden polnischen Junkerschicht in Ga­ lizien   preisgeben. Vom Standpunkte der Interessen der neu­erstandenen ufrainischen Sowjetrepublik ist es ein großes Opfer, wenn Tschitscherin   nun in der Frage Ostgaliziens fein Desinteressement erflärt. Er tut dies, um auch den lez­ten Vorwand zu beseitigen, daß Rußland   angeblich imperia­listische Ziele nerfolge, und so auch dieses Hindernis auf dem Wege zum Frieden fortzuräumen.

Bon der englischen   Regierung hängt es nun in erster Linie ab, daß sie diesen Standpunkt Sowjetrußlands würdigt, und durch entsprechende Erklärungen dazu beiträgt, daß eine Ver­ständigung zwischen Polen   und Sowjetrußland zustande­tommt.

Ein Funkspruch Tschitscherins

TU. Warschau, 7. September. Die Breffeabteilung im Ministerium des Neußern teilt mit: Am 6. b. Mis. traf ein Funtspruch Tschitscherins ein, in welchem dieser

nene Garantten für die Konferenz in Riga   forbert. Tschitscherin   ber übermittelten Zusage der lettischen Regierung und verlangt weiter, daß sich die von ihr angesicherte Jntegrität nicht nur auf die Haupt­belegterten, sondern auch auf das Hilfspersonal und ble Räumlichkeiten der Delegation erstrecken soll. Außerdem verlangt er Garantten für das Zusammenwohnen der gesamten Delegation. Darauf hat die polnische Regierung durch Funkspruch geantwortet, daß ,, trotzdem ber­artige neue Forderungen das Zustandekommen der Ronferenz nur verzögern, der polnische Gesandte in Riga   angewiesen worden ist, anch biese neue Forderung der lettischen Regierung zu unterbreiten und das Ergebuts sofort nach Moskau   zu berichten.

Die polnischen Wünsche

TU. Warschau, 7. September.

Das der Obersten Heeresleitung nahestehende Blatt Rzad i Woysto"( Staat und Seer) schreibt: Das Programm für die Be handlung der Ostfragen umfaßt die Forderung der ethnographischen Grenze für Polen  . Da nun aber die Curzonlinie weder militärisch noch politisch befriedigt, muß Bolen eine Linie erstreben, die sich grundsäglich der Curzonlinie anschließt, aber doch die erforderlichen Aenderungen aufweist. Eine solche Grenze würde auch die Stel­lung Polens   in der Frage der Westgrenze, besonders im Hinblic auf Oberschlesien   und Danzig  , bedeutend stärken. Von Rußland  müssen wir eine Annullierung der polnischen Tei­Inngen verlangen. In diesem Falle bleiben zwischen Bolen und Rußland   große Gebiete, die Utraine, Weißrußland   und Li­ tauen   übrig, die zu unabhängigen Staaten gemacht wer­den müssen. An Litauen   dürfen nur dann Gebiete mit pol­nischer Bevölkerung abgetreten werden, wenn Litauen   für diese die nötige Selbständigkeit gewährleistet und fich eng an Bolen an schließt. Die Ukraine   muß sich selbst eine Regierung auf demo­fratischer Basis wählen, und zwar unter internationaler Aufsicht und Beteiligung Polens   und Sowjetrußlands. Weißruß­ land   muß durch allgemeine Wahlen auf demokratischer Grund­lage selbst über seine Regierungsform entscheiden dürfen.

Den Polen   ist in der Tat der Kamm sehr start geschwollen. Sie benehmen sich ganz wie ihre Versailler Lehrmeister, indem sie allen Nachbarvölkern das Glück einer von Polen   und der Entente dik­tierten ,, Unabhängigkeit" bescheren möchten. Diese Unabhängig teit würde die Bölfer in ein nahes Verhältnis zu Polen   bringen und somit eine polnische Borherrschaft im Osten be­gründen. Wer mit solchem Programm zu den Friedensverhand­lungen geht, muß von vornherein als verdächtig gelten.

Uneinigkeit in Warschau  .

2. Kopenhagen  , 7. September. Aus Warschau   wird über Danzig   gemeldet: Die Uneinigkeit zwischen den linken Parteien, die einen balbigen Friedensschluß mit Rußland   wünschen, und den Konser vativen, die sich einem Friedensschluß widersehen, ist in ein afutes Stadium getreten. Die Verhandlungen zwischen der interminifteriellen und der Friedensdelegation find bisher ergeb nislos verlaufen, sodaß die Abreise der Friedens, delegation nach Riga   dadurch um mehrere Tage ver­zögert wird.

Die Arbeiterdelegation in Riga  

TU. London, 7. September.

Der Versuch des Arbeiterrates, Arbeitervertreter nach Riga   za entsenden, ist eine Folge 1. eines Appells der polnischen So­sialisten an die englischen Arbeiter, ihrer Sache Verständnis entgegenzubringen, 2. einer Anregung von russischer Seite, 3. des Mißlingens der Verhandlungen von Minst, 4. der wider sprechenden Mitteilungen und Veröffentlichungen der verschiedes nen Parteien und 5. des Wunsches, zu verhindern, daß die eng lischen Arbeiter auf falsche Fährte gelenkt werden.

Der Moskauer Sowjet an das englische Proletariat

Christiania  , 1. September.  ( ,, Rosta", Wien  .)

Aus Mostau wird vom 31. August gemeldet: Im Mostauer Sowjet wurde nach Anhören der Informationen Miljutins, der kürzlich aus England zurückgekehrt war, beschlossen, die Ar­beiterklasse Englands anläßlich ihrer proletarisch- solidarischen Stellungnahme für Sowjetrußland zu begrüßen. In der Begrü Bungsadresse wird hervorgehoben, daß die polnischen Weißgarden trog der von den französischen   und englischen Regierungen erhalte­nen Hilfe von der Roten Armee hart bedrängt werden, und daß die russischen Arbeiter und Bauern, so wenig sie an Eroberungen oder an die Zerschmetterung der Unabhängigkeit Bolens denken, den Willen und die Kraft haben, sich der Anmaßungen aller impe zialistischen Mächte zu erwehren. Mit besonderer Befriedigung hat der Moskauer Sowjet von der Bildung des englischen Aktions­fomitees und von dem Beschlusse, eine englische Intervention durch. den Generalstreit zu verhindern, Kenntnis genommen. ( Siehe auch 3. Seite.)

Der ostpreußische Selbstschutz

Aus Königsberg   wird uns geschrieben:

Dem Oberpräsidenten Dr. Siehr ist es nicht angenehm, daß er den agrarischen Selbstschutz Ostpreußens  , die Orgesch", anerkannt haben soll. Seine in die Welt gesezten Demen tis find jedoch nur ein Streit um Worte.

Die Auflösung" der Orgesch besteht nur auf dem Papier. Dieses wird von Dr. Siehr selber durch die Erklärung be stätigt, daß ihre Mitglieder in den staatlichen Selbst­und Grenzschutz übergetreten sind. Aus der aufge lösten" und nicht entwaffneten von vornherein gesetz­widrigen- Einwohnerwehr wurde die Orgesch, aus der Orgesch wird jetzt ein staatlicher Schuh! Nene Etikette, wei­ter nichts. Die Arbeiter erbliden mit Recht in allem nur einen planmäßigen Aufbau und Bewaffnung der Konterrevo Iution. Gesetzwidrig ist der Siehrsche Selbstschutz ebenso, wie die Orgesch und die Heinesche Einwohnerwehr.

Sehr interessant ist, daß Dr. Escherich bei der völligen Einigung" zwischen Orgesch und Stehr mitgewirkt hat. Siehr selber ist diese Tatsache anscheinend unbekannt gewesen. Er stellt nämlich entgegen einer von Escherich verbreiteten Nach­richt in Abrede, daß die Einigung unter dessen tätiger Mit­wirkung" erfolgt sei. Dieser habe ihn erst zwei Tage nach der Einigung besucht, ohne mit ihm Verhandlungen zu pflegen. Die Rechtspresse stellte demgegenüber sofort folgen des feft:

,, Dr. Escherich hat in der Tat sehr viel dazu beigetragen, daß die Einigung zustande tam; zwar nicht durch persönliche Verhand­lungen mit dem Oberpräsidenten wovon in der Meldung gar nicht gesprochen wird wohl aber durch seine Mitwirkung bet ben entscheidenden Besprechungen der Vertrauensmänner bes Selbstschutzverbandes, an denen auch Angehörige mehrerer im Pro­vinzialwehrausschuß vertretenen Parteien teilnahmen."

Escherich hat also das Ding hinter den Kulissen geschoben". Erst als die Einigung, d. h. die Einwickelung des Oberpräsi denten perfekt war, zeigte er sich diesem in einem furzen Besuch". Ob er wirklich weiter nichts wollte, als etwa nur dessen verblüfftes Gesicht sehen?

Ms Escherich in Königsberg   weilte, erschien übrigens in der Stinnes- Bresse eine Abhandlung über ihn und seine Orgesch von dem Reichstagsabgeordneten Brüning. haus, in dem es heißt:

" Ich selbst bin überzeugt, und mit mir hoffen es meine Partei­freunde, daß die Orgesch die jetzige tritische Zeit überdauern wird, wenn nicht anders, dann mit energischer Hilfe der Reichsregierung, und daß sie später ihren vaterländischen 3ielen ungefährdet wird nachgehen können."

In Ostpreußen   ist jedenfalls die Orgesch Trumpf. Sie wird es nach der Einigung noch mehr werden, da sie ja nun be­hördlich ,, übernommen", also anerkannt ist.

Interessant ist die Entwicklung der Dinge. Die Orgesch schrieb darüber unterm 17. August:

Der Selbstschuh Ostpreußens   wurde seinerzeit ins Lebens ge rufen, bald nachdem durch Berfügung des Reichspräsidenten   die Einwohnerwehren aufgelöst waren.(!!) Die Orts- und Kirchspiel führer sind fast durchweg die alten Führer der Einwohnerwehren. Die alten Einwohnerwehren bilden im allgemeinen geschlossen der Grundstock für den privaten Selbstschuh.

Der Oberpräsident behauptet, durch die Organisierung des pri­vaten Selbstschutzes, die gegen seinen Willen erfolgt sei, sei Bes unruhigung in die Bevölkerung getragen, und er müsse durch eine behördliche Aufziehung des Selbstschutes diese Beunruhigung unter brüden. Tatsächlich erhielten aber am 3. Juli bie Kreisräte durch den Oberpräsidialrat Grzimd met( Stellvertreter und rechte Hand des Oberpräsidenten Verf.) die Anweisung, die Einwohnerwehren auf­zulösen und an ihre Stelle private Selbstschuh­verbände zu setzen."

Dieser Meldung ist nicht widersprochen worden. Das Ober präsidium ist also mit der Bildung der Orgesch einverstanden gewesen, hat dieselbe freilich als die Junker schon alles fertig hatten sogar noch angeordnet".

Wie sieht nun der, behörblich aufgezogene Selbstschuh" aus? Es sollen Ortswehren gebildet und ein neuer Grenzschuh aufgestellt werden. Die Orts wehren sollen gleichzeitig als Technische Nothilfe( rich­tiger Profithilfe) Verwendung finden. Der Selbstschutz sour also ein Instrument der Bourgeoisie gegen die tlassenbewußte Arbeiterschaft sein.

Nur die

Wochenlang hat man mit allen Parteien verhandeit, auch mit den verfassungstreuen", die die Wiedereinführung der Monarchie auf ihre Fahne geschrieben haben. U. S. P. und die Gewerkschaften hat man nicht hinzugez gen. Sowohl Diese erfuhren erst davon, als alles fertig war. unsere Partei als auch die Gewerkschaften haben dieler neuesten ,, Errungenschaft der Revolution" sofort den schärfsten Kampf angesagt.

Voraussetzung für die Aufnahme in die Crise wehr ist, daß jemand gut beleumundet(!), nicht wegen ehrenrühriget Straftaten vorbestraft, förperlich rüs ortsansässig, mit der Waffe völlig ausgebbet ist oder Frieden attiv gedient" hat. Für die Aufnahme in den Grenzs schutz gelten dieselben Bedingungen. Bon unzuverlässigen Elementen" sollen die Wehren freigehalten werden. Ebenjo dürfen niche Personen in die Wehren aufgenommen werden,