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Cinzelpreis 30 Pfg.
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3. Jahrgang
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Freitag, 10. September 1920
Nummer 376
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Morgen- Ausgabe
She adtgefpaltene Stonpareillegelte aber beren Raum keet 5,-. eufchficki Leuerungszuschlag. Rieine Anzeigen; Das fettgedruckte Wort 2-, jebes weiters Wort 1,50 M., einschließlich Teuerungszufchlag. Laufende Anzeigen lant Tarif Familien Anzeigen und Stellen- Gesuche 3,20 9. netto pro Beile. Stellen Befuche Wort- Angeigen: bas fettgedruckte Wert 1,50., jebes weitere Wort 1- Berniprecher: Bentrum 2030, 2645, 4510 4682, 4635, 4848, 4821.
Berliner Organ
Für das
Die Beschlüsse des Volkswirt
schaftlichen Ausschusses
Der Bolkswirtschaftliche Ausschuß des Reichss tages fette geitern die Beratungen über die Erwerbslosens fürsorge fort. Nur mühsam vermochten die bürger lichen Parteien ihre grundsägliche Abneigung, bie ungeheure Rot der Arbeitslosen zu milbern, Bertuschen Tagelang hat der Volkswirtschaftliche Ausschuh lebiglich Forderungen der Agrarier und der Industriellen beraten. Als aber gestern nach der nur wenig mehr als einen Tag dauern ben Generalanssprache über die Erwerbslosennot die unabhängigen Bertreter die Einsehung eines Unterausschusses beantragten, der noch während dieser Tagung des Ausschusses über das Ergebnis Jeiner Beratungen Bericht zu erstatten hätte, stimmten ihn bie bürgerlichen Parteien aus Furcht, daß sie in dieser Unterfommis fon ihre Feindschaft gegen pofitive Maßnahmen offen bekennen müßten, geschlossen nieber. Der Sprecher des Zentrums er Härte jogar ausbrüdlich, daß ber unabhängige Antrag mit den übrigen Anträgen völlig unvereinbar sei, er halte es bess halb für zwedlos, einen Unterausschuß einzusehen.
Es ist das Kennzeichen der jehigen politischen Situation, dah bas Machtbewußtsein der bürgerlichen Klassen immer offener auffeitt. Ihre durch die augenblickliche Wirtschaftsfrise und burd bie Refte der zwangswirtschaftlichen Regelung des Wirtschaftslebens chwer eingeschränkte Ausbeutungsfreiheit wollen Sie sich jetzt wieber in vollem Umfang erkämpfen, Einträchtig arbeiten Jubuftrie und Landwirtschaft in dieser Abficht zusammen. Erstrebt bie Landwirtschaft durch die restlose Freigabe aller Erzeugnisse bie Steigerung aller Preise für Lebensmittel, jo freut sich der allers größte Teil der Industrie, daß durch die nötig werdende vermehrte Einfuhr der Stand der deutschen Baluta ungünstig beeinflußt wird, ihre Gewinnansichten sich aber, wenn auch auf Rosten der Masse, erheblich erhöhen werden. An die sozialen Folgen ihrer kapitalistis Jhen Profitfucht benten diese Kreise absolut nicht, ebensowenig an bie politischen. Blind taumeln fie dem Abgrund entgegen, ben thre eigenen Maßnahmen notwendig schaffen werden.
3weierlei Maßnahmen wurden in dem Antrag ber Uns abhängigen Sozialdemokratie verlangt. 3ur Milderung ber augenblidlichen Not der Erwerbslosen sollten die Säge Der Erwerbslosenfürsorge erhöht und rückwirkend bis 1. März 1920 nachgezahlt werden, ferner eine Gleichsehung der Unterstügungsläge für männliche und weibliche Erwerbslose erfolgen und außer bem bestimmt werden, daß das Einkommen der beschäftigten Familienmitglieder auf die dem Erwerbslosen gefeßlich zustehen den Unterstügungssäge nicht angerechnet werden darf. Reben diesen Forderungen wurde aber zur Beseitigung der Arbeitslosig leit überhaupt die Forderung erhoben, daß für großzügige Be
Schaffung von Arbeit Reich, Staat und Gemeinden unter Bezahlung
tarifmäßiger Löhne zu sorgen hätten.
Obwohl die Beratungen des Ausschusses zwar eine Reihe von löblichen Plänen zutage förderten, sind doch die Taten recht gering. Die Anträge ber Unabhängigen Sozial. bemokratie wurden restlos abgelehnt, und tatt deffen ein so unbestimmt gehaltener Antrag der bürgerlichen Bar teien angenommen, bag die Regierung für ihre Maßnahmen völlig freie Sand behält. 3war hatte der Arbeitsminister eine Erhöhung ber Unterstügung für die nächsten Monate in Aussicht gestellt, aber ausdrüdlich offen gelassen, ob das in Form der Erhöhung der laufenden Unterstügungssäge oder durch die Gewährung einer einmaligen Beihilfe zu Beginn des Winters geschehen würde. Der angenommene Antrag der bürgerlichen Parteien aber geht noch nicht einmal so weit. Und wenn in den Anträgen zur Weiterführung der produttiven Erwerbslojenfürsorge durch Anreizung der Schuh, Textil und Baustoffindustrie zur Güters herstellung aufgefordert wird, so bedeutet auch das nichts anderes, als daß alles beim alten bleibt.
Um bie Beratungen aber nicht völlig ergebnislos ausgehen zu laffen, war von den unabhängigen Mitgliedern des Ausschusses noch der Antrag eingebracht worden, daß die nach den Mitteiluns gen bes Arbeitsministers zum Herbst dieses Jahres vorgesehenen einmaligen Beihilfen für die längere Zeit Erwerbslofen night als ausreichend betrachtet werden können, unb bas auch bie laufenden Unterstügungssäge dringend einer Ees höhung bedürfen. Gefchloffen#timmten die burgers lichen Parteien diesen Antrag nieber. Weber die Zentrumsarbeiter noch noch der demokratische demokratische Arbeiterführer" Erkelenz stimmten für ihn und verschuldeten badurch seine Abs lehnung. Lediglich der zweite Teil dieses Antrages, der eine engere Kommission einfegt, die zusammen mit dem Arbeits- und Wirtschaftsministerium die für die produttive Erwerbslosen fürsorge und die Untertügung in Betracht kommenden Fragen verhandeln soll, fand Gnade vor den Augen dieser Herren.
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Die Feindschaft aller bürgerlichen Parteien gegen eine energische Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch grundlegende wirtschafts politische Maßnahmen aber wurde besonders deutlich bei der Abs timmung über eine von den Rechtssozialisten eingebrachte Entchließung. Sie folgte im wesentlichen den Gedankengängen der Entschließung des Reichswirtschaftsrats, sprach sich aber mit begrüßenswerter Deutlichkeit, die von der bisherigen Saltung mancher Rechtssozialisten abstach, für die gemeinwirtschaftliche Regelung der Wohnungsfrage aus. Auch diese Resolution wurde Don ben Bürgerlichen niedergeftimmt.
So zeigten die Berhandlungen in allen Bunkten, daß die Ar beiterklasse bei der Durchsegung ihrer Forderungen lediglich auf ihre eigene Kraft angewiesen ist, daß die in Arbeit stehenden Arbeiter die Macht ihrer Organisationen für die Erwerbslosen eins fegen müssen.
Aufruf der Moskauer Internationale Arbeiter ble Gruben befeht und die zote Fahne aufgepflanzt.
an die italienischen Sozialisten
OE. Kopenhagen, 9. September.
Ein Moskauer Funkspruch teilt den Wortlaut eines Aufrufs mit, ben der Bollzn Brat der Kommunistischen Internationale an alle Mitglieder der italienischen sozialistischen Partei und alle revolu tionären Proletarier gerichtet hat. Der Bollzugsrat spricht die Uebers eugung aus, daß der Krieg des tapitalistischen Polens gegen das proletarische Rußland sich ganz bestimmt in eine allgemeine europäische Arbeiterrevolution verwandeln werde. Insbesondere sei in Italien diese Frage spruchreif. Aus diesem Anlaß richtet der Moskauer Vollzugsrat heftige Vorwürfe gegen die italienische sozialistische Partei. Er findet, daß fie unentschloffen bandele G8 ift nicht die Partet, die für bie Waffen fämpft", fagt der Aufruf, die Maffen find es, bie bie Partei treiben." Der Grund Liege barin, daß bie Bartei von reformistischen, liberal- bürgerlichen Glementen durchsetzt sei. Noch schlimmer stehe es mit den Gewertschaftsverbänden Italiens. Sie gehören noch zur gelben" Amfter. bamer Vereinigung ber Gewerkschaften. Der Moskauer Bollzugsrat ertlärt es für unbedingt notwendig, daß die Sauberung der italienischen fostalistischen Partei erfolge, and sie ine Rommunistische Partei werde. Es sei die Hauptaufgabe der lozialistischen Bartel Staltens, sich mit allen proletarischen und 74 lozialen Elementen des Syndikalismus zu verbinden. Der Mostaner Bollzugsrat gefteht offen, es sei möglich, baß bie proletarische Revolution ben italienischen Arbetteru dieselben Beiden auferlegen werde, wie dem russischen Proletariat. Der Aufruf schließt mit den Borten: Der Entscheibungstampf nähert fich. Italten with ein Rateland werden. Das italienische Bro etariat wird Die beste Gruppe in der internationalen Broletarier- Armee werden." Der italienische Streik
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Das Beispiel, bas his
brigen Arbeiter
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9. September.
In den Gruben von Tostana, Ligurien, Sardinien und Sizilien wird ein ähnliches Vorgehen erwartet. In den Werten Sestri Ponente haben die Arbeiterräte, nachdem sie die rote Flagge hißten, an den Mauern die Bilder von Marg, Lenin und Jaures angebracht. Fast in allen besetzten Fabriken wurde eine militärisches Reglement eingeführt und die Disziplin wird ftrift durchgeführt.
Belagerungszustand in der Lombardek
DA. Zürich, 9. September.
Nach Meloungen schweizerischer Blätter wurde über die Lombarbei der Belagerungszustand verhängt. In Mailand sollen neuerdings 3usammenstöße mit dem Militär stattge funden haben, wobei es 38 Iote und etwa 100 Verlegte gegeben habe.
Mailand, 9. September.
Der Avanti veröffentlicht eine Rundgebung des Bundes der Landwirte, in der die Landarbeiter aufgefordert werden, die nicht ober nicht genügend bebauten Landflächen au nächsten Samstag zu belegen; boch sollen dabei zusammenstöße
mit der öffentlichen Gewalt vermieden werben.
Rom, 9. September .( Stefani.) Der gestrige Tag ist in Rom vollkommen ruhig verlaufen. Die Ingenieure, Wertmeister und das Verwaltungspersonal der Fa briten weigern fich, mit den Arbeitern gemeinsame Sache zu machen. Die Blätter begrüßen die Aufnahme von Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitern. Die Regterung beabsichtigt nicht, eine der Parteien zum Nachgeben zu zwingen, sie hat aber nungen getroffen, damit Ruhe und Ordnung im
einmütige, von Niemandem in Zweifel gezogene Auffassung Bis zur Rückkehr der Delegation aus Moskau, war es bie aller Parteigenossen, daß die Autonomie der Partei, das heißt ihr Selbstbestimmungsrecht in allen politischen und tattischen Fragen innerhalb des Rahmens ihres Programms unantastbar sein müsse. Jetzt soll dieses Selbstbestimmungs recht in doppelter Weise beseitigt werden. Einmal verlieren die Mitglieder den entscheidenden Einfluß auf die Leitung. Die Leitung selbst aber wird völlig dem Exekutivlomitee der 3. Internationale untergeordnet. Zugleich ist durch die Be stimmungen über die Zusammensetzung dafür gesorgt, daß im Exekutivkomitee der Moskauer Einfluß der allein aus fchlaggebende ist. Ebensogut hätte bestimmt werden tönnen, daß die Leitung aller anderen Parteien direkt der Zentrale der russischen fommunistischen Partei unterstellt ist. der Praxis ist es gewiß das Gleiche.
In
Die Kontrolle der Moskauer beschränkt sich nun nicht etwa auf die Fragen, die allen angeschlossenen Parteien gemeinfam find; sie ist auch nicht dazu da, internationale Demons ftrationen oder Attionen anzuordnen. Sie erstreckt sich ebenso auf alle wichtigen politischen Entschlüsse und Handlungen, die jede einzelne Partei in ihrem Lande ausführen will. Die Art und den Zeitpunkt des politischen Vorgehens bestimmt, wenn sie es für nötig hält, die Exekutive, die Leis tungen der Parteien sind nur ihre ausführenden Organe.
Es gibt Genossen, die wie Ledebour auf dem Leipziger Parteitag ausführte, meinen, daß ein solches Aufgeben der Selbständigkeit der Würde und Selbstachtung einer revo lutionären Partei so sehr widersprechen, daß ihre Annahme schon deshalb ausgeschlossen sei. Andere bemühen sich jetzt, von vornherein die Parteigenossen davor zu warnen, daß man den Verzicht auf jedes Selbstbestimmungsrecht als unwürdig betrachte. Da wir zugeben müssen, daß man über das Maß von Selbstachtung, das der Einzelne oder die Partei zu besigen hat, nicht diskutieren kann, wollen wir darüber nicht rechten. Die Frage muß aber aufgeworfen werden, ob ein solcher Verzicht überhaupt möglich ist.
Jeder politisch Erfahrene weiß, daß, um eine ernste politische Entscheidung zu fällen, eine Fülle von Momenten zu berücksichtigen ist. Die sozialen Machtverhältnisse der Klassen, die Stärte der einzelnen Parteien, die Stimmung ber Zwischenschichten, der sonst Indifferenten, die psychologische Erregung, die der Kampf um das Streitobjekt, in der Ges sellschaft auslöst, das Maß der Leidenschaft, die die Stärke des Angriffs oder Abwehr beeinflußt, all das sind Elemente, die in die politische Urteilsbildung eingehen. Und all diese Momente sind wieder zum Teil sehr komplizierter Art. Jhre Beurteilung setzt sowohl angeborene politische Befähigung als reiche Erfahrung voraus. Vor allem aber ist politisches Urteil nur möglich dem, der selbst in diesem politischen Leben steht, auf den alle diese verschiedenen Einflüsse selbst wirken, der engste Fühlung hält mit der Masse und seiner Partei. Des= halb ist es eine Unmöglichkeit von außen her einer Partei ihr politisches Handeln vorschreiben zu wollen ohne die schlimmsten Fehlschlüsse zu begehen. Es ist eine Gefahr, die sich gerade in revolutionären Zeiten noch ungeheuer steigert, daß eine Leitung von oben her die entscheidenden Entschlüsse faßt, statt daß diese durch den Willen der Masse der Parteis mitglieder von unten her qebildet werden. Denn die Leitung ist dann stets der Möglichkeit ausgesetzt, daß sie die Stimmung der Masse verkennt und deshalb von ihr im Stich gelassen wird, wodurch die Niederlage gemiß ist. Aber diese Gefahr wächst ins Ungeheure, wenn nun gar diese Beschlüsse, die die bedeutsamsten Aktionen betreffen können, von außen bestimmt werden, wenn die Leitung, ohnehin schon losgelöst von dem Bestimmungsrecht ihrer Massen, gar noch dem Druc einer auswärtigen Instanz ausgesetzt wäre. Und die Gefahr würde vervielfacht, wenn diese Leitung selbst unter dem Einfluß ganz außerordentlicher Umstände, abgeschnitten von allen raschen Informationsmöglichkeiten, jahrelang ausges schlossen von der unmittelbaren Berührung mit der übrigen Welt, in Moskau sitzt.
Was wir früher über das Verhältnis von Leitung und Masse innerhalb der Partei gesagt haben, würde sich wieders holen. Die straffe militärische Disziplin" tönnte nur ents weber Teilnahmslosigkeit oder Rebellion bewirken. Ents weder stimmen die Weisungen von außen mit der wirklichen Situation überein und entsprechen deshalb den Auffassungen und Beschlüssen, die sich die Leitung der betreffenden Partei dann wohl schon früher und rascher gebildet hat als die auswärtige Instanz dann sind sie überflüssig. Oder es soll von außen eine Aftion erzwungen werden, die den inneren Bedingungen des Landes nicht entspricht, dann wird sie nicht befolgt oder führt zur Niederlage.
Deshalb ist die Verwandlung der Unabhängigen Soziala demokratie Deutschlands wie jeder anderen großen und attionsfähigen Partei in eine Sektion der 3. Internationale, das heißt heute praktisch der russischen tommunistischen Pars tei eine blanke Unmöglichkeit, feine Stärkung, sondern eine Gefahr fi rerolutionäre Entwicklung.