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Arbeiter, Parteigenossen!

Die blutige Behre des Weltkrieges hat einen großen Teil des Proletariats zu der Ueberzeugung gebracht, daß es zur Verhinde tung gleicher Tragödien unbedingt notwendig ist, dem inters nationalen Kapital eine seiner hauptsächlichsten Stügen zur Auf­rechterhaltung seiner Klassenherrschaft, und zwar die Herstellung von Mordwerkzeugen, aus der Hand zu schlagen. Der inters nationale Gewertschaftsbund hat in einem Aufruf an die Arbeiter aller Länder die gewerkschaftlichen Organisationen ber einzelnen Länder aufgefordert, alle Mittel zu ergreifen, um bee Erzeugung von Waffen ein Ende zu bereiten. Getreu diesem internationalen Beschluß hat die Berliner   Gewerkschaftskommission durch eine besondere Willenstundgebung die ihr angeschlossenen Organisationen verpflichtet, das ihrige zu der Verhinderung der Waffenfabritation beizutragen.

Der in Berlin   liegende Betrieb der Deutschen Waffen­und Munitionsfabriken Berlin- Wittenau, der dor und während der Kriegszeit fast ausschließlich auf die Waffen­fabritation eingestellt war, hat jetzt den Versuch unternommen, bas von jeher profitable Geschäft der Waffenherstellung erneut aufzunehmen, und zwar nicht nur für Lagus und Jagdwaffen, fondern auch für ausgesprochene Heereswaffen.

Die Verwaltungsstelle Berlin   des Deutschen Metallarbeiterverbandes, die sich verpflichtet fühlt, die internationalen sowie die örtlichen Beschlüsse zur Durchführung

bringen, forderte die in der Waffenabteilung beschäftigten Ars beiter auf, die Waffenfabritation einzustellen. In dieser Abteilung war das Organisationsverhältnis ein nicht besonders günstiges, und zwar gehörte ein ziemlicher Prozentjat des revolutio reren Betriebsorganisation an. Auch sind in der Abe teilung ein Teil von Arbeitern und Arbeiterinnen beschäftigt, die die Notwendigkeit einer gewerkschaftlichen Organisation noch nicht erkannt haben. Nachdem wir in verschiedenen Bersammlungen die Meinung der Arbeiterschaft flären wollten, zog auch die re­volutionäre Betriebsorganisation die Konsequenz und schloß ihre Mitglieder, die in der Waffenabteilung arbeiteten, aus der Bes triebsorganisation ans. Es war also nun der Zustand zu vers zeichnen, daß neben einem Prozentsah gewerkschaftlich organisierter beiter ein ziemlich ebenso starter unorganisierter in der Abteis lung vorhanden mar. In einer erneuten Berjammlung verlangten wie son allen in der Abteilung beschäftigten Arbeitern, daß sie Gas Pflichtgefühl gegenüber der gesamten Arbeiterschaft die Waffenfabrikation einzustellen und den Betrieb zu verlassen hätten. Der übergroße Teil der gewerffchaftlich organisierten Ar beiter leistete dieser Hufforderung bedingungslos Folge, trotzdem cine große Anzahl Kollegen darunter war, die eine sechs bis elf­monatliche Erwerbslosigkeit hinter sich hatten. Auch ein Teil der Unorganisierten hat sich unseren Kollegen angeschlossen. Der größte Teil der Unorganisierten und auch diejenigen, die bis vor farzem ber revolutionären Betriebsorganisation angehörten, haben dem Nuf nicht Folge geleistet, sondern stellen weiter ihre Arbeits­aft zur Herstellung von Mordwerkzeugen zur Verfügung. Bea bauerlicherweise auch ein fleiner Teil der Mitglieder des Deuts en Metallarbeiter Verbandes, die zum Teil schon auf eine lang­jährige Mitgliedschaft zurübliden.

Infolge dieses Bersagens der vom Metallarbeiter- Verband zur tion aufgerufenen Arbeiter besteht die Befürchtung, daß es nicht glia) jein wird, die Waffenfabrikation in den Deutschen   Waffen­Munitionsfabriken zu unterbinden und daß. die Firma mit glen Mitteln versuchen wird, zur Auffüllung der gelichteten Be Tegldhaft Arbeitskräfte für diese Fabritation zu bekommen.

Die Verwaltungsstelle Berlin   des Deutschen Metallarbeiter­Verbandes appelliert an das Solidaritätsgefühl nicht nur der Berliner  , sondern der gesamten Arbeiterschaft, daß der Kampf, den die Verwaltungsstelle Berlin   zur Unterbindung

Waffenfabritation aufgenommen hat, von der gesamten Arbeiterschaft die bedingungslose Unterstügung erfährt und daß es durch die Betätigung der Solidarität möglich ist, zu er reichen, was auf dem Wege der Betriebsaktion nicht zu ers reichen war.

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Hoch die Solidarität!

Nieder mit der Waffenfabrikation! Deutscher   Metallarbeiter- Berband, Berwaltungsstelle Berlin  .

Die Geschichte meines Bruders

Eine Erzählung

Hans Siemien

Beilage zur Freiheit"

Gewaltmaßnahmen gegen die Danziger Arbeiterschaft

Von Bruns Gebauer, Danzig  .

Die Danziger Arbeiterschaft befand sich bekanntlich seit einigen Wochen im wirtschaftlichen Kampf gegen den polni­schen Imperialismus. Sie verweigerte jegliche Hilfe zum Transport von Truppen und Kriegsmaterial, sowie zur Löschung von Munition, so daß sich bisher Kriegsmaterial für Polen   hier in Danzig   ziemlich anstaute. Truppen mußten wieder nach dorthin abtransportiert werden, woher sie ge­fommen waren, da wir in Danzig   feinen Blag zur Unter­bringung hatten und dann auch die Stadt Danzig   in große Ernährungsschwierigkeiten geraten Hauptsächlich waren es die Hafen- und Eisenbahnarbeiter, welche den Kampf ausfochten. Hier standen alle Richtungen zu sammen. Arbeiter und Beamte, freie Gewerkschafter, Hiriche, Christen und Vertreter aller sozialistischen   Richtungen. Die bürgerlichen Barteien, welche in der verfassunggebenden Ver­sammlung die Neutralitätserklärung eingebracht und be­schlossen hatten, hielten offiziell zurüd.

wäre.

Hafenarbeiter und Eisenbahner hielten selbst den schärften Verlofungen stand, denn die Polen   versuchten Jucasgelder auszuwerfen: 10 000 Mart follten gestiftet werden für in Not geratene Hafenarbeiter, wenn die Safenarbeiter die Muni­tion löschten, ein Tagelohn von 150 M. wurde versprochen, und außerdem sollte jeder Arbeiter 6 Kilo Mehl erhalten. Mehrere Waggons amerikanisches Weizenmehl sollte den Hafenarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Bei der schlechten Ernährungslage und den finanziellen Berhält nissen der Danziger Arbeiter sicher große Verlodungen, aber die Hafenarbeiter gingen darauf nicht ein. Dann stellten die polnischen Behörden die Heranziehung von polnischen Ar­beitern zu den Löschungsarbeiten in Aussicht. Auch dieser Plan scheiterte, da die Safenarbeiter drohten, den ganzen Sajen stillzulegen. Nunmehr wollten die Polen   Russen zu dieser Arbeit heranziehen, und zwar russische Gegenrevo: lutionäre, die unter Koltschat gefämpft hatten, sich nun in polnischen Internierungslagern befinden und sich bereit er­flärten, die gegen ihre Landsleute Verwendung findende Munition zu löschen. Dieses Anfinnen lehnten die Safen­arbeiter erst recht ab. Als alle Verhandlungen ergebnislos waren, sollten englische Soldaten herangezogen werden. Doch eine große Anzahl sträubte sich hiergegen, und mit dem nächsten Transport wurden dann diejenigen, welche diesen Dienst verweigerten, nach England zurüdgesandt. So blieb auch dieser Gedante unausführbar. Die englischen Behörden mußten die Haltung der Hafenarbeiter als berechtigt an­erfennen, und lediglich nur um Ruhe und Ordnung in Dan­ zig   aufrecht zu erhalten und zu verhindern, daß die für Polen  bestimmte Munition den Russen, die damals bereits in den polnischen Korridor eingedrungen waren, in die Hände fiel, verweigerte der Oberfommandierende der alliierten Truppen in Danzig  , General Hating, dem poinishen Munitionsschiff " Juno" die Einfuhr in den Hafen.

Freitag, 10. September 1920

Danzig  , deren Folge unausbleiblich Hungersnöte wären maren geplant. Als weiteres Attentat hatten die Ententes Vertreter ein Defret angefündigt, nach welchem die Arbeits lofen- Unterstützung aufgehoben werden sollte, solange die Danziger   Arbeitslosen jegliche Arbeit für Polen   verweigern. Reben diesen Plänen wurden Verräterdienste teuer bezahlt. Polnische Gewerkschaftsbeamte und Mitglieder der Danziger Verfassunggebenden Bersammlung stellten den Bontott gegen Eisenbahner sämtliche Transporte für Polen   durch Danzig Danzig in Aussicht, wenn nicht innerhalb 48 Stunden die lassen würden. So wären nicht nur Lebensmittel und Rohlen­transporte für Danzig   angehalten, sondern auch sämtlicher Personen und Güterverkehr von Danzig   mit Deutschland  unterbunden worden. Auch wollien die Polen   sämtliches Majainen- und anderes im polnischen Gebiet befindliches Danziger Eisenbahnmaterial und Güter für sich requirieren. Schon find mehrere D- 3üge in Konig und Schneidemühl   an gehalten und die Lokomotiven abgenommen worden. Auch in der Versorgung der Bevölkerung mit Kartoffeln ist Dan zig von Polen   abhängig. Englische und amerikanische   Kriegs­schiffe belagern bereits den Danziger Hafen   und unter demt Schutz der englischen   und französischen   Bajonette sollten dann nach dem Freistaat importierte Polen   die Safenarbeit und den Eisenbahndienst verrichten.

So hoben die Eisenbahnbeamten ohne vorherige Verhands lung mit den am Boyloit gegen Polen   beteiligten Organi­geordnet wurde, daß sämtliche polnischen Transporte durch­bei bemerkt werden muß, daß ohne Mitwirkung der Eisen­bahn beamten der Boykott gar nicht wirksam durchgeführt werden kann. Nun erließ sogar die Eisenbahndirektion des Freistaates ein Telegramm- Rundschreiben, nach welchem an= geordnet wurde, daß sämtliche polnischen Transporte durch­zulassen sind. Kurz vorher hatten die bürgerlichen Parteien im Parlament auf Veranlassung des Staatsrates eine Neu­tralitätsfundgebung beschlossen, und nun fielen alle diese Herrschaften, wo der Entente- Kommißstiefel flirrte, elendig­lich um. Aber die Bourgeoisie macht eben ihre Geschäfte mit striellen erklärt, daß sie Rohmaterialien in allen Mengen zu den Polen  . Die polnischen Behörden haben hiesigen Indus billigen Preisen bekommen fönnten; wenn sie sich verpflichten, ein Drittel ihres Arbeiterbestandes mit Bolen zu besetzen. Ab 1. Juli 1921 sollte dieses Drittel auf die Hälfte erhöht werden. So will man zwangsweise die Polonisierung Dan­ zigs   herbeiführen, trotzdem wir im Freistaat mit seinen 350 000 Bewohnern bereits zirka 15 000 Arbeitslose haben.

Aus all diesen Umständen heraus haben sich die Eisens bahner gezwungen gesehen, den Kampf gegen Polen   einzu­stellen, und auch die Hafenarbeiter haben fürzlich mit Zwei­brittel- Majorität den Beschluß gefaßt, Munition für Polen  zu entlöschen. Es muß aber dabei darauf hingewiesen wer­den, daß die Arbeiterschaft der übrigen Länder Danzig   gegen­über versagt hat. Die Narczewa", die mit Munition für Bolen in Danzig   eingetroffen ist, ist von holländischen Ar­beitern verladen worden. Die englische Arbeiterschaft hat ebenfalls nur ein Sympathie- Telegramm für die Danziger Arbeiterschaft übrig gehabt, aber tatsächliche Unterstübung hat sie nicht geleistet. Kein Wunder, daß sie über die Vor­Korrespondent des englischen Arbeiterblattes Daily Serald" ein bürgerlicher Journalist ist, der auch die büt gerlichen englischen Zeitungen beliefert. Der größte Verkehr für Polen   geht zudem über Ungarn  .

Aehnliche Schwierigkeiten hatten auch die Eisenbahner zugänge in Danzig   schlecht unterrichtet ist, da ja der Danziger bestehen. Hierbei sei aber festgestellt, daß ein bedeutender Teil der Safen- und Eisenbahnarbeiter und Eisenbahn­beamten den Bontott gegen Polen   nur durchführen halfen, um damit nur die polnischen Pläne auf Danzig   vernichten zu helfen, und weil sie befürchteten, daß durch Zuweisung von Hafen und Eisenbahn an Polen   durch den Völkerbund

fte alle brotlos werden fönnten.

In den letzten Tagen ist eine gewaltige Veränderung in dieser Kampflage eingetreten. Die Danziger Entente- Diplo­maten, Danziger Behörden und Bürgertum sind vor dem Militärstiefel der Entente gänzlich zusammengefniet. Es genügt, in Genf   und in Paris   mit dem Säbel zu rasseln, um die erst so tapfere" Danziger Bourgeoisie zu veranlassen, den mit so großem Tamtam gefaßten Reutralitätsbeschluß zu ver­leugnen. Polnisches Geld und polnische Berlodungen spielten dabei eine ziemliche Rolle. Die englischen Behörden planten Gewaltmaßnahmen gegen die Danziger Be= völkerung. Die Verhängung des Belagerungszustandes und Ausnahmezustandes, Auflösung des Arbeiter- und Be­amtenrates der Eisenbahner, Seranziehung von verstärkter Ententebesatzung und Unterhaltung derselben durch die Stadt

vorher. Jah sagte zum Beispiel: Wie alt ist dein Bruder?" Und Willi sagte: Fünfzehn Jahre". Und wie heißt er?" Wir nennen ihn Kalla."

Währenddessen, ja, vielleicht gerade während wir von ihm sprachen, ging Kalla durch die Straßen der Stadt, die mir buntel und unheimlich erschienen, nachdem ich gehört hatte, was ihm geschehen war, dunkel und unheimlich, wie ein Ort des Verbrechens. Und doch, was war denn da viel geschehen? Kalla hatte gestohlen und war verhaftet.

Wie bekommt man das, was man nötig hat, oder das, was man gerne haben möchte? Man fann es sich faufen. Aber wenn man fein Geld hat, kann man es nicht kaufen, wenn man fein Geld hat, bekommt man es nicht. Ein Pfund Spec

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Möge die Arbeiterschaft aller Länder die Lage der Dan­ziger Arbeiterschaft, wie sie durch den Friedensvertrag von Versailles   herbeigeführt ist, nicht verkennen und darauf hins wirken, daß Danzig   und seine Bevölkerung nicht zum Spiel­ball polnischer Imperialisten, Kapitalisten und Reaktionäre wird.

Aus der Parteipresse

Die neue Nummer der Freien Welt" bringt ein Bild Lassal Ies zur Wiederkehr seines Todestages, Bilder aus Ober­Ichlesien, die Massendemonstration der 2 au bentolonisten Berlins   und den weißgardistischen General Wrangel, ferner Teil finden wir einen Artikel Altes und neues Wandern" einen Raritaturenzyllus Die Rrrote Armee". Jm unterhaltenden und Der Film- die achte Großmacht". Reich ausges stattet ist auch der Schach- und Sportteil, sowohl mit Bils dern, wie im Text. Preis des Heftes 60 Bfg.

Das ist alles. Der Junge ist Kalla. Seine Kumpane sind glücklich entkommen.

Nun beginnt zweierlei für Kalla: Der Kampf gegen den Untersuchungsrichter und das Leben im Gefängnis. Das heißt: er ist auf einmal ganz allein.

Er ist ein tapferer Junge, start und vergnügt, der sich und anderen zu helfen weiß. Er hat noch nichts davon gelesen, daß das Leben ein Kampf ist. Aber er hat es schon früh erfahren. Er weiß, daß man nichts bekommt, was man sich nicht nimmt, und daß das Unrecht etwas ganz anderes ist, als man glaubt. Bisher war er nur ein Junge, der frei umher­

Es war Sonntag und wir warteten. Die Tür zum Korri­do: stand offen. Aber nur die Schritte der Schwestern famen und gingen, heraus und herein. Ich war den Weg, der aus ber für führte, mit meinen Gedanten schon weit gegangen, ganz weit draußen war ich in der Welt, in der es Sonntag war. Die Sonne schien. Unser Zimmer hatte ich ganz ver­gelsen. Da flang in den Schritt der Schwester ein anderer Schritt foftet zwanzig Mart. Bezahle zwanzig Mart, wenn du Speck   lief, ein Bengel, den man mit Prügeln drohte. Aber jetzt und eine helle Jungenstimme sagte: Tag Willi"! Er hatte Apfelsinen mitgebracht. Das roch, als fäme er aus Italien  .

A

Ich weiß nicht mehr, was gesprochen wurde. Ich weiß nur noch, daß ich ein- oder zweimal eine fleine feste Hand, die Hand eines Jungen in meiner Hand fühlte. Ich stredte meine Hand ins Ungewisse, nur nach der Richtung hin, in der er stand und dann kam diese kleine feste Hand, wie ein Gruß aus einer anderen Welt.

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Ich weiß nicht mehr, was gesprochen wurde. Die helle, fröhliche Jungenstimme war ganz gebämpft und leise ge­worden. Die Kraft und die Fröhlichkeit der großen Welt wurden in diesem gedämpften Zimmer nicht laut. Sie ver­tummten in dieser, unserer Welt, die unsere Blindheit, das geißt, unser Leiden sanftmütig um uns aufgebaut hatte. Die beiden Brüder flüsterten nur. Der kleine verstummte ganz. Gr sah nun gewiß von einem der blinden Gesichter zum andern. Ich drehte mich um mein Gesicht zur Wand. Ich hörte noch zweierlei. Bleiben die blind?" und: Aljo bis Sonntag! dann komme ich wieder". Und noch ein­mal fam feine fleine Hand, suchte nach meiner Hand und lagte Adieu". Dann flang sein Schritt durch das Zimmer und durch die Tür, über den Korridor, hinaus und ver Schwunden.

Ich hätte ihn festhalten sollen! Ez tam nie wieder. Am nächsten Sonntag jag er bereits im Gefängnis.

Wir lagen in dieser Woche wie vorher, stiff in unserem stillen 3immer. Bir dachten nicht im geringsten an das, was draußen geschah. Wir hatten nur mehr zu reden als

essen willst!

Aber es gibt noch etwas anderes. Man fann ihn stehlen. Kalla stand vor den hellen Schaufenstern nicht wie ein Junge, der sehnsüchtig zusteht, wie andere faufen, was er gern haben möchte und was er nicht kaufen kann, weil er fein Geld hat. Er stand da wie einer der Bescheid weiß. Laß es nur dunkel werden! Dann fommen wir dran!

Wenn es Abend war, fam er mit seinen Freunden.

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An einer dunklen Ede hält ein Wagen. Da ist ein Fluß in der Nähe. Es ist mitten im Winter. Der Fluß geht hoch und das Wasser rauscht an den Mauern der Häuser. Es ist falt und der Wind fährt falt durch die leeren Straßen. Da ist auch eine Laterne, die flappert und fast im Winde ver­löscht. Jhr Licht dringt nicht weit die Straße herunter. Der Wagen hält ganz im Dunkeln. Man fann ihn faum fehen.

Da geht auch ein Posten. Man hört seinen Schritt regel­mäßig herauf und herunter. Jegt verflingt er wieder und alles ist still. Nichts als die leeren Straßen, die toten Häu­ser, das Wasser, das rauscht, der Wind und das fladernde Licht der Laterne.

Run geschieht nichts weiter, als ein Pfiff, ein durchdringen­der Pfiff auf zwei Fingern gepfiffent, Getrappel von schweren, genagelten Schuhen, ein Schuß und wieder Ge­trappel von Schuhen, aber schon weit in der Ferne und bald verschwunden. Im Scheine einer grellen Blendlaterne liegt neben dem Wagen ein großer Ballen. Zwischen dem Wagen und der Laterne führen zwei Schuyleute einen Jungen, der sich mit Händen und Füßen wehrt.

figt er im Gefängnis, und das ist etwas ganz anderes. Er lief auf der Straße herum und stand vor den Schaufenstern und wußte sich zu helfen, wenn er was brauchte. Aber vor dem Untersuchungsrichter weiß er sich nicht zu helfen. Er versteht nichts von diesen Atten und Büchern, von dem Schreiber, der immer schreibt, wenn man spricht, und von diesem finster getäfelten Zimmer, in das er durch lange Gänge geführt wird. Er versteht nicht, wozu das nötig ist, da er ja schon im Gefängnis figt. Er weiß nur, daß er seine Freunde und Helfershelfer auf keinen Fall verraten darf. Und alles, was er zu sagen weiß, ist die armselige Lüge: Ich bin es nicht gewesen".

Wir liegen nicht mehr in unserem stillen Zimmer. Wir haben lange gelegen und lange gewartet. Viele Sonntage find vergangen. Und Willi hat mir viel erzählt.

Zuerst war noch nichts geschehen. Wir wußten noch nichts und lagen und warteten auf den Sonntag. ,, Erzähl etwas, Willi!"

Was soll ich erzählen?"

Wie war das, als Du in Hamburg   warst?" ,, Ach, das habe ich ja schon erzählt."

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" Aber das fannst Du noch mal erzählen."

Er war nämlich einmal mit fünfzehn Jahren aus der Lehre gelaufen und nach Hamburg   gefahren. Als er sich nachts auf dem Bahnhof herumtrieb, ohne Essen und ohne Geld, nahm ein Straßenmädchen ihn mit nach Hause. ,, Willi, was dachtest Du denn da?" ( Fortsetzung folgt.)