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3. Jahrgang

Sonnabend, 18. September 1920 Nummer 390

Morgen- Ausgabe

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greiheit

Berliner Organ

Der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands

An die deutsche Arbeiterschaft!

Der Krieg Polens gegen Rußland geht weiter. Also ist es auch weiter Eure Aufgabe, jeden neutralitätswid rigen Transport von Waffen und Munition, der Deutschland passiert, anzuhalten. Die Neutralität Deutschlands muß strengstens gewahrt bleiben. Auch Trans­porte für die heimlichen Organisationen der Reaktion( Eins

Deutschlands! Bekämpft weiter und noch energischer als bis. her die Bewaffnung der Reaktion!

Nicht an die Regierung, nur auf Euch selbst verlast Euch und haltet überall die Augen auf!

wohnerwehr, Orgesch usw.) find festzuhalten, mag es sich um Für den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund :

große Sendungen oder um fleine Waffen- und Munitions. mengen handeln.

Die Transportkontrolle wird auf der Eisenbahn durch die Eisenbahner, in den Häfen durch die Transporte arbeiter ausgeübt, überall im Einvernehmen mit den von den gewerkschaftlichen und politischen Organisationen der Arbeiter eingesetzten Kommissionen, die hinter den Eisens bahnern und Transportarbeitern stehen. Diese haben jeden neutralitäts- und gesezwidrigen Transport festzuhalten. Die gesamte übrige Arbeiterschaft hat dafür zu sorgen, daß die zu beanstandenden Transporte garnicht erst der Eisenbahn zum Transport übergeben werden.

Arbeiter! Laßt Euch durch nichts irremachen! Schüßt weiter und noch schärfer als bisher die Neutralität

Graßmann.

Für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands :

Wels.

Für die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands

: Rosenfeld .

Für den Deutschen Eisenbahner- Verband:

Brunner.

Für den Deutschen Transportarbeiter- Verband:

Bender.

Für den Eisenbahn- Betriebsrat:

Mies.

Reaktionäre Umtriebe in Bayern gegen ben fortbestand ber bayerischen Einwohner

wehren nichts einzuwenden habe."

Da die Bayerische Staatszeitung " als amtliches Organ der Regierung diese Meldung tom mentarios wiedergibt, erscheint das Einverständnis der Regierung Kahr mit den Franzosen sehr naheliegend. Roch bemerkenswerter aber ist die Meldung, die der Vorwärts" an leitender Stelle wiedergibt:

" Die jozialdemokratische Partei in Baŋern erhielt von vers schiedenen Seiten aus einer Reihe von Einwohners wehren die Mitteilung, daß anlählich des in München am 25. September stattfindenden Landesschießens der Eine wohnerwehren Bayerns der Kronprinz Rupprecht als König in Bayern ausgerufen werden solle. Es sei Borforge getroffen worden, daß die Reichswehr feinerlei Schwie rigkeiten bereiten werde."

Diese Meldung ist die logische Konsequenz der oben geschilderten reaktionären Treibereien in Bayern . Ge leitet vom Hochadel, genährt von den Franzosen , gestützt auf die Einwohnerwehren und die Drgesch- Leute, geht die monarchistische Gegenrevolution in Bayern geradewegs auf ihr Ziel los- um selbst um den Preis der Bereißung Deutsch lands einen Stützpunkt für die Vernichtung der Republik und die Aufrichtung der Monarchie im Deutschen Reiche zu schaffen.

Herr von Kahr spricht

Aus Bayern , dem Orgesch- Lande, tommen wieder Nach­richten, die auf eine Verstärkung der monarchistischen, fonter­revolutionären Bewegung hinweisen. Diese Bewegung geht Hand in Hand mit der mit französischer Hilfe betriebenen Loslösungsbewegung vom Reiche. Der Täglichen Rundschau" wird darüber von unterrichteter Seite berichtet: ,, Organisiert wird die separistische Bewegung durch die politische Propagandaabteilung beim französischen Mi= nisterpräsidium, die sich Union d'expansion nationale" nennt. Der französische Gesandte in München , Dard, hat bedeu­Tempe Krebite zur Verfügung erhalten und hofft Unterstützung tende zu finden. Die Mitglieder der französischen Militärmission in München haben vom franzöfifchen Ministerpräsidium geheime Instruttionen zur Organisierung von Propaganda= mittelpuntten im bayerischen Hochabel und im bayerischen Bürgertum erhalten. Bestimmte Salons in München sollen diesem Zwecke dienstbar gemacht werden. Zur Erreichung ihres Zieles spielen die Franzosen die spartatiſt i= sche Gefahr in Norddeutschland aus. Sie hoffen damit durch zusetzen, daß der Abel und ein Teil der Bürger und mittleren Grundbesitzer Bayerns der Trennung vom Reiche zustimmen und fich mit einer militärischen Besetzung durch Frankreich zur Verteidigung gegen den Bolschewismus ein­verstanden erklären. Man will dann unter französischem Protettorat einen unabhängigen Föderatiostaat er­Bamberg, 17. September. richten, dem Bayern mit Franken, die Pfalz , die Rheinlande und Anläßlich der Landestagung der Bayerischen Boltspartei in Luxemburg , vielleicht auch Desterreich angehören würden. Zur Belohnung" soll der Anteil Bayerns an der deutschen Kriegs- Bamberg hat Ministerpräsident von Kahr eine längere Rebe gehalten, in der er u. a. ausführte: Innere und äußere Feinde, vor schuld bedeutend herabgemindert werden." allem auch Feinde des Reichs find emfig an der Minierarbeit, immer wieder den Teufel der Felonie und der se para tistischen Bestrebungen Bayerns an die Wand zu malen. Wenn ich dazu ein Wort sagen darf, so kann es zunächst nur die Wieder­holung meines freubigen unbrüdhaltlofen Betennt, nisses zum einigen Deutschen Reiche sein, wie ich es bereits an anderer Stelle abgelegt habe. Wir wollen gute Bayern und gute Deutsche sein, in guten wie in bösen Tagen. Ebenso fest, wie meine Treue zum Reich steht auch meine Ueberzeugung, daß das Reich nur föderalistisch sein tann, oder es ist überhaupt nicht. Föderalismus ist nicht gleichbedeutend mit Partitularismus und bedeutet teine Schwächung des Reiches. Wir verlangen ben föde= ralistischen Aufbau des Reiches in allererster Linie, weil wir darin eine Lebensnotwendigkeit für das Reich sehen, im Interesse des Reiches, und wenn diese Forderung in Bayern mit besonderer 3ähigkeit erhoben wird, so sehe ich darin den Beweis dafür, daß die Sorge für das Reich in Bayern mieder lebendiger ist, und daß das Reich in Bayern seine besten und treuesten Söhne hat. Wer etwas anderes behauptet, sagt die Unwahrheit, und unwahr­heit bleibt unwahrheit, auch wenn man sie recht oft wiederholt. Es widerstrebt uns, auf derartige Fälschungen immer wieder die Reichstreue der bayerischen Regierung zu versichern. Unter an ständigen Menschen genügt das Manneswort. Von Wichtigkeit aber ist, wie der Außenminister des Reiches mir wiederholt und noch in allerjüngster Zeit versichert hat, daß er auf die Reichstreue der bayerischen Regierung rüdhaltlos vertraue.

Aus den weiteren Mitteilungen der T. R." ist noch her­

vorzuheben, daß die Träger dieser Propaganda eine Anzahl hochfeudaler Herrschaften( Gräfin Hollerstein und Sohn, Balduin Stadelberg u. a.) find, die mit dem französischen Baronin und ruſſiſchen Adel verfippt und verschwägert sind und so­wohl mit dem Chef der französischen Propaganda in der Schweiz , Graf Martinprey, wie mit dem Genralstab Wrangels in enger Fühlung stehen. Es ist also das alte bekannte Bild: der durch keine nationalen Interessen be Schwerte internationale Feudaladel im Dienste der inter­nationalen Reaktion, der mit heuchlerischen Worten über die Wahrung der heiligsten nationalen Güter" im Inter esse seiner Machterhaltung bereit ist, ärgsten Landes= verrat zu begehen und gemeinsam mit dem gestern bis aufs Messer bekämpften Erbfeind" die Interessen des Boltes zu verraten.

In der Richtung dieser landesverräterischen Politik der Reaktion liegt all das, was in den letzten Monaten die Politik Bayerns fennzeichnete: das immer frechere Treiben der Regierung Kahr , die Konzentration aller Führer der militärischen Konterrevolution in Bayern , der Ausbau der Orgesch, die ihr Netz von Bayern aus über da sganze Reich spannt, endlich das behördliche Bestreben, sich die französische Erlaubnis zur Erhaltung der Einwohnerwehren zu verschaffen. Die offiziöse Korrespondenz Hoffmann berichtet

darüber:

"

Die Bayerische Staatsseitung" übernimmt eine Meldung der Pariser Sumanite", wonach der General von Méz, der militärische Adlatus des französischen Gesandten in München erklärt habe, daß die französische Regierung

Die finnisch- russischen Friedensverhandlungen sind im wesent lichen beendet. Die finnländische Delegation ist der Ansicht, daß die Unterzeichnung des Friedensvertrages in allernächster Zeit stattfinden müsse.

Die Einheit der Gewerkschaften

Bon Richard Seidel .

Das Bekenntnis zur Zerstörung der Gewerkschaftsinter nationale und zur Spaltung der Gewerkschaften ist der wich tigste Inhalt des zweiten Artikels von Richard Müller. Während er den Willen zum Kampf gegen die Amsterdamer Internationale mit dem Ziel ihrer Zerstörung offen befun­det, fügt er allerdings hinzu, er vermöge nicht zu glauben, daß daraus eine Spaltung der nationalen Organisationen

entstehen könne.

Nun ist das aber leider keine Angelegenheit des Glaubens, sondern der inneren Logik, die die Dinge meistens anders treibt, als guter Glaube- oder böser Wille- fie glauben deichseln zu können. Wer die Entwicklung der Gewerkschafts­bewegung der Welt in den letzten Jahren unvorein­genommen beobachtet hat, der wird erkennen, daß ihre Wirkungsmöglichkeiten mehr und mehr abhängig waren von der Stärke ihrer internationalen Verbindungen. Gerade für die wichtigsten Arbeiterkategorien trifft das am meisten zu. Man betrachte die außerordentlich weittragenden Be schlüsse des internationalen Bergarbeiter­tongresses in Genf . Kein einziger dieser Beschlüsse ist durchführbar in nationalem Rahmen, sie alle erfordern inni­ges Zusammenwirken der Bergarbeiter aller Länder. Neh men wir nun den Fall, es gelänge, den deutschen Berg arbeiterverband für die dritte Internationale zu gewinnen, so würde das seine Loslösung vom 3entrum seiner Kraft, von der geschlossenen Bergarbeiterinternationale und vor allem von der englischen Berg­arbeiterbewegung bedeuten. Glaubt Müller, es werde gelingen, die englischen Bergarbeiter davon zu über zeugen, daß der alte Smillie ein Gelber " ist, den man ausstoßen müsse, um den deutschen Bergarbeitern zur dritten

Internationale folgen zu können? Oder nimmt er an, daß diejenigen deutschen Bergarbeiter, die mit einer Zerstörung ihrer Internationale nicht einverstanden sind, einer solchen Entwidlung ruhig und tatenlos zuschauen werden? Sie müßten sofort einen neuen deutschen Verband gründen, um wiederum Verbindung mit den maßgebenden Kohlenländern der Welt zu suchen. Dann wären allerdings fie, die ,, Oppor tunisten", die Urheber der Spaltung, wird man antworten. Selbst wenn das richtig wäre, was ich noch bestreite, so wäre es ein billiger Triumph, der die Tatsache der Spal­tung nicht aus der Welt zu schaffen vermag. Es kommt auch gar nicht darauf an, wer schließlich den letzten An­stoß zur Spaltung gibt, sondern es ist nachzuweisen, daß sich die Spaltung der internationalen Gewerkschaftsbewegung auf die nationalen Verbände übertragen wird. Ich bin feinen Augenblick im Zweifel, daß diese innere Logik der Dinge stärker sein wird, als der Glaube Müllers.

"

Ich habe beim Lesen seiner Ausführungen auch das Ge fühl, daß er sich selber dieser Einsicht gar nicht verschließt. Er meint, 3iel und Wesen der Gewerkschaften sollten höher stehen, als die Form, und gibt zu verstehen, daß die Form zerschlagen werden fönne, wenn Ziel und Wesen der Be wegung, wie die Kommunisten beides auffassen, leiden. Das sei eine Selbstverständlichkeit", die nur der bestreiten könne, ,, der die Organisationsform höher stellt als die Notwendig feit des proletarischen Klassentampfes". So gedreht ist das eine Verschiebung der Frage. Richt um Organisations formen handelt es sich, sondern um die Einheit der Organisationen. Daß das zwei unendlich verschiedene Dinge sind, wird jedermann zugeben, dem es nicht darauf an tommt, mir und den Genossen, die gleicher Meinung firib, etwas zu unterstellen. Im übrigen bleibt zu beweisen, daß die Zerstörung der Einheit oder Form, wenn Müller absolut beides gleichsetzen will der Bewegung jemals eine Notwendigkeit oder gar eine Förderung des proletarischen Klassenkampfes fein tann. Mir steht allerdings die Einheit der Bewegung, nicht ihre Form außerordentlich hoch. Der sehr einsichtigen Bemez fung Sino wjews, die Müller zitiert, stimme ich des wegen vollkommen zu, nur finde ich, daß sie in den Forderun gen und Leitsägen der Kommunisten leider keine praktische Anwendung gefunden hat.

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Müller beruft sich auf unser Aftionsprogramm und erklärt danach, zur Eroberung der politischen Macht bedürfe das Pro letariat der politischen Partei und der Gewerkschaften und des Rätesystems. Er fügt hinzu, daß damit nur revolutionäre Gewerkschaften gemeint find. Mit den jetzt bestehenden wolle weder die U. S. P. noch die dritte Internationale ,, etwas zu tun haben".

Jst man aber davon überzeugt, daß man zur Eroberung der politischen Macht, also zur erfolgreichen Führung ent scheidender politischer Kämpfe die Partet und die Gewert schaften braucht, so muß man entweder die Gewerkschaften fo nehmen wie sie sind oder man muß in der Tut bie politischen Kämpfe vertagen ,,, bis die Gewerkschaften re volutionär geworden sind", was Müller mit Recht ablehnt. Die Frage ist also, wie fann das revolutionäre Proletariat die Gewerkschaften in den Dienst des Klassentampfes stellen? Kann das geschehen, indem kommunistische Zellen" aufnetan werden, die sich der Organisationsleitung bemächtigen sollen?

Bewegt sich diese Arbeit in den Bahnen der bisherigen Verrevolutionierung der Gewerkschaften, von innen heraus"