barüber, daß diese Kommission nicht all seinen Anregungen
gefolgt ist. Mag fein! Aber deshalb burfte er bog ni Eine Erklärung der Schweizer
doch
feine Arbeit einstellen, sondern um so mehr war es seine Pflicht, an der Durchführung der Verkehrskontrolle mitzuarbeiten. Als Mitglied unserer Partei hätte er sich mindestens vorher mit den Vertretern unserer Partei in der Reichstommission in Verbindung setzen müssen, bevor er die Arbeit in der Berlin - Brandenburger Kommission Hinwarf. Wegmann folgt anscheinend der„ Hamburger Volkszeitung ", die unsere Parteileitung auffordert, ihre Vertreter aus der Kontrollkommission zurückzuziehen. Das 3entral. tomitee hat sich mit unserer Stellung zur Waffen- und Munitionskontrolle beschäftigt und das Verhalten unseres Vertreters in der Reichskommission gebilligt. Nicht ein einziges Mitglied des Zentralfomitees hat beantragt, daß unser Vertreter aus der Kommission ausscheiden soll. Wir sind ficher, daß die Genossen das gutheißen werden.
Jetzt fordert Wegmann plöglich politische Ar= beiferräte zur Durchführung der Verkehrskontrolle. Als ob die Wahl von politischen Arbeiterräten irgend etwas an der politischen Machtverteilung änderte! Die ganze Frage der Verkehrskontrolle ist eine Machtfrage. Die Arbeiterschaft hat die Macht im Augenblick nicht. Also fann sie die Verfehrskontrolle nicht mit der Schärfe durchführen, wie sie es möchte. Wenn wir die Machtfrage aufwerfen, müssen wir entschlossen sein, den Kampf um die Macht mit allen Mitteln, über die wir verfügen, fofort aufzunehmen. Das wird geschehen, wenn die Situation für die Arbeiterschaft günstiger ist. Im Augenblid ist das aber nicht der Fall. Deshalb ist es finnlos, an die Beurteilung der gegenwärtigen Aktion zur Durchführung der Verkehrskontrolle unter Gesichtspunkten heranzutreten, bie nur berechtigt wären, wenn wir die Macht bereits erobert hätten.
Die Selbstzerfleischung der Arbeiter, die augenblicklich gerade von denen getrieben wird, die jetzt die politischen Arbeiterräte fordern, macht es nicht nur unmög lich, macht es sogar lächerlich, jetzt politische Arbeiterräte wählen zu lassen.
Die wirksame Durchführung der Waffen- und Munitionsfontrolle hängt nicht von den Kontrollkommissionen ab, die nur Anweisungen geben fönnen, sondern lediglich von der Arbeiterschaft selbst.
Wir appellieren an die deutschen Arbeiter, die Eisenbahn-, Transport und die Munitionsarbeiter: Die Augen auf und fest zugepackt!
Berhindert die Herstellung und Transporte von Waffen und Munition!
Die Produktionskontrolle in Italien
Der Verhandlungsführer im italienischen Metallarbeiterkonflikt, Genosse d'Aragona , hat dem römischen Vertreter des Berl. Tageblattes" eine Reihe interessanter Aufschlüsse über das Ergebnis der Arbeitertämpfe in Italien gegeben. Auf die Frage über feine Eindrücke von dem nun zustandegekommenen Ablommen erwiderte d'Aragona , er und wohl sämtliche Genossen seien sehr befriedigt, denn die sozialistische Bewegung, die freilich nicht aufhören werde, ihrem Endziel zuzustreben, habe einen wichtigen Schritt vorwärts getan und einen großen Sieg errungen. Die Fabrittontrolle müsse eine zweifache sein: erstens innere Kontrolle innerhalb jeder Fabrit, zweitens allgemeine Kontrolle der Arbeitssyndikate über die Gesamtproduktion. Dieser über dem ganzen Fabritwesen thronenden Obertontrolle müssen unterstehen die Bil bung des Kapitals, Finanzoperationen, Ankauf der Rohstoffe, Produktion und Verkauf der Ware.
Auf die Frage, ob dieser Apparat die Industrie nicht erschweren müsse, antwortete d'Aragona :„ durchaus nicht!" Es handle sich lediglich um die Verhinderung unehrlicher Spekulation. Ehrliche Spekulation solle nicht angetastet werden. Was die Besetzung der Fabriken durch die Arbeiter betreffe, so erblidten die meisten Arbeiter darin nur ein Mittel zum 3wed, nicht zum Selbstzweck. Die Räumung werde wohl überall glatt vor sich gehen, nur eine kleine Minderheit von Siztöpfen dürfte der Räumungsorder nicht gehorchen wollen, doch handle es sich jedenfalls nur um eine kleine Minderheit. Auf die Frage: Wird nun zwischen der Industrie und der Arbeiterschaft Friede geschlossen werden?" antwortete d'Aragona :„ Die Arbeiterschaft wird natürlich den prinzipiellen Kampf für die Sozialisierung fortsetzen. Gind aber die Industriellen flug, so halten sie sich Don der Reaktion fern, und ein erträgliches Verhältnis ohne gegenseitige Verbitterung wird möglich werden." Und Gio= Iitti?"„ Giolitti hat eine ungeheuer schwere Lage vorgefunden, aber er war der Mann, welchen der Augenblid erheischte. Er hat die Zeit und die neuen Bedürfnisse begriffen. Uebrigens hätte er gar nicht anders handeln tönnen, als er gehanbelt hat."
Zum Schluß fündigte Genosse d'Aragona an, daß die sozialistische Frattion beim Zusammentritt der Kammer an die Wachsamkeit der Arbeiterschaft appellieren werde, um etwaigen reaktionären Machenschaften zu begegnen.
Aus Aeußerungen führender italienischer Blätter ist zu ersehen, baß das Bürgertum fich, angesichts der Geschlossenheit der Arbeitertlasse, mit dem ihm gemachten Zugeständnissen, so gut es geht, abzufinden sucht. Corriera della Sera " vom 16. 9. schreibt: „ Die Arbeiterkontrolle über die Fabriken hat im Grunde genommen ein hohes und edles Ziel: den Arbeitern die Freude an der Arbeit, das Interesse an der Produktion wiederzugeben. Die Arbeiter glauben, dieses Mittel in der Betriebskontrolle gefunden zu haben. Die Industriellen zweifeln daran. Aber da auch sie dasselbe Ziel erreichen wollen, mögen fie den Versuch mit Aufrichtigkeit und Opferbereitschaft unternehmen. In wirtschaftlichen Dingen haben nur feste Tatsachen und nicht die Lehren der Wissenschaft die Kraft, Menschen zu überzeugen." Auch der„ Secolo" vom gleichen Tage fann sich eines ähnlichen Eindruces nicht erwehren.
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,, Wir befinden uns schreibt er in dem Inkuba tionsstadium einer neuen Rechtsauffassung der Einrichtung des Eigentums. Giolittis passive Haltung gegenüber der proletarischen Besetzung der Fabriken wird dadurch erklärt. Die Arbeiter haben sich gegen die Uebermacht des Kapitals, das zur Waffe der Aussperrung gegriffen hatte, verteidigt. Unter dem Drude sozialer Notwendig= keiten hat das Eigentumsrecht stets bedeutende Beschränkungen erfahren. An der Verwaltung der Fabrit müssen, wenn man die Arbeit als einen dem Kapital und der Unternehmung gleichgestellten Faktor betrachtet, die Arbeitervertreter teilnehmen."
Diese Aeußerungen flingen recht vernünftig und einfichtsvoll. Sie werden aber das italienische Proletariat nicht über die Tatfache hinwegtäuschen, daß die jetzt errungene Produktionskontrolle nur eine Etappe auf dem Wege zur Eroberung der politischen Macht und zur Berwirklichung des Sozialismus bedeutet,
Genossen
werden, in den nächsten Tagen die in den Fabriten noch tätigen Arbeiter zu einer gewaltigen gemeinsamen Massenattion mit den Arbeitslosen für dieselben Forderungen zu veranlassen.
Alle Rebner warnten auf das entschiedenste davor, fich provos
Das Zentralfomitee der USP. erhielt von der sozialistischen Partei zieren zu lassen und irgendwelche Putsche zu unternehmen. Nach in der Schweiz das folgende Schreiben:
Werte Genossen!
Aus der Freiheit" Nr. 377 vom 10. September und aus Mitteilungen des Baseler Vorwärts" entnehmen wir, das Genosse Regierungsrat Schneider aus Basel anläßlich einer Funktionär versammlung der USPD. in Berlin unter anderm erklärt haben solle, das Schreiben der schweizerischen Geschäftsleitung beweise gar nichts, da diese in ihrer Mehrheit gegen den Anschluß an die britte Internationale fet, sie sei es auch gewesen, ohne die Anschlußbedingungen zu kennen.
Im übrigen soll Genosse Schneider bie Ueberzeugung ausgesprochen haben, daß die Erklärung der Geschäftsleitung vom Parteivorstand
ben Referenten fand eine Diskussion in demselben Sinne statt. Mit einem Hoch auf die Internationale und die Weltrevolution fand die Demonstration ein Ende.
Die Teilnehmer formierten sich dann zu einem großen Zuge, der unserer Zeitung zum Ausdrud brachte. Kleinere Gruppen vers durch die Breite Straße zog und Niederrufe vor dem Gebäude suchten in das Gebäude einzudringen, wurden aber von Genossen und Ordnern zurückgehalten. Dann ging es weiter über die Gertraudenstraße, Lindenstraße vor das Gebäude des„ Vorwärts", wo ebenfalls demonstriert wurde.
besavouiert werde und daß die Mehrzahl der Partetmitglieder für Ein Reinfall der Staatsanwaltschaft
den Anschluß set.
Regierungsrat Schneider hat damit Behauptungen aufgestellt, die zum Teil der Wahrheit widersprechen, zum Teil durch die bisherige Erfahrung als sehr zweifelhaft betrachtet werden müssen. Genosse Schneider weiß, daß im Gegensatz zu seiner Behauptung, vor dem leitung der Partei für den Anschluß an Moskau war, daß dagegen Bekanntwerden der Beitrittsbedingungen die Mehrheit der Geschäftsim Parteivorstand seinerzeit der bedingte Beitritt mit nur 20 gegen 18 Stimmen beschlossen wurde, ferner, daß im September legten Jahres der bedingungslose Beitritt in einer Urabstimmung, an welcher fämtliche Parteimitglieder sich beteiligen konnten, mit 14 612 Stimmen gegen 8722 und 300 leere abgelehnt wurde.
Diese Feststellungen dürften genügen, um den Wert der Erklärungen Regierungsrat Schneiders auf das richtige Maß zurückzuführen. Mit Genoffengruß
für die Geschäftsleitung der sozialdemokratischen Partet ber Schweiz der Präsident: Reiwand.
der Sekretär: Aug. Huggler.
Die Kandidatur Millerands
Paris, 21. September. Im Laufe des Tages haben sich heute die meisten Rammergruppen für die Kandidatur Millerand ausgesprochen. Uneinigkeit besteht nur barüber, ob die übliche Vorabstimmung morgen abend stattfinden soll. Die radikale sozialistische Gruppe besteht auf dieser Abstimmung. Die Sinksrepublikaner wollen sich unter Umständen anschließen. Die übrigen Gruppen bekämpfen die Vorabstimmung. Im Senat hat sich die demofratische Linke, die unter Führung von Combes und Donmergue steht, fratische Linte, die unter Führung von Combes und Doumergue steht, heute versammelt und eine Entschließung angenommen, in der ers flärt wird, sie bekämpfe die Absicht, eine Politik zu pflegen, bie laments zu sehen. darauf hinausläuft, die Macht des Elysees an die Stelle des Par
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Politik und Geschäft
Die Magdeburgtsche Beitung", früher im nationalliberalen Fahrwaffer segelnb, machte, als bie Revolution bem alten Nationalliberalismus ein Ende bereitete, in demokratischer Politik. Seit den Wahlen ist die Fahne der Deutschen demokratischen Partei wieber verblaßt. Die Magdeburgische Beltung" hat mit dem Zu rückgehen der Demokratischen Partei auch wieder ein Haar in beren Politik gefunden. Deshalb erklärt ste jest, daß fie feinerzeit, als fie ber bemokratischen Bartet thre pubitatftische Hilfe geliehen habe, nicht dem Zuge des Herzens" gefolgt set, sondern daß ihre Schwenkung das Ergebnis des fühl abwägenden politischen Berstandes gewesen set. Jegt, da die besonderen Verhältnisse vor der Wahl zur Na tionalversammlung nicht mehr beständen", ziehe sie daraus die Bartet treiben. Konsequenzen und werde fortan eine Bolttit unabhängig von jeber
So hofft sie offenbar noch am ehesten, Geschäfte machen au tönnen. Den Demokraten ist auch dieses Blatt verloren gegangen. Was sonst noch zu tun ist, um die Deffentlichkeit durch die Presse antidemokratisch tapitalistisch national zu betölpeln, das besorgt Stinnes, für den Politik und Presse- Unternehmungen dasselbe find, wie für die Magdeburgische Zeitung" Geschäft und Demokratie.
d
Die Demonstrationen der Erwerbslosen in Dresden haben zur Folge gehabt, daß sich die zuständigen Behörden eingehend mit den Vorschlägen zur Behebung der Arbeitslosigkett befaßten. Die legten Tage sind mit Beratungen über dieses Thema ausgefüllt gewesen. Wte bie„ Telegraphen- Union" auf Anfrage bei der zuständigen Re gterungsstelle erfährt, wird Arbeitsminister Heldt in der morgen, Mittwoch, 1 Uhr zusammentretenden Bersammlung des Ausschusses ber sächsischen Voltskammer an der Hand ausführlichen statistischen Voraussichtlich wird auch Arbeitsminister Schwarz von seinem Materials über den Stand der Arbeitslosigkeit in Sachsen berichten. Standpunkte aus das gleiche Thema betrachten. Auch die Stadt Dresden plant praktische Erwerbslosenfürsorge großen Stils.
Schwerer Konflikt im Bergbau
DA. Effen, 21. September. Auf der Beche Nordstern 3/4" sind zwischen der Betriebsleitung und dem Betriebsrat ernste Mißhelligkeiten entstanden, die zur Ent laffung von Mitgliedern des Betriebsrates geführt haben. Die Belegschaft hat in einer Entschließung die Wieder einstellung der Entlaffenen verlangt und fordert weiter die sofortige Entlassung des Betriebsführers. Sie erklärt ferner, daß fie zunächst, von heute ab, teine Ueberschichten mehr verfahre und sodann nach Ablauf der Woche die Arbeit ganz einstellen würde, wenn bis bahin ihre Forderungen nicht ganz erfüllt seien. In der Zwischen zeit werbe man alle umliegenden Belegschaften zu gemeinsamem rechnen könne. Borgehen aufrufen, auf deren Solidarität man hente schon
Die gestrigen Demonstrationen Im Lustgarten fand gestern vormittag eine Riesendemonstration der Berliner Arbeitslosen und Kommunisten statt, zu der die Arbeitslosenräte Berlins sowie die K. P. D. und K. A. P. D. aufgerufen hatten. 3wed der Versammlung war, für eine ganze Anzahl politischer Forderungen zu demonstrieren, insbesondere auch die sofortige Einstellung des am Dienstag zur Berhandlung stehenden Prozesses gegen die 24 Genossen aus Weißensee, sowie die Freilassung aller revolutionären Kämpfer und Niederschlagung aller gegen sie anhängigen Verfahren. Schon lange vor 11 Uhr, der zur Demonstration festgesetzten Stunde, erschienen die Teilnehmer einzeln, in Gruppen und in großen Zügen mit roten Fahnen und Bannern sowie mit Plakaten, auf denen die verschiedenen Forderungen zu lesen waren. Besonders fiel ein Zug auf, der als der der gewesenen Gefangenen und Amnestierten bezeichnet war. Um 11 Uhr hatten sich weit über 15 000 Personen schägungsweise versammelt. Bon verschiedenen Stellen aus, so von der Treppe des Doms, der Freitreppe des Alten Museums , sowie von der steinernden Muschel Sprachen die Redner zu der Menge. Sie protestierten gegen den in Berlin stattfindenden Prozeß gegen die 24 Weißenseer Genossen, den sie als eine Justiz komödie vor dem Klassengericht der Bourgeoisie tennzeichneten. Die bürgerliche Gesellschaft liege in den legten 3udungen und der Tag sei nicht mehr fern, wo das Proletariat die Herrschaft er= greifen werde. Es gelte zu verhindern, daß das Wirtschaftsleben pöllig ruiniert werde, so daß das Proletariat, wenn es die Dittatur ergreife, nur einen Trümmerhaufen vorfinde. Eine sehr heftige Kritik mußte fich die S. P. D. und vor allem die Partei. Teifung der U. S. P. D. , die als Parteibon zen bezeichnet wurden, gefallen lassen. Auch die Betriebsrätezentrale mußte sich scharfe Worte gefallen lassen. Sie soll aber aufgefordert
Gestern fand vor dem Landgericht I der Prozeß gegen den Ge noffen Felix Stöffinger, den verantwortlichen Redakter der Freten Welt", wegen des Weißenseer Matrosenbildes statt. Der Prozeß endigte mit einer vollständigen Niederlage der Staatsanwaltschaft. Genoffe Stöffinger wurde freigesprochen, der Staat trägt die Kosten. Wir bringen den Bericht im Abendblatt.
Obstruktion gegen das Kirchensteuer
Gesetz
Die Preußische Landesversammlung sollte gestern nachmittag in 8. Beratung das neue Kirchensteuergesetz verabschieden. Da dieses Gesetz den bestehenden Zustand erheblich verschlechterte, insbesondere die Steuerpflicht noch ein Jahr nach dem Austritt festsette, waren bie sozialistischen Fraktionen der Meinung, daß die Anhänger der Verschlechterung auch selber dafür zu sorgen hätten, daß ihre eigenen Leute zur Stelle seien. Zu diesem Zwecke war namentliche Abstimmung beantragt worden. Bei dieser Abstimmung verließen die Mitglieder der rechtssozialistischen wie die unserer Partei den Saal und führten so die Beschlußunfähigkeit des Hauses herbet. Bei der Auszählung der Stimmen ergab sich, daß 169 Abgeordnete gestimmt hatten, während zur Beschlußfähigkeit 221 Mitglieder notwendig sind. Der Präsident sette eine neue Sigung auf 3 Uhr fest. Vorläufig fann die Schlußabstimmung nicht erfolgen, fie wird erst möglich fein, wenn die Freunde des Gesetzes sicher find, die zur Beschlußfähigkeit des Hauses notwendige Bahl der Abgeordneten beisammen zu haben. Ob und wann sie dahin kommen werden, steht dahin.
Preußische Landesversammlung
154. Sigung vom Dienstag, den 21. September. Auf der Tagesordnung stehen zunächst fleine Anfragen. Unter andern wird auf eine Anfrage wegen Zulassung von Volksschul lehrern zum Amt eines Schöffen und Geschworenen erwidert, daß ein Gesehentwurf vorbereitet werde.
Die Vorlage über Umlegung von Grundstüden wird in dritter Lesung gegen die Stimmen der Rechtsparteien angenommen. Zur dritten Beratung des Kirchenaustrittsgesetes abstimmung über das Gesetz begann, verließen beide sozialdemo findet teine Aussprache statt. Bevor die namentliche Gesamttratische Parteien den Gaal. Es blieben nur 169 Abgeordnete zurüd, von denen 166 mit Ja und 3 mit Rein stimmten. Das Haus war also beschlußunfähig. Präsident Leinert berief die nächste Sigung auf 3 Uhr ein.
Die Vorlage über die Verlängerung der Verordnung betreffend bas vereinfachte Enteignungsverfahren wird in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Nunmehr folgt die erste Lesung des Ergänzungshaushalts, wos nach der Notetat bis zum Dezember 1920 ausgedehnt werden soll. Abg. Rippel( Dnat.): Die Vorlage ist ein Beweis für die Arbeitsunfähigkeit dieser Bersammlung, die in anderthalb Jahren noch nicht einmal die Verfassung erledigt hat.
Abg. Ludwig( U. Soz.): Gibt es noch größere Heuchler als die, welche früher jedes Verlangen des Voltes nach Aeußerung seines Willens unterdrüdt haben und jezt nach der Stimme des Voltes rufen. Wir haben schon vor langem Neuwahlen beantragt. Die Berzögerung dieses Antrages ist nicht unsere Schuld. Uebrigens hat das preußische Parlament gar teine Daseinsberechtigung; wir find ja nur Kostgänger des Reiches.( 3uft. b. d. u. Goz.) Wir müssen endlich zum Einheitsstaat tommen. Wir als Oppositionspartei fönnen der Vorlage nicht zustimmen.( Beifall bei den U. Goz.). Abg. Hauschild( Soz.): Selbstverständlich wird meine Fraktion dem Rotetat zustimmen. Wenn Herr Rippel hier eine große politische Debatte heraufbeschwören möchte, so tut er das nur aus wahlagitatorischen Gründen.( Widerspruch rechts.)
Die Vorlage wird in allen brei Lesungen gegen die Stimmen der Unabhängigen angenommen.
Der Antrag Weber( Soz.) über Bestätigung und Vereidigung von Bürgermeistern, Beigeordneten und Schöffen geht an die Ges meindefommission zurüd. Der Antrag Hammer( Dnat.) über Entschädigung der Tierhalter für gefallene Tiere wird entsprechend dem Antrage des Ausschusses in zweiter Lesung angenommen, nachdem Abg. Schmidt- Köpenid( Soz.) die Zustimmung seiner Partei erklärt hat, da der Antrag wenigstens eine gewisse Ers leichterung für die kleinen Tierhalter bringe.
In zweiter Lesung wird der Antrag Gräf ( Soz.) über Verbot der privaten Stellenvermittlung ohne Erörterung dem Antrage des Ausschusses gemäß abgelehnt, dagegen der Ausschußantrag angenommen, wonach ein Gesetz über Errichtung öffentlicher Ar beitsnachweise gefordert wird.
Nunmehr begründet Abg. Christange( U. Soz.) seinen Antrag über Hilfeleistung für die durch Wolkenbruch geschädigten Eins wohner Mansfelds und Umgebung.
Ein Regierungsvertreter teilt mit, daß Mansfeld bereits Unter tügung erhalten habe. Der Gesamtschaden sei aber noch nicht festgestellt. Im Rheinland solle beschleunigt gearbeitet werden, aber auch die Kommunalverbände müssen eintreten.
Der Antrag Christange wird dem Hauptausschuß überwiesen. Nunmehr folgt der Antrag Gräf- Frankfurt( Soz.), betreffend Ueberweisung entbehrlich gewordener Truppenübungsplähe zu Siedlungszwecken, Ueberweisung von Kasernen zu Wohnzwecken und Verkauf von Heeresbeständen an Kleidung und Schuhwert an die Minderbemittelten. In Berbindung damit wird der Antrag Martin( Dnat.) beraten, betreffend Verwendung des Truppenübungsplates Friedrichsfeld, Landkreis Dinslaken zu Siedlungss zweden.
Abg. Pägel( Soz.): Die Militärbehörden sind sehr schwer dazu zu bewegen, Militärübungspläge herauszugeben. Ich erinnere an das Tempelhofer Feld, wo der Antrag der Gemeinde Neukölln auf Errichtung von Spielplägen usw. vom Reichsschazamt abgedie Sicherheitswehr gebraucht werden. Heeresmaterial läßt man lehnt wurde. Ebenso ist es mit den Kasernen, die angeblich für vielfach vermodern, statt es für die Bevölkerung nukbar zu machen. Wir beantragen Ueberweisung an den Siedlungsauss Schuß.
Abg. Klobt( U. Soz.): Wir sind für die Anträge. Man macht den Gemeinden bei der Siedlung ungeheure Schwierigkeiten. In erster Reihe müssen Kasernen für Wohnungszwede frei gemacht werden. Das Heeresgut muß der arbeitenden Bevölkerung zus gute tommen.
Die Anträge gehen an den Siedlungsausschuß.
Sierauf vertagt sich das Saus. Gegen den Vorschlag des Prä fibenten, morgen die Anträge über Groß- Berlin zu bes raten, erhebt bg. Ludwig( Soz.) Widerspruch. Sein Antrag, diesen Gegenstand morgen nicht zu beraten, wird gegen die Stims men ber beiden sozialdemokratischen Frattionen abgelehnt.
Nächste Sigung Mittwoch 1 Uhr. Anträge über Kenderung des Gesezes Groß- Berlin,