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Nr. 207.
Erscheint täglich außer Montags. Abonnements Preis für Berlin : Vierteljährlich 3,30 Mart, monats lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit bem ,, Sonntags: Blatt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband : Für Deutschland u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Eingetragen in der Post- Beitungs- Preisliste
für 1891 unter Nr. 6469.
Vorwärts
8. Jahrg.
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Die Ammenschmach.
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Sonnabend, den 5. September 1891.
Expedition: Beuth- Straße 3.
Aber sind denn die Ammen nicht selbst ganz zu erkauft werden muß durch die Hinopferung oder Verfrieden mit ihrem Loose? Betrachten sie es nicht als ein fümmerung eines anderen Kinderlebens. Könnt ihr euere
Gott Moloch fordert seine Opfer in mannigfacher Glück, wenn sie eine derartige gut bezahlte Stellung er- Kinder nicht selbst nähren, dann steht euch Thiermilch zur Gestalt seit den Tagen, als das phönizische Handelsvolk halten können? Waren sie doch fast durchweg unver- Verfügung, dann bieten euch ärztliche Kunst und Wissenihm zuerst Tempel erbaute, mag sich die Form des heirathet Mutter geworden, und da fiel es ihnen überhaupt schaft Auskunftsmittel die Hülle und Fülle. Reichen auch Molochsdienstes auch verändert haben. Wie manche schwer mit ihrem Kinde sich anderweit eine Unterhalt die nicht hin zu dem gewünschten Zweck, kann all euer deutsche Mutter, wenn sie schaudernd davon liest, wie gewährende Beschäftigung zu verschaffen. Geld dem lebensunfähigen Kinde die Lebenskraft nicht verdereinst dem gierigen Gotte Kinder zu martervollem Nun, mit dem nämlichen Rechtfertigungsversuch könnt schaffen, dann fügt euch in das unvermeidliche Schicksal, Sterben auf die glühenden Arme gelegt wurden, während ihr auch die Prostitution vertheidigen! Zuerst bringt ihr es sterben zu sehen, aber entwürdigt nicht eine andere rose die Mütter thränenlosen Auges so heischte es das durch eure verdrehten gesellschaftlichen Zustände ein unglück- Mutter zum milchgebenden Säugethier, tödtet nicht ihr Brieftergebot - der Todesqual ihrer Kleinen zuschauen liches Weib dahin, daß sie, von aller Welt verfehmt und Kind, damit euer Kind lebe! Wahrlich, die ihr das dennoch mußten, mag ihre eigenen Lieblinge fester an sich der bittersten Noth preisgegeben, es als eine Rettung be- thut, ihr handelt unfittlicher, schmachvoller, als ein ngen pressen, sich glücklich preisend, daß sie in einem trachtet, ihren eigenen Leib, Gesundheit und Leben ihres unseliges Weib, das in bitterer Noth sich prostituirt. menschlichen Beitalter lebe; unfaßbar dünkt es ihr, daß Kindes dem Meistbietenden verkaufen zu können, und dann Sie schändet nur ihren eigenen Leib, ihr aber kauft die Gottesdiener solche Greuel üben und Müttern deren schläfert ihr euer Gewissen damit ein, da die Nothsklavin Schande einer anderen Mutter und mordet ihr Kind. Duldung abängstigen konnten. Doch während so von ja freiwillig dieſe euch nügliche und wohlgefällige Hin- Lächelnden Antliges, als ob ihr ein gutes Werk thätet, schönem Born ihre zarte Brust erbebt, denkt sie nicht opferung übernimmt; ja ihr bildet euch wohl gar ein, opfert ihr es dem fühllosen, gierigen Moloch daran, daß sie selbst vielleicht noch jüngst dem modernen ihr eine Wohlthat zu erweisen, wenn ihr das Opfer gegen Kapitalismus ! Moloch Kapitalismus zu ähnlichen Opfergenüssen verholfen gute Bezahlung anzunehmen geruht! Doch wir wollen nicht zu hart ins Gericht gehen mit hat. Um sich ihrer eigenen lästigen Mutterpflicht ent- Wenn es überhaupt noch nothwendig ist, bei den den Frauen unserer guten Gesellschaft; sie wissen nicht, zu können, hatte sie eine andere von bitterer Noth Frauen unserer guten Gesellschaft das individuelle weib- was jie thun. Dumpfen Sinnes leben sie dahin, fühllos bebrängte Mutter als Amme gedungen, gleichgiltig da- liche Mitgefühl für die Leiden ihrer ärmeren Schwestern für die Leiden des Volkes, dem sie sich nicht zurechnen, ein gegen, daß die Entziehung der Muttermilch und Mutter- zu erwecken, so erscheint es ganz aussichtslos zu hoffen, die Gedanken nur gerichtet auf Buz und Tändeleien, denn pflege das Ammenkind der Verwahrlosung, dem Verderben daß sie Rücksicht auf das Gemeinwohl nehmen. Sind sie zu solch einem Bierpuppen- Dasein hat sie die kapitaliſtiſche preisgiebt. doch durch unsere höhere Töchter"-Erziehung geistig und Gesellschaftsordnung erzogen. Sind sie doch selbst häufig Freilich nicht einem raschen, grausamen Tode in Molochs sittlich derart ausgemergelt, daß ihnen der in Deutschland nichts weiter als die Lust- und Haussklaven, nicht freie, Armen, sondern langsamer Verkümmerung, die häufig so wie so erschrecklich rare Gemeinsinn gänzlich abhanden gleichberechtigte Genossen der Männerwelt. Sklaven mit um frühzeitigen Tode, immer aber zur Minderung der gekommen ist. Was schiert es sie, daß das Ammen- Sklavensinn sind aber immer die hartherzigsten Sklavens Lebenskraft führt, sind die Ammenkinder preisgegeben. unwesen die Rassenverschlechterung eines Volkes ver- vögte für ihre Unterſtlaven. So gilt es denn, auch diese u Tausenden, zahlreicher als sie je dem phönizischen schuldet! Es sind vorzugsweise schwächliche Kinder schwäch- Sklaven wachrütteln, ihnen die Augen öffnen für die Moloch dargebracht wurden, erzwingt sich alljährlich der licher Eltern, die durch Ammenmilch großgesäugt werden Noth ihrer Mitschwestern, für die Schmach ihres eigenen moderne Moloch Kapitalismus diese Kinderopfer durch und es sind immer kräftige Weiber dafür sorgen schon Molochsdienstes. Und wenn dann dereinst mit allen eine Handmagd, die Noth. Und dieses tausendfältige die als Mittelsmänner zu Rathe gezogenen Hausärzte, männlichen Sklaven auch die weiblichen Sklaven unserer Kinderopfer mit allen den übrigen Begleiterscheinungen der welche aus Noth diese Aufsäugung übernehmen. Aber kapitalistischen Gesellschaftsordnung sich frei gemacht haben Ummenschmach ist nicht minder als die Hinopferung jener welchen natürlich empfindenden Menschen empört es nicht, von deren Fesseln, wenn die Zeit sich erfüllt, die nicht Kinder, welche im zarten Alter in das Räderwerk des wenn er sieht, wie ein solches blühendes Weib, geschaffen, Herren mehr kennt und nicht Knechte, dann wird man Industrialismus gerathen, ein trauriger Schandfleckt ein gesundes und träftiges Geschlecht zu gebären auf die Ammenſchmach des heutigen barbarischen Zeitunferer vielgepriesenen Zivilisation, ein um so traurigerer, und großzuziehen, sich dazu hergeben muß, die alters mit eben solchem Abscheu zurückblicken, wie jetzt auf 179 da die Hauptschuldigen, die ammenmiethenden Frauen der Nachkommenschaft irgend eines physisch und moralisch den Kannibalismus oder auf Phöniziens kinderverschlingenwohlhabenden Klassen, ganz unempfindlich sind für das verkommenen Börsenjobbers oder Staatshämorrhoidarius den Molochsdienst. Schmachvolle ihres Treibens. Ja, sie brüsten sich oben- und deren hysterischer Ehehälften aufzusäugen, während
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drein mit dieser unweiblichen Ausbeutung der Noth ihrer ihr eigener lebensfräftiger Sprößling daheim bei unNitschwestern. Als Spreewäldlerinnen aufgeputzt, oder genügender Nahrung und Pflege verfümmert.
in sonst einem afsigen Phantasiekostüm müssen die armen Aber, so wird der Haupteinwand der wohlfituirten Wesen, die zu der unwürdigen Rolle einer milchenden Familienmütter lauten, sollen wir nicht das Recht haben, Lohnstlavin verdammt sind, hinter der gnädigen Frau unser eigenes Kind, das selbst zu nähren wir zu schwach auf der Promenade herziehen, damit die Nachbarinnen sind, durch Ammenmilch am Leben zu erhalten, wenn wir neiderfüllt sich zuraunen: Seht, da ist die Frau Soundso; Ammenmilch bezahlen können? die braucht ihr Kind nicht selbst zu nähren; die kann sich
eatine Amme halten!
Feuilleton.
Nachdrud verboten.]
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Er kehrt zurück! Driginalroman von Jean Meroz. Erster Theil.
Die Blumensträuße Larirettes.
I.
Noch zwei, Mamsell Larirette?!
Alle sechs, Mosje Mijoulet!
Und wohin werden Sie dies Alles tragen?
Ich werde es nicht tragen!
Ah, bah, wer denn sonst, Mamsell Larirette? Nun, sicherlich Sie, Mosje Mijoulet!
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8
die beiden Verliebten fleine Sträußchen jener Winterveilchen
einen
Starren.
so daß bei dem Pflücken die Hände der Blumenmädchen er
Korb, welche nicht selten der Schnee noch bedeckt,
Politische Lebersicht.
Berlin , den 4. September. Das bis dat qui cito dat wer schnell giebt, giebt doppelt hat keine Geltung für die deutsche Nein und tausendmal nein, das Recht habt ihr nicht! Reichsregierung. Was sie giebt, giebt sie zögernd Das Recht habt ihr nicht, weil das Leben eueres Kindes und langsam und ungenügend.
lichen Gewalt" angeklebt. Auf den Prellsteinen stehend, lasen sie die Männer beim Scheine einer in Brand gesteckten Zeitung und erklärten sie sich in Ausdrücken, welche nicht gerade parlamentarisch genannt werden konnten.
Nach jedem Paragraphen hörte man Ausdrücke des Zornes, der Drohung, vermischt mit jenen lustigen Flausen, welche das Pariser Volk immer, sogar im Tosen der Straßenschlacht und unter dem Kanonendonner der Belage rung nicht unterdrücken kann.
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füllte wie ein hochangeschwollener Fluß die ganze Straße, mit ihren Wellen die Mauern der Häuser bedrängend.
Betrübt fragte Mijoulet bei jedem Schritt- wo soll das hinführen, Larivette? aber sie antwortete nicht. Je mehr man vorrückte, desto schwieriger war das Fortkomment, desto mehr schien sich die Befangenheit und die Unruhe des jungen Mädchens zu vergrößern.
Trotz der Jahreszeit war der Abend beinahe heiß. Die Luft war schwer und feucht, dickes Gewölk hing Der Place des Victoires war überfüllt. In ihrer Be- am Himmel und man erstickte fast in dieser Atmosphäre. sorgniß beeilte sich Larirette ihre Bude zu schließen, Mijoulet Nach tausend Anstrengungen, nachdem sie zwanzig Mal half nach Kräften, voller Glück, ihr zu dienen und sich in in Gefahr waren auf der schmutzigen Straße mit Füßen ihrer nächsten Nähe zu schaffen machen zu können. Er war getreten zu werden, langten die beiden jungen Leute auf auch ein wenig neugierig, denn jedesmal, wenn er aus der Rue Lepelletier an. Dort in der Nähe der Boulevards seiner Werkstätte gekommen war, hatte das Blumenmädchen lagen die Bureaux der Zeitung„ National", wo die Führer zu ihm gesagt: der Opposition unentschlossen unruhig, leidenschaftlich be wegt, ohne zu wissen, was sie wollten, berathschlagten.
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Wir haben heute Abend Arbeit, Mijoulet, wir können nicht an den Spaziergang denken, Sie werden mir helfen. Und Mijoulet fragte sich, welche Arbeit ihm das hübsche Mädchen überweisen würde.
Als sie fertig und der Korb voll war, rief sie: Nun, auf den Weg! und
Es war am Abend des 23. Februar 1848. Seit zwei Sie faßten den Korb an den beiden Henkeln
Zagen lagerte über der Stadt das Unglück der Revolution; passirten die Rue Vide- Gouffet.
die Werkstätten und Läden waren geschlossen; überall war|
Je mehr sich die beiden den Boulevards näherten, desto
Und unaufhörlich passirten Gruppen mit brennenden Fackeln, flatternden Fahnen die Straßen, die Führer rufend, sie zur That auffordernd und überrascht von ihrem Zögern. Dann sah man bald den einen, bald den andern dieser Barlamentarier auf dem Balkon des Redaktionsgebäudes erscheinen und bald feierliche, bald vertrauliche Redensarten an die Menge richten, Phrasen, die zwar immer nichtssagend, aber doch mächtig genug waren, um die zu bes
Feiertag, nicht weil es an Arbeit mangelte, sondern weil breiter wurde der Strom der Menge. Auf dem Place de ruhigen, welche allerlei Versprechungen seit so langer Zeit Alles wissen wollte, was denn eigentlich vorging. Ganz la Bourse mußten sie sich mit den Ellenbogen den Weg mit Hoffnung erfüllt hatten. Baris war auf den Straßen. Eine lärmende Menge füllte bahnen und hatten alle Mühe, ihre Blumen vor den Händen
Trupps vorüberzogen.
die Straßendämme, auf denen alle Augenblicke singende einer Bande junger Burschen zu retten, welche durchaus den Chefredakteur des National", die Herren Flocon, Louis
An den Mauern waren die Proklamationen der„ öffent
sehen wollten, was sich in dem Korbe befand. Auf dem Boulevard war es noch schlimmer. Die Menge
So sah man nach einander die Herren Armand Marast, Blanc, Recourt, Etienne, Arago 2c.
Indessen wurden Larirette und Mijoulet unter einem