Einzelbild herunterladen
 

Nr. 231.

Abonnements- Bedingungen:

=

Abonnements Preis pränumerando: Bierteljährl. 3,30 mt., monatl. 1,10 mt., wöchentlich 28 Pfg. fret ins Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags­Nummer mit illustrirter Sonntagss Beilage, Die Neue Welt" 10 Pfg. Poft­Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Eingetragen in der Post Bettungss Preisliste für 1897 unter Dr. 7437. Unter Kreuzband für Deutschland und Desterreich Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat.

Erscheint täglich aufer Montage.

Vorwärts

Berliner Volksblaff.

14. Jahrg.

Die Insertions Gebühr beträgt für die fechsgespaltene Rolonels geile oder deren Raum 40 Pfg., für Beretns: und Bersammlungs- Anzeigen, sowie Arbeitsmartt 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr vormittags geöffnet.

Kernsprecher: Amt 1, Mr. 1508. Zelegramm Adresse: " Sozialdemokrat Berlin".

Bentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

In Hamburg tagt das Arbeiterparlament an denk würdiger Stätte.

Sonntag, den 3. Oktober 1897.

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

-

Alles, was unsere Feinde im Dienste des Kapitalismus Freiheit oberstes Gesetz für die Aktion gilt: Einheit gegen die Sozialdemokratie unternehmen, schlägt so zu unseren und Disziplin. Gunsten aus. Und je mehr unseren Feinden das Vergebliche ihres Bemühens aufdämmert, zu desto tolleren Schlägen holen sie aus in ihrer Blindheit, desto erfolgreicher arbeiten fie uns in die Hände.

Wohin wir blicken ins Lager unserer Feinde: die wüsteste Verwirrung, blödes Gezeter, jämmerliche Rathlosigkeit, Fiasto über Fiasko.

Unsere Genossen in Hamburg werden in dieser, wie in jeder anderen Frage beschließen, was im Interesse der Partei nothwendig ist.

-

-

Noch ein Wort: der heutige Tag ist ein Gedenktag. Heute vor 10 Jahren am 3. Oftober 1887 trat der Partei- Kongreß in St. Gallen zusammen. Es war in der Zeit des heftigsten Ringens unter dem Sozialistengeset. Wir mußten im Ausland tagen.

Trei Jahre später war Bismarck niedergeworfen, war das Sozialistengesetz zerbrochen und in seinen Urhebern verurtheilt, gebrandmarkt. Der 3. Oktober ist ein Tag guter Vorbedeutung. Hoch die Sozialdemokratie! Glückauf dem Parteitag!

Politische Nebersicht."

Gruß dem Parteifage! Heute versammeln sich in Hamburg die Abgesandten der deutschen Sozialdemokratie zu unserem jährlichen Barlament. Sie versammeln sich als Vertreter eines Staats im Staate - eines Staats, den die zielbewußte Arbeiterschaft sich in Schooße des Kapitalisten- Klassenstaats geschaffen hat, troß des Widerstandes, trotz der wüthenden Angriffe der Feinde, und der trotz des Widerstandes, troß der wüthenden Angriffe der Feinde wachsen und gedeihen wird, bis, aus ihm und aus Schelmen- Komödie der orientalischen Frage. Das groteste Wett Das Riefenfiasko der europäischen Staatsmannszunft in der den Bruderparteien der übrigen Klaffenstaaten sich entwickelnd, friechen vor dem Knuten- Zar in Petersburg , dessen barbarisches auf den Trümmern der alten, gemeinschädlich und kultur- Regiment die letzte Hoffnung der bankrotten Staatskunft des widrig gewordenen Welt des Kapitalismus die internationale Rapitalismus ist. Und in Deutschland : die Orgien des ostelbischen Butunfts Gesellschaft des Sozialismus die Junkerthums, das den Staat als seine Domäne be Proletarier aller Länder im Bruderbunde der Freiheit, Gleichheit trachtet und dessen edelstes Doppelstreben darauf hinaus­und Gerechtigkeit vereinigt. geht, dem Volke Liebesgaben" aus der Tasche zu nehmen und einen Knebel in den Mund zu stecken, Hier war das erste Hauptquartier der neuen sozial Attentate über Attentate gegen das allgemeine Wahlrecht, gegen damit es der zudringlichen Gesellen sich nicht erwehren kann. Berlin , 2. Oktober. bemokratischen Bewegung Teutschlands. Hier wandten nach das Vereinsrecht, gegen das Koalitionsrecht. Unter verlogenem Ihre Neigung zum Staatsstreich können die Flottens Gründung des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins die Arbeiter Geschrei gegen den llmsturz" zynische Bettelungen zum Um- enthusiasten kaum verbergen. So sehr sie wissen, wie sich zuerst in Massen der Sozialdemokratie zu; und hier er ſturz der Verfassung, zur Vorbereitung des Staatsstreichs- ungünstig die Bekundung dieser Pläne im Volte wirkt und so standen zuerst Massenorganisationen der Arbeiterschmußige Intriguen, wie sie im Leckert- Lützow- Tausch- Prozeß sehr sie sich auch im allgemeinen in acht nehmen, vor der Organisationen, die bis zum heutigen Tag mustergiltig ge aus Tageslicht gezogen wurden. blieben sind, sowohl auf politischem wie auf gewerkschaftlichem Beit gar zu frech und offen mit denselben herauszurücken, Felde. Und die eigentlichen Helden jenes Prozesses, sie treiben so geht es ihnen doch so, wie das Sprichwort sagt: Weß das Herz voll ist, geht der Mund über. Der Eaal, in welchem der Parteitag seine Sigungen bält, heute noch ihr Unwesen. Die ernstesten Verfassungskonflikte in Aussicht die sah vor annähernd 30 Jahren die erste sozialdemokratische Regierungskrise in Permanenz- niemand wissend, wer Koch Massenversammlung in Deutschland . Hier in Hamburg wurde, als es galt, dem Strom der ist und Kellner im Deutschen Reiche. Und die alten kapita­ listischen Parteien in vollster Auflösung. sozialistischen Bewegung ein breiteres Bett zu geben, Verweigern Parteifucht und blindes Vorurtheil weiterhin bas Junerhalb der kapitalistischen Welt das Chaos- nirgends zum internationalen zu ers unbedingt Nothwendige, so ist jede Maßregel der verbündeten weitern, der sozialistische Internationalismus mit ebenso ein Ansatz zu fester Parteibildung, nirgends ein festes Pro­Regierungen gerechtfertigt, welche diesem die Ehre, Sicherheit glühender Begeisterung aufgenommen, wie vorher der gramm, nirgends ein fester Punkt. und Zukunft des Reiches bedrohenden Zustande ein Ende macht." Sozialismus des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins; Fest steht nur die Sozialdemokratie. Jeder Tag legt Natürlich, die Herren uni Stummidessen Politik ver­um und nirgends ist die Verschmelzung der beiden sozia Bengniß ab für die Richtigkeit unseres Programms und tritt ja die" Deutsche volksw. Corr."- wissen allein, was listischen Fraktionen lebhafter begrüßt, ehrlicher durchgeführt unserer Taktik. Und die Presse der bankrotten Parteien be Ehre, Sicherheit und Zukunft Deutschlands erfordern, und worden, als hier in Hamburg , das heute neben Berlin die vor denkt unsere Partei abwechselnd mit guten Rathschlägen und wer anders denkt als sie, handelt aus Parteiſucht und blindem nehmste Hochburg der internationalen Sozialdemokratie Deutsch giftigen Schimpfereien. Sie mögen sich doch selbst helfen! Vorurtheile. Darum sei je de Maßregel gerechtfertigt. Das Rathschläge brauchen wir nicht, und das Geschimpfe der heißt: die Regierungen sollen verfassungsbrüchig über den Feinde beluftigt uns nur. Willen des Reichstages hinwegschreiten und thun, was ihnen beliebt.

den nationalen Gedanken

lands ist.

Hier ist das klassische Schlachtfeld der organisirten Klassenkämpfe des Proletariats. Hier sind, mit dem Lauen­stein'schen Streit in den sechziger Jahren beginnend, bis zum Ausstand der Hafenarbeiter im vorigen Jahr die hartnäckigsten, opferreichsten Kämpfe des Proletariats um bessere Lebensbedingungen gekämpft worden. Hier sehen die Mitglieder des Parteitags noch die Spuren des vorjährigen Kampfes, hier wird ihnen frisch ins Ge­dächtniß gerufen, wie die Staatsgewalt die Seifenblase des Sozialen " Staates, der über den Parteien throne und den Echwachen gegen den Starken schüße, in alle Winde zerstäubte, und den Arbeitern, die noch an die Erlösung von oben geglaubt hatten, die eherne Lehre der Internationalen Arbeiter­ assoziation einhämmerte:

Die Befreiung der Arbeiterklasse tann nur das Wert der Arbeitert lasse selbst sein.

-

-

Die gegnerische Presse beschäftigt sich jetzt wieder viel mit unserem Parteitage. Nun, wenn die Könige bau'n, haben die Kärrner zu thun", und unsere Feinde sollten wahrhaftig froh sein, daß wir ihnen Stoff liefern in den eigenen Reihen finden sie keinen. Was für Nichtigkeiten sind es, aus denen das politische Leben der anderen Parteien besteht! Wo ist bei ihnen Verständniß für die großen Fragen der Beit? Sozial: reformatorische Bettelsuppen, fleinliche Polizeipolitit, kultur­fämpferische Koulissenreißerei, und die Hauptsache! An schläge auf den Geldbeutel des arbeitenden Volkes das ist der Inhalt des politischen Lebens unserer Feinde.

-

Auf dieses engherzige Treiben, diese niedrige Selbstsucht schauen wir mitleidig herab. Man soll den Feind nicht unter schäßen gewiß nicht; aber Achtung vor solchen Feinden kann niemand uns zumuthen.

So beschließt die Deutsche Volkswirthschaft­liche Correspondenz" einen der jetzt üblichen Tamtam­Artikel" Für eine deutsche Kriegsflotte" mit den sehr ein­deutigen Worten:

Die guten Herren, die den Mund so mächtig aufsperren, vergessen nur, daß dazu zwei gehören, der hinwegschreiten möchte und über den hinweggeschritten werden soll. Hinter dem letzteren aber, hinter dem Reichstag , steht die gewaltige Mehrheit des deutschen Volkes.

Das deutsche Volt weiß recht wohl, was es seiner Ehre und Sicherheit und Zukunft schuldig ist und wie es diese Güter bewahren will. Wenn gewisse Schwarmköpfe andere Ansichten darüber haben, so wird es denselben zeigen, daß es noch Herr in seinem Hause ist und keine Lust verspürt, sich für nichts und wieder nichts in weltpolitische" Abenteuer zu stürzen und neue Steuerlasten aufzubürden.

-

Nicht ganz nuglos scheint die Kritik gegen die Die Mißstände im Eisenbahnwesen bleiben zu sollen. Sie lernen nicht und sie vergessen nicht. Wieder leiern Eisenbahndirektion Berlin hat, wie eine lokale Korrespondeng Und ganz nahe bei Hamburg ist die Stätte, wo sie das alte Lied ab vom Zusammenbruch, von der Spaltung mittheilt, all die Lokomotivführer der Strecke Berlin­der Mann lebendig begraben liegt, der in verbrecherischer der Partei. Wir gönnen ihnen das kindliche Vergnügen. Sommerfeld die Anfrage gerichtet, welche Vors Thorheit sich vermaß, die deutsche Sozialdemokratie zu ver Nie war die Partei einiger, nie war die Partei fefter. ich läge sie zur Verhütung von Eisenbahn­nichten, weil sie sich nicht zu der niederträchtigen Rolle herbei Nicht eine Frage liegt vor, die auf dem Kongreß zu ernst Unfällen machen tönnten. In der letzten ließ, zu Nutz und Frommen des preußischen Junkerthums die haftem Meinungsstreit führen könnte. Die einzige Frage, die Versammlung des Vereins deutscher Lokomotivführer kam diese bürgerliche Freiheit niederzuheben und dem deutschen Volk längere Debatten veranlassen wird, ist die der Betheiligung Anfrage zur Sprache. Es wurde mit Freude begrüßt, daß die das Joch des rohesten Polizei- und Kasernen Sozialismus an den preußischen Landtagswahlen. Sie ist aber in der Behörde, wenn auch noch in sehr beschränktem Umfange, an auf den Nacken zu heften. Parteipreffe bereits so gründlich behandelt worden, daß Klar gefangen habe, die Männer des praktischen Dienstes, von heit geschaffen und damit der Boden für die Verständigung deren Tüchtigkeit und deren Erfahrungen die Verhütung von angebahnt ist. Eisenbahn - Unfällen ganz wesentlich abhänge, um geeignete In der Polemik wird von unseren Parteigenossen manch- Vorschläge zu befragen. Bedauert wurde nur, daß dies nicht mal gesündigt; manchmal springt sie ins Persönliche über. auf allen Hauptstrecken geschehen sei und daß man den Be Allein das ist nicht böse Absicht; es entspringt der Urwüchsig fragten nur 24 Stunden Zeit bis zur Abgabe ihres feit einer jungen, stets fämpfenden Partei, und ist dem platten Gutachtens gelassen habe. Jufolge dessen hätten sich auch Formenkram der altersschwachen Parteien weit vorzuziehen. die Befragten kaum recht besinnen können, obwohl dieselben Die Preßfreiheit, die wir unter uns walten noch verschiedene Vorschläge zu machen in der Lage seien. laffen, fördert alle Gedanken und Gefühle zu Tag. Alles Man habe sich daher zunächst darauf beschränken müssen, wird offen verhandelt, ungesunde Säfte tönnen sich im Parteis vorzuschlagen, daß vor den auf jeder Strecke zahlreich vor­organismus nicht ansammeln, und so gereicht jede Polemik handenen Blockstationen sogenannte Vorsignale errichtet werden. zur Kräftigung der Partei. Derartige Vorsignale, die zur Erleichterung und Sicherung des Fahrdienstes ganz wesentlich beitragen, find längst als technisch nothwendig anerkannt worden, die Anlage derselben ist aber unterlassen worden aus- Ersparnißrücksichten.

-

Da liegt er, der in verrücktem Größenwahn meinte, mit den freilich kolossalen- mechanischen Machtmitteln in seiner Hand die Sozialdemokratie überwinden zu können, da liegt er überwunden, zerschmettert, verachtet,- ein warnendes Exempel für alle, die da sich einbilden, ihren persön lichen Willen der Menschheit als Gesetz vorzuschreiben und die ewigen Gesetze, nach welchen der menschliche Kulturfortschritt sich vollzieht, fälschen oder bengen zu können.

Die Delegirten unseres Parteitags tönnen mit Stolz von fich, von unserer Partei sagen:

Wir sind es, die diesen verbrecherischen Thor befiegt haben! Und wir werden Jeden besiegen, der in seine Fuß stapfen zu treten sich unterfängt.

So ist Hamburg für uns reich an fruchtbaren Lehren und Erinnerungen. Und auch die Umstände, unter denen der Parteitag heute zusammentritt, sind geeignet, unser Kraftgefühl und unser Siegesvertrauen noch zu stärken.

Welches Schauspiel bietet jett Deutschland , überhaupt die ganze sogenannte zivilisirte" Welt! Der Kapitalismus, dessen Lebensbedingung die Knechtung und Ausbeutung der Arbeit ist, wird mit der unaufhaltsamen Ausbreitung des Sozialismus von Tag zu Tag freiheitsfeindlicher, weil alle Freiheiten und Voltsrechte dem Sozialismus zu gute kommen; von Tag zu Tag muß er, um seine Lebensbedingungen zu erfüllen, die Massen des Volkes härter bedrücken, schamloser ausbeuten, brutaler knechten und so treibt er,

-

,, ein Theil der Kraft,

die stets das Böse will und stets das Gute schafft,"

die Massen des Voltes von Tag zu Tag massenhafter dem Sozialismus in die Arme, den zu erdrosseln er in ohnmächtigem Grimm sich abquält.

Wir haben keine Geheimnisse. Tie Partei wirkt und der Parteitag tagt im Licht vollster Oeffentlichkeit. Unsere Rechenschaftsberichte sind jedem zur Verfügung. Wir sind start genug, auch unsere Schwächen zu zeigen. Welche andere Partei kann das?

Also ein Anfang zur Besserung bei den Herren Bureaus fraten. Wird auf diesem Wege fortgeschritten werden? Und welche andere Partei hätte die Debatte führen Tie einmalige und zufällige Befragung eines einzelnen können, die wir bezüglich der Betheiligung an den preußischen Vereins kann natürlich nicht viel nüßen. Das praktische, Landtagswahlen seit Monaten führen? Von Anfang an wurde thätige Bahnpersonal muß in die Lage versetzt werden, seine festgestellt, daß es nicht eine Frage des Prinzips sei, Anschauungen über die Betriebsverhältnisse und nöthig ers sondern der Tattit, der Praxis. Und das erhob die scheinende Reformen ständig zum Ausdruck und zur Geltung zu Diskussion von vornherein über das Niveau des Persönlichen. bringen.

Diesen Charakter wird die Diskussion auch auf dem Und nicht nur die Lokomotivführer müssen herangezogen Parteitage bewahren. Wir wissen nicht, wie dessen Entscheidung werden, sondern auch die übrigen Bahn- Unterbeamten und ausfallen wird; aber wir wissen: alle Delegirten haben Arbeiter.

das Wohl der Partei im Auge, und da prinzipielle Wir würden es gern begrüßen, wenn die Eisenbahn­Differenzen nicht vorliegen, so wird, falls nicht Einstimmigkeit behörden sich entschließen wollten, endlich in dieser Weise vors zu erzielen ist, die Mehrheit einen Weg finden, den die zugehen. Allerdings, trotzdem ein Anfang dazu gemacht ist, Minderheit, ohne ihrem Gewissen Zwang anzuthun, mitgehen an den Fortgang glauben wir noch nicht recht; sollten wir uns tann. Denn ist auch in der Kritik und Distusfion die absolute täuschen, um so besser!-