Wie Kinöer Theater spielen. Bon Otto Reu mann- Kiel. Wohl allen Erziehern und Kinderfreunden wird bekannt sein, wie stark der Wunsch bei Kindern ist, Theater zu spielen. Durchaus kindlich ist dies. Sehen wir doch schon bei recht kleinen Kindern, wie sie sich gerne in die Rollen anderer Personen, wie Mutter, Bater, Lehrer usw. hineinversetzen. Man soll diesem kindlichen Verlangen Rechnung tragen, doch wird sich jeder gute Erzieher die Frag« nun vorlegen:Was sollen die Kinder auf- führen, und w i e sollen die Kinder aufführen?* Beide Fragen sind äußerst wichtig, und ernste Schwierigkeiten stellen sich hier in den Weg. Schon bei der ersten Frage:Was sollen Kinder ausführen?* sehen wir dt« großen Schwierigkeiten: denn was an wirklich guten Theaterstücken für Kinder existiert, ist bitter wenig. In diesem Punkte sieht es in unserer Literatur recht betrübend noch aus. Aber die zweite Frage:Wie sollen die Kinder Theater spielen? ist ebenso wichtig. Sehen wir uns doch einmal die Feste an, wo Kinder mitwirken. Bon einem sehr oft kitschigen Stück sind die Rollen an die einzelnen Kinder verteilt worden. Wochenlang ist gelernt und geübt worden, der Text gut auswendig gelernt und die einzelnen Bewegungen und Handbewegungen gut einstudiert. Die einzelnen Mitspieler haben sich die nötige Garderobe beschafft(oftmals mit nicht geringen Unkosten), und endlich ist der Tag des Festes da. Und was kann man dann vielmals erleben? Die Kinder plappern mehr »der weniger gut ihre auswendig gelernten Rollen dahin: die Hand- liKig ist ohne jegliche Frische und Leben: und oft bleibt dann noch so ein armer Kerl zum Entsetzen der Eltern und des Kindes stecken. Die ganze Freude ist verschwunden, und dahin ist dos schön« Fest. Die schöpferische Fähigkeit der Kinder ist überhaupt nicht berührt. Ein guter Erzieher kennt nun diese Schwierigkeiten, und nicht leichten Herzens wird er die Kinder Theater spielen lassen. Wie man nun aber doch mit den Kindern Theater spielen lasten kann, will ich mal-erzählen von einem Berluch, den ich kürzlich bei meiner Kinder- Gemeinschaft gemacht habe. Wie des öfteren standen wir wieder mal vor einem Fest« unserer Gemeinschaft mit den Eltern zusammen. Auch aufführen wollten die Kinder wieder. Und nun tat ich fol- gendes: Recht lebhast und drastisch erzählte ich das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten  * und besprach mit den Kindern, ob sie dieses Märchen nicht aufführen wollten. So recht erbaut waren sie nicht sogleich, war doch dieses so ganz was Neues für sie. Aber einige Jungs und Mädels hatten meine Gedanken bald erfaßt und stimmten zu. Bedenken von einigen Kindern, wie:Wo bekommen wir das Haus für die Räuber und die Garderobe für die einzelnen dar- zustellenden Tiere her?* waren bald zerstreut, als ich den Kindern erklärte, daß man doch dies alles mit ganz primitiven Mitteln an­deuten könne. Ich kümmert« mich nun nicht weiter darum. Unsere Feier kam heran, und ich war doch wirklich gespannt, wie unsere Aufführung werden würde. Der Versuch ist glänzend geglückt. Eines der beteiligten Kinder sagte den anwesenden Zuschauern, daß man nun das MärchenDie Bremer Stadtmusikanten* aufführen wolle. .Ein Haus für die Räuber war bald aus einigen Tischen und Stühlen zurechtgebaut. Und nun kam der Esel angelatscht und erzählte, wie er in seinen jungen Tagen seinem Herrn treu gedient hätte und all die vielen Säcke zur Mühle getragen hätte. Nun, wo er alt, würde er noch obendrein Undank bekommen usw. Und wie er gelesen hätte, daß man in Bremen   Sladtmusikanten suche und er sich noch auf seine alten Tage aufgemacht hätte nach Bremen  .. Der Junge erzählte feine 'Rolle als Esel plattdeutsch. Es ist feine Muttersprache und er ver- steht sich gut darauf. So ganz frei und bei der Sache. Dann traf er den Hund, und auch der erzählte seine Leidensgeschichte, und beide zogen weiter. Als sie die Katze trafen und auch sie dann nach län» gerem Verhandeln mitzog, war die Freude der Zuschauer kaum noch zu steigern. Doch wirkte die Szene, als ste nun noch auf den Hahn stießen, der unter andauerndem Kickericki erzählte, daß er von der Köchin gehört habe, daß morgen Kindtause sei und er in die Suppe soll, geradezu tränenlachend. Schon die ganz« Aufmachung mit so ' primitiven Mitteln. Man kann die einzelnen Feinheiten gar nicht erzählen, sowas muß man erleben. Jedenfalls ist der Versuch voll und ganz geglückt: und so recht ist mir zum Bewußtfein erst ge< kommen, wie fein schon die Kinder schöpferisch gestalten können. Nicht leicht trennen sich die Kinder von der alten Form des Auf- führen?. Sehen sie aber erst mal die Lebendigkeit de» Spiels im Gegensatz zu dem toten Spiel des Auswendiglernens, dann sind ste bald begeistert. Und manche frohe Stunde für Eltern und Kinder läßt sich so bereiten. Dabei liegt die Dramatisierung des Märchen» ganz im Sinn« der modernen Erziehimg. Wohl nicht all« Märchen lasten sich dramatisieren. Man muß bei der Auswahl recht wohl bedacht sein. Schon des Inhalts wegen muß Borficht gewahrt fein. Doch find ein« Reihe Grimmscher Märchen wohl gut geeignet.' Ich möchte da zum Schluß einige an- führen, soweit sie bei uns ausgeführt sind: I. Die Bremer Stadt- Musikanten, 2. Der Wolf und die sieben Geislein, 3. Schneewittchen und die sieben Zwerge, 4. Das Märchen vom tapferen Schneiderlein. Bei all den Aufführungen fei man bedacht auf möglichst einfache Kostümierung: und im übrigen überlasse man die Gestaltung den Kindern. Rubis Traum. Ach Mutter,* sagte der kleine Rudi,heute bin ich aber sehr müde,* und dabei göhifte er recht tief. Kurz darauf brachte ihn die Mutter zu Bett. Nun war er allein in der dunk/len Kammer. Als er zum Fenster hinausschaut« bemerkt« er, daß der Modn hinter weißen Wölkchen verborgen war, die aber an demselben vorbei segelten. Und immer mehr und größere Wolken folgten, bis plötzlich kurz vor dem Mond« gewaltige, weiß Wolkenberge auftauchten, die ihn schließlich ganz oerdeckten. Der kleine Rudi dachte:Wenn das doch alle» Schneeberge wären und du ste einmal erklettern und darauf Schlitt- schuhlausen könntest.* Mit diesem Wunsche schloß er sein« Augen, und da er von dem langen Zuschauen sehr müde war, schlief er bald ein. So mochte er wohl ein paar Stunden geschlafen haben, als ihn jemand am Ohr« zupfte. Verwundert schlug er die Auge» auf und sah vo? sich auf der Bettdecke ein kleines Männlein stehen. Sein Erstaunen wuchs, als dieses nun zu ihm sprach:Erschrick nicht! Ich bin das Wolkenmännlein und wohne dort oben in de» weißen Wolken. Ich hört« deinen Wunsch und bin gekommen, dich einmal mit herauszunehmen. Komm, folge mir: aber leise, daß Vater und Mutter dich nicht hören." Keine Freude wäre größer gewesen, als die, einmal dort oben heraufzukommen und freudig sprang Rudi aus dem Bett, zog sich warm an und folgt« dem Männ- lein durch das Fenster. Wie sie draußen waren, gewahrte Rudi ein kleines Bündel und dazu ein paar klein« und große Schneeschuhe mit Stöcken. Da» Männlein packte das Bündel aus und entnahm demselben einen dicken wollenen Anzug mit einer ledernen Kappe, welch« Rudi an» ziehen niuht«. Rudi fühlte sich plötzlich hochgehoben und so hoch, bis Ihn«ine eiskalte Temperatur empfing und er sich inmitten hoher Wolkcnberg« befand. Das Männlein hieß ihn die großen Schneeschuhe an» schnallen, es selbst zog sich die kleinen an. Run erteilte er Rudi Unterricht im Skilaufen, indem es im Grätenschritt«inen steilen Berg hinaufstieg und oben angekommen schnell wieder zu Tal fuhr. Unten macht« es den berühmtenChnstiania*, mit einer Wendung des Körpers nach rechts im Sprung und ruckl stand es. Dann voll- führte es den Treppenschritt und den Dauerlauf. Rudi sah aufmert» sam zu und nach vielen mihglücklen Versuchen konnte er es nach» machen. Run wollen wir höher hinauf,* sagte das Männlein zu ihm und im Dauerlauf fuhren sie den aufsteigenden Berg hinan. Da verlor Rudi auf einmal das Gleichgewicht und er lag im tiefen Schnee. Vergebens müht««r sich emporzukommen, da die Schnee» schuhe   ihn daran hinderten, aber mit 5)ilfe des Wolkenmännleins stand er bald wieder auf den Beinen und lachend klopft« er sich den Schnee ab. Sie fuhren weiter, bis sie vor einer zackigen Felsen» wand Halt machten. Rudi wurde angeseilt und der Kleine stieg voran. Verschieden« Mal« rutscht« Rudi aus, aber die Kraft de» Männleins war unermüdlich. Immer höher und höher stiegen sie und endlich kamen sie zur Spitze.. Ein« herrliche Aussicht bot sich den beiden dar. Heber ihnen der klare Himmel mit dem silbernen Mond, unter ihnen die weißen Nebel, welche eiligst vorüberzogen. Nachdem Rudi sich an der Schönheit des Himmels sattgeschaut, mahnt« das Männlein zum Aufbruch Vorsichtig kletterten sie den Berg hinab. Rudi, angeseilt, als Erster. Als er einen Fslsvorfprung betrat, bröckelt« plötzlich ein Stein dort ab und er fiel mit demselben hinab. Das geistesgegen- wärtige Männlein aber hielt Rudi fest und so schwebte dieser an dem Seil in der Luft. Er wagte kaum in die Tief« zu schauen. Da bemerkte er plötzlich, wie sich das Seil an einem Steine scheuert« und langsam zerriß.-- Es waren grausig« Minuten für Rudi. Gerade als das Männlein die Hemd nach ihin ausstreckte, riß das Seil und mit lautem Aufschrei stürzte Rudi in die schreckliche Ties«. Er schlug unten mit dem Kopf auf ein« Felsplatte und blieb für einige Zeit wie tot liegen.--- Da vernahm er plötzlich die Stimme seiner Mirtter:Aber Rudi, was ist denn das, du bist ja aus dem Bett gefallen, mach aber schnell, daß du wieder hineinkommst, damit du dich nicht erkältest.* Rudi schlug verwundert die Augen auf und nun merkte er. daß er nur geträumt hatte. Schleunigst kroch er wieder in die Feder» und er war froh, daß dieses alles keine Wirklichkeit war. Er schlief fest und traumlos weitkr bis ihn die Mutter am frühen Morgen weckte.