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Das Schicksal einer Amme.
Bon Leo Rofenthal.
Die Mühlsteine des Lebens haben schon so manches Menschenidfal zerrieben mehr als ein Frauenschidsal. Bon diesen Tra gödien des Alltags, die in aller Stille lautlos fich abspielen, sind vielleicht die der fieinen Hausangestellten die schmerzlichsten. Bon Beit zu Zeit nur fommt es zu gewaltsamen Ausbrüchen bann frifft grelles Bliglicht die von Calbfitfucht geblendeten Augen der Mitmenschen, schlägt es wie eine ferne Warnung an ihre verbrechevisch tauben Ohren.
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Findet die Fabrikarbeiterin trotz aller Kümmernisse des Lebens In den kleinen Freuden und Sorgen ihres noch so armseligen Heims einen Ruhepunkt, so ist die Hausangestellte auch disfer einzigen Zu lucht ihres oft so freudlofen Daseins beraubt. Ohne Zärtlichkeit, Freude und Wärme in einem Alter, wo dieses ein besonders organis fches Bedürfnis ist, verfümmert und verfrüppelt das junge Menschenfind fecitfch: nur selten erhält es in fremder Häuslichkeit Erjag. Ohne Eigenleben, immer unter fremden Menschen, darauf angewiefen, ihre Interessen stets denen anderer unterzuordmen, das Helm der herrschaft" zu dem ihrigen zu machen, bergeubet fle später, zu einer Belt, wo Liebesleben und Mutteraftinft triebhaft zu wirken beginnen, nicht selten ihre Anhänglichkeit und Liebe allein an das ihr anvertraute Kind oder an einen unwürdigen und gewiffenlosen Mann, von dem fle Erlösung aus ihrer Sllaverei erhofft.
Blöglich, unerwartet für sie selbst, ereilt die eine oder die andere das Verhängnis. Ein halbes Kind noch, an irgendeinen Helmen Plagegeifi Tag und Nacht gefesselt, zündet die eine, von unHillbarem Heimweh gepeinigt, das Haus an oder tötet das unter feiner Obhut stehende Kind. Die andere, ein„ Dienstmädchen" viel leicht, fiehlt in geheimen Stunden thres freudlofen Daleins ein paar Augenblice flüchtiger Seligkeit und bißt hinterher als Kindes mörderin oder für Abtreibung der Leibesfrucht ihr kurzes Liebesglüd hinter Gefängnismauern. So rächt sich die fittfame Gefellfehaft mitunter grausam an diesen schuldlos Schuldigen"..
Diesmal ist es die 37jährige Dora Sadler, die das Schicksal germaimt hat: Londoner Geschworene haben sie zum Tode veruriel! t... Als Frau Kagmann Ihr erftes Töchterlein zur Welt brachte, wurde Dora Sadler deffen Amme. Sie hegte und pflegte das Kind, als wäre es ihr eigenes. Was hatte sie denn auch sonst noch im Leben außer der fleinen Sonja? Mit dem Kinde wuchs Buch deffen Liebe zu ihrer Nurse" Dora: fie war ihr mehr als die Ielbliche Mutter. War es etwa Doras Schuld? Ebenfomenig wie Die Schuld der Mutter: Kindergefühle folgen ihren eigenen Gefeßen. Die Mutter aber war neidisch auf die Amme, der die Sonja mehr zugetan war als ihr selber; die Amme eifersüchtig auf die Mutter, ple die Zärtlichkeit des Kindes nicht missen wollte. Ein zweites. Sind fam zur Welt: Sonja blieb nady wie vor der Liebling der Amme. Am Vorabend der unfeligen Tat, zu Besuch bei fremden Beuten, droht die Mutter dem Kinde mit Schlägen. Da bricht es in Dora los: Was, ihre Sonja schlagen. In ihrem Zorn vergreift fie fich an der Frau. Da wird der Amme gefündigt. Ein wilder Kampf tobt in ihrem Innern. Was nun tun? Ihre Sonja perlaffen, alles, was ihr das Leben wert macht; sie gar diefer Mutter ilberlaffen, die dem Kinde mit Schlägen droht.... Am anderen Morgen findet man die Gashähne im Kinderzimmer offen, die vierjährige Sonja tot, die Amme und die sieben Monate alte Kleine bemußilos.
3m hinterlassenen Briefe ist zu lesen: Ich habe beschlossen, die Sonja mitzunehmen, da sie es bei ihrer Mutter nicht gut haben wird." Im Krankenhaus, wo sie sich nur fangfam von der Bergiftung erholt, äußert sie sich im gleichen Sinne. Sachverständige, vom Gericht geladen, finden sie geistig minderwertig, äußerst leicht reizbar, feclisch vollkommen überspannt wole wäre auch anders els durch hellen Wahnsinn die grauenhafte Tat zu erflären, hat man ihr überhaupt ein Kind anvertrauen dürfen? doch für die Tot vor dem Gesetze verantwortlich. Unter den Geschworenen befindet sich gar eine Frau, die sich im Seelenleben ihrer Leidens gefährtin auskennen müßte der Eindruck, den die Berhandlung auf fle macht, ist ein so starter, daß fie eine Ohnmacht überfällt. Die Dora Sadler wird aber trotz allem zum Lode verurteilt. Rein Gnadengefuch der Richter folgt ihr ins Gefängnis. Das Beil des Senfers soll ihren Kopf vom Mumpf trennen. Grausames mittelalterliches Gefeß, das den Mord am Menschen zum Ausfluß höherer Gerechtigkeit erhebt!
Dora Sadler hat den Tod der fleinen Sonja verschuldet. Sie wurde sich felbst zum Richter, als sie fich dem Tode geweiht. Hatte man sie zum Leben erweckt, um sie nach qualvollen Belden doch au morden?
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Der Fall spricht Bände. Noch immer fönnen sich die Kulturwölfer" nicht von der zwecklosen, durch das Gefeh selbst geforderten Todesstrafe lossagen. Auch in Deutschland übt noch der offiziell bestellte henter sein trauriges Handwerk an Mann und Frau, an jung und alt. In England ist es das zweitemal in den lehren. Monaten, daß eine Frau hingerichtet werden soil. Wer weiß, vielleicht trägt der Abscheu, den diese Einrichtung in der Deffentchkeit hervorrufen muß, zur Abschaffung der Todesstrafe bel. Mit ihr ein Ende zu machen, wäre eine Aufgabe würdig der Arbeiterregierung. Waren es doch auch im Deutschen Reichstage nur die Arbeiterparteien, die gefchloffen. gegen alle Bürgerlichen Wir bie endgültige Abfchaffung der Todesstrafe geftimmt haben.
Gedankensplitter.
Die Frauen führen uns. Laßt sie uns vollkommen machen! Je mehr Einsicht sie haben, desto aufgeklärter werden sie werden. Auf der geistigen Kultur der Frauen beruht die Weisheit der Männer. Cheridau.
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Scherz und Ernst
Neffe und Onfel. Man fennt die herzigen Wige aus Kinder mund. Das allerherzigste Stüd aber hat neulich der kleine Neffe des Herrn Stinnes produziert. Fragt:„ Sag ma!, Onfel, was macht der Unternehmer eigentlich, wenn er nicht zurechtkommt?" Dann schmeißt er einfach die Arbeiter raus," belehrte ihn der fun dige Onkel. Und wenn nun die Arbeiter nicht zurechtkommen," fragt der Kleine weiter, dann schmeißen sie einfach die Unternehmer raus, ja?" ( Aus ,, Lachen lints".)
Einer, der seiner Frau das Denten verbof. Ein Mann verbot feiner Frau das Denten. Auf eine Zeit fügte es fich, daß fle in feiner Abwesenheit ein Huhn briet; das ch sie allein, und mit Absicht ließ sie die Hühnerbeinchen auf dem Tisch llegen. Als der Mann heim fam, fah er sie an und sprach: Frau, du hättest mir doch etwas von dem Huhn aufheben können." Die Frau antwortete: Du hast mir doch das Denten verboten! Darum durfte ich nicht an dich denken." Daraufhin ließ er von dem Berbot ab.
Chriftlich Chinesisch. Das chriftlichfaziale Linzer Boltsblatt" brachte in seiner Weihnachtsnummer die Nachricht, daß ein Salvatorianer Bater P. Ansger Glück aus Nassau das Lied Stille Nacht " ins Chinesische übersetzt hat. Die Notiz führt auch den chinesischen Text des Weihnachtsliedes an, der da lautet: Ju flang fu fis
Hang je linang tfdeut Rung tiäh tin toe Scho ju lin tep Ame iseng tsche fef Je ju schung we
Das fromme Blatt fejeint einem argen Schalt aufgefeffen zu fein oder aber, es hat in einem Anfalt von Selbsterkenntnis feine Lefer und Mitarbeiter mit dem richtigen Namen belegt. Die An fangs- und Endbuchstaben des chinesischen Weihnachtsliedes ergeben nämlich die in diesem Falle sicher zutreffende Anrede: Ihr Schafstöpfet"
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Deafonische Gefehe. Es sind gerade hundert Jahre her, daß man in England die legten Selbstmörder am Kreuzwege begrub, mit einem spizzen Holz durch den Körper. Im folgenden Jahre milderte sich, wie wir in der Frankfurter Zeitung lesen, der Brauch dieses chriftilchen Bandes insofern, als man den Unglück. lichen ein Begräbnis zugeftand, jedoch zur Nachtzeit und ohne christlichen Ritus. Vielleicht ist die eigentümliche Stellungnahme der Coronners- Jury gegenüber dem Selbstmord diesen harten Gebräuchen zuzuschreiben, denn die Rechtsprechung erfennt nur auf Selbstmord während zeitweiliger Geistesstörung", wenn sie nicht anders fann; in allen übrigen Fällen auf„ Tod durch Unglücksfall", mit Rücksicht, wie man sagt, auf die Angehörigen des Verstorbenen. Einen Selbstmord aus frelem Entschluß gibt es für die Jury nicht. Furchtbar waren zu jener Zelt die Strafen für jede Art von Vergehen. Auf zweihundert Berbrechen stand die Todesstrafe. Man wurde gehängt, wenn man nur einen jungen Baum umbieb, ebenso wenn man Banterott machte, oder wenn man jemandem mehr als einen Schilling stahl oder aus einem Laden mehr als fünf Schillinge entwendete. Die Geschworenen tamen deshalb bei Ladendiebftählen oft zu dem Schluß, daß die Ware weniger als fünf Schlinge wert fei, während es aller Augen tfar war, daß sie einem Wert von baufend Schillingen oder mehr hatte. Diese drakonischen Geseze vernichteten ihren Zwed, da man sich, wie das englische Sprichwort sagt, ebenso gut wegen eines Schafes hängen lassen fonnte, wie wegen eines Lammes". Mit anderen Worten: es war sicherer und ausfichtsvoller, auch das größte Berbrechen zu begehen, wenn man sich auf diese Weise sichern fonnte, denn die Strafe blieb die gleiche.
Die Aufgeklärte. Ontet zur zehnjährigen Nichte:„ Wirst du heiraten, wenn du aroß bist, Elschen?" Elschen: Nein, Onkel, auf keinen Fall Mutti fagt, meist gehen sie wieder auseinander, wenn sie ein Jahr verheiratet sind, und dann figt man da mit vier unverforgten Kindern!"
Ein ffeiner Hafen. Fräulein. Drilldop, ein ältliches Mädchen, erzählt: Ach ja, Frau Jefocks, ich hätt auch als längst beirohde fönne!"„ Ja, äwer woröm dann han Se dat nit getan?" „ Och, er wollt nit!"
Wasser tut's freilich Rühe?"
,, Wieviel Milch geben denn deine ,, Ungefähr 20 bis 30 Liter." ,, Und wieviel verfaufft du davon?" Fünfaig!"
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Das Rennpferd. Ein Sportsmann hat die Angewohnheit, bis. meilen im Schlafe zu sprechen. Neulich passierte es ihm, daß er, laut und vernehmlich, mehrmals: Irene! Irene!" ausrief. Seine Frau, die auf einen ganz anderen Namen hört, stellt ihn am nächsten Morgen zur Rede. Er antwortete, Irene fei der Name eines Rennpferdes. Als er einige Tage später nach Hause tam und ich erfundigte, ob fich irgend etwas Wichtiges ereignet habe, verichte seine Frau trockenen Tones: Rein, gar nichts. Nur dein Rennpferd hat zweimal telephonisch angefragt, ob es dich sprechen fönne."