Die junge Fabrikarbeiterin.

Frühmorgens, wenn es jedhs gefchlagen, Kommt sie im schlichten Arbeitskleid, An Sonnen- und an Regentagen, Zur Sommer- und zur Winterszeit. So munter tommt sie hergegangen, Als ging es ftrads zur Tanzmusit, mit hellen Augen, roten Wangen, Ein junges Mädchen der Fabrit. Sie frift mit einem frohen Lächeln Un ihres Tages Laft und Qual. Es geht von ihr wie Frühlingsfächeln Durch den verstaubten Arbeitsjaal Manch Jugendglüd bleibt ihr verfchloffen, Umsonst lodt fie der Sonnenschein Und dennoch steht sie unverdroffen Auf ihrem Plah jahraus jahrein. Sie steht allein in dem Betriebe, Wo sie sich durchzuringen hat. Ach, auch die größte Mutterliebe Reicht nicht bis in die Arbeitsstaff, Hier kann die Frechheit fie verlehen, Rein freues Auge sie bewacht Zur Wehr muß fle fich felber jetzen Und freut sich ihrer jungen Kraft.

Soldatt

Und dennoch schürzt sich manche Lippe Und spricht mit faum verhehltem Hohn: Es ist doch nur die alte Sippe Aus der Fabrik. Das tennt man fchon." Dann spinnen weiter sie das Fädchen Von Kunst und Größe, Ehr und Ruhm Und doch, in jedem armen Mädchen Da liegt das wahre Heldentum.

Emma Dölg.

Der Frauentag in Oesterreich .

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Mag fein, daß viele Genossen und selbst Genoffinnen erstaunt oder auch mißbilligend gefragt haben, was fällt den Desterreicherinnen ein, fie haben doch das Wahlrecht, find ganz gleichberechtigt zu mindest steht es so in der Verfassung und trotzdem machen fie einen Frauentag! Ja, wir haben thn gemacht, freuen uns darüber und find stolz darauf. Denn wohl felten hat ein internationaler Beschluß solche Wir­fungen ausgelöst zum Vorteil der Partei wie der von Hamburg im Mai 1923, wieder wie vor dem Krieg einen internationalen fozia listischen Frauentag abzuhalten. Wenn man Begeisterung und Jubel messen könnte ich weiß nicht, wozu man greifen müßte, um dar­zustellen, wie für diesen Frauentag gearbeitet wurde und wie er ausgefallen ist. Ohne Uebertreibung fönnen wir fagen, daß wir durch die Frauentagsversammlungen, von welchen weit über hundert stattgefunden haben, mindestens 50 000 bis 60 000 Frauen erfaßt haben. In Wien und im ganzen Reich. In Wien allein haben mit den vorbereitenden Versammlungen 46 Frauentagsversammlungen getagt, in den großen Bezirken find 5000 bis 6000 Frauen gekommen, und es hat feinen Saat gegeben, der groß genug gewesen wäre, um die Frauenmassen zu faffen, die vielfach in geschlossenem Zug, an der Spitze die Musikkapelle des Republikanischen Schutzbundes, voran die roten Fahnen und Stan­darben der Bezirke, durch die Straßen marschiert sind. Das Programm des Tages war überall ein festliches: Mufit, Gesangsvorträge, Rezitationen, Sprechchöre der Mädchen von der Jugendorganisation und im Mittelpunkt die Frauentagsrede einer Genoffin. Im übrigen haben auch führende Genossen, so Bürger­meister Seit und andere, Referate übernommen. Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß sich die Zahl unserer weiblichen Mitglieder feit den Wahlen vom Oftober 1923 um mindestens 30 000 vermehrt hat in Wien allein um mehr als 20 000- jo fönnen wir schlie Ben, daß sich nach dem Frauentag diese wieder vervielfachen wird. Man darf nicht verkennen, die Frauen sind mit Stolz gemein sam mit den Genossen organisiert. Sie erscheinen bei allen Rund gebungen in großer Zahl, aber der Frauentag ist ihre Sache, ist Frauensache, da werden Taufende erfaßt, die zu den allge­meinen Beranstaltungen nicht fommen. Da die Frauen Surch ihre geistig zaghaftere Einstellung im Kreise der Männer felten fo zur Geltung fommen wie es ihrer Zahl entspricht, mußte der Frauen­tag zu solchem Enthusiasmus und zu folcher Begeisterung führen. Die Frauen haben gezeigt, sie haben dargetan, was sie leisten tönnen und ihre Energie wird dadurch noch mehr angefpornt fein. Im Bordergrund der Frauentageversammlungen stand Ser Grundsatz: die Frauen mit dem Bewußtsein jener Rechte zu erfüllen, die sie durch die Revolution gewonnen haben. Denn das darf man nirgends verkennen, daß gerade die unpoli tischen Frauen ihre staatsbürgerliche Gleichberechtigung viel fach hinnehmen als etwas, das nun eben da ist. Sie sollen aber wissen, was es für sie bedeutet, Wählerinnen zu Jein. Dazu hat der Frauentag beigetragen. Zur Unterstüßung ber Propaganda hat das Frauenreichskomitee eine Festschrift herausgegeben, die binnen weniger Tage in 55 000 Exemplaren verkauft war, ehe noch der Frauentag vorüber war.

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Zu den Forderungen, die zum Frauentag erhoben wurden, gehört in erster Linie der erweiterte Mutter-," Arbeiterinnen und

Kinderschuß, die Aenderung des Strafgejeges, bas die Frauen als Mütter, vor allem durch die$§ 144-148, fhmer benachteiligt, es find das die Paragraphen, die Kerterstraße jeder Frau androhen, die aus sozialen oder gesundheitlichen Gründen weitere Rinder nicht gebären will.

Die Genoffinnen Desterreichs sind glücklich, daß fle der reutschen Sozialdemokratischen Partei und den Frauen aller Länder fagen fönnen, daß der Beschluß von Hamburg bei ihnen diefe überragende agitatorische Wirtung getan hat, um so mehr, weil wir die lleber zeugung haben, daß jeder Fortschritt, jeder Erfolg in einem Lande auch dem anderen zugute tommt. Adelheid Popp .

Kinderselbstmorde.

Eltern- und Jugendberatungsstellen.

Unter allen Anklagen, die soziale Mißstände gegen die Gesellschaft von heute erheben, ist vielleicht die schärffte der Kinderfelbstmord. In die Stätte, wo Luft, Freude, Licht Selbstverständlichkeit sein sollten, in die Seele des Jugendlichen, ziehen Qual, Bein, Finsternis ein Bier Selbstmorde haben in den letzten Wochen wieder an das Ge­wiffen der Erwachsenen gepocht. Ein fünfzehnjähriger Sekundaner stürzte sich aus dem Fenster des dritten Stodes des Schulgebäudes, als der Klaffenlehrer mit der Mutter über feine mangelhafte Benfur Rüdsprache nahm. Die 17jährige B. beging einen Selbstmordverfuch, weil sie von der Mutter geohrfeigt wurde. Vom ersten hieß es, er sei ein frischer Junge gewesen, von der zweiten, fte habe sich schon öfter mit Selbstmordgebanken getragen. Die beiden anderen Kinder. tragödien haben sich in Wien abgespielt. Der 14jährige Realschüler D. verlegte fich schwer durch einen Schuß aus dem Revolver feines Baters, weil er zu Hause eine Strafe zu gewärtigen hatte. Eine 16jährige hat sich im Gefängnis erhängt, weil man sie als minder­jährig nicht unter Sittenkontrolle stellen wollte... Die Quellen der Selbstmorde in diefen zufällig herausgegriffenen Fällen llegen auf der Hand: Das find Haus, Schule, Lieblosigkeit, ungenügende Jugend­fürsorge.

Die abgespannte, von Nahrungsforgen geplagte Mutter, der von Tages Mühen abgeracerte Bater, die es auch nicht anders gekannt haben, greifen allzu leicht zu förperlichen Züchtigungen und merken nicht, wie sie im Rinde seelische Konflikte heraufbeschwören, wie es zwischen dem Bedürfnis zu leben und der Notwendigkeit zu haffen hin- und herschwankt. Im fritischen Zeitpunkt des Entwicklungsalters entsteht dann eine Entfremdung, die durch das geringe Berständnis für die natürlichen Forderungen des jugendlichen Alters noch ver. größert wird. Die Eltern haben ihren Einfluß auf das Kind gerade in dem Augenblick verloren, wo er am nötigsten gewesen wäre. Das gleiche gilt von der Schule. Nur felten entsteht ein inniges Berhältnis zwischen Schüler und Lehrer, der nicht Erzieher und Be rater ist. In den größtenteils überfüllten Klassen ist das Kind für ihn nur eins von vielen: ihm eine individuelle Behandlung zuteil werden lassen, kann er und versteht er auch oft nicht. Hier wird der eim gelegt zur feelischen Bereinfamung, zur Abgeschlossenheit gegen über dem Erwachsenen, der doch dem Kinde Freund sein sollte. Gegen­liber bem höheren Schüller, dem Fortbildungsschüler, der im Ent wicklungsalter steht, insbesondere gegenüber dem psychopathisch ver anlagten, der sich allzu leicht in seine seelische Vereinsamung und in Konflikte verrennt, erfüllt die Schule um so weniger ihre Aufgabe. Im Gegenteil, fie verschärft oft noch die innere Berriffenheit des Jugendlichen durch völlige Verständnislosigkeit für dessen Seelen­leben. Daher die Jugendselbstmorde. 727 junge Menschen von 15 bis 20 Jahren heben in Breußen im Jahre 1921 sich das Leben genommen, 828 im Jahre 1922; fo zu lesen im Buche des Dr. Sauer über Jugendberatungsstellen. Rann in vielen Fällen weder Haus noch Schule Berater und Helfer der Jugend sein, so wird es der Gesamtheit zur Pflicht einzufpringen, Stätten zu fchaffen, wo Eltern und Jugendliche, in erster Linie die Jugendlichen selbst, fich Rat holen könnten. Diese Aufgabe sollten Jugendberatungs. stellen erfüllen, wo Menschen, mit Liebe und Wissen um die Nöte der Jugend ausgerüstet, ihres Vertrauens würdig, ihr helfen, mit ihren seelischen Konflikten und ihren Konflikten im Elternhau'e fertig zu werden. Was wäre natürlicher, als daß in den Jugendämtern neben amtlich bestellten Jugendpflegern eine Reihe freiwilliger Helfer, in erster Linie Bädagogen, Aerzte, ältere Beute aus der proletarischen und bürgerlichen Jugendbewegung, der Jugend und auch den Eltern mit Rat und Tat zur Verfügung ständen? Wie oft wünsch ten die Eltern ihren heranwachsenden Kindern mehr Berständnis entgegenzubringen, wissen aber nicht, wie es zu tun fel. Eine ein fache Rücksprache mit einem wohlwollenden Menschen täte hier Wun­Der. Also nicht nur Jugend, sondern auch Elternbera. tungsstellen müßten es sein. Da tönnte so manches Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in der Familie gebeffert werden.

Wie aber der Schule helfen? Ein Erlaß des preußischen Mini­fters für Wissenschaft, Kunst und Bollsbildung an die Provinzial Schulkollegien will auch hier Besserung schaffen. Er sieht vor, daß bie angehenden Lehrer in Zukunft während ihrer Ausbildungszeit fich eingehend mit dem Seelenleben von gefunden und kranken Rindern befassen, daß sie sich auch einer Prüfung in der Jugendkunde unterziehen, und so zu wahren Erziehern werden.

R.

Gelbst in den höchsten Ständen genießt die Frau nur eine geheuchelte Achtung, zum Schein gehätschelt, in Wahrheit gefnechtet, als unmündig in ihrem Vermögen angefehen, als volljährig nur Beaumarchais. in der Verantwortung für ihre Fehler.