Die moslemische Frau.
Bon Erna Büsing.
Den hohen Gedanken der Internationalität erfaßt nur, wer sich eifrig die Mühe gibt, jedes Volk aus seiner nationalen Eigenart heraus zu verstehen. Ebenfcwenig wie ein Mann, belastet mit dem Düntel der Marinherrlichkeit, das Wesen der Frau erfaffen kann, ebensowenig fann ein Europäer, zum Plagen angefüllt mit europäischer Ueberheblichkeit, dem Wesen des Orientalen gerecht werden. Morgenland und Abendland find zwei gänzlich verschiedene Welten, dessen müssen wir stets eingedenk sein. Es handelt sich um zwei verschiedene Kulturen. Wenn man vom Orient spricht, kann man den Islam nicht übergehen, da er nicht nur Religion, sondern auch staatliche Gesetzgebung ist und um Böller sehr verschiedener Raffen
ein einendes Band schlingt.
Viel ist den europäischen Frauen von der Unfreiheit der orientalischen Frau berichtet worden. Man erzählt europäischen Industriearbeitern bekanntlich auch von der menschenunwürdigen Behand lung der Kulis( die nicht etwa bestritten werden soll), um zu der fein überlegten Tendenz zu kommen, daß die europäischen Arbeit geber doch wahre Wohltäter sind. Desgleichen erzählt man von der Knechtung der orientalischen und namentlich der mohammedanischen Frau, damit die Europäerin zufriedenen, dankbaren Sinnes ob ihrer gehobenen Stellung sei.
Von der moslemischen Frau soll hier die Rede sein. Wir Sprecher gewöhnlich von der Mohemmadanerin. Die Anhänger Mohammeds aber habet nicht die Gepflogenheit, sich nach ihrem Propheten zu nennen. Sie find Mosiems, und die nach dem Koran leben, sind die islamischen Völker. Islam heißt Gottergeben, man findet jedoch auch die Uebersetzung Friede für dieses Wort. Für den gläubigen Moslem ist bis auf den heutigen Tag das Leben des Propheten maßgebend. Und da die Frauen um Mohammed bekanntlich eine sehr große Rolle spielten, so dürfte eigentlich auch heute den moslemischen Frauen in der Betätigung für die Allg meinheit kein Hindernis in den Weg gelegt werden. Wir erleben es auch, daß in der jungen türkischen Republif eine Frau, Edib hanum( hanum bedeutet Dame) Unterrichtsminister und die Gattin des Präsidenten Mustafa Kemal Abgeordnete ist. In der Türkei nimmt die verheiratete Frau nicht den Namen des Mannes an weil fie tein Sachgut des Mannes ist. Zur Förderung der chriftlichen Missions- und der europäischen Kolonialinteressen wird immer sehr viel von dem Fanatismus der gläubigen Mohammedaner erzähit. Dabei anerkennt der Islam Chriftus, Moses und alle Propheten. Mohammed selbst heiratete eine Christin, fie hieß Mirjam ( Maria). Auch heutzutage traut der Imam ( Geistliche) einen Moslem mit einer Andersgläubigen. Die Frau braucht teine Mitgift, sondern der Mann muß seiner Erwählten ein, feinen Bermögensverhältnissen entsprechendes Geldgeschenf machen. Dieses, ihr Geld verwaltet die Frau vollkommen selbständig. Die Eltern müssen der Tochter das gleiche Erbteil geben wie dem Sohne, das hat bereits Mohammed festgelegt.
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Was aber war das Ideal vieler sich für alle Welt maßgebend Dünkender bürgerlicher Familien im wilhelminischen Deutschland ? Alles Geld wurde zusammengescharrt, damit der Sohn Offizier wurde oder seinen Deftor machte und die vermögens! ose Lochter ging in eine( oh, welches Glüd) adlige Familie als Fräulein schlicht 1: m schlicht.
In einigen iẞemischen Ländern hat die Entwicklung einent folchen Weg genemmen, daß die Frau gegenwärtig in die Deffentlichkeit treten muß. Sie wird in den außerhäuslichen Wirtschaftsprozeß eingespannt, aus Verantwortungsgefühl heraus ist sie gezwungen, sich politisch zu intereffieren. Elliche Orientländer sind zwungen, fich politisch zu intereffieren. nämlich zurzeit in der Umstellungsperiode vom Agrarland in das den Umschwung der Berhältnisse verstehen und für ihre GeschlechtsIndustrieland. Allererts hören wir von Frauenrechtlerinnen, die genoffinnen erweiterte Bildungs- und Berufsmöglichkeiten erstreben. schwere Kämpfe auszufechten haben, damit die papierne Gleichberechtigung zur wirklichen wird. Solange nicht gleiches Recht für beide Geschlechter erreicht ist, wird es Frauenfragen geben. Diese haben, schließlich in Menschheitsfragen aufzugehen. cber sind immer nur dann berechtigt, wenn sie das beabsichtigte Ziel
Im Morgen- und im Abendland werden die Frauen noch
Weibliche Entwicklungsstufen.
Es ist eine allgemein beobachtete Erscheinung, daß Mädchen geistig früher reifen als Knaben, daß in den Pubertätsjahren die geistige Entwicklung der Mädchen derjenigen der Knaben überlegen ist. Im Gegensah dazu chein zu stehen, daß die ersten Arbeiten schöpferisch tätiger Frauen meistens in sehr viel höherem Lebensalter ausgeführt werden als bei Männern. Bei einigen, willkürlich herausgegriffenen Dichtern und Schriftstellern liegt z. B. die Beit ihrer ersten bedeutenderen Publikationen in folgenden Lebens
altern:
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25 Jahre
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Heine Hebbel
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9
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18. v. Scholz Hauptmann
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Zwischen dem 20. und 25. Lebensjahre scheinen Sie Frauen in geistiger Beziehung eine Krise durchzumachen. Meistens wird in jene Letensjahre ihre Eheschließung follen. Ehe und Kinder bes stimmen bei der Frou viel mehr das geistige und feelische Leben als beim Mann. Es ist wohl anzunehmen, daß es einiger Jahre der Entwidlung, auch in der Frau mit besonderer Begabung, bedarf, bevor sich gegenüber diesen Einwirkungen schöpferische Arbeit auf anderen Gebieten durchzusehen beginnt.
Liebe und Ehe.
Gedanken eines Arbeiterphilosophen.
Bon Karl Fischer.
Der Arbeiterphilofoph Joseph Dieggen ist auch heute noch, trotzdem sein Sohn viel dazu beigetragen hat, den Schriften des Vaters weiteste Verbreitung zu verschaffen( fie find im Verlag von Dieß erschienen), viel zu unbekannt. Dießgen, Lohgerber von Beruf und früh Anhänger des Sozialismus, hat zu allen, das öffentliche Leben bewegende Fragen in vorbildlich flarem Stil Stellung genommen. So hat er sich auch wiederholt über Liebe und Che geäußert. Dießgen, der nach kurzer Ehe Witwer wurde und mit einem Sohn und zwei Töchtern zurückblieb, wanderte nad) Amerika aus, wo er auch gestorben ist.
An seinen Bruder schreibt er:„ Auch Minna aus Pittsburg hat uns ihren Besuch angemeldet. Mein Verhältnis zu ihr ist immer ein rein platonisches gewefen. Ich hatte woh! oft Luft gehabt, ihr näher zu kommen. Aber sie hatte nichts und ich hatte nichts, da waren also keine Aussichten zur Heirat; und so unter der Hand, das war mir wegen der möglichen Früchte zu gefährlich." Man beachte die Reinheit der Sitten dieses einfachen Mannes aus dem Volk. Da er die Freundin nicht heiraten fann, um nicht Kinder im Elend in die Welt zu setzen, legt er sich ihr gegenüber alle Reserve auf und läßt sich nicht dazu verleiten, ein Verhältnis" mit ihr anzufangen. Die brüchige, bürgerliche Moral hat bekanntlich immer wesentlich anders über diese Dinge gedacht und ist mit der größten Leichtigkeit über derartige Bedenken hinweggeglitten. Man hat hier nur das Bestreben, der Sinnenluft zu leben, unbekümmert darum, was aus den Opfern wird.
Die Ehescheidung ist in islamischen Ländern sehr leicht. Abneigung eines Ehegatten genügt. Die Kinder verbleiben der Mutter. Einer geschiedenen Frau haftet tein Matel an, wie das in dem vorurteilbehafteten Europa noch bis auf der heutigen Tag der Fall ist. In islamischen Ländern ist die Polygamie( Bielmeiberei) erlaubt. Im Abendland ist sie verboten, existiert aber dech. Der Mostem hingegen fennt nur cheliche Kinder. Der Koran gebietet den Ehemännern, ihre Frauen freundlich zu behandeln. Ein Sündenfall ist den Moslems( es gibt über 300 Millionen Moslems) unbekannt. Während es in der Bibel( 1. Tim. 2, 11-14) heißt:„ Ein Weib ferne in der Stille mit aller Untertänigkeit. Einem Weibe aber gestatte ich nicht, daß fie lehre, auch nicht, daß sie des Mannes Herr sei, sondern stille sei. Denn Adam wurde zuerst geschaffen und erst danach Eva., Adam war nicht schuld, aber das An diese Jugendfreundin, Minna Werner, hat Dietgen einen Weib hat gesündigt", sagt der Koran 2, 228:„ Es gebührt den Brief über Goethes Liebe und Untreue geschrieben. Er äußert hier Frauen dasselbe Recht, wie von ihnen die gleichen Pflichten verso unverfälschte, natürliche und zum Teil urwüchsige Ansichten über langt werden. Und sie haben in gleicher Weise Rechte gegen die Männer, wie letztere folche gegen die Frauen haben."
Die Kinder zollen den Eltern die größte Hochachtung. Selbst in den fortschrittlichsten Familien findet man es, daß ein Sohn, der womöglich ein hohes Staatsamt bekleidet oder ein berühmter Offizier ift, in der Gegenwart seiner Mutter nicht raucht. Mohammed selbst fegte:„ Das wahre Paradies liegt zu Füßen der Mutter." In illa mischen Ländern gilt Reichtum viel weil man durch ihn Gutes tun fann, Klugheit çit aber auch sehr viel weil man durch sie Wissen verbreiten fann.
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die Liebe, daß sie wohl kaum übertroffen werden können. Er sagt in diesem Zusammenhang: Treu und untreu find beide Geschlechter - je nach Umständen. Die Lösung dieser Angelegenheit ist in den sozialen Verhältnissen und nicht in der Moral zu suchen." Wir wissen ja nur zu gut, daß es auch heute noch für diese Dinge eine doppelte Moral gibt. Der untreue Arbeiter heißt gemein und roh, der feine Manu" aber, der untreu in Liebe oder Ehe ist, wird mit tausend Scheingründen entfchuldigt.
Diegg n ist aber andererseits auch offen genug, um die frische und aus dem Herzen tommende Sinnlichkeit eines großen Dichters