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Du hast nichts anzuziehen? Aber es ist doch schick, nackt zu gehen!"

Das Land der Kinderfreunde.

Die Bewegung der Arbeiterkinderfreunde ist, wie man weiß, von Deutschösterreich ausgegangen und schon damals entstanden, als das alte große Desterreich noch war. Erst vor kurzem ist Genoffe Anton Afritsch   Graz gestorben, der Gründer des ersten Arbeiter finderfreundevereins. Dafür aber lebt und arbeitet in ungeminder: ter Frische unser Mar Winter als Obmann des ganzen Kinder­freundebundes in Deutschösterreich und als rührigster Mann in der neugegründeten Internationale der sozialistischen   Erziehungsorgani Jationen.

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Als ich im September 1921 noch vollen und was für! acht Jahren des Fernseins von meiner Heimatstadt Wien   Freund Winter in feiner Kinderfreunde fanzlei besuchen wollte, da mußte ich nach Schönbrunn  , in das berühmte Luftschloß der Habs burger, das Mario Theresia nach dem Muster von Versailles   hatte bouen lassen, in dem Napoleon   den Frieden von 1809 diftiert hatte und wohin der alte Franz Joseph   täglich um 4 Uhr nachmittags hinausgefahren war, von der Hofburg   im offenen Zweispänner, un­ausgefeht dankend falutierend, wie wir das als Kinder oft genug gesehen hatten.

Arbeiterfelbsthilfe für ihre Jugend.

Die Sozialdemokratische Portei erstrebt für die Jugend nicht nur einen ausreichenden Schuh im Arbeitsleben, sondern vor allen Dingen Einrichtungen, durch die dafür gesorgt wird, daß die Jugend fich geistig und körperlich gefund entwickeln tann. Sie fördert die Arbeit der Jugendämter durch ihre Wohlfahrtsorgane: den Bezirks. ausschuß für Arbeiterwohlfahrt und Kinderschuh und die Arkeits­cemeinschaft der Kinderfreunde( Lindenstr. 3, 2. Hof 2 Tr.). Ihre Helfer( rund 4000) arbeiten völlig unentgeltlich, aber mit ganzer Hingabe bei allen Stellen der Jugendfürsorge mit. Die beiden ge 1.cnnten Organisationen laffen es sich aber auch angelegen fein, der Jugend aus eigener Kraft Förderung angedeihen zu lassen. So rüften sie unter anderem alljährlich Wanderungen für solche Schüler aus, denen mit Schluß des Schuljahres der Abschied von der Kind­heit und der Eintritt ins harte Erwerbsleben bevorsteht. Wir lassen hier den Bericht einer Schülerin folgen, die an. einer solchen in den Pfingstferien stattgehabten Wanderung durch die Sächsische Schweiz  teilnahm:

1921 aber faß in dem ehemaligen Kaiserschloß bereits die Ben­trale der Kinderfreunde, denn die junge Republik Deutschösterreich hatte unter sozialdemokratischer Leitung tüchtige Arbeit in der Nuh barmachung unausgenutzter Riesenschlösser für Gemeinschaftszwede gemacht. Neben der Zentralkanzlei und dem großen Lager guter Jugendbücher, das die Kinderfreunde unterhielten, war da auch eine Pflegeschule des Bundes und ein fleines Internat. Ats wir in den Schloßhof hinunterstiegen, fpielten da eine Anzahl Arbeiter Kinder und da sie Mar Winters anfichtig wurden, ertönte es gleich vielſtimmig und fröhlich: Freundschaft!

Und drei Jahre darauf, im September 1924, führte mich der Weg in eine Reihe deutschösterreichischer Provinzorte, um den Bar­teigenoffen dort etwas über die reichsdeutschen Verhältnisse zu er zählen. Da sah ich nun, wie der Ruf Freundschaft!" inzwischen fast überall zum Barteigruß geworden ist. Männer und Frauen riefen fich beim Zusammentreffen Freundschaft!" zu, ja sogar die Ber­fammlungen wurden mit diesem Wort eröffnet und geschlossen.

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Reisebericht von Hildegard Lange

( Schülerin der Oberflosse Welliche Schule Wedding).

,, Am dritten Pfingstfeiertag früh um 45 Uhr begann die Reise. Mit vollgepadten Rudfäden begrüßten wir unsere Mitschüler und -Schülerinnen. Trotz der Frühe mar hier ein reges Leben. Vom Anhalter Bahnhof   fuhren wir ab. In freudiger Erwartung standen wir am Fenster des Zuges. Je weiter wir uns der Großstadt, ent­fernten, desto schöner wurden die Landschaften. Nach 6stündiger Fahrt stiegen wir in Dresden   aus. Da wir in Dresden  , infolge der Pfingstfeiertage, fein Quartier befommen fonnten, sahen wir uns nur den Zwinger von außen an und fuhren dann weiter, mit der Eisenbahn nach Rathen  . Um Rathen  , den Ort unseres ersten Quartiers zu erreichen, mußten wir uns mit einem Motorboot über die Elbe feßen lassen. In einem Schulgebäude wurde uns ein Klassenzimmer als Nachtquartier angewiesen. Nachdem wir uns vom Reiseftaub gefäubert hatten, bestiegen wir die Bastei  , den bekannten Teil der Sächsischen   Schweiz. Beim Hinaufgehen marschierten wir durch den Uttewoldergrund und das Heringsloch. Schon beim Auf stieg bot sich unseren überraschten Augen ein wundervoller Aus­blid. Vom Basteivorsprung hatten wir eine schöne Aussicht in das weite Elbtal. Beim Abstieg paffierten wir den Amselgrund und die Schwedenlöcher. Müde von all dem ungewohnten Schauen, legten wir uns zeitig zur Ruhe. Am anderen Morgen, beim hellen, marmen Sonnenschein, marschierten wir mit heiteren Gefichtern zum Amfelgrund. Frischen Mutes bestiegen wir den Bodstein. Unsere Kletterportie herauf war durch die Wolfsschlucht. Um auf den riesengroßen Berg zu gelangen, legte man, in einem Spalt, den man später die Wolfschlucht nannte, fünstliche Stufen an. Wie es bei allen solchen Treppen ist, macht das hinuntergehen viel mehr Spaß, als sie zu ersteigen. In Polenztal bezogen wir ein sehr schönes Quartier. Die Festung Hohnstein   fonnten wir nicht besichti­gen, weil diese als Gefängnis dient. Der Brand ist ein Berg, der fehr viel bestiegen wird; benn er ist nicht gefahrvoll. Der nächste Taz führte uns die Bolenz entlang bis zur Mündung in die Elbe. ett fahen wir wieder ein Städtchen, Bad Schandau  , in welchem wir unsere Eßwaren für die nächsten Tage fauften. Durch den fröhlichen Gesang, der uns beim Wandern begleitete, tam uns der lange Weg recht turz vor. Mittelndorf hieß jeßt unser Ort, in dem wir übernachtetem. Am Vormittage fuhren wir mit der Straßen­bahn zum Lichtenhainer Wasserfall. Auch den bekannten Teil, den Puhstall, ließen wir nicht fo unbeachtet an uns vorübergehen. Der Winterberg   hatte uns die fonderbaren Eigenschaften des Berglandes gezeigt. Hier schroffe Felswände, dort schöner, grüner Laubwald. Hier und da sieht man aus einer Felsspalte eine Riefer schräg her­auswachfen, die mühsam um ihr Leben fämpft. Jetzt geht es berg­abwärts zum Prebischtor. Den zweiten Tag in Schmilta regnete es, so daß wir Ruhetag hatten. Die Schrammsteine waren in Sicht. Am nächsten Tage haben wir fie erflettert. Es war ein bißchen gefährlich, aber Spaß machte uns doch das Krafzeln".

In vielen Orten Deutschösterreichs bestehen denn auch, selbst außer den nicht seltenen Arbeiterheimen, eigene Kinderheime, Tageserholungsstätten mit Spiel- und Turngelegenheiten und allem sonst Nötigen. So 3. B. in dem niederösterreichischen Eisenbahn­Probenpanft 2 m stetten, wo die Genoffen die ehemalige Kriegs­und nachherige amerikanische Ausspeisungsberade durch frei millige unentgeltliche Feierabendarbeit zu einem Saalgebäude mit Theaterbühne ausgebaut haben und einen Kinder­heimwart, der darin wohnt, besolden trot Wirtschaftsdauertrise, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit. In Steyrermühl wieder, mo die große Papierfabrik das Wirtschaftsleben beherrscht, haben sich die Genossen selbst, nur mit Zuhilfenahme einiger Berufsmaurer. zu ihrer alten Turnhalle ein prachtvolles Saalgebäude errichtet und in dem Turnfaat übt allabendlich ein friegsbeschädigter Genoffe, der auch die Sekretariatsgeschäfte besorgt, mit den Kindern rhythmisches und Geräteturnen in unerschöpflicher Geduld. In Ischl   wiederum wurde gerade ein Kinderfreundeausflug über die Berge nach dem fünf Gehstunden entfernten Auffee veranstaltet, von wo mit dem elektrischen Bug zurückgekehrt wurde. Die Kinderfreunde unter halten auch zahlreiche Heime für längeren Ferienaufex.halt.

Begeistert arbeiten die Kinderfreunde überall in dem kleinen Deutschösterreich, entziehen dadurch die Arbeiterfinder der flerifalen Jugendfürsorge und bilden ein fräftiges gesundes Geschlecht heran, dos ihre Arbeit, ihren Kampf fortfehen und zum Sieg führen wird. Richard Bernstein.

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Am folgenden Morgen fuhren wir mit dem Dampfer eine Stunde lang nach der Stadt Königstein  , wo unser Quartierwirt ein schönes Lager auf dem Heuboden für uns bereitet hatte. Nachdem wir uns gestärkt hatten, zeigte uns ein Führer die Festung Königstein  . 411 Meter über der Stadt Königstein   liegt diese Festung. Hier hörten wir viele Sagen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Auch altertüm­liche Sachen wurden uns gezeigt. Unser lieber Herr Lehrer fragte, wer noch flettern oder in der Elbe baden will. Viele entschlossen fich zum Baden. Nur ein feiner Teil entschloß sich zum Pfaffenstein. Auch ich begehrte den Berg zu sehen. Der mühsame Aufstieg lohnte sich sehr; denn wir betrachteten den herrlichen Sonnenuntergang. Doch wir weilten zu lange; denn die Diebeshöhle fiel jetzt fort. Beim Abstieg wollten wir noch einmal den hinter uns liegenden Felsen betrachten; wie erfreut saben wir die runde Mondscheibe am Feis­blod. Er begleitete uns bis nach Hause, und wir verabschiedeten uns mit einem Lietthen. Schon früh wurden wir geweckt; denn heute war der Abschied von den Bergen. Drei Stunden fuhren wir mit dem Dampfer die Elbe   entang nach Dresden  . Schade, daß die schönen Tage schon vorbei find! Aber die Erinnerung bleibt uns ja, an der wir Jahre lang zehren können. Hiermit spreche ich dem Herrn Lehrer, sowie all denen, die uns die Reise ermöglichten, meinen herz­lichsten Dant aus."

So vermag der Zusammenschluß der Erwachsenen, für den ein­zelnen mit kleinen Opfern verbunden, der Jugend manches zu geben, was einzelnen Eltern unmöglich ist.