Sozialistische Weihnacht.
Bon Bittor Engelhardt.
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Der theffte Gehalt des Festes Pegt in der Gemeinschaft des Erlebens. Ohne Gemeinschaft tann es feine Fefte geben. Der einzelne fann sich über etwas freuen, Feste feiern tann er nicht. Ein individualistisches Zeitalter mußte den Festen abgeneigt fetu. Sefte zwingen alle Menschen in den gleichen, seelischen Rhythmus.
Die Feste verschwanden überall, wo das Gemeinschaftsbewußt. fein erlosch. Ein uralter Brauch nach dem anderen verfant. Nur noch wenige Refte find uns geblieben. Ein lichterglänzender Weihnachtsbaum, ein schokoladener Osterhase. Das ist alles. Be alehungslose Tage sind der Rest.
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Wo find die, denen solche Beziehungslosigkeit völlig genügt? Ein paar einsame Geister mögen wohl leben, die feine Feste und feine Gemeinschaft brauchen. Sie sind sie reinsten Produkte der Zeit. Die meisten aber haben schon in einer Epoche des Individualismus nach Festen und nach Gemeinschaft gedürftet.
Ein puritanisch gewordener Proteftantismus hatte damit angefangen, die Feste ihres Schimmers zu entkleiden. Die Aufklärung hat den letzten Schmuckfezen von den Feiertagen geriffen. Da stand bas Bolt vor dem Nichts. Wo nichts ist, fommen schalfte Surrogate Bum Recht.
Wilhelms Baraden wurden Festersah. Militärmufit wurde Musdruck des Gemeinschaftsbewußtseins. Soweit mußten wir finden, um die Leere, vor der wir standen, zu sehen..
Noch heute hängt uns die Feftiosigkeit wie Bleigewicht an. Sie schädigt das Bolt und seine Gemeinschaft. Sie wird jogar der Republik gefährlich. Breußen- Deutschland hatte Uniformen, Baufen imd eine Tradition von ganzen fünfzig Jahren. Monarchistische Partelen zehren davon. Die Republit hat teine Paraden, und der Sozialismus fcheint traditionslos zu sein.
Er scheint es zu sein. Er ist es nicht. In Wahrheit ist sein Wollen in der tiefften Tradition verwurzelt, die es gibt, in der Tradition der Menschengemeinschaft. Auf diese fich befinnen, heißt alles bejahen, was den Menschen die Gemeinschaft fühlen läßt.
Brüder laßt uns Fefte feiern, dann werden wir fiegen über die Herzen der Menschen. Wie leicht könnte der Sieg fein, da die Gegner nur gemachte Surrogate haben. Allerdings wir dürfen nicht in den gleichen Fehler verfallen. Wir dürfen nichts machen wollen.
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Feste müssen aus dem Herzen der Gemeinschaft fommen, nur dann find fie start. Letzte Refte gibt es zu retten und zu bejahen. Rein Sozialist darf über Weihnachten lächeln. Er mag es deuten, wie er will. Aus der Bibel, aus dem Herzen, aus der Natur. Es gilt uns gleich. Alle Deutung ist nur ein Ausdruck für den zugrunde Begenden Kern, di
Der Kern aber heißt Gemeinschaft. Im fremden Band haben wir es am tiefften gefühlt. Wie griff uns da die Weihnacht ans Herz. Sie verband uns mit einer fernen Bolts- oder Glaubens. gemeinschaft. Man unterschätze nicht die äußere Form. Sich stets auf den Grund der Dinge zu befinnen, ist dem Menschen verfagt. In der äußeren Form erlebt das Gefühl, was in reinfter Größe auf die Dauer unerträglich wäre. Im Brauch des Festes, den alle Glleder der Gemeinschaft teilen, wird die Gemeinschaft für jeden lebendig, ohne von ihm weltumspannende Erkenntnis zu fordern.
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Ein individualistisches Zeitalter hat die Feste vernichtet. Ein fozialistisches muß sie wieder beleben. Denn Fest ist Gemeinschaft. In diesem Glauben mögen Sozialisten die Weihnacht begehen.
* Die Heilige Nacht.
Es schrillte, aufjammernd, ein Tiergeschrei durch die brütende Stille der Nacht. Die Scafe der Horde, die regungslos in dunkler Menge beifammengeschart flanden. rüdten noch dichter zusammen, doch die Widder hoben aufmerksam die Köpfe.
„ Es ist Demoratos." Sprachen die Hirten untereinander, eg ift Demaratos, der einen Wolf zerreißt! Hat wer einen Gre's gesehen, der einen Wolf mit den Fäusten zu erwürgen vermag?"
Sie brachen die Rede ab, denn Demaratos tauchte auf aus dem Dunkel. Dicht an das Lagerfeuer trat er. fnickte in die Knie und ergriff mit blutbedeckten Händen ein Reisigstänglein, auf das er des Wolfes Herz spießte, um es in die Flaminen zu halten. Rönnt Ich so Roms Herz verbrennen zu Asche!" schrie er laut auf. Jäh brach er ab, ftierte auf den verschrumpfenden Fleischklumpen und warf ihn angeefelt in die Glut des Feuers.
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Siebzig Jahre ist es her, Demaratos, vergiß es. vergiß es," Jagte begütigend Pacharias. an Jahren so reich wie der Mazedonier. Ich will nicht vergeffen. Bacharias. und ich kann nicht vergeffen. Ich fonn nicht vergeffen, befonders die Worte, die jener fprach: wer gibt uns Armen die bessere Waffe?"
Was ist das für ein Wort? Ich höre es zum erstenmal von deinen Lippen."
Doch Demaratos schwieg mürrisch. Sie fannten des Alten felt fame Art und fragten deshalb nicht weiter.
Schritte tamen näher. An der Lagerstätte erschienen Eleafar und Kaleb und Josia und Markus, die die zweite Hälfte der Nacht zu wachen hatten. Die Abgelösten machten sich fertig, ihre Behau fung im nahen Dorfe aufzusuchen. Da sie gehen wollten, reichte Eleafar ihnen einen Krug Schafmilch und sprach:„ Wenn ihr in Bethlehem feid, so geht in den Stall der zweiten Hütte hinter dem Brunnen, es ist ein Kind geboren worden von einer fremden Magd. Das liegt auf Stroh und die Mutter ist ärmer denn wir. Sorget für Kind und Mutter um Gottes Lohn."
Wortlos nahm Demaratos das Gefäß und schritt in die Nacht. Die anderen folgten, ohne zu sprechen. Ueber ihnen aber leuchteten
die Sterne.
Und fie tamen an die bezeichnete Hütte und gingen zum Stall. Durch eine Fensterlufe fiel des Mondes bleiches Licht, und sie sahen in der Krippe das Kindlein liegen, daneben auf einem Bund Stroh die junge Mutter. In der Ede stand ein Mann, der sich zitternd in die Hände blies. Sie waren alle ganz still, das Kind, die Eltern und die Hirten. Der Nachtmind seufzte um die Wände des grauen, ärmlichen Raumes. Wir bringen euch Mitch," sagte Demaratos. Der Mann in der Ede hob das ausgemerge'te Haupt, bewegte die Lippen, schlurfte näher und nahm Demaratos den Krug ab. Dann beugte er sich über die Wöchnerin: Man hat uns Milch gebracht, Maria," Jagte er. Die Wöchnerin tront.
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Die Hirten fauerten nieder. Und wieder war es ganz Bill, Draußen hatte der Wind zugenommen und ging wie der Atem der Zeit. ,, So werden die Armen geberen," lagte Demaratos bitter. Und Zacharias, um in einem Gespräch Wärme der Herzen aufkommen zu lassen, sagte:„ Erzähle uns, Demaratos, was ist's um das Wort, ba du vorhin fprachft. Es flang so seltsam das Wort: Wer gibt uns Armen die beffere Waffe?"
Nach einer Weile benann Demaratos: Es war eine Nacht wie diefe, um die Zeit der Winterfonnenwende, da fiel Spartafos, von dem ich euch oft berichtet. Ich war noch ein Knabe, da man aufstand wider Rom , aber das Schwert war nicht zu schwer meiner hand. Und mir fonnten nicht bezwingen des Craffus Legionen, und es tam die Nacht, in der der Armen Hoffen versant. Wid ging die Schlacht, Craffus triumphierte, und wir fuhen die freien Becker niemalen. Ich sah Spartofos fallen und fab Greuel, mie fie nie begangen worden sind. Und da ich über die Hügel floh, das junge Leben zu retten, fah ich dies: Einer der Unferen stand zwischen Haufen Erschlagener und hatte fein Schmert gefaßt und zerschlug es an einem Stein und heulte und schrie: Es wor eine schlechte Waffe, die Spartatos ums gab! Berflucht sei das Eifen, das die Armen betroq und den Reichen zu Rom den Eieq pab! Schlagt in Stücke ihr Armen die falsche Waffe, das schlechte Elfen. Ihr Götter da droben, wer gibt uns die beffere Waffe?"
Sie faßen regungslos, die Bilde ins Leere gebohrt. Demaratos Haupt aber lag auf feinen Knien.
Da mendete das Kind in der Krippe fein Röpfchen ihm zu und fah ihn an aus feltsamen Augen.
O, ihr armen und hunnernden Brüder," fuhr Demaratos fort, ,, mer gibt uns die beffere Waffe?"
Da fing er den Blid des Kindes auf. Er rutschte auf seinen fchrundigen Knien an die Krippe heran und sprach zu dem Kind, als meine er, es verstehe jeden Hauch:
" Du wirst aufwachsen, Knäblein, das Leben eines Armen zu führen. Du wirst hungern und frieren und wirst nicht haben, wohin du dein Haupt legen förmteft, und weh wird dein Herz werden von der groben Härte der Reichen. Und du mirst ihm fluchen, dem bösen Reichtum, von dem alles Leid kommt, um dessen Steinerne Mauern die Klagen der hungernden Kinder irren, vor desfen Lüren die Bettelnden harren, ihm wirst du fluchen und mirst versuchen, wie Laufende um Laufende vor bir, die verfluchten Mauern zu zerbrechen ach, daß dir geneben würde die beffere Waffe! Nimm nicht das Schwert, Knäblein, es betrügt dicht D, daß einer fäme, der Pflug und Sichel und Hammer und Richmaß in die hand gäbe ums Armen. dak mir bauen könnten den Acker und bauen das Haus, um defferi Tisch wir uns fehen könnten in einiger Gemeinde, Gleiche unter Gleichen, daß nicht der Tränen mehr gemeint würden..
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So sprach des Soartafos Krieger zu dem Rindlein und legte das alte Haupt auf der Krippe Bert und stöhnte tief auf.,
Und es war ftill, und der' em der Armen um fie ging fhmer. Des Kindes Hand aber ging wie fofend über das wirrfträhnige Haar des Demaratos.
Weihnacht!
Ein einz'ger Log im Jahr gehört der Liebe, Ein einziger fteht auch den Toen frei; Schon morgen heben an die anderen Triebe, Mit neuer Kraft die alte Schweinerei, Stott Liebe, Hiebe!
Ach, daß es bei der Liebe bliebe!