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Volksparteiltche Zerteümmerungspolitik. Ii» Anschlich an das schmachvolle Davonlaufen der Deutsch  - nationalen und der Volkspartciler aus der Landtagssitzung vom 9. Januar sendet uns die Landtagsabgeordnete Genossin E. Kirsch- man»-Röhl, unter Hinweis auf den Wunsch der Lolksparteiler, auch die Regierung in Preutzen zu zerschlagen und den Burgerblo.t «ufzmichlen. folgend« beachtenswerten Ausführungen: Wenn es wahr wäre, daßalte Weiber niemals logisch denken könnten," dann wäre die Boltspartei die Partei der alten Weiber. Dennweil die große Koalition in Preußen so gut ge» arbeitet hat, daruni muß die große Koalition in Preußen zer- ß»lagen weiden." Fabelhast logisch! Wir Fronen müßten darüber e reinste Freude empfinden, daß die unlogischste Frau von der Deutschen   Voltspartei übertrofsen wird. Aber wir haben den bren- «ende» Wunsch, daß es gelingen möge, die Politik des Ministe- riums Braun fortzusetzen. E« hat nicht alles leisten können, was uns als Erfüllung sozialdemokratischer Wünsche vorschwebt. Seine Arbeit ist Kompromißarbeit wie alles, was seit der Revo- lution aus dem Verhandlungswege erreicht wurde. Sie ist, wie alles, in manchmal viel zu langsamer, aber zäher und unerbittlicher Aus- dauer geleistet worden. Wenn wir aber nur die wenigen, die Frauen besonders interessierenden Gebiete herausgreifen: Volk», aesundheit, Erziehungsfragen, wenn wir bedenken, daß alles von der ruhigen Entwicklung und vor allem der Ordnung abhängt, für deren Zustandekonimen Seoering das Verdienst b«. ansprucheii kann, dann muh un» als Gewißheit inne werden, daß mit einer Rechtsentwiikluiig bestimmt«ine Verschlechterung »erbunden ist." Margaret Sonöfielö. Von Guftavus(London  ). Wie ein elektrischer Schlag ging es durch die Gesellschaft im ,1917 Elub", unter der ich in der Nacht noch den englischen Wahlen saß. als kurz vor 12 Uhr aus dem Lautsprecher die drahtlos ge­gebene Mitteilung kam, daß Margaret Bondfield   in ihrem Wahlkreis Rorthompton von dem konservativen Gegenkandidaten ( geschlagen worden sei. Er bekam 961 Stimmen mehr als sie, und o verlor die Arbeiterschaft den Parlamentssitz, den sie 1923 mit einer Stimmenmehrheit von 4936 erkämpft hatte.Margaret Bond- iletd war die erste Frau, die in einein englischen Ministerium saß," ügt« der Ansager hinzu. Susane Lawrence und Dorothn I« w s o n, welche mit ihr im letzten Parlament als weibliche Vertreter der Labour Party  saßen, wurden von dem gleichen Schicksal ereilt. Dafür gewann Ellen W i l k i n s o n den Wahlkreis East Middlesbrvugh für die Arbeiterpartei, deren einzige weibliche Abgeordnete sie bis zur näch- sten Wahl sein wird. Margaret Bondfield   war nicht nur dl« erste Frau in einer eng- lischen Regierung: sie ist auch, wie Dr. Orchard sagte,eine der ersten Frauen im ganzen Lande". Mit unbegrenzter persönlicher Hingab« und überaus großem rednerischen, schriftstellerischen und organisatorischen Geschick hat sie während der letzten 39 Jahre der Arbeiterbewegung gedient. In der Gewerkschaft, den Genossen- schaften, der Unabhängigen Arbeiterpartei und schließlich in der ersten Labour-Regierung als Untersiaatssekretäriri Im Arbeitsminl- Sterium hat sie wahrhaftihren Mann" gestanden. Zweisello» wird >ie heute Einundsünszigjährige, wenn die ans Ruder gekommenen Konservativen vor dem auf die Dauer nicht hemmbaren Strom der Arbeiterbewegung wieder weichen werden, zurückkehren in da» Regierungsamt, das sie für dl« nächsten fünf Jahre mit einem weniger auffälligen Posten in der Arbeiterbewegung vertauschen mußte. Eine ihrer begeisterten Freundinnen, die- Schriftstellerin M. A. Hamilton, hat soeben ein überschwängliches Buch über den bis- !»erigen Lebenslauf und die Wirksamkeit Margaret Bondsields a«. chrieben und darin mit hellen Farben ein eindringliches Bild dieser ebensvollen Führerin gegeben. Margaret Bondfield   wurde im März 1873 in dem kleinen Ort« Chard geboren. Sie stammt von armen, aber körperlich und geistig robusten Eltern. Nach mangelhafter Scbulbildung ging sie mit 1V Jahrenins Leben hinaus": diente 2% Jahre als Verkäuferin in Brighton  , wo sie unter ärgsten Ausbeutungsverhältnissen lebte, und ließ sich doch nicht klein kriegen. Dann aber lockte es sie, nach Lon- don zu gehen. Nach langen Bemühungen gelang es ihr, eine Stel­lung als Verkäuferin au bekommen. Die schlecht organisierten Laden- angestellten wurden damals elender bezahlt als Dockarbeiter und hatten eine 76stündige Arbeitswoche. Als Margaret Bondfield   ihrem Verband, derShop Assistants Union", beigetreten war, wurde sie eifrige Gewerkschofterin, las alle nur möglichen Bücher über Volks- lSirtschaft und Gewerkschaftswesen. In den Versammlungen über- ralchtc sie ihr« Kollegen durch ihre Jntelligenz und ihr außergewöhn- liches Interesse an der Sache. Unter einem Pseudonym arbeitete sie bald regelmäßig an der Verbandszellung mit und schrieb auch Ge- schichten für Unterhaltungsblätter. Sie wurde mehrfach als Delegierte zu Johresverfanunlungen geschickt, wo sie durch wohlbedachte Reden aussiel. Als Vierund- zwanzigjährige wurde sie in den Hauptvorstand gewählt! In wichtigen Kommissionen wirkte sie mit Sachkenntnis und Bedachtsamkeit. und 1898 bekam sie Anstellung als zweite Sckre- tarin des Verbandes, einen Posten, den sie 19 Jahre lang ausfüllte. Sie hatte als Rcdnerin im ganzen Lande zu tun und wurde überall hochgeschätzt. Durch Bekanntschast mit Keir Hardie   und Rainsay Macdonald kam sie dazu, sich auch der polftischen Arbeiterbewegung, und zwar der Unabhängigen Arbeiterpartei(JLP.), aiizuschließen, in der sie ebensalls eine rühmliche Rolle spielle. Während de« Krieges hielt sie zu den Pazifisten, die sich um Macdonald scharten. Im Jahre 1919 war sie als Gewerkschaftsdelegierte auf der Berner Soziakisienkonfe- renz, und nachdem sie im Herbst als Vertreterin bei einer Arbeiter» Frauentonserenz des Völkerbundes in Washington   gewesen war, nsie im Frühjahr 1920 mit einer Etudienkommisston nach Ruß» . Nach der Rückkehr wirkte sie»rsolgreich dafür, daß die Feind» seligkeiten mit dem Sowjet-Staate eingesteltt wurden. Im Dezember 1923 wurde sie dann nach einem heftigen Wahl» kämpf ins Parlanient gewählt; im folgenden Monat nahm sie da« von Macdonald gebildete Kabinett als Unterstaalssekretärin in die Regierung auf. Ihre allseitig anerkannt« Tätigkeit auch aus diesem Gebiete öffentlicher Tätigkeit fand nun leider eine Unterbrechung, ehe diese Arbeiterregierung wirklich sozialistische Maßnahmen er» gvftfen konnte. Doch nach der nun eingetretenen Reaktionsperiode, die das Klafsenbewuhtsein der britischen Arbeiterpartei stärken und die Zahl ihrer Anhänger erhöhen wird, wird davon sind heut« alle englischen Genossen überzeugt eine stabilere Arbeilcrregle- rung zur wirklichen Macht kommen, und dieser werden hoffenilich, außer der Pionierin Margaret Bondfield  , noch mehrere Frauen angehören.____ Religion und Sozialismus. Von Otto Juliusburger. In feinen gedankenreichen Aufsätzen:Die Religion der Soziale demokratie" sagt Josef D i e tz g e n. dieser groß« proletarische Denke«" Gott  , das ist das Gute, Schön«, Heilig«, soll Mensch werden, «ms dem Himmel auf die Erde kommen, aber nicht wie«inst,«mf religiöse, wunderbare Art, sondern aus natürlichem, irdischem Wege. Wir verlangen den 5)eiland, wir verlangen, daß unser Evangelium, das Wort Gottes, Fleisch werde. Doch nicht in einem Individuum, nicht in einer bestimmten Person soll es sich verkörpern, sondern wir alle wollen, das Volk will Sohn Gottes fein. Die Religion war bisher Sache des Proletariats. Jetzt, umqc-kehrt. fängt die Sache des Prvierariats an. religiös zu werden, d. h. eine Sache, welch« die Gläubigen mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzen« Gemütr ergreift. Im allen Glauben dient der Mensch dem Coaiigeiium, im neuen Glauben ist das Evangelium dazu da. der Menschheit zu dienen.»». Ja. die sozial« Demokratie ist insofern die wahr« Religion, die allein» seligmachende Kirch«, als sie dc,i gemeinschasllichen Zweck nicht mehr auf phantastischem Wege, nicht mit Bitten, Wünschen und Seufzen, sondern auf realem, tatkräftigem Wege, wirklich und wahr, durch gesellschaftliche Organisation der Hand- und Kopforbeft«rstvebt. Di« Befreiung von Rot, Elend und Sorge, von Hunger, Kummer und Unwissenheit, die Befreiung von der Plage. Lastlier de? �höheren Gesellschaft" zu sein, diese Freiheit, und zwar für die Masse, für das Volk, das ist der heilige Zweck, den zu erfüllen die so unendlich reich gewordene menschliche Arbeitskraft den Beruf hat."' Aus diesen Worten Dietzgens geht wohl zur Genüg« hervor, daß er den wirtschaftlichen Befreimigskainps der Armen und Be- drückten geradezu als eine wahrhaft religiös« Tat erkannt und ge» kennzeichnet hat, was auch nach meiner Ueberzeugung durchaus im Wesentlichen und Innersten de« wellgeschichtlichen Vorganges zu» trifft. Die Wortführer eines leeren Buchstabcnglaudens stellen eben die Religion neben das Leben, der wahrhaft, zu innerst religiös« Mensch ist ehrlich bemüht, unser Lebcn selbst zur Religion, zu einer reltgiösen Tat zu gestalten. Darum ist Religion und Sozialismus nicht zweierlei, sie gehören In der Tat untrennbar zueinander, si« sind wie Körper und Geist, nur von einem verschiedenen Standpunkte au» gesehen zwei Erscheinungsleihen, im Grunde aber gehören sie zu einer Wesenheit. Mit Recht sagt in diesem Sinne D i« tz g« n t .Di« bessere Einsicht der Sozialdemokratie besteh« gerade darin, da», was man sonst noch für stabil und ewig hält, Reltgion. Sitte imd Eigentum, nicht mehr als heilige Ausnahm«, sondern als pro» mno. entwicklungsfähige nnd entwicklungsbedürftige Teil« de» Ganzen zu erkennen. Hier hat Dietzgen auf den eigentlichen Kernpunkt hingewiesen. Nur der allein ist irreligiös, wer die Welt als»inen toten Mechan!,» mus ansehen zu können glaubt; wem aber die Welt als«in lebendiger Organismus erscheint, der von pußen gesehen freilich nur ein höchst zusammengesetztes, verwickeltes System von Bewegungen zeigt, dem aber ein Innenleben zugesprvchen werden muß. ein solcher denkender und schauender Mensch ist ein innerlich religiöser Mensch. Er sieht in allen Lebewesen sein«igen Bildnis wieder, er erkennt sich in jeder Kreatur, er fühlt sich brüderlich allen Lebewesen ver» wandt. Au» dieser. Stimmung, aus diesem Gedanken muß er traurig sein, wenn er auch nur«in Individuum leiden und darben, hungern und stieren sieht, er muß in Reih und Glied derer trete», welche durch Zusammenschluß und gesellschaftlich vrganistrte Arbeit ollen «in menschenwürdiges Dasein, einen Schutz gegen Rot und Unbill erwirken wollen. So wird die Religion nicht mehr von unserem Leben getrennt sein, unser Leben wird selbst Religion sein. Wer Religion wahrhast erlebt und sie üben will, muß Sozialist werden, wer ein Sozialist der Tat sein will, ist rcligiS».