Die Frage der Empfängnisverhütung.
das dem Bund abstinenter Frauen gehört, fonnte in Leipzig alle Wirrnisse des Krieges und der Inflationsjahre überdauern. Neuerdings fammeln sich in der sogenannten„ Volkshaus- Bewegung" wieder Frauen, die sich die Errichtung schöner alkoholfreier Gaft Auf Ausführungen hin, die ich zu dem bekannten Strafred; ts= stätten zum Ziel gesezt haben. Heime und Herbergen unserer Arparagraphen 218 gemacht habe, und in denen ich darauf hinwies, beiterjugend, in denen der Alkoholismus streng verpönt ist, zeigen, daß die Berhütung der Empfängnis wegen ihrer Ungefährlichkeit wie wahrer Frohsinn erst dort einkehrt, wo dem Alkohol der Einder Abtreibung vorzuzichen fei, ist mir eine große Zahl von Anfragen von Männern und Frauen zugegangen, in denen Auskunft
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über geeignete Mittel zur Empfängnisverhütung erbeten wird. Die ersten Anfragen habe ich nach bestem Wissen ich bin aber feine Aerztin zu beantworten versucht. Eine Beantwortung auer Anfragen ist mir aber wegen ihrer großen Zahl unmöglich. In einzelnen Briefen hat man mich aufgefordert, in Zeitungen über folche Littel und ihre Wirkung zur Empfängnisverhütung zu Schreiben. Das ist schon wegen einer Bestimmung des geltenden Strafrechts(§ 184 StrGB.) nicht angängig. Gegenstände, die zu unzüchtigem Gebrauch bestimmt sind", dürfen nicht öffentlich ange priesen werden. Unter diesen Gegenstanden versteht die Rechtsprechung alle, die beim Geschlechtsverkehr Verwendung finden können oder erfahrungsgemäß Berwendung gefunden haben, also auch die Mittel zur Empfängnisverhütung. Der Geschlechtsverkehr wird also nach dem Strafrecht ohne weiteres als unzüchtiger Gebrauch" angesehen, während umgekehrt nach dem bürgerlichen Recht Ehegatten dazu verpflichtet sind, den geschlechtlichen Verkehr nicht zu verweigern. Man kann daraus den ganzen Wirrwarr in der Grundauffassung unserer geltenden Rechtsbestimmungen ersehen.
Die Bestiminung des Strafgesetzes ist nach ärztlicher Anschauung schon deshalb außerordentlich unzweckmäßig, weil die Maßregeln, die der Verhütung der Empfängnis dienen, zugleich einen Schuh gegen die Ansteckung durch gefchlechtliche Ertranfungen bieten. Wäre man allgemein mit den Mitteln der Empfäng nisverhütung mehr vertraut gewesen, so hätten die Geschlechtstrant heiten nicht einen so ungeheuren Umfang annehmen tönnen. Ein Entwurf der Strafrechtsfommiffion zur Reform des Strafrechts hat deshalb schon 1913 Etraffreiheit bei öffentlicher Ankündigung von Mitteln zur Empfängnisverhütung vorgesehen, wenn die Anfundigung in ärztlichen Fachzeitschriften erfolgt oder an Bersonen, die mit fclchen Gegenständen Handel treiben. Auch der Entwurf eines Gefezes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hatte Straflosigkeit vorgesehen, wenn die Veröffentlichung nicht in einer Sitte und Anstand verletzenden Weise geschieht. Diese Forderung ist eine Selbst verständlichkeit. Heute ist man infolge der geltenden Strasbestim mungen darauf angewiesen. sich eine etwa nötige Information privatim zu verschaffen. Da fann aber nur davor gewarnt wer den, sich auf Ratschlage irgendeiner Nachbarin, eines Kurpfuschets oder eines Geschäftes, das vielleicht bestimmte Gegenstände zum VerPauf feilhält, zu verlassen. Die Frauen, die folche Mittel anwenden wollen- und fast alle Ehefrauen fommen früher oder später emmal in die Lage, eine unbeschränkt meitergehende Kinderzeugung verhindern zu müssen tun am besten, wenn sie sich vertrauensvoll an einen geeigneten Frauenarzt oder eine Aerziin wenden. Die Auskunft und Beratung dürfte wohl nur selten verweigert werden. Aerztliche Beratung ist aber um so mehr nötig, als vielleicht Mittel in Frage fonimen, die durch den Arzt seiber beschafft und in bestimmten Zwischenräumen erneuert werden müssen.
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Bielfach wird man sicher geneigt sein zu fragen, weshalb denn überhaupt die Empfängnisverhütung befämpft wird, obwohl doch die Verhütung selber straflos ist. Darauf ist zu antworten: Bereinzelt [ prechen wohl religiöse Bedenken mit, aber vorwiegend fommi hier die Auffassung zum Durchbruch, daß eine möglichst große Zunahme Ter Bevölkerung im Interesse der politischen Macht eines Bolles liege. Früher pflegte man ja so schön zu sagen:" Der König braucht Soldaten!" Als ob eine Mutter ihre Söhne nur zu diesem Zwecke geboren haben wollte. Dabei hängt die Vermehrung der Bevolferung gar nicht so sehr von der Baht der Geburten als von der Verminderung der Sterblichkeit ab. Man sollte das denen vorhalten, die immer über den sogenannten Geburtenrückgang in Deutschland kiagen, und ihnen fagen:" Sorgt lieber dafür, daß mir unsere Kinder gut großziehen können, als dafür, das möglichst viele Kinder in die Welt gesezt werden, von denen ein so großer Teil dann doch stirbt!"
Wenn nun auch über die Sicherheit der Mittel, die zur Empfäng nisverhütung dienen sollen, Meinungsverschiedenheiten bestehen, wenn vielleicht sogar bei feinem eine absolute Sicherheit vorhanden fein follte, so fäßt sich doch bestimmt sagen, daß bei vielen von ihnen der Erfolg in einer sehr großen Zahl von Fällen erreicht wird. Auch das ist schon ein Vorteil. Dabei sind die von der Frau anzuwenden den Mittel nach ärztlichem Gutachten gesundheitlich unschädlich.
Frauen gegen den Alkohol.
Mit Stolz können die Frauen darauf hinweisen, daß das we. liche Geschlecht niemals, auch nur in annähernd gleichem Maße dem Lafter des Alkoholismus verfallen ist wie die Männer. Aber nicht nur durch Ablehnung der männlichen Trinksitten haben die Frauen gegen den Alkohol gefämpft. Sie haben auch in tatkräftiger Beife durch Errichtung schöner, gemütlicher alkoholfreier Gastwirtschaften gegen den Alkoholbetrieb in Wirtshäusern zu wirken gesucht. So bestehen in Zürich heute zwanzig, von Frauen errichtete und betriebene alkoholfreie Gaststätten und zwei große Kurheime, in denen schon vor dem Kriege täglich 10 000 Menschen ihre Hauptmahlzeiten einnahmen. Auch in Deutschland murde furz vor dem Kriege versucht, ähnliche Gaststätten zu errichten, die aber zum großen Teil dem Krieg zum Opfer fielen. Ein besonders schönes Gasthaus,
tritt verwehrt ist.
In diesem Zusammenhang verdient ein Urteil Erwähnung, das fürzlich in Berlin gefällt wurde. Für das Freibad Wannsee hatte
der Polizeipräsident Richter die Konzession zum Alkoholausschank versagt. Auf Einspruch der Verwaltung des Freibades hat der Be= zirksausschuß Berlin entschieden, daß in dem Freibad alkoholische Getränke verkauft werden dürfen. In Zukunft werden sich also Familien, die die Annehmlichkeit des Freibades genießen wollen, der gerade hier besonders unangenehmen Nachbarschaft von Menschen, die unter dem Einfluß des Alkohols stehen, kaum entziehen können. Hätten Frauen auf diese Entscheidung maßgebenden Einfluß gehabt, dann wäre sie vermutlich anders ausgefallen. Unglückliche Ehen.
Ein Gespräch von Felix Fechenbach.
An den Fensterplägen eines D- 3ug- Abteils 3. Kaffe fizzen sich zwei Frauen gegenüber. Die jüngere hat volles, dunkles Haar, gefunde Farben und lebensprühende, schwarze Augen. Ihr Gegenüber macht einen etwas müden Eindrud. Das Leben hat schon manche Falte in ihr Gesicht gezeichnet. Ihr Haar ist grau. Sie sprechen von Ehescheidungen, von den vielen Verbindungen, die, zum Teil aus gegenseitiger Liebe geschlossen, doch zerbrechen.
Die Weltere meint, wenn die Not und das graue Elend einmal in die Ehe glogen, dann ergäben sich eine Unmenge Reibungsflächen, steigere sich die gegenseitige Reizbarkeit und entstünden heftige Meinungsverschiedenheiten über die nichtigsten Dinge des Alltags, daß daran in vielen Fällen die Ehe unglücklich würde und zugrunde gehe. Die Menschen wollten sichs nur nicht eingestehen.
Die mit den lebensprühenden Augen schweigt eine Weile. Dann stimmt sie nachdenklich zu. Aber jetzt fährt sie mit Lebhaftigkeit fort: Gerade in der Not sollte sich doch die enge Gemeinschaft zweier Menschen bewähren. Ich will dabei gar nicht von denen sprechen, die die Ehe als eine Art Geschäftsabschluß betrachten. Nur an die will ich denken, die glauben, aus gegenseitiger Neigung den Lebensband geschloffen zu haben. Und trotzdem muß ich sagen: die Menschen find zu wenig ehrlich gegen sich selbst und mit dieser Unehrlichkeit legen sie den Grund zu den sogenannten unglücklichen Chen."
„ Sprechen Sie von bewußter Unehrlichkeit?"
Nein. Die Unehrlichkeit liegt meist darin, daß sich die Menschen nicht genügend Rechenschaft geben über ihr eigenes Denfen und Empfinden und dadurch imbewußt in entscheidenden Fragen fich felbft und andere täuschen."
Und worin glauben Sie, daß hier die Selbsttäuschung liegt?" " Darin, daß Sehnsucht nach Erfüllung sinnlichen Verlangens mit Liebe verwechselt wird."
Hier entsteht eine fleine Baufe im Gespräch.
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Die mit grauem Haar unterbricht die Stille: Sie haben da ein hartes Wort gesprochen; leider ist es oft wahr. Wenn nun aber in diesem Punkt feine Täuschung vorliegt, wenn die beiden jungen Menschen sich wirklich aufrichtig gern haben und die Ehe trotzdem zerbricht, wo ist dann der Hafen?"
Dann fehlt wahrscheinlich eine andere wichtige Vorausschung der Ehe, nämlich die, daß zwischen Mann und Frau weitgehende Hebereinstimmung in Weltanschauung und Lebensauffaffung gegeben fein muß. Ist diese Borauslegung erfüllt, dann wird die Che nicht scheitern. Wenn die beiden Menschen die Kraft haben zur absoluten Ehrichkeit gegen sich selbst und zu unbedingter Wahrhaftigkeit gegen einander in allen großen und fleinen Dingen."
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Sie hat sich ordentlich in Eifer geredet. Ihre Augen glänzen. Die Reisegefährtin nicht zustimmend mit dem Kopf.
,, Was Sie son Weltanschauung und Lebensauffassung, von Selbsttäuschung und Wahrhaftigkeit sagen, ist Ausdrud schöner und idealer Gedanken und man fenn nur seine ehrliche Freude daran haben, wenn in jungen Menschen solche Grundsäge lebendig sind. Ich könnte Ihnen ganz beistimmen, wenn Sie Ihre Auffassung in einem Bunft ergänzen wollten. Das Leben ist hart, ich habe es oft genug erfahren müssen. Die rücksichtslosen Wirklichkeiten des Tages zermürben die Menschen und kehren sich nicht on Ideale. Neberminden fönnen wir diese Wirklichkeit auch mit den edelsten Grund " ben erst dann, wenn es gelungen sein wird, die heutige Organisation ven Wirtschaft und Gesellschaft weiter zu entwickeln zu höheren Gemeinschaftsformen. Sie soften jedem seinen Anteil an Lebensglück ermöglichen und verhindern, daß das Streben nach Schönem und Höhe rem von der Not des Lebens erdrückt wird. Auch die Ehen werden dann nicht mehr von wirtschaftlicher Not zerrieben und sogenannte unglückliche Ehen seltener werden. Die Frauen fönnen viel dazu beitragen, diese Entwicklung zu fördern, wenn sie am geistigen und politischen Leben ihrer Zeit teilnehmen. Sie werden dann das Streben ihrer Männer verstehen und ihnen gerade dadurch gute Gefährten fein fönnen
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Die beiden Fraien haben noch weiter gesprochen. Doch der D- 3ug fährt eben in die Bahnhofshalle zu 2. ein und ich muß ausibeigen.
leber das Gespräch im Eisenbahnabteil aber habe ich noch lange nachgedacht.