Das Zentralwirtschaftshaus.
Bon Martha Taust- Graz.
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Das Zentralwirtschaftshaus oder mit einem den Begriff nicht ganz umfassenden Ausdruck das Einfüchenhaus benannt-hat viele voreingenommene Gegner. Allenthalben bauen Gemeinden und Genossenschaften, aber nur in verschwindend wenig Fällen setzt fich das Zentralwirtschaftshaus durch. Und warum?
Die Einwände gegen das Zentralwirtschaftshaus muß man teilen in solche, die teils gar nicht ernst genommen werden können, und in folche, die sachliche Argumente enthalten. Zu den ersteren Gehört der Einwand, daß sich die Leute nicht vertragen werden. Man hätte mit derselben Begründung die Eisenbahn ab lehnen und bei den Privatkutschen bleiben müssen. Auch gibt es leider ungezählte Ehrenbeleidigungsprozesse, die alle aus der Nach barschaft in Häusern mit 50-60 Küchen herrühren. Zu den albernsten Einwänden gehört der gewisse tulinarische Indivi. dualismus, auf den sich der durchschnittliche Arbeitsmensch chnedies nur befinnt, wenn er gegen das Einküchenhaus polemisiert; denn in der Wirklichkeit des Alltags hat er dazu weder Zeit, noch Celd, noch Bollmacht. Die meisten arbeitenden Menschen essen das, was ihnen zu den Mahlzeiten vorgesetzt wird, und wenn fie gesund und die Verhältnisse halbwegs normal find- mif Bergenügen.
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Zu den törichten Einwänden gehört der von der Zerstörung der Familie. Klar ist, daß die erwerbstätige Frau und Mutter eher ein wenig Zeit für Mann und Kinder erübrigen wird, wenn Sie von den Hauptlaften des Haushaltes befreit ist, als umgekehrt. Aber nun zu den ernsten Einwänden:
Das Einfüchenhaus sei nur für einen gewissen Mittelstands. typus von Festangestellten zu brauchen. Die Wohlhabenderen verIchmähen es, denn sie tönnen sich bequeme Wohnungen und Haus gehilfinnen halten; für Arbeiter aber, die immer von Arbeitslosigkeit bedroht find, fann es nicht gebaut und erhalten werden, denn sie können in den Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht die gleiche Lebensführung beibehalten wie in den Tagen der Arbeit. Es wird auch eingewendet, daß die Wirtschaft im Einfücheneder Zentralwirtschaftshause teurer sei als in den summierten fleinen Einzelhaushalten. Um den letzteren Einwand vorwegzunehmen: Es wird ja auch behauptet, daß es ohne Mieterschutz teine Wohnungsnot gäbe und daß es vor dem Kriege, in der Zeit des freien Marktes keine Wohnungsnot gegeben habe. Wenn das Schlafen unter den Brüden, im Freien, in verlassenen Siegelöfen, die Ueberfüllung der Obdachlosenasyle feine Wohnungsnot ist, dann hat es feine gegeben. Und analog: Wenn das Frisieren in falten Zimmern, das Hocken um den ungeheizten Sparherd bei Brot und Abschnißeln" billig wirtschaften" heißt, dann tommt die Zentralheizung teurer. Es ist so die Borstellung bürgerlich- fapitalistischer Sournalisten und„ Bokkswirtschafter" vom„ Sparen", daß die Arbeiter als„ arme Leute" zu darben und zu entbehren, zu frieren und zu hungern hätten bis an die äußerste Grenze der Erneuerung der Arbeitskraft und oft auch darüber hinaus. Wir aber verstehen unter Sparen die bestmögliche Wirtschaft, d. h. mit dem geringst: möglichen Aufwand das größtmögliche Maß von Wohlfahrt zu
schaffen.
Nun aber zu dem letzten Einwand:„ Wer soll die Bentral heizung für den Arbeiter bezahlen, wenn er arbeitslos ist? Bu gegeben, das heiße nicht Sparen, sondern Frieren und Hungerleiden, so muß er eben frieren und Hunger leiden samt Beib und Kindern, denn er ist arbeitslos!" Muß er wirklich? Gibt nicht gerade das Zentralwirtschaftshaus einen Ausblick auf eine diel bessere, auf eine fozialistische Lösung?
Im Wiener Zentralwirtschaftshaus Heimhof", der Gründung der unvergeßlichen Bahnbrecherin Auguste Fickert , haben erit fürzlich die Infaffen einige abgebaute" Beamtinnen lange Zeit ous Solidarität miterhalten, und zwar so lange, bis sie wieder Erwerb fanden. Man mag einwenden, das sei eine Art von Privat wohltätigkeit und fei möglich in einem Hause, in den die große Mehrzahl der Bewohner in ihrer Existenz gesichert ist. Gewiß, dies ist ein Akt von Privatwohltätigkeit; einzeln betrachtet mag es einte große Tat gewesen sein, volkswirtschaftlich betrachtet ist es nur eine Andeutung, nur ein Fingerzeig.
Alle Ungleichheit, die unser Rechtsgefühl beleidigt, wollen wir in soziale Gleichheit verwandeln, ausgleichen. Das ist der Sinn des Klassenkampfes, der Sinn aller fozialen Bestrebungen. Alle Bersicherung beruht auf dem Gedanken des Ausgleichs zwifchen den von irgendeinem Schicksal, Krankheit, Unfall, Feuer, Hagelschlag Betroffenen und den Verschonten. Auch die Kinderversicherung, die Wohnsteuer und vieles andere beruhen auf dem Ausgleichsgedanken, Jelbstverständlich auch die Arbeitslosenversicherung. Sie ist unzufänglich. Richtig! Kann da nicht die Genossenschaft Bentralwirt fchaftshaus" eine Zusagversicherung zur Arbeitslosenversicherung einführen? Sie wäre ein Ausgleich, er stens: zwischen dem Schicksal des Arbeitslosen und dessen, der noch Arbeit hat; zweitens ein Ausgleich beim einzelnen selbst zwischen feinem eigenen Schicksal in den Tagen der Arbeit und denen der Arbeitslosigkeit.
Dabei fönnten die einzelnen Hausgenossenschaften bei einem möglichst großen Verbande, der eine möglichst große Bermengung der Risiken gewährleistet, Rüdversicherung eingehen. Wenn nämlich beispielsweise in einem Industrieort viele Arbeiter ein und desselben Betriebes in einem Zentralwirtschaftshaus leben und
wenn dann etwa durch die Einstellung des Betriebes fast alle gleichzeitig arbeitslos werden, so würde die Reserve der Zusatzversicherung rasch aufgezehrt. Da fönnte die Rückversicherung einigermaßen helfen. Andererseits ist zu sagen, daß das Schicksal solcher Arbeits. losen, wenn sie in einem Zentralwirtschaftshaus beisammen wohnen, teinesfalls schlimmer sein kann als das, das in Einzelhaushalten ihrer harrt.
Durch die Zusatzversicherung wäre dem Arbeiter ein gleich mäßiges Existenzminimum, das diesen Namen wirklich verdient, gefichert. Auch das Kulturniveau des Arbeiters würde dadurch sehr gehoben. Nicht der Verwahrlosung und Berelendung anheimgegeben zu sein, auch in Tagen der Arbeitslosigkeit ein Heim zu haben, in dem man lesen, für sich arbeiten, wohnen fann, den warmen Wirtshaus oder Branntweinschenfdunft nicht vorziehen zu müssen dem frostigen sogenannten Daheim, das eröffnet der Arbeiterklasse einen weiten, sonnigen Ausblid.
Auch Wohnraum wird gewonnen, wenn ftatt der heutigen Wohnungen Einfüchenhäuser gebaut werden. An Stelle von 40 bis 50 Küchen wird eine gebaut; und sei fie schon viermal so groß wie eine Einfamilienfüche, so werden noch immer 36 bis 46 Zimmer gewonnen.
Und nationalökonomisch: nur Arbeiten und Sparen fann uns retten. Jede Arbeit? Auch die finnlose, fruchtlofe? Wenn in einem Hause 50 Frauen Kohle hinauf- und Asche hinunterschleppen, wenn 50 Feuer machen und die schwarzen Töpfe abreiben, 50 ein faufen laufen, jedem zwei Kreuzer Grünes" werden wir dadurch reicher? Ist Rackern Selbstzwed? Auch wenn nichts dabei herauskommt? Nur weil es dem idealen deutschen Frauentypus entspricht? Und ist es nicht aussichtsreicher für unsere Bolkswirt schaft, wenn die vielen vergeudeten, mißbrauchten Kräfte produktiv wirten fönnen?
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Nicht„ emporhungern" verruchtes Wort, sondern ehrlich emporarbeiten, aber in zweckmäßiger, zielbewußter, planmäßiger Arbeit, bei einem menschenwürdigen Leben, in menschenwürdiger Gemeinschaft, in sozialistischer Solidaritat Dazu kann das Zentralwirtschaftshaus, in dem für alle Bewohner eingekauft, gekocht, geheizt, Geschirr gereinigt, Wäsche gewaschen und gebügelt wird, in bem auch ein Kindertagraum ist und eine Person, die die Kinder beaufsichtigt und beschäftigt, viel beitragen, dazu werden es die arbeitenden Frauen allerorten fordern und sozialdemokra. tische Gemeindevertreter werden es beuen, wo immer sie über. haupt bauen fönnen. Sozialdemokraten haben die Pflicht, das Los der schwergeplagten proletarischen Hausfrauen und Mütter zu er leichtern. Mögen sie sich erinnern an ihre Gegenwartspflichten gegen die Frauen, die mit ihnen die Zukunft erobern sollen.
Berufswahl.
Bon Friedel Schneider.
Pestalozzis Worte:" Die Endzwecke der Weisheit und Menschlich feit: zu retten, was zu retten ist, bilden, was zu bilden ist, empor zuheben, was emporzuheben ist", zeigen uns den Weg, den wir als Menschen zu gehen haben. Dieser Ausspruch sollte für uns alle Wegweiser sein. Denn es entspricht nicht dem Sinn unseres Lebens, wenn wir nur durch Ermahnungen und Gebote retten, bilden und emporheben wollen. Wir sollen es aber auch an und in uns selbst erfüllen.
Darum muß Pestalozzis Wort auch denen Leitstern werden, die über die Jugend wachen und deren junges Leben entscheidend beein fluffen, namentlich bei der Berufswahl. Anlagen mehr oder weniger sichtbar) in uns. Der Beruf, den wir ausüben sollen, liegt( durch Gaben und Wir haben, unter dem Druck des Existenztampfes, nur verlernt, diefe Naturanlagen zu erkennen.
Um diese geistigen Anlagen und sonstigen Fähigkeiten eines jungen Menschenfindes nun besser zu erkennen, haben die städtischen und Landesberufsämter besondere Eignungsprüfungs. ftellen eingerichtet. Diese psychotechnischen Eignungsprüfungs. ftellen find Beobachtungsstellen für innere Anlagen und technische Geschicklichkeit des Menschen. Auch die Industrie hat folche Eignungsprüfungsstellen eingerichtet, um namentlich die Kräfte der ungelernten Arbeiterschaft an den Stellen einzulegen, wo sie am produktivsten für den Betrieb sind.
So wertvoll diefe Eignungsprüfungen an und für sich auch sind, so können fie in den wenigen Prüfungsstunden natürlich nicht alle Anlagen und namentlich nicht immer die inneren Trieb fräfte im Menschen entdecken. Die Prüfungsstelle fann es z. B. dem jungen Mädchen nicht ansehen und auch von ihm nicht immer erfragen, daß es gern mit den fleinen Geschwistern spielt und fie prächtig zu unterhalten weiß. Mutter sagt nur, daß das Mädchen zu feiner Arbeit Luft hat. Und grade dieser Spieltrieb ist das charakteristische Zeichen einer besonderen Gabe, z. B. um den Beruf einer Kindergärtnerin oder Hortnerin zu erlernen und auszuüben,
Ein anderes Mädel spielt noch els Bierzehnjährige le denfchaft. lich mit dem Kaufladen des jüngeren Bruders. Laßt doch das Mädel Berkäuferin werden, denn es hat offenbar die Anlagen dazu! Derartige Beispiele laffen fich beliebig vermehren.
Nicht Frondienst soll unsere Arbeit sein, sondern die Erfüllung einer eigenen Aufgabe. Die Pflicht der Eltern und Erzieher ist es, zu erkennen, welche Zukunftsfeime in dem jungen Menschen stecken, und die junge werdende Kraft vor Ausbeutung jeder Art zu schüßen.
Seit wachfam, ihr Eltern, bei der Berufswahll Es gilt das wahre Wesen des Menschen zu retten, zu bilden, emporzuheben!