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Frauenftimme

Nr.10+ 42.Jahrgang Beilage zum Vorwärts

14. Mai 1925

Lehren der Präsidentenwahl.

und daß wir versuchen müssen, den größeren Teil dieser Frauen für uns zu gewinnen. Diese Aufgabe ist nicht leicht, denn Sentimentalität und Kurzsichtigkeit sind hartnäckige Gegner, die immer wieder sich erheben, wenn man auch glaubt, sie vollständig vernichtet zu haben.

Der Ausfall der Präsidentenwahlen hat unseren Er-| kratische Agitation die Frauen noch nicht genügend erfaßt haf, wartungen nicht entsprochen: der Kandidat der reattionären und nationalistischen Gruppen ist gewählt. Aber wir sind nicht entmutigt, denn der Wahlkampf hat gezeigt, daß unsere Be­wegung vorwärts schreitet, und besonders die große Zahl der im ersten Wahlgang für den Genossen Braun abgegebenen Stimmen gibt uns das Recht, hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen.

Mehr als bei früheren Wahlen sind bei der ersten deutschen Präsidentenwahl die Massen von der Politik erfaßt worden. Nachdem im ersten Wahlgang jede Partei ihre besonderen Biele aufgezeigt hatte, brachte der zweite Wahlgang den großen Kampf zwischen rechts und links, der Trennungsstrich zwischen den fortschrittlichen Tendenzen und den reaktionären Mächten wurde scharf gezogen. In Tausenden von Versamm lungen, in der Presse und in Flugblättern haben die dem Volksblock angehörenden Gruppen die Gegensätze deutlich herausgehoben. Jeder Wähler, der nach Klarheit verlangte, fonnte sie hier finden und sich ein Urteil bilden. Auf der andern Seite dagegen zog man es vor, die eigentlichen Ziele zu verdunkeln, man hatte kein Interesse an der Aufklärung der Massen, man wollte nur ihre Stimmen, und als man sah, daß die Mehrzahl sich den vom Volksblock vertretenen Ideen zuneigte, suchte man sie durch hundsgemeine Flugblätter" und durch verlogene Behauptungen über den Volksblock und seinen Kandidaten zur Reaktion hinüber zu ziehen.

Auf der Linken appellierte man an den Verstand der Wähler und Wählerinnen, auf der Rechten an ihren Nationa­lismus und an die Sentimentalität. Wir stark die Phrase gewirkt hat, zeigt das Wahlergebnis. Nicht, als ob wir glaubten, daß alle Hindenburg - Wähler nur einer ver fchwommenen Gefühlspolitik erlegen wären! Sicher hat ein großer Teil von ihnen in dem bewußten Verlangen nach einem deutschnationalen Reichspräsidenten und nach einer Rechtsentwicklung der deutschen Politik sein Votum für den Feldmarschall abgegeben, aber bei einem sehr erheblichen Prozentsaz haben ganz zweifellos reine Gefühlsmomente den Ausschlag gegeben: das Subordinationsbedürfnis ehemaliger Untergebener, die Erinnerung an den Helden" des Welt­friegs, Begeisterung für das Militärische überhaupt, die trotz allem noch so vielen im Blute steckt, und dergleichen mehr. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir behaupten, daß gerade der Ueberschuß der Frauenstimmen, der dem Kandidaten der Rechtsparteien zugute gekommen ist, auf solche sentimentalen Gedankengänge zurückzuführen ist. Tau­fende von Frauen, die bei früheren Wahlen ihre Stimme überhaupt nicht abgegeben haben, sind durch die Aufstellung Hindenburgs zur Erfüllung ihrer Staatsbürgerpflicht gebracht worden, und sie haben nicht unwesentlich zu seinem Sieg beigetragen. Das geht deutlich aus der Wahlstatistik hervor. In den Orten, wo getrennte Wahllokale für Wähler und Wählerinnen eingerichtet waren, haben für den Kandidaten des Volksblocks, Marg, fast gleich viele Männer und Frauen gestimmt, während die Frauenstimmen für Hindenburg er heblich über die Zahl der Männerstimmen hinausgingen. Da die Zahl der erwachsenen Frauen in Deutschland größer ist als die der Männer, ergibt sich, daß in den Schichten, die für Marg gestimmt haben, die Frauen sich entweder in großem Umfang zurüchielten, also überhaupt nicht wählten, oder daß sie sogar in das Lager der Reaktion übergingen.

Wenn wir uns nun an die Arbeit begeben, müssen wir uns zunächst darüber klar sein, daß bestimmte Frauengruppen für uns überhaupt nicht zu gewinnen sind, z. B. ältere Frauen, Die zwar nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen durchaus zu den proletarischen Existenzen zu rechnen sind, die aber noch vor dem Kriege zum wohlhabenden Bürgertum gehörten. Sie find durch Krieg und Kriegsfolgen verarmt und hätten allen Grund, über die Ursachen ihrer Berarmung und die politischen Faktoren, die sie herbeiführen halfen, nachzudenken. Aber nur wenige von ihnen haben genügend Elastizität, um sich zu einer andern Auffassung als der in ihrer Schicht herrschenden durchzuarbeiten. Diese Frauen sind unbelehrbar, und sie bilden eine dauernde Gefahr für den Fortschritt. Auf ihre Heranziehung viel Arbeit zu verwenden, wäre Kraftvergeu­dung. Es gibt andere, die uns näher stehen und die wir doch noch nicht in ihrer Gesamtheit erfaßt haben, neben Arbeite rinnen und Arbeiterfrauen, vor allem die Frauen der Angestellten, die weiblichen Angestellten selbst und die große Zahl der Frauen der mittleren und unteren Beamten.

Welche Wege sind einzuschlagen, um sie aus der politischen Teilnahmslosigkeit herauszuführen, und sie für unsere Ziele zu gewinnen? Bon vornherein darf man nicht damit rechnen, sie während einer einzigen Wahlkampagne zu überzeugen. Sie werden bestenfalls auf turze Zeit ein wenig für die Politik interessiert, ohne sich innerlich darüber klar zu werden, welches die wesentlichen politischen Forderungen ihrer Schicht sind und von welcher Partei sie am besten vertreten werden. Allgemeine öffentliche Wählerversammlungen genügen hier nicht. Wir werden versuchen müssen, an die einzelnen Gruppen heranzukommen, ihre Aufmerksamkeit durch kurze Flugschriften zu erwecken und dann mit einer weiteren syste­matischen Bearbeitung einsetzen.

die Sozialdemokratie die einzige Partei ist, die die Interessen Den Frauen muß vor allem praktisch gezeigt werden, daß der Konsumenten wahrnimmt, durch ihren Kampf gegen Zölle, gegen Verbrauchssteuern, durch ihr Eintreten für eine vernünftige Wohnungspolitik. In der nächsten Zeit werden wir gerade in dieser Richtung Anschauungsmaterial genug bekommen. Wir müssen uns fragen, was interessiert diese oder jene Gruppe von Frauen, die sich bisher noch nicht mit Politik beschäftigten, am stärksten, und wenn wir das fest­gestellt haben, müssen wir mit unserer Arbeit an diesem Punkte einsetzen. Für die verheirateten Frauen ist es zweifel los das Budget der Familie. Wie sollen die Ausgaben mit den viel zu niedrigen Einnahmen in Einklang gebracht werden? Was tostet der Haushalt z. B. eines Angestellten, wieviel darf die Frau für Lebensmittel verbrauchen, um wie­viel wird dieser Berbrauch verteuert, wenn Getreidezölle und andere Lebensmittelabgaben eingeführt werden? Die geringste Breiserhöhung bringt, wie wir alle wissen, das Haushalts­budget ins Schwanken. Können wir den Frauen beweisen, daß unsere Politik den Haushalt der minderbemittelten Schich ten schüßt, daß also unsere Partei gestärkt werden muß, damit Wie dem auch sein mag, aus dem Wahlresultat tönnen wir unsere Forderungen durchsetzen fönnen, so werden auch wir nur die eine Schlußfolgerung ziehen, daß die sozialdemo-| sie bei dauernder Aufklärungsarbeit durch leicht zu erfassende