dem Eedankkn, daß wieder eine solche Zeit der Sorge be- ginnen soll! Und warum das alles? Die Notwendigkeit der Zölle wird mit der schlechten Lage der deutschen Landwirt- schaft begründet. Cs wird behauptet, daß sie durch die billiger produzierenden Länder bedroht werde, und daß man ihr durch Zollschutz die Mittel geben müsse, zu einer Intensivierung der Wirtschaft überzugehen. Diese Gründe sind aber nicht stichhaltig. Die Lage der deutschen Landwirtschaft hat sich seit dem Vorjahre erheblich gebessert. Eine intensivere Bewirt- schaftung des Grund und Bodens wird durch die Zölle nicht gefördert, ebenso wie erwiesen ist, daß die Anbaufläche in Deutschland gerade während der Zeit des Hochschutzzolls sich ständig weiter verringert hat. Die Agrarkrise, die nicht nur m Deutschland bestand und die jetzt im abklingen ist, wurde nicht dadurch herbeigeführt, daß Amerika im uebermaß und infolgedessen zu billig produzierte, sondern dadurch, daß in Europa die Kaufkraft so gesunken war, daß die Erzeugnisse nicht abgesetzt werden konnten. Will man also der Landwirt- schaft helfen, und das gleiche gilt für die Industrie, so setz« man alles daran, die Kaufkraft der Massen zu Särken, d. h. man muß die Löhn« erhöhen, damit die llaslen in der Lage sind, mehr zu konsumieren und auf dies» Weis« den Absatz von landwirtschaftlichen und industriellen Produkten zu steigern. Es ist nicht anzunehmen, daß die Regierung und die Rechtsparteien solchen Argumenten zugänglich sein werden, aber das kann uns nicht bestimmen, ruhig hinzunehmen, was ri uns bieten. Die Frauen spüren nun, wa««« «deutet, wenn die Reaktion an die Macht kommt. Sie werden es im Gedächtnis behalten müssen für die Zeit, wo es gilt,«in« andere Mehrheit in der Volksver- tretung und damit eine andere Regierung zu schaffen. Bis dahin gibt es nur das eine: den setzt Herrschenden klar zu machen, daß wir diese neue Aussaugung nicht ertragen wollen, daß wir genug haben von der ganzen arbeiterfeindlichen Politik der Regierung Lliüjer. Ihre auswärtige Politik erleidet Fiasko, weil ihr die Erkenntnis der Notwendigkeiten immer zu spät kommt, und weil sie durch ihre Zusammen- setzung und durch die hinter ihr stehenden Kräfte nur Miß- trauen erweckt. Ihre Innenpolitik bedrückt die Massen, entzieht ihnen die Lebenskraft, und in ihrer weiteren Aus- Wirkung schafft sie auch dadurch wieder Spannungen zwischen den Völkern, statt nach gemeinsamer Ueberwindung der wirt- fchaftllchen Schwierigkeiten zu suchen. Tony Breitscheld. Eindrücke von der heimarbeitausfteUung. Von Friede! Schneider. DI« diesjährige Heimarbettausstellung. die auf Deranlasjung der �Gesellschaft für soziale Reform' stattfand, ist vorüber. Ihr Zweck war, das deutsche Volk erneut auf die Zustände in der Heimarbeit aufmerksam zu machen. Es sollte wieder einmal dl« Sorgen und die Nöte der Heimarbeitersamilien klar vor Augen sehen, damit das Hetmarbeiterelend nun endlich aufhört und daß In der Heimarbeit solche Arbeits- und Lohnverhältnisse geschasfen werden, die den so übermenschlich fleißig Schaffenden eine menschliche Existenz sichert. Dreierlei Mißstände, die sich überall, wo Heiniarbeit betrieben wird, zeigen, sind: dl« Kinderarbeit, die engen, ungesunden Woh- nungen der Heimarbeiter und die. miserabel schlechte Bezahlung, vamentlich dort, wo die Entlohnung nicht tariflich geregelt ist. Durch da» Kinderschuygesetz von ISOZ und 1911 wird zwar dem Kinde bis zun, zehnten Lebensjahr« jegliche gewerbliche Beschäftigung verboten, o. h., die Eltern sollen Ihre Kinder unter 19 Jahren nicht mit zu gewerblicher Arbeit heranziehen. Jedoch für ein« auskömm- sich« Ernährung und für gesunde Wohnweis« sorgte kein Gesetz. Denn es ist doch selbstverständlich, daß in 99 von 199 Fällen eben doch nur die Not vi« Eltern veranlaßt, die Kinder schon vom vierten oder sechsten Jahre an mit zur Helmarbeit heranzuziehen' Wir finden die Kinderheimarbeit nicht nur bei der Anfertigung von Spielsachen der Holzindustrie, wo feststeht, daß all« Arbeiter. kinder zur Mitarbeit herangezogen werden, sondern auch bei der Textilarbeit und Metallindustrie sehen wir gar oft fleißig« Kinder- fde mitschasfen. Die Arbeiten erfordern ost«In« sehr große Finger. igkeit, die die Erwachsenen nicht mehr haben, infolgedessen ifen Kinderhände mitunter mehr! Ironie de« Schicksal-, Dinge. den Kindern zur Freude dienen sollen, wie klein« Holzspielsachen. Christbaumschmuck, Musikinstrument« usw. werden von armen. blassen Helmarbeiterkindern angefertigt, die damit für ihr ganzes Leben sich körperliche und seelische Schäden zuziehen! Die Photoausnahmen, die vielen Arbeiten in der Ausstellung beigefügt waren, zeigten mit unbarmherziger Deutlichkeit das Woh- nungselend auch In den kleinsten und fernsten Dörfern. Die Woh- nungsoerhältnisse der meisten Heimarbeiter sind so traurig, daß gar pst«in Raum von etwa 29 Quadratmeter Bodenfläche der ganzen Familie als Arbeits-, Wohn- und Cchlafrauin und als Küche dienen muß. In Krankheitsfällen natürlich auch noch als Krankenstube. Vom gesundheitlichen Standpunkt ist diese Wohnwets« natürlich ein Verbrechen an den Menschen. Und die Unternehmer müßten durch Gesetz gezwungen werden, in den betreffenden Ortschaften nicht nur Betriebswerkstätten für die Arbelt, sondern auch Kinderhorte einzu- richten. Damit würde die Heimarbeit aus den engen Wohnungen herausgenommen und eine klare, tariflich festgelegte Bezahlung für die Arbeiten durchgeführt werden können, die jent durch sogenannte »wilde' Heimarbeit erschwert ist. Und wenn jeder Ort, wo viel Heimarbeit betrieben wird, seinen gutgeleiteten Kinderhort hat, dann (ind die Kinder auch gut betreut und das Kinderschutzgesetz kann eine Erfüllung finden. Schule und Jugendamt müssen hier eng zusammenarbeiten, um die Einrichtung von Kinderhorten zu erkämpfen! Denn die Kinderarbeit ist und bleibt eine Schande für unsere heutigen sozialen Verhältnisse. Die schlechte Bezahlung der Heim- arbeit, sofern die Entlohnung tariflich nicht geregelt war, zeigten die 179 ausgestellten Gegenstände au« dem Textilgewerb« sehr deutlich, denn bei nicht weniger al» 127 betnig der Reinoerdienst pro Stunde unter 2S Pf. Entlohnungen von 5 bis 19 Pf. pro Stund « sind absolut nichts Seltenes. Als am schlechtesten bezahlt kann man die fosamenten bezeichnen, dl« umhökelt werden, danach kommt die pttzenklöppclei. Und gerode die bandgesersigten Klöppelspitzen sind doch im Einzelhandel nicht gerade billig, der Unternehmer und Wiederverkäuser schluckt also auch hier den Löwenanteil. Plattstich- stickereien nach eigenen Entwürfen bringen, wie da» Filetsticken,«inen Reingewinn von 8 bis 19 Pf. die Stunde. Daß die betreffenden Arbeiterinnen dabei fast verhungern und die Eehkroft ihrer Augen sehr anstrengen müssen, kümmert den Unternehmer, für den sie arbeiten, nicht im geringsten. DI« vorstehend genannten Zahlen mögen ausreichen, um viele der Heimarbeiterinnen wach zu rütteln, daß st« sich schleunigst gewerkschaftlich organisieren müssen, damit auf diefe Weise Tarif- löhne für ihre mühsame Arbeit erkämpft werden können. Und wir anderen Frauen dürfen nicht müde werden, au ollen Stellen aus dies« Mißstände in unserem Wirtschaftsleben hinzuweisen und für eine andere, bessere Gesellschaftsordnung zu kämpsen. Mut. Von Erna B ü s i n g. .Kein schönrer Tod ist in der Welt, Als wer für'm Feind erschlagen. Ans grüner Heid', im freien Feld Dorf nicht hören groß' Wehklagen." 1898 ist dieses alt» Volkslied.Eoldatentod' in des.Knaben Wunderhorn' aufgenommen worden. Wir Frauen der Gegenwart baben die Verwerflichkeit der Lüge, die In ihm liegt, namentlich an den heutigen Verhältnissen gemessen, in grausamer Bitterkeit er- fahren. Der Krieg bedeutet namenlose» Unglück, das dürfen wir nicht vergessen, um der Toten, um unserer selbst, um der Zukunft willen. Trotz aller bitteren Ersahrungen aber, leben wir in einer �eit, die widerhallt von der Unterwürfigkeit vor dem kriegerischen Dieser Mut wird uns al» wohlfeile Ware in der Weltgeschichte angepriesen, die uns jedoch nur als Kriegsgeschichte, nicht als Kultur- fieschichte übermittelt wird. Die Körperkraft des einzelnen, die au,- chlaggebend für den Zweikampf war, ist der Urstoff für da» Helden- deal verflossener Zeiten. Damals lebten noch Menschen primitive- ren Empfinden». Kraft war Gewalt und Gewalt ging vor Recht. E» war ganz natürlich, daß die Frau in ihrem erotischen Empfinden dem körperlich Starten sich zuneigt». Wiederholt entschied zudem einfach die Körperstärk« de» Mannes über den Besitz des Weibes. Eine Abart de» weiblichen Schwarme« für die rohe Körperstärk» des Mannes finden wir noch bei den lebensgierigen und über« sättigten Allerweltsdämchen, vor deren Briefchen sich Ringkämpfer, Boxer, Athleten usw. tauin retten können. Heute kann der Mut de« einzelnen den Ausgang«ine» Kriege» nicht entscheiden. Der Hinweis:.Euer kriegerischer Mut ist welt - verbessernd' wird zur Lüg» und dient nur der Aufrechterhaltung einer Masscnpsvchose. Die Masse ist beute an dl« Stelle des«inzel- neu getreten. Daher ist es auch Pflicht der Mass« in denkende Ein- zelwesen zu zerfallen und nicht nur farblose Masse zu sein, die vom Kadavergehorsam zusammengehalte,» wird. Di» Sucht nach der geldmebeldrcfsur, die sich wieder in verstärktem Maße bemerkbar rnochi, ist nicht» als die gewollte Verantwortungslosigkeit willens- schwacher Einzelmenschen. Gegen diesen Rückfall In die Vergangen- heit gut es anzukämpfen. Jede Generation hat Ihren eigenen Stil. Wir leben im Zeit- alter de» Erwachen» der Mass», darum müssen wir jedem Gedanken- gang entgegentreten, der in der Masse nur Schlachtvieh sehe» will. Zu ihn, gehört auch die sinnlof« Verbeugung vor dem kriegerischen Mut. Mut ftndet ein waches Aua« überall. Mut beweist der Berg- mann, der im Schacht die Kohle fchlögt, der Schiffer, der den Ozean durchkreuzt, die Pslegerin, die sich um Seuchenkranke müht, der Forscher, der unbekannte Kräfte zu bändigen versucht. Mut gehört dazu, im Kleinkampf verderblichen Ideen Mächtiger entgegenzu- treten. Mulig« Menschen braucht der vierte Stand und auch wir Frauen benötigen ihrer, damit eine neue, freie Gesellschaftsordnung entsteht. Mut, ausharrenden Mut brauchen wir, um unsere große Idee, die Verwirklichung des Soziali«mu», für die Zukunft reif zu inachen.
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