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Schöne und häßliche Kinder.

Bon Ginà Kaus .

Bei der Frage nach den Ursachen der Charakterbildung des Rindes und späteren Menschen wird leider meist der Bererbung ein lehr großer und dem eigenen früheren Erleben ein sehr geringer Spielraum eingeräumt. Dadurch schiebt der Erzieher einen großen Teil der Verantwortlichkeit von sich ab und unterläßt es, Umstände und Fehlerquellen zu berücksichtigen, die von großer Wichtigkeit und feinem Einflußgebiet durchaus nicht entzogen find.

Eine ungeheure Rolle spielt für das Selbstbewußtsein des Kindes die Tatsache, ob es schön oder häßlich ist, wobei es darauf, ob es wirklich das eine oder andere ist, nicht so lehr ankommt, als darauf, ob es sich dafür hält. Wir predigen unseren Kindern zwar Immer Erhabenheit über äußere Borzüge oder Fehler, gehen ihnen aber dabei keineswegs mit gutem Beispiel voran. Man muß bloß das lächerliche Getue beobachten, das Weiber im Bart mit einem fleinen Lockenkopf anstellen, während ein glatthaariges, zwei Jahre älteres Geschwister unliebloft danebensteht. Weder das für seine Niedlichkeit belobte, noch das wegen Jeiner Unanfehnlichkeit un beachtete Kind tann wiffen, daß es sich hier um eine ganz belang lofe Episode handelt, und wenn man es ihnen Jagt, werden sie es nicht glauben, weil die Annehmlichkeit, ausgezeichnet, der Schmerz, vernachlässigt zu werden, stärker sind als moralische Redensarten. Auch die Märchen, die einen starten Einfluß auf die Kindes­feele haben, sind ganz danach angetan, fie in ihrer Auffaffung von der Wichtigkeit der äußeren Erscheinung zu beftärken: da find immer Schönheit und Güte, Häßlichkeit und böser Charakter eng verbunden. Aschenbrödel, die schönste Schwester mit den fleinen Füßen ist auch die fleißigste, edelste, Goldmarie ist gut und schön, Bechmarie garstig und schlecht. Der Held und Ritter ist edel und schlank, der Bösewicht garftig, womöglich bucklig.

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Wenn der Märchendichter der Prinzessin, die er am Schluffe feinem Helden vermählt, zu Reichtum und hoher Geburt auch noch Güte und Schönheit zudichtet, so ist das wohl vor allem die naive Erfüllung eigenen Traumes, wenigstens in der Phantafie einmal den vollen ungemischten Glücksbecher zu trinken, der einem im Leben niemals zuteil wird. Aber es steckt doch auch ein Körnchen Wirklichkeitspfychologie darin, die ausgesprochen wird in Shake­[ peares Richard III. , der, bucklig und mißgestaltet, bei feinem Menschen Wohlgefallen erwecken fann und deshalb fagt: So bin tch denn gewillt, ein Bösewicht zu sein!" Der Mensch, der durch feine garftige Außenseite eine unverschuldete Benachteiligung erfährt, der vor ein ziemlich aussichtsloses Handicap gestellt ist, gibt leicht das ungleiche Rennen auf und betätigt sein Geltungsfieber als Störenfried. Diese Shakespeare- Tragödie, wenn auch in geringerem Umfange, ereignet sich täglich in zahlreichen Kinderstuben, wenn ein Kind, das zum Bewußtsein, häßlich zu fein und durch dummes Getue, das Menschen mit schönen Kindern anstellen, zu einer Ueber­fchätzung dieser Tatsache gekommen ist, den direkten Weg, das Wohl­wollen seiner Mitmenschen zu erlangen, aufgibt, um sich auf den Seitenwegen der Nervosität oder Kriminalität eine traurige Be­achtung zu sichern. Dazu kommt später, was ihn leider auf dieser Linie bestärkt: daß die Gefichter der Menschen schließlich so werden wie sie sind; wenn einer gewillt ist, ein Bösewicht zu sein, und wenn er diesen Willen durchsetzt, so tommt mit der Zeit zu den häßlichen Zügen etwas weit Schlimmeres: der häßliche Ausdruck. Die meisten Bilder der ganz scheußlichen Berbrecher zeigen uns neben dem stumpfen tierischen Ausdruck auch besonders häßliche Züge( was man dann degeneriert nennt); wir fönnen uns denken, daß diese Menschen besonders häßliche und verspottete Kinder waren. Selbft redend ist das nur eines der vielen Momente, die zusammentreten müffen, um einen Menschen so weit ab von der menschlichen Ge­meinschaft zu treiben, daß er zum Verbrecher wird.

Denn es gibt andere, die auf den Schmerz über die eigene Häßlichkeit ganz anders reagieren. Es gibt auch eine mutigere Lösung: durch verdoppelte Leistung den törperlichen Mangel aus­zugleichen. Auch unter den Bildnissen der großen Geister begegnen wir manchen grotest häßlichen Gestalten, und von einigen wiffen wir, daß sie als Kind besonders unter der eigenen Häuslichkeit gelitten hatten. Wir wissen, daß Byron die Kränkung über feinen Slumpfuß zeitlebens nicht verwinden fonnte und immer heiß bestrebt blieb, ihn durch verzehnfachte( auch förperliche) Leiftungen auszu gleichen. Tolstoi erzählt in feiner Kindheit", wie einmal bei Lische davon die Rede war, doch irgend etwas Hübsches in seinem Geficht zu finden, und wie schließlich sogar die Mutter zugeben mußte, der Kleine sei wirklich häßlich. lnd damals", erzählt er, flehte ich zu Gott und bat ihn, er möge ein Wunder tun und mich in einen schönen Knaben verwandeln, und alles, was ich je befizen fonnte hätte ich hingegeben für ein schönes Geficht." Da er sich zurückgesetzt fühlte, wollte er doppelt start der allererste sein, und Dieser heiße Wunsch gab ihm die abfurdeften Ideen ein. So fprang er einmal, fünfzehn Jahre alt, aus einem Fenster des zweiten Stockwertes hinab, bloß um alle Anwesenden zu zwingen, ihn sofort auf der Stelle zu lieben und zu bewundern. Und etwas von diesem Sprung aus dem Fenster, neben allen bedeutenderen Motiven, die bazustoßen, bleibt bei allem, was Tolstoi später tat, dabei. Immer wollte er ein ganz Besonderes, ein lebermaß leiften. Auf seinen Altersbildern erscheint uns Tolstoi nicht mehr häßlich; hier ist das Umgefehrte geschehen, ein großzügiges arbeitsvolles Leben hat seinen Adel über die Züge geworfen und hat sie verschönt.

Auch das schöne Kind, in feiner Art, hat es schwer. Sein Un­glid ist, daß es fortgefeit um feiner Annyt willen gelobt und

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geliebtoft wird und nicht rechtzeitig fernt, daß man für die Liebe und Bewunderung der Menschen auch etwas leisten muß. Es ist oft schrecklich zu sehen, wie so ein Kind fünstlich fürs Leben ver dorben wird; denn anfangs ift ja dem Kind diese Berzärtelung gar nicht angenehm, das gesunde Kind hat einen starten Betätigungs drang, bei dem es nicht gestört sein will, es will die Welt selbst erobern und vor allem zum Gefühl der eigenen Kräfte kommen. Aber die Mutter zieht es vor, es wie eine Buppe aufzupugen, fie dreht im Locken ein fogar bei Knaben geschieht das- und ist ganz stolz, wenn sich andere ebenso dumme Menschen finden, die das Kind wegen seiner Schönheit laut loben und bestaunen. Der Tätigkeitsdrang wird zurückgedrängt, weil die schönen Kleidchen und weißen Schuhe darunter leiden, und kunstvoll wird ihm beigebracht, anstatt Freude an der eigenen Leiftung Stolz auf die Bewunderung seiner Schönheit zu empfinden. Ein paar Jahre später kommt so ein Kind in die Schule, und plöglich ist es in einem Milieu, wo es für fein schöneres Aeußere gar feine Prämie bekommt, wo es mit garftigen und garftig gekleideten Kindern auf gleich ist, und diese unerwartete Situation wirkt aufs äußerste niederdrückend; denn das Kind versteht sie nicht, da es immer Borrechte gewohnt war, empfindet es die Unparteilichkeit als unfreundliche Boreingenommen. heit. Es möchte weiterhin alles geschenkt befommen; für ein folches Kind ist es sehr schwer, auf den Weg der Leiftung zu gelangen, weil ihm beim geringften Mißerfolg, bei den ersten Schwierigkeiten ins Gedächtnis kommt, um wieviel leichter und mühelos man auf anderen Gebieten die Menschen für sich gewinnt, und dorthin wird es sich auch nach den ersten Niederlagen im Studium oder in der Arbeit zurückziehen. Es ist nußlos, einem solchen Kind Bernunft zu predigen, folange es fich die billigen Triumphe der Eitelkeit ver­schaffen kann, wird es nach den schwer zu erringenden und weniger augenfälligen der Leistung nicht streben. Und wenn diese Triumphe ein- Ende haben, sei es, daß fich das Aeußere des Kindes zum Nach teil verändert habe, oder das es in eine Umgebung gerät, die auf solches feinen Wert legt, so werden wir meist einen unzufriedenen, gereizten, nervösen Menschen vor uns sehen mit einem ewig un­verständlichen Anspruch an die Mitmenschen, stets bereit, zu emp­fangen und nie zu geben.

Das schöne und das häßliche Kind haben es jedes in seiner Art schwer, sich in die Gemeinschaft zu finden, denn es ift für jedes ein besonderes Opfer dazu nötig: das häßliche muß lernen, feine Um­gebung nicht für ungefchickte Kränkungen, die sie ihm zufügt, zu hassen, sondern durch vergrößerte Leistung sein Selbstgefühl und Ansehen zu heben das schöne aber muß auf jedes Privileg, das ihm sein Aeußeres verfchaffen könnte, verzichten lernen und das ist vielleicht noch schwerer.

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Kinderspiel und Kommunismus.

Bon Lisbeth Riedger.

Mit Recht verlangt ein überzeugter Sozialist von der Schule. daß sie jede Beeinflussung der Kinder im militaristischen Sinne unterläßt. Und hat vielleicht gar nicht daran gedacht, daß er selbst sein Kind schon viel früher im gleichen Sinne erzogen hat, indem er ihm Bleisoldaten, Kanonen, Helm und Säbel schenkte. Oder sollte so etwas heute nicht mehr vorkommen? Dann möchte ich wiffen, wer beim letzten Weihnachtsfest all diese Spielsachen gekauft hat, die in jedem kleinen Spielwarenladen, gerade in Arbeiter gegenden, aufgestapelt waren. Sechs Jahre nach dem entjeßlichen Böltermorden! Das Soldatenspiel der Kinder war eine Begleit­erscheinung des Militarismus, ein Mittel, um schon die Jugend auf nämlich den, einmal als Kanonenfutter zu dienen. Das nannte man: die einfachste Weise auf ihren eigentlichen Staatszwed vorzubereiten, die Kinder von der Politik fernhalten" Genau so sucht heute die Kommunistische Partei das Kinderspiel ihren politischen Absichten dienstbar zu machen.

Das Ziel ihrer Erziehung fennzeichnen die Kommunisten selbst als Eingliederung des Kindes in den Kampf und die Arbeit seiner Klaffe", und fie find überzeugt, diefem Ziel am schnellsten näherzu tommen durch den Bruch auch mit der fleinbürgerlich fozialistischen Reformpädagogik", von der sie höhnend jagen, mit ihr glaube die Sozialdemokratie mitten in der zerrissenen Klaffengesellschaft, mitten

in

wirtschaftlichen und politischen Kämpfen schärfster Art, das Arbeiterkind auf ein grünes Friedenseiland verpflanzen zu können." Kommunistische Leiter von Jugendspielen erhalten deshalb genau Anweisungen, wie sie den Hang der Kinder zum Spielen in eine Bahn leiten fönnen, die zur Stärkung des Klaffenbewußtseins, der revolutionären Disziplin und der Solidarität führen soll". Für wahr, ein Ziel, dem wir an fich durchaus zustimmen fönnen. Glaubt man aber zur Erreichung dieses Zieles den Weg wählen zu müffen, daß man dem Kinde das Spiel raubt, die einzige Beschäftigung, mit der fein praktischer Zwed verknüpft ist, sondern die, wie die Plycho­logen fagen, um der in ihr selbst liegenden Berftreuung und Er­heiterung willen" ausgeübt wird, so verurteilen wir diese Absicht auf das schärffte. Doch man urteile selbst nach den Beispielen für tommunistische Kinderspiele, die sämtlich der Monatszeitschrift Das proletarische Kind" entnommen find.

Zunächst müffen die findlichen Abzählreime einen ttassen­fämpferischen Zwed erhalten; ein Lied"( in schlechtefter lleber fegung) wird empfohlen zum Abzählen:

,, Eeni, Meeni, Meine Mo,

Ueberall werden die Arbeiter ausgeplündert; Sie können dem ein Ende machen, Wenn sie wollen;

Wir, ihr jungen Genoffen, sagen ihnen das."

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