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das Recht der Zrau auf Arbeit. Von Marie Iuchacz. Im Reichstag ist am Freitag, den 18. Juli in zweiter Lesung des Gesetzes über eine Aenderung der Personalabbau- Verordnung mit einer Stimme Mehrheit ein Beschluß gefaßt worden, der für uns Frauen über seinen Kreis hinaus eine Bedeutung hat. Wenn dieser Beschluß bei der voraussichtlich im Laufe dieser Woche stattfindenden dritten Lesung aufrecht- erhalten bleibt, fällt damit der berüchtigte 8 1� der Personal- obbauverordnung, der die weiblichen Beamten gegenüber den männlichen sthr stark benachteiligte. Es ist anzunehmen, daß die Regierung und die bürgerlichen Parteien(mit Ausnahme der Demokraten ) alles aufbieten werden, um den Beschluß wieder aufzuheben. Worum handelt es sich? Die Personalabbauverordnung wurde im Herbst 1923 als Folge der Inflation und der Not« wendigkeit der Stabilisierung unter dem Ermächtigungsgesetz erlassen. Jetzt nach fortschreitender Gesundung der Reichs- stnanzen müssen Regierung und Reichstag die alten Be« amtenrechte wieder herstellen. Für uns handelt es sich hier nur um dos. was für die Frauen in besonderem Maß« in Frage kommt. Wollen wir den Artikel 14 der Abbauver« ordnung ganz verstehen, ist es gut, sich in» Gedächtnis zurück- airusen, was der Finanzminister im November 1V2Z zur Durchführung der Personalabbauverordnung sagte: .Da» Dienstverhältnis der verheirateten Beamtin kann lederzeit am ersten Werttag eine» Monats zum Monatsend« gekündigt wer- den, sofern nach dem Ermessen der zuständigen Behörde die wirt- schaftliche Versorgung des weiblichen Beamten gesichert erscheint. Es ist bei Anwendung der Vorschrift davon auszugehen, daß bei verheirateten weiblichen Beamten die wirlschaslliche Existenz durch die Heirat an und für sich gesichert erscheint, so dah den verheirateten weiblichen Beamten ohne nähere Ermittlung der Behörde über die Arage ihrer wirtschaslllchen Versorgung gekündigt werden kann. Demgemäß wird Artikel 14 nur dann nicht angewendet werden dürfen, wenn von den verheirateten weiblichen Beamten dargelegt wird, daß trotz Ihrer Verheiratung ihre wirtschaftliche Versorgung nicht gesichert erscheint.. ,3m übrigen wird im Interesie des Abbaue» sämMchea ver- heirateten Beamten möglichst schon seht zu kündigen sein.' Die Sozialdemokratie hatte nun den Antrag gestellt, den Artikel 14 der Personalabbauverordnung zu streichen. Dieser Antrag ist, wie schon erwähnt, mit 180 gegen 179 bei einer Stimmenthaltung im Reichstag angenommen worden. Außerdem hat die Sozialdemokratie noch eine Entschließung eingebracht, die ebenso wie der vorher skizzierte Antrag bei der dritten Lesung zur Abstimmung gebracht wird. Sie lautet: .Die Reichsregierung ist zu ersuchen, diejenigen auf Grund de» Artikel 14 der Personalabbauverordnung entlasienen verheirateten Beamtinnen, deren wirtschaftliche Versorgung nicht gesichert ist, wieder in den Dienst einzustellen.' Die bürgerlichen Frauen b«Meifelt«n. daß der sozial- demokratische Antrag angenommen werden würde. Sie haben deshalb veAchiedene Anträge zur Borlage eingebracht. So z. B verlangten die Demokraten, daß die lebenslänglich an- gestellt gewesenen Beamtinnen mit dem Zeitpunkt der Ent- lassung als in den einstweiligen Ruhestand versetzt gelten sollen. Weiter forderten sie, daß für kündbar angestellt ge- wesene weibliche Beamte, sofern sie eine mehr als zehnfährige ruhegehaltsfähige Dienstzeit zurückgelegt oder das SO. Lebens­jahr vollendet haben, das gleiche gelten soll. Frau Teusch verlangte In Verbindung mit den Frauen der Deutschen Bolkspartei und der Deutschnationaken Volks- Eartei in einer Entschließung, daß die Reichsregierung durch en Reichstag ersucht werden soll, darauf hinzuwirken, daß die auf Grund des berüchtigten Artikel 14 ausgeschiedenen Frauen bei der Verwendung von Hilfskräften im Reichsdienst vorzugsweise berücksichtigt werden sollen. Für uns Sozialdemokratinnen entstehen bei der Be- trachtung dieser Dinge verschiedene Fragen. Zuerst aber wollen wir einmal feststellen, daß nach der Reichsverfasiung Artikel 109 Männer und Frauen grustdsätzlich dieselben Rechte und Pflichten haben sollen und daß es ebenfalls nach der Verfassung, Artikel 128, kein Ausnahmerecht mehr gegen weibliche Peamte geben soll. Zu den früheren Ausnahmebestimmungen gegen weib- liche Beamte gehörte bekanntlich auch das Heiratsverbot, das dann In Ausführung der Reichsverfasiung aufgehoben worden ist. Durch die Inflation, die in ihren Folgeerscheinungen und Notwendigkeiten zur Abbauverordnung drängte, ist dieser Grundsatz der Verfassung vorübergehend außer Kraft gesetzt worden. Kein normaler Staatsbürger hat sich vor gestellt, daß da? nun ein Dauerzustand, d. h. ein Rückfall in alte Zeiten sein sollte. Anders die Reichsregienmz. An­geblich hat sie herausgefunden, daß die Arbeit der vcr- heirateten Frau im Beamtenverhältnis nicht so lohnend ist. sie will, wie sie vorgibt, aus dem Grunde, in Wirklichkeit aber aus einer rein reaktionären Einstellung heraus, den alten Zustand des Zölibats sür Beamtinnen auf dem Umwege wieder einführen. Grundsätzlich haben wir nun die Frage aufzuwerfen: Hat die Frau im allgemeinen überhaupt das Recht auf Arbeit? Jede Frau weiß, daß, wenn sie auch als Verheiratete in die Fabrik gehen will, wenn sie als Waschfrau oder Putzfrau arbeiten will, keine 5iemmung«n, außer der evtl. Ueberlastung des Arbeitsmarktes für sie vor- handen sind. Kein Reichstag, kein Landtag beschäftigt sich grundsätzlich mit der Frage, ob«ine verheiratete Frau im Haushalt oder Bureau scheuern und putzen darf oder nicht. Sosern die Frau den Beweis der Tüchtigkeit in einem einmal erwählten Beruf erbracht hat, ist es auch möglich, als ver- heiratete Frau noch weiter in gelernten Berufen, im Bureau und in Derkaufsläden ni arbeiten. Aehnlich ist es mit der Ausübung irgendeine« freien akademischen Berufes. Anders im Beamtenverhältnis: Hier soll ganz plötzlich gegen die Frauenarbeitzugunsten der Che' entschieden werden. Jeder Einsichtige, der die wirtschaftlich« Entwicklung mit Verständnis verfolgt, weiß heut«, daß die Frau unerbittlich in da» Berufsleben hineingezogen wird und daß es gar nicht von dem Willen de» Gesetzgebers oder de» einzelnen ab- hängt, ob Frauen erwerbstätig sein sollen oder nicht. Wenn man dies« Entwicklung besahen muß, dann ist es aber auch nicht gerechtfertigt, au» einem bestimmten Berufe die Frau ausschließen zu wollen. Wie wissen genau, daß für sehr viel« Frauen, die Doppelbelastung durch Haushalt und Kinder fast unerträglich ist und daß viele Frauen gern«ine günstige Ge- legenheit ergrekfen würden, um ganz ihren Hausfrauen- und Mutterpflichten zu leben. Auf der anderen Seite ist aber auch unverkennbar, daß es neben den privatwirtschaftlichen Notwendigkeiten sür die einzelne Frau auch das Bedürfnis nach der Ausübung eines Berufs vorhanden ist. Auch dieses ganz individuell« Recht der einzelnen Frau darf unseres Er- achtens nicht etwa mit einem Federstrich beseitigt werden. Und wohin sollte es führen, wenn man die Konsequenzen durch alle Zweige des Wirtschaftslebens ziehen würde. Nun noch etwas zu der Frage der minderen Arbeits- leiftung der verheirateten Beamtin. Industrie und Handel als Arbeitgeber haben sowohl in den Fabrikräumen wie in den Bureaus und Verkaufsläden verstanden, die verheirateten Frauen so In den Dienst der Arbeit einzuspannen, daß durch die Ehe der Arbeit keine Beeinträchtigung zugefügt wird. Was dort möglich ist, sollt« im Beamtenverhältnis nicht durch- führbar sein? Aber noch eine andere Interesionte Frage entsteht im Zu- sammenhang mit den Vorkommnisien im Reichstag. Cs hat sich die bemerkenswerte Tatsache vollzogen, daß d i e Frauen sämtlicher Parteien, d. h. deutschnatto- nalen bi» zu den sozialdemokratischen(Ruch Fischer wird vielleicht oder auch nicht erklären können, weshalb sie ihre Unterschrift nicht gegeben hat) sich mit einer gemeinsamen Entschließung an die männlichen Mitglieder des Reichstags gewandt haben. St« verlangen in dieser Entschließung, daß der Reichstag , d. h. die Männer den Beschlüsien des Haus- haltausfchusies zu Artikel 14 der Personalabbauverordnung nicht beitreten sollten und brachten zum Ausdruck, daß der Artikel 14 den verfassungsaemäß den Frauen gewährleisteten Rechten widerspricht und daß er In seiner Konsequenz über die yeuttgen großen sozialen Schwierigkeiten der Eheschließung hinweggeht, die verheirateten Beamtinnen einem Sonderrecht unterstellt, gegen das sie vom Standpunkt der Frau und der Beamtin mit Recht Verwahrung«inlegen. Rechtfertigt dieser gemeinsame Vorstoß der Frauen die Annahme, daß es eine große allgemeine Frauensolidarität gibt, und ist es möglich, die Frauen auch in der Folge auf eine gemeinsame Linie zusammenzubrin- gen? Bis jetzt ist das tatsächlich bisher nur bei speziellen Berufsfragen möglich gewesen, während bei anderen großen Menschheitsfragen die Abstimmungen rein nach Welt- anschauung und Parteigruppiemng gefallen sind. Auch diese Abstimmung rechtfertigt nicht die Annahme, daß es in Zu- kunft hiermit anders werden könnte. Immerhin ist es inter- esiant, daß wenigstens in den Fragen des ganz persönlichen Rechtes auf Arbeit«ine gewisse Gemeinsamkeit durch die Reihen der politisch tätigen Frauen geht.