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Frauenstimme

Nr.24+ 42.Jahrgang

Beilage zum Vorwärts

26. November 1925

Wo haben Frauen gleiche Staatsbürgerrechte?

Vor dem Krieg besaß ich eine Landkarte der Welt, in die waren all die Länder rot eingetragen, die ihre Frauen als Bürgerinnen anerkannten. Allzuviel waren's nicht einige Staaten Nordamerikas  , Australien  , Finnland  , Norwegen  . langfam gings voran.

Noch vor knapp zehn Jahren wurde in England wie in Deutschland   die Teilnahme der Frauen an der Politik von allen bürgerlichen Parteien abgelehnt, noch kurz vor der Repo­lution wollte außer den Sozialdemokraten feine Partei eine energische Unterstützung der Frauenforderungen zusagen. Kaum erscheint dies glaubhaft, so fern liegt es, so rasch ver­gißt man.

Und num eine Wanderung durch die Kontinente. Zunächst hat die eurpäische Frau völlige Gleichberechtigung als Wäh­ferin und Wählbare für alle Körperschaften in sämtlichen nörd­lichen Staaten in Norwegen  , Schweden  , Däne­mart, Island  , Finnland  , Estland  , Lettland  und Litauen  , ebenso in Holland  , ferner in der rus­fischen Sowjetrepublif, in Polen   und der Tschechoslowakei  . Dieselbe Gleichstellung genießt sie in Deutschland   und Oesterreich, während sie in Großbritannien   zwar hinsichtlich des Kommunalwahl­rechts den Männern gleichgestellt ist, für das Parlaments­wahlrecht erst mit Bollendung des 30. Lebensjahres jene " Wahlreife" erreicht, die der Mann dank seiner höheren Fähigkeit offenbar schon mit 21 besitzt.

Die italienischen Frauen verdanken Mussolini   ein begrenztes Kommunalwahlrecht, das aber, wie alle Mussolini  schen Reformen, lediglich auf Stärkung des Faschismus abzielt; ähnlich liegt es mit dem ungarischen Frauenstimmrecht, das sowohl durch die Altersgrenze von 30 wie auch durch völlig undemokratische Bestimmungen im Hinblick auf Bil­dung und Besitz nur der Reaktion dient.

In Belgien   besteht kommunale Gleichberechtigung, für das Parlament jedoch nur passives Frauenstimmrecht. Spa­ nien   gewährt teinerlei Parlamentsrecht, aber beschränktes aktives und passives Kommunalwahlrecht. Ein noch begrenz­teres Rommunalwahlrecht soil in Griechenland   im tom­menden Jahr in Kraft treten, es schließt wählbarkeit der Frau aus.

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Neben diesen mehr oder minder umfassenden Frauen rechten gibt es in Europa   noch Staaten, in denen die Frauen völlig unmündig blieben, nicht nur Portugal   und Ru mänien, sondern überraschenderweise Frankreich   und die Schweiz  , das Land, das einst als erstes seine Universi­täten den Frauen öffnete.

Der alte Erdteil schneidet nicht zum besten ab im Ber­gleich mit der neuen Welt, mit Australien  , das ebenso wie Neu- Seeland   gleiche Staatsbürgerrechte beiden Geschlechtern gewährt hat, mit Nordamerika  , dessen Bereinigte Staaten ebenfalls feit 1920 für ihr ganzes Gebiet attives und passives Frauenstt umrecht einführten, nachdem die fortschrittlichsten Staaten det Union  ( Wyoming  fchon 1869) vorangegangen waren. Nicht ganz so gut steht es in Kanada  , wo die Wählbarkeit zum Senat nicht zu gestanden wird.

Im Gegensatz zum Norden aber gibt es feine Frauen­rechte in ganz Zentralamerika   und Südame­rifa, obwohl in einigen der südamerikanischen Staaten das meibliche Geschlecht in reger Entwidlung begriffen und an der Wohlfahrtspflege start beteiligt ist, ganz besonders in Argentinien  .

In Asien   ist im großen Britisch- Indischen Reich das Frauenrecht in rascher Entwicklung, Frauen stimmen in Bombay  , Madras  , Assam  , Bengalen, sind in einzelnen dieser Städte in den Kommunalverwaltungen tätig, jedoch noch nicht für das Parlament wählbar. Auch Pa= lästino hat attives und passives. Frauenwahlrecht für die Nationalversammlung. Im übrigen Asien   sind die Frauen in China   und Japan  , auch in der Türkei  , in rascher Ent­wicklung begriffen und ihre Stellung hat sich, obgleich sie noch teine Staatsbürgerrechte haben, start verändert.

Afrika  , das ja im wesentlichen aus Kolonien euro­päischer Staaten besteht, weist in der Kapkolonie  , in Südafrika   und Transvaal   gleiche Frauenrechte auf. Und so hat denn tatsächlich in furzer Zeit das Frauen­stimmrecht in allen Kontinenten Wurzel geschlagen.

Noch aber haben die Frauen nicht in vollem Umfange gelernt, das in ihren Händen befindliche Machtinstrument richtig anzuwenden, im Dienste derjenigen Ideale, die im wesentlichen immer als Frauenideale verkündet wurden: Ge rechtigkeit für alle, Beseitigung von Not und Elend, Freiheit und Bölkerfrieden. Adele Schreiber  .

Hausangestellte in Amerika  .

Der Begriff Amerifa ist für uns ohne weiteres mit technischem Fortschritt eng verknüpft. Wir sehen in Amerifa nicht mehr nur das Land der mannigfaltigsten Bodenschätze und der großen Reich­tümer, wir denten vor allem an die Umgestaltung und die Ratio­nalisierung der Arbeit, die sich drüben vollzogen hat, an die Inten­fipierung der Industrie durch die Zerlegung des Arbeitsprozesses und die Erfinnung von wunderbaren komplizierten Maschinen. Auf­fäße in der Tagespresse von Männern, die Amerika   studiert haben, wie Prof. Hirsch, Prof. Bonn  , Dr. Feiler u. a. haben uns ein Bild von der Arbeit in der Industrie und im Handel gegeben. Wir erfannten, wie weit Deutschland   während des Krieges und nach dem Kriege zurückgeblieben ist, welcher ungeheuren Anstrengung es bedarf, um die Spanne, die Amerita uns voraus ist, nur einiger. maßen wieder einzuholen.

Wir lernten auch etwas von der modernen amerikanischen  Hauswirtschaft kennen, sahen, wie die hohen Mietpreise einen ganz anderen Wohnungstyp schufen, eine Ausnutzung des Raumes, An­passung des Hausrats an den zur Verfügung stehenden Raum, Schaffung von Verwandlungsmöbeln, wie wir sie hier nicht tennen. Der Mangel an Hausangestellten, die Notwendigkeit des Mitver­dienens der bürgerlichen Hausfrau und vor allem ihr Wille zur Selbständigkeit zwang die Industrie, Arbeit erleichternde Geräte, Maschinen für die Küche zu schaffen, die es der amerikanischen   Frau ermöglichen, ihr Tagewerk im Hause ohne Angestellte in furzer Zeit zu bewältigen und ihr genügend freie Beit zur Berufsausübung oder zu anderer Betätigung laffen Niemand wird uns verdenken, daß wir die Amerikanerinnen darum beneiden, und daß wir auch für die deutschen   Frauen, vor allem für die Arbeiterfrauen jolche Hilfsmaschinen gefordert haben. Natürlich tauchte die Frage auf: wie groß ist dort drüben die Schicht, die sich dieser Mittel bedient? Sind sie nur in den Wohnungen der Reichen zu finden, oder kommen fie auch den Minderbemittelten zugute.

Frauen müßten den amerikanischen   Haushalt erforschen, so wie die Männer die Industrie und den Handel studierten. Einstweilen aber fönnen wir auch aus der amerikanischen Literatur lernen. Bor mir liegt ein Buch von Fannie Hurst  ), das uns ein Bild von dem Leben der Hausangestellten und dadurch auch einen Ein­blick in verschiedene Haushaltungen gibt. Wir sehen. Elendsquartiere mit all ihrem Schmutz und ihrem Gestant, und auf der anderen Selte Häuser der Wohlhabenden, in denen aber die Hausangefte

*) Fannie Hurst  , Lummor. London  , Jonathan Cape.