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die Durchführung der heute bestehenden Anfänge möglich ist, wenn der arbeitnehmende Mensch dem Arbeitgeber als einzel­ner gegenübersteht. Der Macht, die der Befiz der Produk tionsmittel auf feiten des Arbeitgebers darstellt, gilt es, die Macht der gewerkschaftlich und politisch gefchloffenen Arbeitnehmerschaft gegenüberzustellen. Durch den Aufruf der Volksbeauftragten vom November 1918: ,, Bereins­und Bersammlungsrecht unterliegt feiner Beschränkung, auch nicht für Beamte und Staatsarbeiter" und durch den Artikel 159 der Reichsverfassung, lautend Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschafts­bedingungen ist für jedermann und für alle Berufe gewähr leistet", ist das Recht hierzu jedem gegeben. Der arbeitende Mensch und damit auch die arbeitende Frau haben aber dazu nicht nur das Recht; im Interesse ihrer eigenen Person, im Intereffe ihrer Klaffe haben sie hierzu die Pflicht; denn nur dadurch ist eine Hebung der Lage der arbeitenden Klasse durch ein wirksames Arbeitsrecht möglich.

Luise Schröder.

Teilzahlungskauf und Hausfrauen.

Bon einem Teil der deutschen   Detailhändler wurde in den letzten Wochen eine lebhafte Propaganda für den Einkauf gegen Ratenzahlungen entfaltet. Die hier propagierten neuen Einkaufs: methoden, die fich in verschiedenen Bunkten von den schon lange bestehenden Abzahlungsgeschäften unterscheiden, stoßen naturgemäß auf das lebhaftefte Interesse der Hausfrauen. Die Arbeiterfrauen find nicht ganz so persönlich an diesen Fragen intereffiert, weil man hnen zum größten Teil wegen ihrer ungünstigen und unsicheren Einkommensverhältnisse teinen Kredit einräumen wird. Eine starke Verbreitung des Verkaufs gegen Ratenzahlungen fann aber von so weittragender Wirkung auf die allgemeine Preisbildung fein, daß es auch für die Arbeiterfrauen von großer Bedeutung wird, zu beobachten, ob die neuen Einkaufsmethoden besonderen Zuspruch finden.

Die Zentrale der Groß- Berliner Hausfrauenvereine hat sich am 18. November in einer start besuchten Bersammlung mit Diesen Fragen beschäftigt und hat ihren Mitgliedern ziemliche Zurückhaltung empfohlen. Eine gewisse Berechtigung wurde den Teilzahlungsfäufen nur dort zuerkannt, wo es sich um An­schaffungen handelt, die wieder der Berbilligung der Lebenshaltung zugute kommen, wie Fahrräder, Nähmaschinen oder Schreibmaschinen

und eventuell auch Möbel.

Diese Stellungnahme der Berliner   Hausfrauenvereine ist im allgemeinen identisch mit dem, was der Vorwärts" bisher feinen Lesern zu dieser Frage empfohlen hat. Wenn auch die Arbeiter­schaft, in deren Haushalt es an allen Ecken und Enden am Not­wendigsten fehlt, sich nicht so zu ängstigen braucht vor der von den mittelständlerischen Hausfrauenvereinen gefürchteten Berlockung zu unnüßen oder übermäßig teuren Leichtsinnskäufen, so wird doch auch den Arbeiterkreisen, die eventuell Kredit erhalten, das aller­größte Mißtrauen empfohlen werden müssen. Nicht mit Raten zahlungen, sondern nur mit 2 ohnerhöhungen fann man die Rauftraft steigern und das deutsche Wirtschaftsleben neu beleben.

Frauenerwerbsarbeit in Berlin  .

A. G.

Die in weiten Kreisen mit Spannung erwarteten Resultate der Berufszählung vom 16. Juni 1925 sind noch immer nicht vollkommen veröffentlicht. Es fehlen vor allem noch die Zahlen aus dem größten und wichtigsten Wirtschaftsgebiet, aus Preußen. Alle Schlußfolgerungen, die an die bisher veröffentlichten Zahlen geknüpft wurden, stehen deshalb auf sehr schwankenden Füßen. Dieser Tage wurden die ersten Hauptergebnisse für Berlin  peröffentlicht. Sie geben, wenn auch nur in sehr groben Umrissen, ein Bild der Zahl der Erwerbstätigen im Juni 1925. Bergleiche mit früheren Berufszählungen, die Schlüsse auf den Gang der Entwid fung in den letzten zwanzig Jahren zuließen, sind nach den bisher veröffentlichten Zahlen noch faum möglich. Im Juni 1925 waren allein in Berlin   erwerbstätig rund 1,7 Millionen Menschen. Die Bedeutung dieser Zahl wird erkennbar Durch den Hinweis darauf, daß in ganz Bayern   zur gleichen Beit 1,8 Millionen erwerbstätig waren. Von den 1,7 Millionen in Berlin   Erwerbstätigen   waren 1,15 Millionen Männer und rund 550000 Frauen. Etwa ein Drittel aller Er werbsarbeit wurde also in Berlin   von Frauen geleistet.

In der Industrie waren 690 000 Männer und 320 000 Frauen tätig. In Handel und Berkehr, einschließlich Gast­und Schantwirtschaften, arbeiteten 430 000 Männer neben 215 000 Frauen. Für die einzelnen Gewerbezweige liegen bisher nur sehr fummarische Zahlen vor. Es läßt sich daraus nur erkennen, daß die Frauenarbeit besonders start war im Bekleidungsgewerbe. 135 000 Frauen arbeiteten im Berliner   Bekleidungsgewerbe. find rund 65 Proz. der Gesamtzahl der in diesem Gewerbezweig beschäftigten Arbeitskräfte. Bei der letzten Berufszählung im Jahre 1907 war in ganz Deutschland   nur etwa die Hälfte aller im Bellei dungsgewerbe tätigen Berfonen weiblichen Geschlechts.

Das

Es ist zu Hoffen, daß die noch ausstehenden Resultate der Be rufszählung, wenigstens in ihren Hauptergebnissen, recht bald ver­öffentlicht werden, damit Vergleiche mit früheren Statistiken möglich werden, und sich ein möglichst exaktes Bild über den Gang der Ent wicklung feit den Borkriegsjahren gewinnen läßt.

Zur Krisis der Bürgerlichkeit.

Bon Hedwig Schwarz.

I.

A. G.

Gertrud Bäumer   hat eine Schrift erscheinen lassen über Die Frau in der Krisis der Kultur", die es notwendig macht, daß vom sozialistischen   Standpunkt aus zu den darin vertretenen Thesen Stellung genommen wird. Mit Recht dürfen wir voraus feßen, daß es sich darin nicht allein um individuelle Gedankengänge und Bekenntnisse der Verfasserin handelt, sondern um den Ausdruck der grundsäglichen Haltung des von Bäumer geführten linken Flügels der bürgerlichen Frauenbewe gung. Die Auseinandersetzungen mit Bäumers Schrift wird daher gleichzeitig ein Licht werfen auf das Verhältnis der hinter Bäumer stehenden Frauenkreise zu der proletarischen Frauenbewegung und wird aufzeigen, warum tro vielfacher äußerer Berührungspunkte in sozialer Tätigkeit und Programmatif eine unüberbrückbare Kluft weltanschaulischer Verschiedenheit zwischen beiden Bewegungen liegt. Bäumers sittliche Imperative, die sie aus der Betrachtung der gärenden, problematischen Gegenwart herleitet, können für einen suchenden Menschen, der alles Bestehende an der Wurzel erfassen möchte, um zu prüfen, ob es tauglich sei für den großen Bau der Zukunft, teine Lösungen sein.

Bäumer erblickt die Krisis in der Bedrohung der Seele durch die Zivilisation. Durch Technit, Mechanisierung, tünstliche Lebensweise, Arbeitsteilung, Berflachung und Versach­lichung sei ein Zustand eingetreten, in dem es sich nicht, wie in früheren Zeiten, nur um den Kampf um einen neuen Weltanschau­lichen Urgrund handele, sondern um einen Kampf der Seele um ihr Dasein schlechthin. In Arbeit, Genuß, Kunst und Journalismus sieht sie überall grauenhafte Berfallserscheinungen; und wo so eine bürgerliche Seele feinen Ausweg sieht, stellt sie sich gleich das Ende vor, zum mindestens eine Krife bedrohlichsten Aus maßes für die westeuropäische Kultur. Der Arbeiter, obgleich von den Wirkungen der Mechanisierung des gesamten Lebensprozesses am härtesten betroffen, fennt aber eine Krisenstimmung nicht. Für ihn ist die Gegenwart troy all ihrer Qualen und Schrecknisse voll tausendfältiger Anfänge, voll aufbrechender Verheißungen. Das Ohr dem Ruf der Zukunft hingegeben, wird der Sozialist schöpferisch alle jene Aufgaben meistern, die sich aus der Rationalisierung des Daseins ergeben, er wird Technik und Maschine aus ihrer heute herrschenden in eine dienende Stellung zurückweisen. Er weiß ferner, daß das geistig- seelische Leben der Massen trotz alles Elendes und aller Wirtschaftsnot niemals reicher und blühender aufgebrochen ist als in unserer" gottlosen Gegenwart". Das Bewußtsein von Recht und Eigenwert der Persönlichkeit, feit Renaissance und Reformation entdeckt und erkämpft, beginnt endlich auch den vierten Stand zu ergreifen und zu durchdringen und verbindet sich in ihm mit dem sozialistischen   Gemein. schaftsgefühl zu einer neuen fittlichen Grund.. haltung. Vielleicht tritt nur deshalb der Kampf der Seele um ihr Dalein fo start ins Bewußtsein der Zeit, weil noch nie so ge waltige Massen ihn führten. Untergangsstimmung und Krilen dämmerung finden Boden nur bei den intellektuellen Exponenten des Bürgertums; die sozialistische Arbeiterschaft, jung, fraftvoll und zukunftsträchtig, weiß von ihnen nichts.

Gegenüber dem drängenden Neuen Werden führt das Bürger­Eine der wesentlichen Grundlagen bürgerlicher Kultur ist die Ein­tum den Verzweiflungskampf um seine ideelle Selbstbehauptung. ehe in ihrer gegenwärtigen Form. Sie versucht Bäumer in ihrer Schrift um jeden Breis zu retten, und zwar nicht nur um den Preis des Berzichts auf jede Neugestaltung, sondern sogar um den Preis der Verleugnung wesentlicher Erkenntnisse und Errungenschaften der bürgerlichen Frauenbewegung selbst. Nach fampfreichen Jahr. zehnten um den Primat des verbindend Menschlichen, der geistigen aufgabe nur eine Variante darstellt, ertönt glücklich wieder das alte Ebenbürtigkeit der Frau, wozu ihre schwererwiegende Gattungs­Eiapopei von der Mütterlichkeit als gestaltender Mitte des Lebens", vom Mutterinstinkt von Ewigkeit her" usw. Die Variante des gattungsmäßigen Andersseins der Frau wird wieder als Grund­afford eingefeßt, und alle Rückschrittler und Männerrechtler können ihre Freude haben. Noch ist die volle Gleichberechtigung der Frau nicht erkämpft, noch ist die gegenwärtige Frauengeneration durch­aus Produkt einseitig, weiblicher" Erziehung, und schon will Bäumer endgültige Urteile über das Wesen der Frau" ab­geben und daraus ihre zeitlichen Missionen und den überzeitlichen Sinn ihres Lebens ableiten! Uns fozialistischen Frauen dünkt es als die näherliegende Aufgabe, auch den Mann endlich einmal zur tieferen Verantwortung gegenüber der Gattung, zur stärkeren Väterlichkeit" zu erwecken, anstatt unser Selbst zur höheren Ehre des Mannes der Gattungsaufgabe weiterhin zu opfern; von all den unerfüllten Aufgaben des Staates und der Allgemeinheit gegenüber der Mutterschaft ganz zu schweigen! Die physische Seite der Mutterschaft kann doch auch Bäumer nicht das Auchlaggebende sein, da sie den Begriff Mütterlichkeit" in vorwiegend geistigem Sinne faßt.

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