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Frauenftimme

Nr.4+ 44.Jahrgang

Beilage zum Vorwärts

17. Februar 1927

Erziehung durch Prügel?

einzelnen fapitalistischen Besitzer entgegenzusetzen bie Macht der Masse, die Macht des organisierten Broletariats, der organisierten Verkäufer ihrer Arbeitstraft. Würden sich unfere Kinder schlagen lassen, wenn sie im fozialistischen Sinn eine Organisation bilden tönnten? Eine Organisation gegen ihre Unterdrücker, die sehr häufig ihre Eltern, nach dem preußischen Gesetz aber auch ihre Lehrer sind. Dieses Gesetz räumt dem Lehrer noch das Prügelrecht

Wintertag.

Winternacht fant über graues Land, Kälte fraß sich scharf in die Gewässer. Zwischen Tod und Leben schmalen Rand flingend zieht des Frostes blantes Messer. Schwarz verwefte Teiche,

dunkle Baumesleiche

müssen sich dem harten Herrscher beugen, stehn verzaubert start im Winterschweigen.

Wenn du nicht gleich ruhig bift, hau ich dir eine runter," und schon erhebt die Mutter die Hand und der Junge weiß auch schon, was folgt. Er hat es ja so oft erlebt, daß die Mutter nicht bei der Drohung geblieben ist, sondern daß sie die Drohung auch ausgeführt hat. Die Mutter ist eine gute Sozialdemokratin, ja, sie ist noch mehr, fie ist eingeschriebenes Parteimitglied, fie arbeitet in ihrer Gewerkschaft mit, fie ift fogar in der Arbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde" oder in der Frauenwohlfahrt" tätig und dennoch diese Methode der Kinder ,, erziehung ". Handelt eine solche Mutter wirklich fozialistisch, wenn sie ihr Kind schlägt? Wir brauchen den Say, mit dem sie die Strafe androht, nur sprach lich zu untersuchen, um schon aus der Sprachdeutung herauszu bekommen, daß es feine soziali­stische Handlung ist. Was heißt denn runterhauen"? Es heißt in der Schriftsprache herunter­hauen"; eigentlich müßte eg heißen nunter", hin unter hauen. Wer aber fann hinunter­hauen? Doch nur einer, der höher steht als der andere, einer, der oben steht; und wem fann eine heruntergehaut werden? ( Hier ist wieder das herunter richtig.) Nur einem, der unten steht. Ist das eine fozialistische Handlung, wenn einer, der oben steht, auf einen schlägt, der unten steht? Wer ist oben und wer unten? Der Größere und Stär fere ist oben, der Kleinere und Schwächere ist unten. Ist das fozialistisch, wenn der Größere und Stärfere auf den Kleineren und Schwächeren- es muß nicht immer die förper-.. fiche, es tann auch moralische Schwäche sein, die durch das Abhängigkeitsverhältnis gegebene| Schwäche, durch das angeborene oder gegebene Achtungs­verhältnis ausnutzt? Ist es sozialistisch, fragen wir, wenn ein in diesem vieldeutigen Sinn Stärkerer und Größerer auf einen Kleineren und Schwächeren losdrischt, ihm eine runter haut"? Wir werden leicht erkennen. daß es nicht sozialistisch ist, wenn wir die handelnden und leidenden Personen durch andere ersetzen, wenn wir an Stelle der hinunterschlagenden Mutter einen fapitalistischen Unternehmer sehen und an die Stelle des Kindes den Lohnarbeiter. Wie oft haut der tapi talistische Unternehmer dem Arbeiter eine runter"! So oft er ihm Kurzarbeit diftiert, ihn entläßt, fo oft er seinen Lohn türat, eine höhere Arbeitsleistung von ihm fordert bei gleicher Geldleistung. In allen diesen Fällen haut er, der Größere", hier der wirtschaftlich Stärkere dem wirtschaftlich Schwächeren, dem abhängigen Arbeiter eine runter" und der Arbeiter muß den Schlag einsteden, er fann sich nur in seltenen Fällen zur Wehr setzen. Der große Kampf der Arbeiterklasse geht darum, diese Uebermacht zu brechen, dieser Uebermacht der

Neuer Tag, grell und kristallentlar, frönt der strengen Nacht Besizergreifung, macht die fremde Schönheit offenbar: blankes Eis und filberne Bereifung. Sonnbeglänzter Spiegel

gibt dem Schreiten Flügel,

und von zarter Schöne ist umfletdet, was im tiefsten Jnnern friert und leidet.

Winterpracht, erbarmungslose Pracht, deine.falte Schönheit will uns töten! Nur dem wohlig Warmgeborgenen lacht dein Geleucht, nicht dem vom Sturm verwehten. Gleichst im Glizerkleid

Schönheit dieser Belt,

bie den Sinn mit totem Glänzen blendet, falt dem armen Bruder abgewendet.

ein, es erniedrigt den Lehrer zum Prügelprofossen und die preußischen Lehrer stehen nicht mie ein Mann auf, um sich gegen viese Erniedrigung, die ihnen da zugefügt wird, zur Wehr zu fezzen. Sie, die bestellt sind, die Gehirne der Kinder und ihre Seelen zu bereichern, ihnen wird als Erziehungswertzeug ein Stock in die Hand gedrückt und sie dulden das, sie nehmen das Werkzeug so hin wie die proletarische Mutter, die sich heute noch Peine Gedanken macht, die Kinder zu prügeln, weil ein Kind mit jedem Schlag, den es erhält, entgegengeführt wird dem Sklavencharakter der Unterwürfigfeit, der Demut, den sehr zweifelhaften Tugenden", die die Unternehmerklasse beim Proletariat vorausset und wünscht, um es leichter ausbeuten zu tönnen.

Wir müssen brechen mit diesem Ich hau dir eine runter", wir müssen brechen mit dieser schnellen Justiz, die Antiage, Urteil und Strafe in einem Atem ist, die dem Angeklagten das Recht nimmt, verhört zu werden, die ihm das Verteidigungs-, das Berufungsrecht nimmt, die es ihm unmöglich macht, die Strafe anzunehmen oder nicht, sondern die ebenso rasch straft wie sie urteilt und darum Ver hinderung ungerechter Strafen ausschließt. Wir müssen uns zur Wehr sehen gegen diese nur an den schwächsten Klaffen­genossen des Proletariats verübte Justiz, weil sie un.. vereinbar ist mit dem hohen Gedanken des Sozialismus.

Eine Erfüllung des Sozialismus mit der Peitsche, mit dem Prügelstod ist ausgeschlos fen! Sozialismus heißt Berständigung der Menschen unter­einander, durch die höchste Entfaltung ihrer geistigen und seelischen Eigenschaften, Sozialismus heißt, daß jede Unter­brückung eines Menschen durch einen anderen auf alle Zeit ausgefchloffen bleiben muß. Erst dann werden sich die großen Werte, die in jedem Menschen schlummern, entwideln fönnen, erst dann wird es möglich sein, die neue Welt aufzubauen.

Ich mache in großen Bolfsversammlungen während der Rede oft Probeabstimmungen, indem ich jene, die noch nie geprügelt worden sind, bitte, die Hand zu erheben. In Ber­