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Frauenftimme

Nr.2444.Jahrgang

Beilage zum Vorwärts

24. November 1927

Wie wählen die Frauen?

Männer und Frauen haben das gleiche Wahlrecht. Die gleichen Wahlzettel werfen sie in die gleichen Urnen. Die Wahlen sind geheim. So ist es nicht möglich, genau zu erforschen, ob und inwiefern die Frauen anders wählen als die Männer.

Aber es gibt neben Desterreich, wo es durchweg der Fall ist, doch hier und da auch in Deutschland nach Ge­schlechtern getrennte Abstimmungen: die Frauen erhalten einen anders gefärbten Umschlag als die Männer. Solche getrennte Abstimmungen fanden zwar bei den verschiedenen Wahlen nur in einem geringen Bruchteil der Gemeinden statt, bestimmte Erscheinungen wiederholen sich jedoch dabei so regelmäßig, daß man schon einige allgemeine Schlüsse darüber, wie die deutschen Frauen wählen, ziehen darf. Und eine von diesen Schlüssen ist, wie immer wieder flar wird, daß die Frauen bedeutend weniger sozialistisch wählen als die Männer. Die Hauptursache dieser Erscheinung wird aus der Statistik der getrennten Abstimmungen voll tommen flar: fie liegt darin, daß die Frauen viel stärker unter firchlichem Einfluß stehen als die Männer, und namentlich die katholischen Frauen besonders start firch lich beeinflußt sind, so daß in katholischen Gegenden der Unterschied in der Verteilung der männlichen und weiblichen Stimmen viel größer ist, als in evangelischen. In fatholischen Tellen ist es das 3entrum, die katholische und die firchliche Partei, die von Frauen in ganz auffallendem Maße bevor­zugt wird, in evangelischen sind es überhaupt die rechten bürgerlichen Parteien, die vom Frauenwahlrecht profitierten.

Die Wahlstatistik für Köln , wo bet allen Wahlen seit dem Umsturz getrennt abgestimmt wurde, gibt eine Vor­stellung davon, wie in einer katholischen Stadt das Frauen­votum vom Männervotum abweicht. Damit beschäftigte sich ein sehr interessanter Auffaz Die deutsche Wählerin" vom Genossen Mag Schneider im Oktoberheft der Gesell­schaft". Die getrennte Abstimmung in Mainz bei den letzten hessischen Landtagswahlen hat seitdem Ergebnisse gebracht, die noch viel krasser sind als die der Kölner Wahlstatistik. Bevor wir diese Ergebnisse näher betrachten, geben wir hier eine Zusammenstellung wieder, die uns die Verteilung der männlichen und weiblichen Stimmen in Köln zeigt. Es wurden abgegeben für die

Männer( in Pro3.) Frauen( in Proz.) 7,1

Deutschnationalen.

7,3

Deutsche Volkspartei . 12,0

Wirtschaftspartet

Zentrum

Demokraten

Kommunisten

19

11,8

.

°

5,1

4,5

27,3

44,0

5,0

4,4

.

a

23,4 15,0

16,3

7,7

Sozialdemokraten

B

Die letzten Mainzer Wahlergebnisse geben deshalb ein besonders anschauliches Bild, meil fast genau dieselbe Anzahl männlicher wie weiblicher Stimmen abgegeben wurde, und zwar 21 679 männliche und 21 688 weibliche, so daß man auch ohne Berechnung in Prozenten ganz klar die Stimmen­verteilung bei Männern und Frauen sieht. Es entfielen am 12. November in Mainz :

Deutschnationale Landbund

Boltsrechtspartei...

Männer Frauen

988

777

.

228

133

1188

1369

1707

1571

3902

7499

Demokraten

3127

2519

Sozialdemokraten..

8661

6821

Kommunisten

1878

999

Volkspartei. Zentrum.

Aus diesen Zahlen geht völlig eindeutig hervor, daß die Frauen in Mainz insgesamt fast zweimal so viel Stimmen dem Zentrum lieferten als die Männer, und daß darunter viele Stimmen von Frauen aus der Arbeiterklasse waren, deren männliche Berufsgenossen oder sogar deren Männer sozialdemokratisch oder kommunistisch wählten. Die Sozialdemokraten haben allein mehr als zweimal so viel männliche Stimmen erlangt wie das Zentrum; Sozial­demokraten und Kommunisten zusammen erlangten fast die Hälfte, nämlich 49 Broz. männlicher Stimmen und das Bentrum nur 18 Broz., d. h. weniger als ein Fünftet, während es mehr weibliche Stimmen erlangte, als die Sozialdemokraten allein: 35 gegen 82, und nur um 320 Stim men oder um Proz. weniger, als die Sozialdemokraten und Kommunisten zusammen. Daß solche Ergebnisse vor allem durch den kirchlichen Einfluß und nicht durch die be­sonbere Neigung der Frauen nach rechts bewirkt wurden, folgt aus der Tatsache, daß alle rechten Parteten zusammen in Mainz auch mehr männliche als weibliche Stimmen befamen. Die Ergebnisse der ersten Reichspräsidenten wahl in Thüringen zeigen uns die Bertellung männlicher und weiblicher Stimmen in einem evangelischen Lande. Es wählten( in Prozenten):

Jarres( Bürgerblock). Braun( SPD .). Thälmann ( KPD .)

a

Männer Frauen

47,8

3

52,0

33,0

32,1

11,5

6,19

Die rechten Parteien haben wenigstens in diesem Fall bei weitem nicht so stark vom Frauenwahlrecht profitiert, als das Zentrum in Köln und Mainz . Daß es auch in anderen Fällen, wahrscheinlich in allen Fällen so ist, dafür sprechen die Ergebnisse der getrennten Abstimmungen belm Bolfsentscheid, die wiederum in Thüringen und außer­dem in 46 Gemeinden in verschiedenen Wahlkretsen statt­fanden. Es war fast genau so, daß je größer der katholische Anteil an der Gesamtbevölkerung ist, um so größer die Spanne zwischen männlichen und weiblichen Ja- Stimmen. Hier folgen einige Beispiele, wo das prozentuale Berhältnis der stimmberechtigten Männer und Frauen angegeben wird. Männer Frauen

Spandau Gera Frankfurt a. M. Köln

62,6

56,1

57,6

52,9

55,8

48,3

46,5

32,9

40,1

21,9

Freising ( Oberbayern )

22,8

12,7

Weilheim ( Oberbayern ).

20,9

6,9

B 3

Stolberg( Reg. Aachen)

Die Bollsentscheidbewegung hat in katholischen Gegen­den viele Zentrumswähler mitgerissen, aber die Wähler in