Einzelbild herunterladen
 

Frauenstimme

Nr.2 45.Jahrgang

Beilage zum Vorwärts

19. Jannar 1928

Frauen im Parlament.

Der heutige deutsche   Reichstag zählt rund 500 Mit­glieber. Schäßungsweise 200 von diesen Reichstagsabgeord­neten sind mit den Stimmen von Frauen gewählt. In der Zusammenfegung des Reichstages spiegelt sich, daß wir erst am Anfang einer Epoche politischer Gleichberechtigung beider Geschlechter stehen. Roch entspricht die Zahl der weiblichen Abgeordneten bei weitem nicht der Zahl der Wählerinnen. Historisch ist es sehr wohl zu begreifen, wenn sich die Frauen, ebenso wie die Männer, erst all­mählich hineinleben müssen in die Zeit der Gleichberechtigung.

Wenn von 493 Reichstags abgeordneten 33 weiblichen Ge schlechts find, so ist das zwar noch ein recht bescheidener An. fang, verglichen aber mit anderen Ländern, aber doch nicht gerade beschämend für die deutschen Frauen. Ein recht betrübliches Bild vom Fraueneinfluß im Reichstag erhält man aber, wenn man die Entwicklung seit bem Bestehen des Frauenwahlrechtes verfolgt. Die zunehmende Wählerzahl steigerte bie Gesamt­zahl der Abgeordneten bel ben vier Wahlen seit 1919 von 423 auf 493. Weibliche Abgeordnete hatten wir: 41-36-29-33. Also etn faſt regel. mäßiger Rüdgang. Noch nachdenklicher stimmt es, wenn man die Zahlen allein für unsere

zum größten Teil verurfacht burch bas Zurlidbrängen bec weiblichen Barlamentstandidaten in unserer Bartel. Bon insgesamt 85 Wahlkreisen haben mur in zwei Krelsen unsere Parteigenossen eine Frau an die Spige gestellt. Die Ge noffinnen fülf und Schroeder waren Listenführertanen. Sie gehörten beide neben den Genoffinnen Agnes, Bohm­Schuch, Juchacz   und Reihe der Nationalversammlung   und allen drei Reichstagen an.

Haselstrauch im Winter.

Der Haselstrauch trämmt frühlingsschwer Und treibt und dränget immer mehr Trotz falten Wintertagen.

Er möchte ja der Erste sein, Om lieben Frühlingssonnenschein Die goldnen Fähnchen tragen.

Und wenn ihm zag ein Vöglein singt, Wie läßt es frühlingsbang beschwingt Ohm Strauch und Wurzeln regen. Und scheint die Sonne noch so zag, Er wirbt um Gold für seinen Tag Und zittert ihr entgegen.

Bartei( einschließlich der früheren USPD  .) vergleicht. Unsere Frattionsstärte betrug nach der Wahl zur Nationalversamm lung und nach den drei Reichstagswahlen: 187-194-100 -131, die Zahl der weiblichen Fraktionsmitglieder: 29-22-11-16. 3m preußischen Landtag haben wir eine Fraktion von 114 Mitgliedern, darunter 16 weibliche Abgeordnete. Insgesamt betrug die Zahl der weiblichen Abgeordneten bei den verschiedenen Wahlen in Preußen: 23-42-39, in Bayern  : 8-8-4 und in Württem berg: 13-5-5.

Rönnte man sich auch zunächst abfinden mit der geringen Zahl der weiblichen Abgeordneten überhaupt, so wäre doch dafür die Voraussetzung, daß sich ein gerader Weg zu nehmenden Fraueneinflusses erkennen ließe. Das ist aber nicht der Fall. Der Weg scheint mindestens sehr frumm zu sein, wenn man nicht überhaupt refignierend feststellen will, baß er bergab führt. In Reichstag  , in ben Landtagen und in den Gemeindeparlamenten ist die Zahl der weiblichen Mit glieder heute durchweg niedriger als bei der ersten Wahl nach der Revolution. Die Frauen aller Parteien stehen anläßlich der bevorstehenden Nominierung der neuen Barlaments fandidaten vor der Entscheidung, ob sie refignieren oder ob fie neben ihrer Parteifache die Sache der Frauen mit Energie vertreten wollen.

Unsere Partel, die wir immer voll Stolz als die Er tämpferin des Frauenwahlrechts bezeichnen, weist zwar noch immer die größte Bahi weiblicher Abgeordnete auf, aber der Rückgang der Gesamtzahl der Parlamentarierinnen ist

In den anderen Bezirten wurde meistens an britter, vierter ober noch ungünstigerer Stelle ber Lifte einer Frau ein Plag ein­geräumt.

Man fönnte nun sagen: Es ist für unsere große Sache nur von sehr untergeordneter Be­deutung, ob sie im Barlament burch einen Mann oder eine Frau vertreten wird. In der Hauptsache ist das natürlich richtig. Nicht richtig ist es aber, daß diese Behauptung immer mur aufgestellt wird, um sie in thr Gegenteil zu verkehren. Es wird daraus nämlich immer ble Konsequenz gezogen: also bann ein Mann. Kein Mensch wird im Ernst behaupten wollen, daß Tüchtigkeit und Arbeltsluft belm Durchschnitt der Parlamen tarierinnen geringer seten als bei ihren männlichen Kollegen. Eher ist das Gegenteil zu tonftatteren. Die Frauen haben baneben in den Parlamenten Aufgaben, ble selbst bef beftem Willen faum von Männern erfüllt werden können. Ebenso wie sich beim politischen Wirken der Frauen die Tat­fache immer wieder und oft nachteilig- bemerkbar macht. daß wir erst am Beginn einer Epoche ihrer politischen Gleich­berechtigung stehen, so spiegelt sich in den politischen Ent­scheidungen der Männer nur zu oft die eben zu Ende gehende Beit ihrer politischen Alleinherrschaft. Frauentntereffen bleiben unbeachtet oder es wird ihnen zurlbergehandelt. Das geschieht oft ganz ohne bewußte Absicht.

Bruno Schönlant.

Cheche

-

-

Wenn zum Beispiel in den letzten Jahren, aus all­gemeinem Mißbehagen heraus, die öffentliche Meinung sich wiederholt und lebhaft mit der Umgestaltung des Wahlrechtes beschäftigte, so war damit sicher nicht die Absicht verbunden, die Frauen noch weiter aus den Parlamenten hinaus zudrängen. Die praktische Folge aber wäre es gewesen. Nun besteht zwar für die Gegenwart faum eine Befürchtung in dieser Richtung. Die Zeit turz vor dem Auseinandergehen eines Parlamentes ist der psychologisch ungeeignetste Moment für die Durchführung einer Aenderung des Wahlrechtes. Aber wenn nach den Neuwahlen eine neue Regierung ge wählt wird, wenn im Programm dieser neuen Regierung, ebenso wie im Programm des Herrn Marg, neben anderen Reformen auch die Durchführung der sogenannten, a hl. reform" versprochen wird, wenn für alle Abgeordnete bie Beit einer Neuwahl in weiter Ferne liegt, dann wäre es möglich, daß diese Frage wieder ernsthafter bistuttert toürbe, zumal bereits ein fertiger Regierungsentwurf vorliegt. Dann