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Zwanzig Jahre Kinderfreunde.

Ein Rückblick am Entstehungsort der Bewegung.

Die focben in Graz abgehaltene Tagung des Vereins Freie Schule- Kinderfreunde in Deutschösterreich zeigte nicht nur den Auf­tieg der Organisation, die ausgezeichnete finanzielle Gebarung, sie gab auch ein beredtes Bild von der Durchdringung der Organisation mit der Idee der 1031alistischen Erziehung, von der Bertiefung der Arbeit für diese Idce. Bei der Erstattung des Rechenschafts­berichts zeigten Lichtbilder die gewaltige Entwicklung des Ver­eins in den zwanzig Jahren. Zuerst der eine Anton Afritsch  , dann die mehreren, die sich um ihn scharten, heute schon die vielen; morgen, wenn die Idee sieghaft weiter marschiert, alle, wie Mag Winter in seiner Gedenkrede fagte. Er sagte:

Für einige Minuten wollen wir die Bergangenheit her aufbeschwören. Wir sehen da, wie ein Bater hinauswande.t in die frele Natur. Fünf Kinder ziehen mit ihm in den Wald. Der Vater ist ein kundiger Mann, er kann den Kindern jeden Schmetterling, jede Raupe, jeden Käfer nennen und sein Werden erklären. Dann raften sie, packen den Rudjad aus, eine Quelle in der Nähe labt sie. Mit frohem Jugendspiel endet der Tag. Und wie die Kinder so Ipielen, tauchen vor dem Auge des Vaters taufende und aber tausende Arbeiterfinder auf in den Straßen und auf den Plätzen der Stadt, Die feine Sonne haben und feinen grünen Halm. Als Sie dann am Abend nach Haufe wandern, da fagt er zu feinen Rindern: Nehmt am nächsten Sonntag jeder einen Freund mit." Aus fünf Kindern sind so zehn geworden. Am folgenden Sonntag famen schon wieder mehr, es wurden zwanzig, später dreißig. Und ber Bater erkennt, daß er allein die Schar nicht meistern, nicht allen Lehrer sein könne. Er sagt den Kindern: ,, Nehmt eure Eltern mit, sagt dem Vater, der Mutter, daß sie uns willkommen find."

So hat Anton Afritsch   unfere Organisation gegründet.

Er hat den Kinderfreundegedanken nicht als redender, als be­lebender Agitator hinausgetragen, sondern er hat die Kinder werben lassen. Die Kinder sind mit dem Rucksack, mit ihren Pfeifchen und Trommeln auf das Land gezogen und haben dort vor der staunenden Jugend Spiele gespielt, und bald spielten die Kinder des Dorfes oder des Industrieortes mit. Und in der Jugend wurde der Wunsch nach einer solchen Gemeinschaft rege, und voll Stolz fogten die Dorfkinder: Das können wir auch, was uns da die Grazer gezeigt haben." Als dann Afritsch   mit seiner Schar nach ien fam, ging man fofort in Floridsdorf  ( 21. Bezirk) daran, eine Kinderfreundeortsgruppe zu errichten.

Die leberzeugung hat sich durchgerungen, daß Schule und Haus in gleicher Weise und beseelt von demselben Gedanken, dem Kinde dienen müssen. Allerdings gab es auch am Anfang manche

Die amerikanische   Jugendche.

Während wir uns im altmodifden, schwerfälligen Europa  theoretisierend die Köpfe zerbrechen, um Wege zu finden, zur Rettung aus der Ehe Not", hat man im prattischen Amerika   durch bie Tat einen Ausweg eröffnet, der auch für europäische und ins besondere deutsche Verhältnisse die Löfung eines der templiziertesten erotischen Probleme bedeuten würde.

Zwischen den Zeitpunkt der erlangten vollen Geschlechtsreife und dem einer wirtschaftlich verantwortbaren Eheschließung und Familiengründung hat sich in den zivilisierten Ländern der Erde eine immer längere Frist eingeschoben. Die Gesellschaft verurteilt die Menschen zwischen 20 und 30 Jahren in der Bollfraft der Jugend und auf dem Höhepunkt der erotischen Erlebnisfähigkeit aur zehnjährigen Enthaltsamkeit; mit Recht spricht Grete Meisel- Heß  in ihrer Seguellen Krise" von einer zehnjährigen Folter. Galten biese Berhältnisse vor dem Kriege in der Hauptsache für die Jugend ber Bildungsschicht, insbesondere für die Akademiker, so ist in der Nachkriegszeit durch Arbeitslosigkeit, Wohnungsmangel, die Schwie­rigkeit der Aussteuerbeschaffung usw. auch in der Arbeiterschaft die Eheschließung junger Menschen sehr erschwert worden. Die miß­handelte, vergewaltigte Natur fuchte sich dann einen Ausweg in der Benutzung der Prostitution und in leichtgeknüpften erotischen Bezie hungen von fragwürdigem inneren Wert und bar aller Verant­wortung. Dies hatte zur Folge, eine üble, charakterverderbliche Heindlichkeit und Schwüle der Beziehungen, schlimmerenfalls Ab­fecibung, Geschlechtstrantheiten und Jugendlicheniragödien, die nicht Jelten mit dem Freited Junger, blühender Menschen endeten.

Diesen Schäden will die amerikanische   Companionate marriage", die Jugend- cter ,, Gejährtenehe" ein Ende machen. Sie wird von Jugendreformern und ratifalen Geistlichen eifrig propa­giert, am meisten von dem Jugendrichter Lindsey aus Denver  . Zwei noch wirtschaftlich unfelbständige junge Menschen fündigen in aller Deffenlidfeit mit Einwilligung ihrer fehr vernünftigen

Bedenken, rein menschlicher und persönlicher Natur. Heute sind wir aber über diese Bedenken längst hinaus und wir erkennen, daß der Gedanke des Zusammenschlusses cin glücklicher war. Tagung in Salzburg   brachte die Gründung einer Der Gedanke ist weit über Desterreich hinausgewachsen. Eine Tagung in Salzburg   brachte die Gründung einer

Internationale für sozialistische Erziehung.

Sie hat sich aber bis heute noch nicht recht das Bürgerrecht erworben innerhalb der Organisationen des Proletariats.

Heute sehen wir in Deutschland   schon eine große Arbeits gemeinschaft der Kinderfreunde. lleber Deutschland   hinaus ist die Kinderfreundeidee in andere Länder vorgedrungen. Genosse Afritsch  selbst konnte noch den Grundstein legen zur starken Kinderfreunde­bewegung in der Tschechoslowakei  . Wir sehen jetzt Ichon Vereine in Polen  , Lettland  , Dänemart, in der Schwela; in Ungarn   können die Kinderfreunde, von Horthy   enterdrückt, eine Tätigkeit nicht entfalten. Auch in dem unglücklichen tallen haben wir schon einen Verein der Kinderfreunde in Mailand   gehabt, der sogar eine eigene Beitung herausgab. Das ist allerdings alles durch den Faschismus zum Untergehen verurteilt worden. Wir haben aber in Europa   noch Anfäße in Belgien   und in Holland  , und bald werden auch die nordischen Staaten zu uns stoßen. Ich komme jezt aus Argentinien  . Dort hat mir der Borsigende der Arbeiterorganisation in Buenos Aires  , ein alter Wiener Genoffe, das Versprechen gegeben, daß, noch bevor das Jahr 1928 zu Ende gehen wird, auch Buenos Aires   eine Ortsgruppe der Kinder­freunde haben wird. Unsere Idee hat also auch in Amerita schon Wurzel geschlagen,

Der Rechenschaftsbericht zeigt bei uns in Defterreich noch ein traffes Mißverhältnis zwischen den Zahlen der gewerkschaftlich organisierten, der politisch organisierten Arbeiter und denen der Kinderfreunde. Bei unserer Werbearbeit fommen uns allerdings nicht nur die eigenen Parteigenossen zu Hilfe, sondern vor allem und das ist ein Wiz, wie ihn die Weltgeschichte so oft zu machen pflegt die Erzichungsbeauftragten des Rapitals. Die Bischöfe find es, die auch in ihrem leßten Sendschreiben an die Gläubigen für unsere Idee geworben haben. Ja, wir nehmen mit Stolz zur Kenntnis, daß wir die größte Hoffnung für die Zukunft find.  ( Stürmischer Beifall.) Wir alle wollen der herrlichsten aller Religionen, der Religion des Sozialismus, dienen, bis zu dem Tage, da aus den vielen schon alle geworden sind.( Stürmischer, langanhaltender Beifall.)

Hierauf wurde der neue Vorstand gewählt. Domänner sind: Mag Winter( Wien  ), Paul Speiser( Wien  ) und Eduard Sped( Graz).

Elterndle Eingehung ihrer Gewissensehe an. Diefer Schritt hat weiter gar feine äußeren Konsequenzen. Sie bleiben bei den Eltern oder im Internat wohnhaft und gehen weiter ihren Studien nach. Die Gründung eines Hausstandes, die Verpflichtung des Ehemannes, von Gesetzes wegen für den Unterhalt der Frau zu sorgen, die gesetzliche Verpflichtung der Frau, ihren Wohnort vom Ehemann bestimmen zu laffen, all diese komplizierenden Momente fallen bel der nur auf persönlicher Bindung beruhenden Jugendehe fort. Ihre Bedeutung besteht nur darin, daß der Neigungsbund zweier Junger Menschen der häßlichen, unwürdigen Sphäre der Heimlichkeit und des Berbotenen entrüdt und gesellschaftlich anerkannt wird.

Natürlich ist damit auch im Lande der unbegrenzten Möglich feiten bas Signal für die nach Möglichkeit Begrenzten, für die Ewig- Geftrigen gegeben, diesen Fortschritt mit recht albernen Argu menten zu bekämpfen. Obgleich selbst die Vorfämpfer dieser Ein. richtung mit feiner langen Dauer rechnen, hat das Dußend bisher ge schlossener Jugendehen sich als durchaus haltbar erwiesen, und find mehrere der jungen Paare bereits in das aus gemeinsamen Er­sparnissen gebaute Nest eingezogen.

Möglich ist diese Einrichtung natürlich nur bei Kenntnis und Verbreitung der Geburtenverhütung, denn mit der Jugendehe un­vereinbar sind die wirtschaftliche Belastung und der ganze häusliche Apparat, die nun einmal mit der Familiengründung untrennbar verbunden sind. Die reaktionären Gegner der Jugendehe, die auf diesen Punkt den größten Nachdruck legen, haben hierzu nicht das mindeste Recht, denn auch ohne Jugendehe würden die jungen Leute nicht in der Lage sein, Kinder in die Welt zu setzen. Bom fozialistischen Standpunkt aus, der den lebendigen Menschen und die Hebung der Voitsgesamtheit in den Mittelpunkt rückt, bleibt es allerdings ein schweres Manto, daß der Menschheit gerade die Kinder aus wertvollen jugendlichen Liebesbünden vorenthalten werden. Erst der Sozialismus, der bis zur wirtschaftlichen Selbständigkelt der Eltern fürsorgend für die Kinder eintritt, fann die höchste Boll endung der Jugendehe bringen.