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Charlotte Anita Whitney.

Eine Sozialistin in Amerita.

Bohl fein Prozeß hat neben dem Prozeß Sacco- Banzetti größeres Aufsehen erregt, als der Prozeß gegen Anita Whitney , die tapfere talifornische Sozialistin. Wer ist diese Frau, deren politisches Birken die Deffentlichkelt fo start erregte, was war ihr Berbrechen und weshalb tam fie vors Gericht? Char lotte Anita Whitney stammt aus einer hundertprozentig amerikas nijchen" wohlhabenden Familie. Jede Möglichkeit zu einem heiteren, genußreichen Leben stand ihr offen, aber sie verzichtete auf persön Hiches Glück, um sich dem Aufstieg der arbeitenden Klasse zu widmen. Sie unterrichtete Unbemittelte in New York und Washington , wirkte dann in der Heimat als Sekretärin der Vereinigten wohl fahrtsvereine von Oakland und wurde die erste Jugend gerichts fürsorgerin und Vorsitzende der kalifornischen Liga für Frauenstimmrecht.

Als in Kalifornien 1919 die Angst vor dem Bolschewismus aus brach, wurde ein schändliches Gesetz, das Criminal Syndicalism Lam"( Gesetz gegen verbrecherischen Zusammenschluß) erlaffen, in bem es heißt, daß verhaftet und bestraft werden kann, wer:

die Gewerkschaftliche Frauenzeitung", die, hauss angestelltenzeitung", die Frauenwelt", Die Gea noffin", haben sich Anerkennung bei Freund und Gegner ers worben, und Die Arbeiterwohlfahrt" ist ein allseitig an erkanntes Fachblatt. Neben diesen über unsere gegenwärtige Arbelt berichtenden Blättern geben die gebundenen Jahrgänge der Arbeiterin" und der Gleichheit", beide redigiert von Emma Ihrer , und die Broschüre Arbeiterin und Klassentampf" ein Bild von den Kämpfen früherer Jahrzehnte. Wer die Sonderausstellung der Arbeiterpreffe befichtigt, wird daran nicht achtlos vorübergehen. Rur eine Frage taucht auf: Wirb die sogenannte unpolitische Frau,

die nicht die anfangs erwähnte Gemeinschaftsarbeit fennt, nicht fo etwas wie Geringschätzung empfinden, wenn sie dieses Material der Ausstellung der bürgerlichen Frauenvereine gegenüberstellt? Die Abteilung Das Schrifttum der bürgerlichen Frauenvereine" zeigt eine Zufammenstellung der von den verschiedensten Gruppen geleisteten Arbeit. Die ersten Anfänge eines Frauenfchrifttums find im Rahmen von Wohnungseinrichtungen der damaligen Zeit untergebracht, so z. B. je eine Abteilung Mittelalter, Romantif, empfindsame Zeit von 1850 bis 1880. Das Frauenschrifttum dieser Zeit ist eine Auflehnung gegen die damalige Einstellung zur Frau. Wie der Kampf geführt wurde, illustriert am besten ein aus der damaligen Zeit stammendes Flugblatt, das in 3 Zentimeter großen fettgedruckten Buchstaben die Inschrift trug: Herr Bullrig will nicht haben, daß seine Frau Mitglied werden soll vom demo fratischen Frauenclub." Man versucht, durch Bloßstellung seinen Willen durchzusetzen. Die Zeitschrift Die Frau" und zahlreiche Berufsverbände und Frauenorganisationen wie Deutscher Berein für Frauenstimmrecht", Jüdischer Frauenbund ", Berein jung evangelischer Frauenverbände", Bereinigung katholischer Frauens verbände", Verband deutscher Frauenkultur" werden durch ause gestellte Zeitschriften und Ausgaben über die ihnen angefchloffenen Anita Whitney war Mitglied der Industrial Workers of the Berbände veranschaulicht. Besonders charakteristisch für die Ein World"( Industricarbeiter der Welt) gewesen; als 1919 diese Berstellung bürgerlicher Kreise vor ungefähr 50 Jahren sind die un einigung zum Kommunismus übertrat, tat sie diesen Schritt mit. diese Beit in einer Zeitschrift eines Jungmädchenvereins heraus

,, durch seine Lehren und ungefeßliche Gewalttaten, durch vorfäßliche, böswillige förperliche Schädigung oder durch Ver­legung von persönlichem Eigentum, durch ungefeßliche Methoden von Terrorismus, sowie durch Beihilfe zu einer Aenderung der Eigentumsverhältnisse oder zu der Kontrolle desfelben, oder auch in der Absicht irgendwelcher politischen Aende rungen dem Staate schadet."

Dies geradezu ungeheuerliche Gesetz ermöglichte es, Hunderte von harmlosen Bürgern ihrer politischen Gesinnung wegen unter Anklage zu stellen und auf lange Jahre ins Ge­fängnis zu werfen, obgleich es im offenen Gegensatz steht mit der Berfassung der Vereinigten Staaten und Kaliforniens .

Es wurde eine öffentliche Versammlung einberufen, bei welcher die Gründe, die zu diesem Uebertritt geführt hatten, ruhig und fachlich besprochen wurden. Plötzlich kam die Polizei in den Saal, löfte die Versammlung auf und verhaftete eine große Anzahl der Redner, unter ihnen Anita Whitney und warf sie ins Gefängnis. Sie hatte zur Ruhe und Besonnenheit ermahnt, aber eine Rede zugunsten der Kommunisten genügte zu ihrer Verurteilung. In erster Instanz wurde sie zu langjähriger Gefängnisstrafe, in der letzten Instanz, vor dem Bundesgericht in Washington schließlich-

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nachdem sieben Jahre vergangen waren

au je ein bis vierzehn Jahren Gefängnis verurteilt( in Amerika gibt es zumeist eine Höchft und Mmdeftstrafe). Doch da erhob sich eine allgemeine Entrüftung, und der Gouverneur von Kalifornien , dem das Begnadigungsrecht zusteht, wurde vor die Frage gestellt, was für ihn und feine Popularität vorteilhafter war. Anita hatte feinen Antrag auf Begnadigung gestellt, sie wies es zurück, da noch fo viele ihrer Genossen, die ebenfalls verurteilt waren, unschuldig im Gefängnis schmachteten und leider Gottes heute noch schmachten! Ihr Verteidiger reichte das Gnadengesuch ein, aber fast die ganze öffentliche Meinung stand hinter ihm, der Druck der Deffentlichkeit war so start, daß furz nach der Verurteilung die Begnadigung er­folgte. Die Demokratie hatte sich endlich gegen die Klassenjuftiz durchgesetzt.

Anstandsregeln vor 50 Jahren.

Das Frauenfchrifttum auf der Preffa.

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Die Unterbringung der freigewerkschaftlichen und sozialistischen Frauenzeitungen, zeitschriften und-bücher im Haus der Arbeiterpresse" auf der Pressa" in Köln zeigt die starke Berbundenheit der proletarischen Frauenbewegung mit der gesamten Arbeiterbewegung. Da alle Arbeit Gemeinschaftsarbeit ist, die Frau in allem gleichberechtigt mitwirft, hat in der Arbeiterschaft kein so startes Bedürfnis nach eigenen Frauenorganisationen bestanden wie bei den bürgerlichen Frauen. Dort, wo freigewerkschaftliche oder fozialistische Frauen eigene Organisationen schufen, geschah es zur Ergänzung der gemeinsamen Arbeit. Diese Tatsache tritt auf der Preffa deutlich hervor. Die besonderen Frauenschriften. nehmen im

Haus der Arbeiterpreffe"

nur einen geringen Blaz ein. Nun ist ja nicht immer die Menge ausschlaggebend; nicht auf die Quantität, sondern die Qualität tommt es an. Wenige gute Schriften fönnen unzählige fleine Blättchen überflüffig machen. Unfere wenigen Zentralblätter, wie

gegebenen

Sie lauten:

Anstandsregeln.

Schlagt nie ein Bein über das andere; erlaubt ist höchstens ein leberfreuzen der Füße.

Achtet darauf, daß der Rock beim Hindezen so weit herunters gezogen ist, daß nur der Fuß zu sehen ist!

Ein wohlerzogenes Mädchen hält beim Sigen die Knie ge Schloffen, legt die Füße nebeneinander.

Es ist unschicklich, in Gegenwart männlicher Personen von Brust, Leib, Magen und Darm zu reden.

Zieht Euch viele Interröde an, mindestens 3, damit von der Form des Körpers möglichst wenig zu lehen iſt]

Geht nicht mit jungen Männern spazieren; geht nur in Be gleitung älterer Personen zum Langl

Die Anstandsregeln der gleichen Zeitschrift lauten heute un gefähr wie folgt:

Anzug vorher ordnen, nicht auf der Straße, nicht allein vorm Schaufenster stehenbleiben, rechts gehent Geht man spät allein, dann sehr schnell. Das Benehmen auf der Straße gibt dem aufa mertsamen Beobachter Aufschluß über Dich.

Aufbau und Gliederung der landwirtschaftlichen Frauenvereine werden durch Tafeln erklärt, ebenfalls die Entwicklung der hauswirtschaftlichen Berufsausw bildung. Ueber den Inhalt von

300 Frauenbellagen der bürgerlichen Tagespreffe berichtet eine Tafel in Bildern und Zahlen. Danach enthielten diese Frauenbeilagen Kochrezepte 300 mal, praktische Winfe 250, Sinnsprüche 150, Frauenberufsfragen 120( bildlich durch Kranken schwester und Berufsberatung dargestellt), Frauenfragen 61, Frau und Politit 25, Familie und Ehe 47, Bolkserziehung 12 mal usw. Diese Ausstellung zeigt, wie berechtigt unser Borwurf ist, daß ble bürgerlichen Blätter die Frau

bewußt von politischen Tagesfragen fernhalten.

Ein Teil dieser Frauen wird ja nie von uns au erfassen sein, well sie sich aus falschem Standes- und Kaftengeist über bestimmte Ara beiterinnengruppen erhaben fühlen und deshalb eigene bürgerliche Berufsverbände und Zeitschriften als notwendig empfinden. Die große Masse der Arbeiterinnen und Angestellten gilt es, von diesen Berbänden und ihren Schriften und Tagespressen zu lösen und für die freien Gewerkschaften und ihre und die sozialistische Presse zu gewinnen.

Sehr geschickt macht Bobach Bropaganda. Das am fleinen Borgarten angebrachte Schild ,, in jedem fünften Haus ein Bobach