Einzelbild herunterladen
 

Bis zu 22 Stunden Arbeitszeit"

Ein Jahr Berichte über Frauenberufsarbeit.

Frauenarbeit wird heute auf den meisten Arbeitsgebieten noch| Serviermädchen während der Badesaison bis zu 17 Stunden beschäf Ichtechter bezahlt als die gleiche Arbeit des Mannes. In Amerika , das darin keine Ausnahme macht, haben sich infolgedessen die Arbeitsverhältnisse bereits grotest verschoben. Wo es irgend möglich

ist

und das Land der unbegrenzten Möglichkeiten hält zum Beispiel Jogar Frauenarbeit in Hochöfen für möglich stellt der Unter­nehmer Frauen statt Männer ein und erzielt dadurch beträchtliche Mehrgewinne. Die Männer werden brotlos ihre Frauen müssen in die Fabriken gehen und dort die Pläße einnehmen, von denen man ihre Ernährer verjagt hat.

-

Es hat sehr den Anschein, als griffe diese ungesunde Entwicklung auch in Deutschland immer mehr um sich. Die Jahresberichte der preußischen Gewerbeaufsichtsbeamten zeigen, daß nicht nur in länd lichen, sondern auch in industriellen Bezirken- allerdings nicht in solchen mit überwiegend Schwerindustrie

-

die Zahl der befchäftigten Frauen die der Männer bereits mehrfach wesentlich übersteigt.

Dabei geben die Berichte an verschiedenen Stellen der Meinung Ausdruck, daß eine stärkere Heranziehung von weiblichen Arbeitern an Stelle von männlichen erst in den kommenden Jahren in den rationalisierten Betrieben eintreten werde. Wir stehen also tatsäch lich am Anfang des Weges, den Amerika bereits eingeschlagen hat: Brotlosmachung des Mannes, Doppelbelastung der verheirateten Frau. Solange die Frau das leichter auszubeutende Objekt ist als der Mann, wird keine Umkehr möglich sein. Nur gleiche Arbeitsverhältnisse und gleiche Bezahlung der Arbeit Fönnen einen vernünftigen Ausgleich zwischen Männer- und Frauen­arbeit herbeiführen.

Heute liegen die Berichte der Gewerbeaufsicht zeigen es wieder deutlich die Verhältnisse so, daß der Mann vielfach zu wenig verdient, um die Familie zu erhalten. Die Frau muß mithelfen, für den Broterwerb zu sorgen. Sie nimmt Arbeit gegen oft er schreckende Unterbezahlung an und hilft damit die Auf faffung stüßen, aus der die Unternehmer so gern einen Grundsatz imachen möchten: daß die Frauenarbeit immer billiger ist als die des Mannes.

-

Mit den Lohn- und Arbeitsverhältnissen des männlichen Ar­beiters steht es schlecht mit denen der Arbeiterin steht es viel schlechter. Die leider noch immer viel weniger straffe gewerkschaft. liche Organisation der werktätigen Frauen zeigt hier ihre Folgen. Der Bericht aus dem Regierungsbezirk Kassel fagt: Die wirtschaft liche Lage der weiblichen Angestellten ist meist sehr ungünstig, werden sie doch trot äußerster Anspannung vielfach unter Tarif bezahlt. Ein Einschreiten gegen die willkürliche Bezahlung lehnen die weiblichen Angestellten

aus Furcht vor Entlassung

ab. Auch die Beschaffenheit der Bureauräume und die hygienischen Berhältnisse laffen teilweise, besonders in älteren Betrieben, zu wünschen übrig." Wenn sich in den sehr vorsichtig gehaltenen Ge werbeberichten ein solcher Saß findet, so kann man sich denken, welche elenden Verhältnisse herrschen. Immer wieder wird auch auf die Ueberschreitung der gesehlich zulässigen Arbeitszeit hingewiesen. Ein Eingreifen der Gewerbeaufsicht ist hier außerordentlich schwer; denn aus Furcht vor Entlassung widerrufen die Angestellten bei der polizeilichen Bernehmung sehr eft die Aussagen, die sie den inspizierenden Gewerbebeamten gegen über machten. Häufig fann erst der Hinweis auf die Folgen eines Meineids die Angestellten dazu bringen, die Wahrheit zu sagen. Ob nicht aber mancher sogar einen Meineid auf sich nimmt, um nicht mit seiner Familie brotlos zu werden? Besonderen Schuh brauchen die in den Hotelbetrieben und Ga ft ft ätten tätigen Frauen. In Magdeburg befanden sich unter den Konzeffionsgefuchen für Gast­wirtschaften mehrere Anträge von ehemaligen Bordellwirtinnen, die die Erlaubnis zum Ausschank von alkoholfrelen Getränken erbaten. Die Beschäftigung weiblicher Angestellter wurde hier in allen Fällen untersagt. Doch auch sonst ist die Frau in den Schankbetrieben oft recht wenig geschützt, und die gesetzlichen Vorschriften werden gern umgangen. Sehr zahlreich sind die Verstöße gegen das Arbeits­zeitgesetz. In den Badeorten find die Ueberschreitungen besonders groß

die Strafen, die dafür verhängt werden, leider recht gering. So erhielt ein Konditoreibesitzer in einem Seebadeort des Regie­rungsbezirks Röslin eine Gesamtstrafe von 150 Mart, weil er

tigt und ihnen die vorgeschriebene Ruhezeit nicht gewährt hatte. Auch die Arbeiterin in den industriellen Unternehmen wird oft er schreckend ausgebeutet. Hierzu bieten leider auch die Gefeßze noch manche Möglichkeit. Nachtarbeit der Frauen oder wenigstens Arbeit in Spätschichten wird immer wieder zugelassen. Die Frauen bevorzugen oft sogar diese Arbeit, weil sie ihnen die Mög lichkeit gibt, vorher ihren Haushalt zu besorgen. Welcher Raubbau mit der Gesundheit der Frau durch diese systematische Entziehung des Schlafes bei törperlicher Ueberlastung getrieben wird, liegt auf der Hand! Auch die Pausen werden oft auf Wunsch der Arbeiterinnen" verkürzt. Wie es damit aussieht, zeigt zum Beispiel der Bericht aus dem Regierungsbezirk Liegnig. In einer Pappenfabrit wurde den Arbeiterinnen, weil fie in der zweiten Schicht einen früheren Arbeitsschluß wünschten, die Pausen bis auf 10 Minuten in jeder Schicht gekürzt. Der Bericht fährt fort: Auf Befragen gaben aber mehrere Frauen, beren schlechtes Aussehen auffiel, zu, daß sie die Wiedereinführung der halbstündigen Pause dringend wünschten. In beiratete Frauen, die einen eigenen Hausstand zu ver dem Tarifvertrag der Krefelder Seidenindustrie ist festgelegt, daß ver forgen haben, auf Wunsch von einer über 51 Stunden hinaus gehenden lle berarbeit freizustellen sind. Statt der ge

Am Dienstag, dem 20. November 1928, 191, Uhr, spricht Genossin Tony Sender M. d. R. In einer

öffentlichen Frauenversammlung im Großen Saal der ,, NEUEN WELT", Hasenheide, über:

10 Jahre Frauenwahlrecht"

Gesang- und Sprechchöre werden einen schönen Auftakt und einen guten Ausklang geben.

forderten 48- Stunden- Woche haben diese Hausfrauen mindestens die 100- Stunden- Woche! Der Bericht aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf teilt mit: Ein Kabelwert ließ Arbeiterinnen Stunden ohne Bause arbeiten. Der Leiter einer Besteckfabrik erhielt 200 Mart und sein Meister 100 Mark Geldstrafe, weil sie einzelne Arbeite­rinnen

bis zu 22 Stunden am Tage arbeiten ließen.

In einer Weberei und in einem Metallwert wurden Arbeiterinnen ohne Erlaubnis 10% und 11% Stunden beschäftigt, um den Arbeits­ausfall an Feiertagen nachzuholen." Die sehr geringen Strafen, die nicht im entferntesten an den erzielten, Gewinn heranreichen dürften, sehen wie Brämien für solche Berstöße aus. Die Frauen arbelten in Krankheit und Schwangerschaft, solange sie irgend können. Denn sie sind auf den geringen Verdienst angewiesen. Eine Schwan gere, die von der Gewerbeaufsicht als Büglerin angetroffen wurde, wie sie ihr 14 Kilogramm schweres Eisen handhabte, sträubte fich, als sie mit Näharbeit beschäftigt werden sollte, aus Furcht vor dem Lohnausfall, den sie dadurch haben würde.

-

Die Beispiele der mangelhaften Arbeitsverhältnisse und unter. bezahlung ließen sich an Hand der Berichte fast endlos fortsetzen. Die schlechten Unterkunftsmöglichkeiten für Arbeite­rinnen werden vielfach hervorgehoben. Die Arbeitsverhältnisse der jugendlichen Arbeiter und Kinder konnten hier nicht einmal gestreift werden. Sie sind häufig so erschreckend schlecht wie die der Arbeite rinnen und die Strafen für Uebertretung der gefehlichen Bor Schriften sind ebenso gering. Dieselben Kreise, die früher so gern die Frau in das Haus verwiesen und sie von jeder vermännlichenden Berufsarbeit fernhalten wollten um billige Dienstmädchen und Landarbeiterinnen zu haben ziehen heute die Frau in die Fabrik. In den Regierungsbezirken Frankfurt , Liegniß, Lüneburg , Stade zum Beispiel sind von den in Betrieben arbeitenden Frauen 40 bis 46 Prozent verheiratet. Zählt man die hinzu, die für hilflose An­gehörige oder uneheliche Kinder zu sorgen haben, so dürfte eine schließlich der Angestellten bis zu zwei Drittel aller außer dem Haufe tätigen Frauen die Doppelbelastung von Erwerbs- und Haus­arbeit haben. Ein weitaus besserer Ausbau der Gewerbeaufsicht, festere gesetzliche Bestimmungen zum Schuh weiblicher und jugend­licher Arbeiter und vor allem bessere Lohnverhältnisse sind dringend nötig. Trude E. Schulz.

ing

BERE

Ric

GUERRER

ig