Frauenstimme
Nr.24 45.Jahrgang Beilage zum Vorwärts
25. November 1928
Wie es den Hausangestellten geht.
Die Hausangestellten bilben eine der größten Gruppen des beutschen Proletariats, es steht nämlich über ein Biertel der Arbeiterinnen im häuslichen Dienst und lebt vorwiegend im Haushalt der Arbeitgeber. Diese große proletarische Gruppe, die über 1300 000 Personen umfaßt, ist hinter den Mauern der fremden Wohnungen zerstreut und auf Gnade und Ungnade der Gnäbigen" ausgeliefert. Die Gemertschaften und die Partei sind stets für die Verbesserung ihrer Lage, für die gesetzliche Festsetzung ihrer Arbeitszeit usw. eingetreten, tonnten aber schon deshalb nicht viel erreichen, da die überwiegende Mehrheit der Hausangestellten den Weg zum Zusammenschluß und Organisation noch nicht gefunden hat. Zwar verdanken die Hausangestellten der Revolution die Abschaffung der schmachvollen Gesindeordnung und die Gewährung des Koalitionsrechts, sie sind aber bis jetzt an die vollständig ungenügenden Dienstvertragsbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs gebunden. Es wurde seinerzeit ein Entwurf eines besonderen Hausgehilfengesetzes ausgearbeitet, und dieser Entwurf ist noch im Jahre 1922 vom Reichswirtschaftsrat gutachtlich verabschiedet worden, aber es tam nicht zu feiner Borlage an den Reichstag , und er geriet allmählich in Bergessenheit. An seiner Stelle hat das Arbeitsministerium einen neuen Entwurf im Jahre 1927 fertigge stellt, der allerdings dem Reichstag noch nicht zugeleitet wor den ist. Die Hausangestellten befinden sich also noch immer in einem rechtlosen Zustand, und wie die Arbeitsverhältnisse unter solchen Umständen ausfallen, fönnen wir aus den foeben im Reichsarbeitsblatt" veröffentlichten Ergebnissen einer auf Beschluß des Reichstags vom Arbeitsministerium durchgeführten Erhebung ersehen.
An dieser Erhebung waren die hier in Frage tommenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen beteiligt, nämlich: für die Hausfrauen: Reichsverband der Hausfrauenvereine, Reichsverband landwirtschaftlicher Hausfrauen vereine, Bereinigung evangelischer Frauenvereine u. ä.; für die Hausangestellten: Zentralverband der Hausangestellten Deutschlands ( Gruppe im Deutschen Verkehrsbund), Reichs verband weiblicher Hausangestellten Deutschlands , Verband fatholischer Hausangestellten und Dienstmädchenvereine u. ä. Die Erhebung erfaßte nur 4163 Personen. Der Fragebogen war leider viel zu tnapp aufgestellt, bei manchen sehr wichtigen Fragen war er direkt irreführend, dazu blieb noch ein guter Teil der Fragen aus Mangel an Verständnis unbeantwortet. Die Ergebnisse dieser Erhebung können also nicht in jeder Beziehung eine volle Genauigkeit beanspruchen, gestatten aber trotzdem gewisse Rückschlüsse auf die Arbeitsverhältnisse der gesamten Gruppe der Hausangestellten. Wollen wir uns jetzt diesen Ergebnissen zuwenden.
Die erste, die allerwichtigste Frage für die Hausangestellten ist die der Arbeitszeit. lleber ein Drittel her Haus angestellten beginnt die Arbeit vor 6 Uhr, die übrigen zwei Drittel zwischen 6 und 8 Uhr. Leider wurde nicht bei der Auswertung der Ergebnisse diese legte Gruppe mindestens in zwei Untergruppen eingeteilt: die zwischen 6 und 7 und die zwischen 7 und 8 an die Arbeit gehen. Was das Arbeitsende betrifft, so werden 51 Proz. der Hausangestellten noch vor 8 Uhr mit ihrer Arbeit fertig, weitere 47 Broz. zwischen 8 und 10 Uhr abends. Da in den Fragebogen die Frage nach Ruhepausen während des Tages häufig unbeantwortet blieb, oder die Ruhepause bald mit 4 oder ½ Stunde zum Einnehmen der Mahlzeiten angegeben, bald in solchen viel
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Mahlzeit der Herrschaft", so viel ich mir nehme" usw. beschrieben wurde, so blieb bet der Bearbeitung der Fragebogen nichts anderes übrig, als nur die Zeit der Nachtruhe ( zwischen Arbeitsende und beginn) zu berechnen. Für jeden, der die Verhältnisse in der Hauswirtschaft tennt, gibt es teine Frage darüber, daß die Nachtruhe die einzige Ruhepause und das alles, was zwischen zwei Nachtruhen liegt, voller Arbeitstag für eine Hausangestellte ist. Aus dem bearbeiteten Fragebogen wurde festgestellt:
1,5 Proz. haben eine Nachtruhe von 7 resp. 17 Stunden Arbeitszeit 5,5
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Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt also 13% Stunden pro Tag. Dabei muß man noch berücksichtigen, daß 39 Proz. der Hausangestellten Ausgang nur am Sonntag haben, an dem Freizeit von 3-5 Uhr nachmittags ab gegeben wird. Dazu erhalten 15 Proz. der Hausangestellten feinen Urlaub, 10 Proz. haben darüber unbestimmt geantwortet, bei den übrigen 75 Broz. war auch, dant der Knappheit des Fragebogens sehr häufig nicht festzustellen, ob es sich hier um einen ausgesprochenen Urlaub, oder um Begleitung der Herra schaften aufs Land handelte.
Diese traurigen Arbeitszustände erscheinen den Hausfrauenvereinen durchaus normal, sie fämpfen leidenschaftlich gegen die Forderung der Gewerkschaften, die Arbeitszeit mit 10 Stunden( zwischen 6 Uhr morgens und 8 1hr abends) festzusetzen. Auch Gertrud Israel, die im Auftrage der Gesellschaft für Soziale Reform die Ergebnisse der Erhebung im ,, Reichsarbeitsblatt" niedergelegt hat, erklärt diese Forde rung der Gewerkschaften für unmöglich und meint: ,, Die Tatsache, daß nicht einmal diese wichtigsten Fragen( Beginn und Ende der Arbeit) durchgehend beantwortet sind, läßt deutlich erkennen, welche Schwierigkeiten sich der Aufstellung fester Normen für die Dauer der Arbeitszeit im Haushalt entgegenzustellen." Bir meinen, daß diese Tatsache nur darauf hinmeist, daß die Arbeitszeit praktisch nicht geregelt ist und sich ihre Dauer unter diesen Umständen gar nicht bestimmen fäßt. Bequemer ist es allerdings für die Hausfrau, während 14 his 16 Stunden die Arbeitskraft des Stubenmädchens zur Ber fügung zu haben, wie es ihr auch bequemer erscheinen würde, daß die Geschäfte bis 8 oder 9 Uhr offen blieben und in manches andere. Daß die Hausangestellten auch Ruhepausen brauchen und auf ein menschenwürdiges Dasein ein Recht haben, tommt den Hausfrauenvereinen offenbar nicht zum Bewußtsein. Fragen wir nach dem Lohn für 14-16stündige Arbeit, erfahren wir, daß über ein Viertel der Hausangestellten auf einen Lohn bis 25 Mart angewiesen ist und daß weitere 57 Broz. 25-40 Mart erhalten. Man bedente, daß es sich hier ausschließlich um organisierte Hausangestellte und Hausfrauen handelt, wie mögen also die Arbeitsverhält nisse der Unorganisierten aussehen! Gertrud Israel hält zwar die von der Erhebung ermittelten Arbeitsverhältnisse für recht günstig, vor allem in den wesentlichsten Fragen. Nachtruhe und Freizeit". Wir meinen aber, daß die Erhebung, so mangelhaft sie auch manche Seiten der Arbeitsverhältnisse der Hausangestellten beleuchtet hat, den Beweis liefert, daß bei gefeßlich nicht beschränkter Arbeitszeit ber Ausbeutung freie Hand und jede Möglichkeit offen bleiben!
Emma Mantinsfn.