Die ,, intelligente" Frau und der Sozialismus
Shaw für die Gleichheit aller Einkommen.
Welche innere Berwandtschaft zwischen der Frau und dem Sozialismus" besteht, hat vor nun fast 50 Jahren Bebel in feinem Buch gezeigt. Die ungeheure Wirkung dieses Buches hat doppelte Ursachen: nicht mur, weil es zum erstenmal ein Bild von der Zukunft der Frau im Sozialismus entwarf, fondern weil es durch seine eindringliche Kritik an der Gesellschaft seine Werbetraft anter den Frauen für den Sozialismus entfaltete. Es war ein Appell an die Frauen als an die noch unerfahrenere und warmherzigere Hälfte der Menschheit für eine beffere Zukunft.
Zwei Generationen später erhalten wir heute einen neuen ,, Wegweiser für die intelligente Frau zum Sozia lismus und Kapitalismus "( foeben in meisterhafter deut scher liebersetzung bei S. Fifcher, Berlin , erschienen) von Bernard Shaw . Der fiebzigjährige auf der Höhe europäischen Ruhms stehende irische( nicht englischel) Dramatiter und Gesellschaftsfritifer wendet fly an die Frauen; auch er appelliert an die unverbildeteren und verbrauchteren, aber was entstand ist nicht etwa eine Werbe- und Auftlärungsschrift für Frauen, sondern das Bekenntnisbuch eines fünfzigjährigen Kampfes für den Sozialismus. War es Bebel um eine Klärung der Stellung der Frau in der Gesellschaft zu tun, fo so bedient fich Sham der Frau mur als Mittel, um ihre Augen, d. h. die Augen des unbefangenen Menschen sehend zu machen für die Zusammenhänge der Gesellschaft. So entstand auf über 500 Seiten fchlechtweg ein Querschnitt durch die Welt, gesehen burch das Temperament eines wahrhaft lebendigen Menschen, das Tempe. rament des großen Künstlers, Spötters und Duitfibers Shaw.
Bernard Shaw wird im Durchschnitt in Arbeiterfreifen noch viel zu wenig gelejen. Längst nicht alle Arbeiterbibliothefen führen seine Schriften. Seine gesellschaftsfritischen Stücke, die feit zwanzig Jahren in Deutschland gespielt werden, sind heute meistens eine Angelegenheit der intellektuellen Kreise. Durch die heilige Johanna" ist er vor wenigen Jahren populär geworden. Was allen seinen Aeußerungen die starke Wirkung verleiht, ist nicht nur der funkelnde Wig, die treiffichere Bosheit; fondern weil sie alle, wie er selbst einmal fagt, den Kern einer Weltanschauung enthalten, weil er immer sehr bestimmt wußte, was er wollte, und dies mit Furchtlosigkeit und Deutlichkeit verirat. So wirft er nie bloß negativ tritifierend und zerlegend, sondern immer pofitiv, bejahend und lebensträftig. Seine Weltanschauung ist der Sozialismus, für den er fein ganzes Leben mit unbeirrbarer Kraft gefämpft hat. Er gehört zur Fabler Gefellschaft, einer englischen sozialistischen Richtung, die vor fünfzig Jahren in der Hauptfache von einer fieinen Gruppe von Intellektuellen gegründet wurde und der Lehre vom Klassenlampi fernstand, die aber immer als Reimzelle fozialistischer Ideen außer ordentlich stark auf die Entwicklung der englischen Arbeiterpartei eingewirkt hat. Shaw ist ein folcher Fabier, dazu ein ungebärdiger Wille, der sich in eine Porteidoktrin schwer einspannen läßt, aber ein unermüdlicher Kämpfer für den Sozialismus geblieben ist.
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Aus diefer Haltung ist fein ,, Wegweifer für die intelligente Frau aum Sozialismus und Kapitalismus " zu verstehen. Als Entstehungs ursache des Buches erzählt er, daß seine Schwägerin ihn um Einführung in den Sozialismus in einem Brief gebeten habe, und er, bei der Ueberlegung, welche der vielen Bücher er ihr zu diesem Swed empfehlen solle, erfennt zu seinem Schrecken, daß feines auf die einfachen Fragen Was ist Sozialismus?" und Was ist Kapitalismus ?" flare eindeutige Antworten gibt. Also sezt er fich felbst hin, um die Lernbegierige einzuführen und alles auf seine Art von neuem zu machen" eine schwere, aber für thn ver lockende Arbeit. Das Buch muß ihm unter den Händen gewachsen Jein, es ist die Arbeit mehrerer Jahre und wahrscheinlich der Egtraft feines lebenslangen Denkens, es ist mit dem Stopf und mit dem Herzen geschrieben. So tommt es aber, daß er sich nicht an die rau schlechthin wendet, sondern an die ,, intelligente" Frau, er meint damit seine unverbildete Zuhörerin, die er mit Logit, mit geistigen Ueberzeugungswaffen für den Sozialismus gewinnen will aber ( und das ist der große Haken des Buches) feine intelligente" Frau ist
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dle bürgerliche englische Frau, die nicht im Dafeinstampf steht, nicht in den Produktionsprozeß eingespannt ist, nicht am eigenen Leibe die Not gespürt hat. Aber diese intelligente Fran ist ihm sa fchließlich nur das Mittel, um durch thr Ohr alle Ohren zu erreichen, und da scheinen ihm die Ohren der Frauen weniger taub zu fein els die der Männer. Warum? Hält er die Stellung der Frau für fo zukunftswichtig? Will er für feinen Kampf an das Gefühl appellieren, das bei der Frau ausschlaggebender jein foll als beim Mann?
Mitleid gewinnen, ja, er warnt fogar davor, fich durch Mitleid verfrüppein zu laffen". Er will mur burch Lotfachen beweisen. Das tut er nicht methodilch wie ein Lehrbuch oder wie ein Schulmeister, sondern wie in einer guten Unterhaltung, fehr amüsant, einfach, fprunghaft, mit Dußenden von Bellpielen aus dem täglichen Leben, sehr witzig, oft zum Widerspruch herausfordernd, aber immer voller Lebendigkeit. Es ist hier unmöglich, von der Fülle und dem Reichhum dieses Buches, der souveränen und schöpferischen Gestaltung des Welt und Gesellschaftsbildes mehr als einen Begriff zu geben oder fich im einzelnen mit ihm auseinanderzufeßen. Nur ein paar lleber schriften von den( 851) Kapiteln als Einblick in
Shaws Gefechtstaktik:
,, Wieviel für Eine erledigte Frage wird neu aufgeworfen" Jeben?" Siebenerlei Wege werden vorgeschlagen" Kenn zeichen des Sozialismus- Grenzen des Kapitalismus"- ,, Bie Reichtum fich mehrt und die Menschen verfommen" Ihre Ein fäufe Ihre Steuern"- Die Berstaatlichung des Bankgeschäfts" -Bie ber Krieg bezahlt wurde Der Uebergang muß pariamentarisch erfolgenie lange wird es dauern?"- Das A und D. bas Rettungsmittel ist für Show die Gleichheit ber Einkommensverteilung,
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erftes und lehtes Gebot des Sozialismus: Du follft fein größeres oder geringeres Einkommen haben els dein Nachbar", Diese Einkommensgleichheit durch Gesez t für ihn das Tor zu ber flassenlosen Gesellschaft der Zukunft. Ob diese Betonung der Entwidlung zum Sozialismus durch Gefeß, durch Erziehung, persön liche Einsicht, langlame Reije mit Hintanjehung der Frage des Klaffentampfes der Auffassung unserer Nachkriegsgeneration entspricht, mag sehr angezweifelt werden. Aber wie Show darstellt, wie er mit taufendundeinem Grund überzeugen will, wie er alle Ge6lete und Fragen des Lebens, insbesondere des Lebens der Frau, als Mensch von normaler Liebefähigkeit" mit Wärme, Geist und Bih erhellt und belichtet, das ist unvergleichlich. Statt aller Weußerungen über Ihn foll er hier mit einer Probe für sich felbft fprechen.
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Die Sklavin des Stiaven:
,, Die wichtigfte und unerläßlichste Arbeit der Frauen, Kinder zu gebären und aufzuziehen und für fle Haus zu führen, wurde niemals unmittelbar den Frauen bezahlt, sondern immer nur auf dem Umweg über den Mann, und fo geschah es, daß viele Dummföpfe vergessen tomaten, das überhaupt als Arbeit einzuschätzen, und Dom Manne als dem Brotverdiener Sprachen. Das war Unfinn. Die Arbeit der Frau im Haufe war von bis 8 eine Lebens. während Millionen Männer sich mit unniger oder geradezu fchädnotwendigtelt für die Existenz der Gesellschaft, licher Arbelt beschäftigen, deren einziger Vorwand die Erhaltung ihrer nüglichen und notwendigen Frauen war. Teils aus hochmut, tells aus Gedankenlosigkeit und zum großen Teil aus Furcht, ihre Gattinnen fönnten, wenn ihr Wert ertannt würde, unbotmäßig werden und das Oberhaupt des Hauses Jein wollen, legten die Männer ein lebereinkommen fest, wonach die Frauen nichts und bie Männer alles verdienen follien, ohne daß den Frauen irgend ein Rechtsanspruch auf das Haushaltungsgeld auftünde. Nach dem Gesetz wurde alles, was eine Frau befaß, wenn sie heiratete, Eigentum des Mannes ein Zustand, der au fo ungeheuerlichen Mißständen führte, baß die besigenden Klaffen eine ausgeflügelic Regelung der Ebeverträge vornahmen... Später veranlaßte der Mittelstand das Bartament, zum Sayuße der Frau jenes Gefeh über das Vermögen Der Kapilader Frau zu schaffen, unter dem wir noch leben ( ismus machte den Mann zum Sflaven, und, indem er die Frau burch thn bezahlen ließ, diele zur Stlovin des Mannes, aur Stlovin eines Stlaven also."
Die hungernde Frau und die Regierung."
Stellen Sie fich... eine Reglerung vor angesichts einer verungernden Frau. Die From Jagt; 3h will Arbeit, nicht Barmbergigkeit. Die Regierung, te feine Arbelt für le bat, erwidert: Bejen Sie Shaw und Sie werden alles gleich verstehen. Die Frau wirb fagen: Ich bin zu hungrig, um Sharo zu lesen, und selbst wenn ich ihn für einen bedeutenden Schriftsteller hielte. Geben Sie mir bitte etwas zu essen und eine Arbeit, die mich in den Stand sept, anständig dafür zu zahlen. Bas anbers tönnte die Regierung tun, als ihr gestehen, es sei feine Arbeit zu vergeben, und ihr eine Unterstüßung anbieten, wie es heutzutage gefchleht. Solange die Regierung nicht die ausschließlte macht, Arbeit an vergeben, erworben hat, eine Macht, die jetzt der private Arbeitgeber bellhi, fann fle bungernden Frauen nichts geben als eine Geldunterfügung aus den abgenommen hat; und ebendies tut jo auch jebe nichozialistische Re Summen, die sie Arbeitgebern, Grundeigentümern und Geldleuten gierung. Im Macht au erlangen, muß die Regierung Jelbst der Grundeigentümer. Seidmann and Arbetsgeber