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Beltrag Bejahung der neuen Frau" hingewiesen wird. Robert Musil stellt in seinem Auffah Die Frau gestern und morgen" die Aushölung der sozialen Stellung und Leistung der Hausfrau zu der Aushöhlung des überspannten romantischen Liebesbegriffes in Parallele.

Gibt es vereinzelt auch noch schriftstellernde Männer, die gleich den alten Hebräern Gott danken, nicht zum Weibe geboren zu sein, so überwiegt doch in der Reihe der Beitragschreiber die Zahl derer, die aus der Tiefe eigenen Erlebens und dem leidvollen Gefühl männlicher Unzufänglichkeit heraus der Frau zurufen:

Werde nicht wie wir!

Diese Männer fühlen ihr Menschlich es verschüttet unter der Versachlichung, Rechenhaftigkeit und dem jagenden Hetztempo der Zeit. Frau und Liebe, diese labende, blühende Dase, sollen nicht auch noch von der großen Wüste verschlungen werden Das heißt nicht, daß man die Frau wieder oder immer noch auf den Isolier: altar behüteter Welt- und Lebensferne stellen will, sondern daß man von ihr menschliche Belebung jener toten, öden Zonen er wartet. Furchtbare Borstellung, die Frau freiwillig zur fanatischen Bureausflavin, zur immer nur, tüchtigen" und praktischen" und entfeh ich nüchternen Chauffeuse" entarten zu sehen! Leicht amazonenhaft" meint Frant Thieß den neuen Typ, aber er ist weder ihm noch den anderen Zukunftsgläubigen gleich bedeutend mit fühler Seelenlosigkeit. Mit beschwörenden Worten marnen gerade die wertvollsten Männer die Frau davor, ihr Bestes, Ur­

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eigenstes von sich zu werfen, aus der Liebe eine Sache, aus der Hingabe eine Angelegenheit von Fünf- Minuten- Aufmerksamkeit zu machen. Die äußeren Hemmungen, die einst den Mann zur Werbung und Opfer zwangen, muß heute die Frau durch seelische Widerstände ersetzen. Berfachlichung des Eros trägt die Banalisierung, Ver­flachung und Berarmung bis ins Zentrum der Seele; mit aller Kraft wird die Frau aufgerufen, nicht der falten Gier des mann­geprägten Zeitalters zu erliegen. Hat sie Ohren zu hören, so ver­nimmt sie aus diesen Blättern in neuem Ton den alten Ruf männ licher Erlösungssehnsucht durch Mütterlichkeit, Zartheit und Seelen tiefe des Ewig- Weiblichen. Hedwig Schwarz..

Gie vergißt sich...

Ich tenne einen alten österreichischen General. Er ist ein Bolterer, schimpft auf die schlechten Zeiten, lieft mit Borliebe Karl May und Coopers Lederstrumpf- Geschichten, fammelt Briefmarken und raucht aus langflieligen türkischen Pfeifen orientalische Tabake

Eines Abends besuchte ich ihn. Die Dämmerung fam und wir faßen uns im fleinen Rauchz immer gegenüber und pafften Blauen Rauch vor uns hin. Draußen fiel eintöniger Regen; nur felten flapperlen die Schritte vereinzelter Passanten vorbei oder fnirschte ein Wagenrad durch den Kot. Nachdem wir eine Weile gefchwiegen hatten, hob der alte Herr den Kopf und fah mich ftedenb an: HmHm, mein Junge," meinte er, auch ich war ein mal jung."

Ich nickte zustimmend, benn ich wußte, daß er nun eine Geschichte vorbringen würde, eine Geschichte aus seiner Jugend. Ich täuschte mich nicht, denn er fuhr mit der Hand wie abwehrend durch die Luft, als tämpfte er mit einer Armee Erinnerungen, und begann:

Zum Teufel, Jungchen, das war eine hundeelende Station damals Anno 1863. Ich lag als blutjunger Leutnant in den Karpathen mit acht Mann oberhalb Ujfalu, wo der Teufel uns Gute Nacht sagt. Wir sollten Vermessungen machen. Außerdem hatte ich meinen Diener mit, Pawel Janku, einen sommer­sprossigen, emig feirenden Wallachen. Am achten Tage brach der Sturm los, ein Sturm, wie er nur in den Karpathen möglich ist, der schwere Baumriesen durch die Luft wirbelte und die Dächer der Berghütten wie Bapierblättchen davontrug.

Zwei Tage später war es windstill, Vollmond. Ich streifte mit meiner Büchse durch den Hochwald. In einer Lichtung stieß ich auf ein 3igeunerlager. Lupuj, der Häuptling. prügelte gerade ein Mädchen. Es fonnte seine Tochter sein oder auch eine Angehörige feines Stammes, denn diese Häuptlinge haben Gewalt über Leben und Tob. Er prügelte sie mit einen vielfach verknoteten Hanfftrid, wie man einen Hund prügelt, man hört nur die flatschenden Schläge, die den nackten Körper trafen. Sonst herrichte vollkommene Stille. Lupuj prügelte, gewissenhaft jeden Vorteil wahrnehmend, ten sich der windende Körper bot, die übrigen zerlumpten, bunt aufgeputzten Gestalten saßen schweigend im Kreise herum und fahen zu. Alle schwiegen, auch das Opfer, ein junges, schwarzhaariges Mädchen gab teinen Laut von sich.

Ich rief die Gruppe an. Einige erhoben sich, um mich zu be­grüßen, auch Lupuj wandte den Kopf und grinste mir zu, jedoch ohne

die Züchtigung zu unterbrechen. Erst als er die seiner Meinung nach angemessene Bortion ausgeteilt hatte, hielt er inne und ließ das Mädchen los. Ihr Körper war voll blutunterlaufener Striemen. Sie schüttelte fich wie ein nasser Hund und lächelte mir verheißungsvoll zu. Ich stand sprachlos vor soviel Selbstbeherr schung.

Lupuj machte eine einladende Geste näherzutreten, Erst später, als nach Austausch der verschiedenen Höflichkeitsformeln das Gespräch im Gange war, erfuhr ich den Grund des eben Geschauten. Es han­delte sich um einen Frauentauf. Ein junger Soldat des Grenz postens hatte Mira für drei Monate gemietet. Die Miete machte drei harte Taler( mit dem Bilde Maria Theresiens natürlich, anderes Geld wurde nicht genommen) und kam dem Stammeshäuptling zu. Für diese drei Taler war nun Mira für drei Monate an jenen Soldaten vermietet gewesen und hatte ihm gegen­über alle Pflichten einer Dienerin und Geliebten zu erfüllen. Mira hatte mun auch allen Anforderungen in vorbild licher Weise genügt; nur in einem Punkte wurde sie vertragsbrüchig, Sie war nämlich Sie war nämlich anscheinend von Herzensgefühlen beeinflußt- einen Tag länger bei jenem Jüngling geblieben als ausgemacht war. Eine solche Pflichtverlegung mußte natürlich bestraft werden!

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Lupuj feigte und sagte dann wie entschuldigend: Sie ist noch etwas jung, Herr Wohltäter, zwölf Jahre erst---", dann machte er eine einladende Geste zu dem Mädchen hin und meinte: Drei Taler, lockend mit ihren weißen, schimmernden Zähnen an und machte schwärmerische Augen.

Herr Wohltäter, sie ist wieder zu haben." Und Mira blizte mich

Nun, mein Junge, ich war damals neunzehn

Jahre alt, vergraben dort droben in den Karpathen, und es gab oft Sturm, daß man tagelang nicht aus der Barade konnte. Ich griff alfo in die Tasche und holte drei harte Taler hervor. Lupuj prüfte die Geldstücke beim Feuer und biß hinein, um ihre Echtheit zu ermitteln. Und Mira war die anhänglichste, sanfteste Geliebte, bie man sich denken fann. Am letzten Tage des dritten Monats ist sie mir pünktlich davongelaufen. Sie hatte sich die Lektion gemerkt und wußte bereits, daß man nicht nach dem Herzen gehen durfte, um im Leben weiter zu kommen." Der alte General schwieg. Draußen regnete es noch immer.

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Alexander von Sacher- Masoch.

Kinder bitte hier abgeben!

Wenn wir auch noch nicht auf solch hoher" Kulturstufe stehen, wie die Töchter Albions , die Hunde und Kleine Kinder der Kino­Garderobiere in Verwahrung geben, so befizt doch jedes moderne Kaufhaus jetzt schon seine Kinderspielstube, wo die kleinen Wür­mer, dieweilen Mutter wählt und wühlt", unter Aufsicht eines von Berufswegen finderlieben Wesens zur Aufbewahrung abgegeben werden und hier in Gesellschaft anderer fleiner Schicksalsgenossen in Spiel und Frohsinn" die Wartezeit zu verbringen haben. Die Sache hat allerdings etwas für sich, da das Kreuz- und Quergezerre eines Kindes durch die unzähligen Abteilungen eines Kaufhauses für das arme Wesen wirklich etwas Fürchterliches ist. So gut man es also im allgemeinen hier mit dem Kinde meint, das man vor all dem Geschiebe, Gedrücke und Getrete schüßen will, so tut man doch so manchen unter ihnen nichts Gutes, denn es gibt Kinder, die sich nicht so auf Kommando in eine wildfremde Umgebung ein­leben können und denen der augenblickliche Verlust ihrer Mutter mehr Schmerz bedeutet, als der vom Firmeninhaber für sie bereit. gehaltenen Freude. Außerdem gibt es aber auch schon nachmittäg­liche Vergnügungsstätten, z. B. Tanz- Cafés, wo bejagter Stept, während Mutter das Tanzbein schwingt, gegen ein Garderoben geld von 1 M., hierfür gibt es dann Schokolade und Kachen, in Verwahrung gegeben werden kann. Auch hier waltet wieder eine befoldele Kinderfreundin ihres Amtes, es gibt gemeinsame Spiele, Kasperle- Borstellungen usw. und ein Teil der fleinen Gesellschaft unterhält sich großartig, während auch hier wieder die zarter be­saiteten Nesthäfchen sehnsüchtig nach Mutter Ausschau halten. Es ist oft qualvoll, zuzusehen, wie diese kleinen Wesen gewaltsam an den Ort der Freude" geschleppt and mit aller Gewalt, wenn auch in Form gütlichsten Zuredens, dort festgehalten werden. Die einsam fließenden Tränlein und das wehe Herz sieht Mutter längst nicht mehr, denn sie ist heilsroh, ihre Last losgeworden zu sein, schleunigst entfleucht.

Sollte ein Nachmittagsspaziergang, mit einem Kinde unternommen, nicht in der Hauptsache diesem gelten? Oder ist ein Kind nicht viel mehr, als ein Hündchen, das man an die Luft führt und vor dem ersten Schlächterladen anbindet, wo es dann, gerne oder nicht, geduldig zu warten hat, bis Frauchen wiederfenunt? Gemiß find Grafen , die ihrer eigenen Bequemlichkeit halber das Kind, ohne Rücksicht auf sein inneres Wesen, einfach fremden Leuten überlassen und schon gar jene, die im Staffeehaustanz ihr Seelenheil erblicken, nicht mütterliche Idealgestalten,