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worden war, streng verurteilt und verfemt, well fie ,, den Stand Aus dem Leben eines Arbeiterfindes."

herabgewürdigt" habe. Und mit eiserner Konsequenz ha te fich der Verein stets auf die Seite des alten Staates gestellt, der folche unmoralischen" Beamtinnen mitleidslos aus dem Dienst jagte. Auf allen Gebleten fühlte man diese Gebundenheit, diese Schranten, die doppelte Moral der Bergangenheit, die politischen Vorurtelle. Unzufrieden und unschlüffig, was man tun follte, faßen Die jungen Mädchen zusammen. Fast fühlten sie fich schuldig, diesen fegerischen Gedanken Raum zu geben, wenige Zimmer von der alten, müden Frau getrennt, die ihre ganze Kraft der bürgerlichen Frauenbewegung geschenkt hatte und doch fühlten alle einen und doch fühlten alle einen scharfen Trennungsstrich.

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Da erhob sich die junge Lehrerin, in deren Zimmer man fich versammelt hatte, und entnahm dem Schrank in der Zimmerede ein Buch. Sie war blaß geworden vor innerer Erregung, aber fie Jas mit fester Stimme aus dieser Schrift vor, die niemand außer ihr kannte, und die sich doch anhörte, als sei fle gerade für diese Situation und für diesen Kreis geschrieben worden:

Wir leben im Zeitalter einer großen sozialen Ilmwälzung. Eine stets stärker werdende Bewegung und Unruhe der Geister macht sich in allen Schichten der Gesellschaft bemerkbar und drängt nach tiefgreifenden Umgestaltungen. Alle fühlen, daß der Boden schwankt, auf dem sie stehen. Eine der wichtigsten Fragen aber ist die Frauenfrage.... Es muß aber, wer die Lösung der Frauen frage in vollem Umfange erstrebt, mit jenen Hand in hand gehen, welche die Lösung der sozialen Frage als Kulturfrage der gesamten Menschheit auf ihre Fahnen geschrieben haben: Das sind die Sozia liften. Die fozialdemokratische Partei ist die einzige, welche die volle Gleichberechtigung der Frau, ihre Befreiung von jeder Ab. hängigkeit und Unterdrückung in ihr Programm aufgenommen hat.

Als man sich trennte, war die Nacht fast vorüber. Aber es war nicht die legte Zusammenkunft dieser Art. Dieser Abend am 75. Geburtstag der bürgerlichen Borkämpferin war zum neuen Anfang geworden. Der große Wegweiser aber, der die Jugend den Millionen aller Schaffenden zuführte, der sie aus der engen Ge­bundenheit bürgerlicher Interessengemeinschaft und politischer Bor. urteile erlöfte, hieß Auguft Bebel. Elke.

Wie die schaffende Frau reift.

Wer recht in Freuden reisen will, benute noch rasch eine freie Stunde, um im Keller des Warenhauses von Karstatt am Hermann­platz eine gefchmadvolle und prattische Schaut sich anzusehen, die die Zeitschrift Die schaffende Frau" dort unter Beteiligung von Einzel­persönlichkeiten und Verbänden veranstaltet hat.

Am meisten interessiert, was die beiden großen Verbände, der Zentralverband der Angestellten und der Berband weib­licher Büro- und Handelsangestellten, zu zeigen haben. Einfach, fieid fam und praktisch ist die Reiseausrüftung des jungen Mädchens, wahrlich ein leichtes Gepäck aus Waschleinen, Battist, Kunstseide und Boile. In einem Köfferchen von geringen Dimensionen ist die ganze leichte Ausrüstung zu verstauen; sie wird ihre Befiherin nicht als hemmender Ballast daran hindern, ihre Zelte( was auch wörtlich ge­nommen werden kann) bald hier, bald bort aufzuschlagen. Die Ver bände versäumen nicht, ihre eigenen Erholungsheime in Bild und Modell darzustellen, auf ihre eigenen billigen Ferienreisen eindrucks voll hinzuweisen. Besonders schön und lebendig sind die Photos vom Wander, Gruppen- und Heimleben, von Sport und Gymnaftit. Der BWA. bietet entzückende Aufnahmen von vorzüglich durchtrainierten, anmutig dem Ausdruckstanz im Freien hingebenden Mädchenkörpern. Die Photos zeigen übrigens, daß in der Wirklichkelt die ausgestellte ,, einfache" Reisekleiderausrüstung für die meisten Mitglieder noch ein unerreichtes Traumbild ist. Das Dirndlkleid aus Kattun muß für die meisten Jugendlichen genügen.

Hübsch sind die beiden Kojen, von Helene Weber zusammen­gestellt, die die Ausrüstung und die Reise einer vlerköpfigen Familie ins Quartier zu Fischer Labskaus" an der Ostsee darstellen.

Ganz gut und billig, nur meist leider geht diese Familienerholung auf Kosten der niemals ausspannenden Familienmutter. Das Jugend amt stellt eine Familie auf Wanderung dar, die in der größtmög lichen Einfachheit ihrer Ausrüstung mit viel Indanthrenleinen und Aluminium den finanziellen Möglichketten breitester Boltskreise am meisten entsprechen dürfte. Mehrere Modelle von Jugendherbergen wurden gleichfalls vom Jugendamt gezeigt.

Bon anspruchsvoller Eleganz ist die in praktischem Schrankkoffer und Reisenaicesseire fichtbare Reiseausstattung einer Sängerin auf Konzertreise, zusammengestellt von Rose Walter. Selbst ein Reise­grammophon, Fön und elektrisches Reisebügeleisen sehlen nicht. Auch Rod- und Autofahrer leider gibt es anscheinend nur männliche haben ihre Kojen. Reizvoll sind das farbenprächtige Strandbild und die geschmackvolle Bahnhofshalle, die die Gaft­firma ihrerseits zur Ausstellung beigesteuert hat.

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Der Zusammenstellung von Erzählungen, Romanabschnitten, Ausschnitten aus Lebensbeschreibungen und Gedichten geht ein warm­herziges Vorwort der Herausgeberin voraus. Wer hilft dem Arbeiterfind in feiner Rot?" ruft sie anklagend, Soziales Kämpfer tum und univerfale Mütterlichkeit befähigen sie, auf wenigen Seiten diese Not konzentriert, erschütternd und für jeden Fühlenden auf­rüttelnd darzustellen. An die Stelle eines Nachworts feßt sie Worte Bestalozzis über das soziale Uebel, das die Gesundheit und Lebens­fähigkeit des Volkes schon in ihren Wurzeln abtötet. Der dunkle Unterton, der alle Seiten des Meinen Bandes durchzieht, ist die schmerzliche Diffonanz, gemischt aus Armut, Hunger und Arbeitsfron, die schon von der Geburt an das Leben des Proletarierkindes be gleitet. Die frühesten Kindheitseindrücke" aus Hebbels Kindheits­erinnerungen wissen davon zu sagen, in den belden Gedichten von Freiligrath Aus dem schlesischen Gebirge" und von Theodor Storm ,, Wethnachtsabend" schrillt er auf und flingt ergreifend aus Adel­heid Bopps Erinnerungen an eine Kindheit, die feine war. Lepterer Beitrag ist in seiner Schlichtheit, seiner einfachen Tatsachendarstellung von unmenschlicher Ausbeutung findlicher Arbeitskraft, der strupel. lofen feguellen Ausnutzung jugendlicher Arbeiterinnen und dem Sieg einer reinen tapferen Seele über alle unfäglichen Nöte und An­fechtungen wohl der stärkste der ganzen Sammlung. Troftloje Ein samfelt lastet auf den kleinen proletarischen Waisen Hanneken" ( Johanna Wolff) und dem kleinen Paul"( Björnson), und den Segen puritanisch bigotter Waisen ,, pflege" bei Hungerrationen be tommt der fleine, nach der Reihenfolge des Alphabets benamfte Oliver Twist zu spüren. Aus Mißhandlung durch die brutalen, un wissenden Erzieher( Maxim Gorki : Die erste Brügelstrafe." Aus Meine Kindheit") und Demütigung durch die Kinder der besseren" Stände( Romain Rolland : Johann Christof. Herrenkind und Magdjohn." Strindberg: Der Sohn einer Magd. Berührung mit. der unteren Klaffe." Bröger: Der Held im Schatten." Auch ein Aufstieg eines Begabten) schießt geil das Giftfraut des Klassen­baffes, des zerstörenden Refsentiments. So wird der Mensch schon im Kinde vernichtet, wenn nicht eine starke Persönlichkeit oder, wie bel Adelheid Bopp ,,, etwas Großes" das in das Leben tritt, die Be freiung bringt. Möge das Büchlein an seinem Tell dazu beitragen, was die Herausgeberin möchte: ,, Bereitmachen zur geiftig erneuern den Tat."

Eine ideale Ehe

Du bist dumm," sagte Lulu zu Frufru. Früher hast du immer behauptet, du möchtest um nichts in der Welt deme Freiheit auf­geben, möchteft niemals eine jener Frauen werden, die um jeden Hut, um jedes Kleid ihren Herrn Gemahl anbetteln müssen. Und jetzt gibst du deine gute Stellung auf und wirst Hausfrau eines Tegtiltaufmanns. Jetzt wirst du mit deinem Gatten um Wirtschafts­geld feilschen, wie eben das Geschäft geht, und wirft schöne Augen machen, wenn du dir ein neues Kleid anschaffen willst. Warum bleibst du nicht in deiner Stellung?"

Frufru lächelte: Nein, ich habe es ganz anders eingerichtet. Ich habe Karl gefagt: Mein Lieber, ich möchte dich schon heiraten und mich dir widmen, aber meine Stellung ist zu gut. Ich verdiene, 200 Mart monatlich. Das ist allerhand für eine Frau in diesen Zeiten. Als deine Frau hät.e ich mindestens ebenso viele Arbeits­stunden und müßte troßdem mein Gehalt aufgeben und mid) von dir abhängig machen."

Er fragte mich, was ich eigentlich von ihm wollte, und ich machte ihm folgenden Borschlag: Du zahlt mir mein Gehalt weiter, gibft mir auch jährlich die übliche Zulage und die Weih­nachtsgratifitation, wie ich fie sonst bekommen hätte. Ich zahle für Miete jährlich genau dasselbe, was ich sonst ausgeben würte, und es geht dich nichts an, was ich mit meinem übrigen Gelde anfange." Also dann überreichst du ihm jeden Monat etne Rechnung: Für einen Monat Verheiratsein mit Ihnen..."

" Unfinn, er zahlt mir genau so mein Gehalt, wie das im Büro auch geschieht. Du siehst: ich verliere nichts bei meiner Heirat, und Karl wird an seinem Geburtstage fein Geschent von seinem eigenen Gelde bekommen. Das ist die ideale Ehe!"

Ein Jahr nach ihrer Heirat befam Frufru einen eingeschrie. benen Brief folgenden Inhalts:

Sehr geehrte, gnädige Hausfrau!

Die schlechte Konjunktur in der Branche zwingt uns zu einer. Reorganisation unserer Firma Wir müssen Ihnen daher zu unserem Bedauern Ihre Stellung unter Einhaltung der gef giten Frist von drei Monaten fündigen.

Mit vorzüglicher Hochachtung Karl."

*) Herausgegeben von Henny Schumacher, Berlag der Neuen Gesellschaft, Berlin - Hessenwinkel.