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,, Unbefugte Prostitution"

Die Gehetzten

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Unter den Prostituierten, die da in der Inneren Stadt in eine stille Seitengaffe fliehen oder sich zitternd in einen Hauseingang drücken, wenn sie des Wachmannes gewahr werden, gibt es zweierlei Kinder des Glücks. Die einen, die Bodenständigen", die in W ten Heimatberechtigten, haben, wenn sie bei der Uebertretung des Stadt­verbotes", das jedes Promenieren in der inneren Stadt unter Strafe stellt, ertappt werden, den blauen Zettel der polizeilichen Strafver­fügung zu erwarten, mit dem sie zum Antritt einer Arreststrafe auf gefordert werden. Dieses Schicksal erreicht die Freudenmädchen" aber nur dann, wenn sie das Pech haben, von einem scharfen" Wachmann beanstandet zu werden; die meisten Wachleute sind menschlich genug, entweder die Augen zuzudrücken, vor dem, was sie täglich sehen, oder wenigstens ihr Notizbüchel geschlossen zu halten. Doch ungleich furchtbarer ist die Berührung mit der Polizei für die aus Wien   abgeschafften Mädchen.

Wie die Motten an einem schwülen Sommerabend immer wieder gegen das Licht anfliegen, bis sie mit versengten Flügeln zu Boden fallen, so treibt es diese Mädchen stets von neuem nach Wien  . Und hier bilden sie die Massenware für den Gerechtigkeitsbetrieb der Strafbezirksgerichte.

Zu den mehr als fünfzig Jahre alten Rechten der Wiener Polis aeidirektion gehört das unglaubliche Recht, jedem, der nicht nach Wien  zuständig oder gar in Defterreich nicht heimatberechtigt ist, den Auf­enthalt in Wien   oder in ganz Desterreich zu verbieten. Ein paar nichtssagende Worte zur Begründung, daß durch den Abgeschafften die öffentliche Sittlichkeit oder Ordnung gefährdet erscheint" lo heißt es im fautschukartigen Bagabundengefeß sind zu Bapier sind zu Papier gebracht.

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Wer dieses Verbst, das praktisch unanfechtbar und unabänderlich ist, übertritt, gerät unter das Fallbeil der österreichischen   Strafgesekparagraphen 323 und 324 über die ,, verbotene Rückkehr",

die etwa neben dem Abtreibungsparagraphen zum furchtbarsten Inven­tar österreichischer Strafgesetzgebung gehören. Zwar ist gegen das Er­fenntnis der Polizeidirektion, mit dem die Abschaffung ausgesprochen wird, noch der Rekurs an den Bürgermeister von Wien   als Lan­deshauptmann möglich; aber die Polizeidirektion vermag ihre Ber­fügung dadurch unabänderlich zu gestalten, daß sie sie in fo for tigen Vollzug setzt. Wie nun die beste Polizei der Welt" hierbei ans Werk geht, das gehört zu den grausamsten Schildbürgerstückchen unferer humanen Zeit, über die der gelernteste Desterreicher immer wieder von neuem staunen müßte. Man könnte von einer drastischen Romit sprechen, wenn es sich nicht um ein Beispiel mit Menschen handelte!

Von den Tragödien der Abgeschafften erfährt man

gewöhnlich nicht im öffentlichen Gerichtssaal.

Sie spielen fich an verhandlungsfreien Tagen als fogenannte Haft. fachen im Richterzimmer ab. Sie sind das tägliche Brot der Straf­bezirksgerichte. Zwei bis sechs Mädchen werden gewöhnlich dem Richter vorgeführt, die als unliebfame Störung der Amtszeit von dem lleberlasteten so raich als möglich erledigt" werden. Sie find dem Richter zumeist als immer wiederkehrende Gäste wohlbefannt; thm ist der unheilvolle Kreislauf bewußt, der die Frauenspersonen", wie sie der juristische Jargon nennt, in regelmäßigen Seitabständen im Gefangenenhause stranden läßt, und ihre Berantwortung, wie immer fie auch lauten mag, fann den unerbittlichen Mechanismus der Rechtsprechung durchaus nicht beirren.

Das wissen die Frauenspersonen", denn sie bleiben stumm und ergeben, um ihre Strafe zu erfahren, die fie an den Fingern der rechten Hand abzählen können. Sie beträgt bei der erstmaligen Uebertretung drei bis fünf Tage Arreft und steigert sich bei jeder weiteren Aufgreifung in unbeirr barer Folge um je eine Woche. Die Mädchen wissen genau, wie be­Ichaffen das Medikament ist, mit dem der Vater Staat alie fo3i.

afen Krankheiten heilt.

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Die mit Erkenntnis der Polizeidirektion Wien für fünf Jahre aus Wien   abgeschaffte Anna M. wurde auf der Jesuitenwiese im Prater in Gesellschaft eines Mannes beobachtet...." Franziska B. wurde vom Rayonsinspektor 2. angehalten, als sie gerade das Hotel X verließ" Marie F., welche sich in verdächtiger Weile am Handelskal umhertrieb, wurde dem Polizeikommiffariat Brater( Koat sagt der Amtsjargon) überstellt.." So ungefähr leuten die polizeilichen Anzeigen.

Dann folgt der Tragödie, wie im antifen Drama, nach erfolgter

1., Aburteilung" das Satirspiel Personen: Ein Kriminalbeamter, der die Frauensperson nach Baden   bei Wien  , nach Stammersdorf   oder jonstwo außerhalb des Polizeiraŋons überstellt.

Die Abgeschaffte, die an ihrem Bestimmungsorte keinen Menschen fennt, kehrt mit der nächsten Elef trischen oder, sofern es ihre Geldmittel erlauben, erst nach einigen Tagen nach Wien   zurück.

Sie wurden doch erst am 25. Februar laut Polizeibericht an die tschechische Grenze überstellt, und am 26. Februar werden Sie schon wieder in Wien   aufgegriffen," fragt der Richter die Angeklagte. ,, Bitte, Herr Kaiserlicher Rat, der Kriminal ist mit mir nach Gmünd g'fahren. Dann ist er a halbe Stund mit mir gangen und hat mich bei der Landstraßen auslassen. Er hat sich gut umg'ichaut, ob nirgends a tschechischer Gendarm kommt. Dann hat er mir g'lagt ich soll durch'n Wald gehn, damit mich drüben niemand sieht, und is verschwunden. Nach a halben Stund hat mich der tschechische Gendarm erwischt und hat mich wieder über die Grenze g'führt." Der Kriminalbeamte muß als Zeuge die Wahrheit dieser Schilderung bestätigen. Den Aufträgen Jeiner vorgesetzten Behörde entsprechend muß er immer wieder nach Schmugglerart lebende Menschen über die Grenze schieben. Im Namen der Republit!" Der Richter erhebt sich. Bierzehn Tage strengen Arrests..." Und in vierzehn Tagen kann das necijche Spiel von neuem beginnen. Abschaffung, verbotene Rückkehr, Arrest, verbotene Rückkehr, Arrest...

Ein Mädel hat das Pech, nach Inzersdorf  , vor den Toren Wiens, zuständig zu sein. Diese Zuständigkeit reicht noch bis auf ihren Großvater zurück. Sie fennt in ihrer Heimatgemeinde feinen Menschen.

Bor fünf Jahren ist sie von der Polizeidirektion abgeschafft worden, weil fie, arbeitslos, im Berdachte der..unbefugten Prosti tution" stand. Sie ha: nun Arbeit als Hausgehilfin in Wien   ge­funden, und ihre Herrschaften" sind mit ihr sehr zufrieden. Eines Tages fommt ein pflichteifriger Beamter der Polizeidirektion darauf, daß die Abschaffungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Ein Kriminal beamter holt die Hausgehilfin von ihrer Dienststelle ab, bringt sie ins polizeiliche Gefangenenhaus und von dort ins Gericht. Mit der Straßenbahn wird sie nach verbüßter Strafe nach Inzersdorf   über­stellt. Ihr Begleiter weiß genau, daß sie mit der nächsten Elektrischen nach Wien   zurückkehren wird, aber die Gerechtigkeit muß ihren Lauf nehmen.

Welch wahnsinniges und tückisches Spiel von Gefeßes wegen mit Wesen, die Menschenantlig tragen! Sie müssen alle Lafter, alle Ber­worfenheit, alle unjagbare Not und Bein unires Zeitalters in sich aufnehmen, bis eines Tages der Gendarmeriebericht meldet:., Bei Hainburg   wurde die Leiche einer etwa 25jährigen Frauensperson ans Ufer gespült; es handelt sich anscheinend um Selbstmord" und so der Kreislauf sich vollendet hat..... Leo Korten( Wien  ).10

Frauen werden versteigert.

Der griechische Schriftsteller Herodot   beschreibt in einem feiner Werke, wie im alten Babylon   die Ehe abgeschloffen wurde. In allen Städten und Dörfern wurden an einem gewiffen Tage des Jahres sämtliche heiratsfähigen Mädchen versammelt. Man führte fie auf eine abgesperrte Wiese, auf der die heiratsfähigen jungen Männer bereits anwesend waren. Ein öffentlicher Ausschreier gab den Preis der einzeln aufgerufenen Mädchen bekannt. Die Kan didatin defilierte auf einem Podium, und nun war es an den heiratsluftigen Männern, sich gegenseitig zu überbieten. Wurde ein Käufer gefunden, so mußte der Breis fofort in bar bezahlt werben. So ging es dann weiter, bis das letzte Mädchen buchstäblich wer Steigert und an den Mann gebracht war.

ALM

Natürlich hatten die Wohlhabenden den Vorrang und konnten sich die schönsten Frauen mit Hilfe ihres Geldes ersteigern. Für die minderbemittelten jungen Männer dagegen galt, wie Herodot  schreibt, die Schönheit weniger. Sie legten mehr Wert auf Gesund heit der Frau und erkoren sich auch eine ,, weniger Anmutige zum Chegemahl", wenn sie nur einer arbeitsamen und tüchtigen Familie entstammte. Eine große Rolle bei diesen Frauenversteigerungen spielte auch die Mitgift, welche die Braut mit in die Ehe bekam. Schon damals fand auch eine häßliche Frau einen vornehmen Gatten, wenn sie nur über ein entsprechendes Vermögen verfügte. In diesem Falle, war es oft die Frau selber, welche die hohe Bersteigerungssumme aufzubringen hatte. Nach dem babylonischen Gesetz hatten die Eltern tein Recht, ihre Tochter zu verheiraten. Auch die reichsten Töchter des Landes mußten sich auf dem Heirats­markte versteigern laffen.