Der lebende Vorwurf.
So steht im BGB. § 1719:„ Ein uneheliches Kind erlangt da-| durch, daß sich der Vater mit der Mutter verheiratet, die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes."
Die Gesetzgeber haben das sehr gut gemeint. In den Kommen taren wird sogar noch darauf hingewiesen, daß es ganz gleichgültig ft, ob der Vater seine Baterschaft anerkannt hat oder ob sie gegen ihn erftritten wurde. Das ist ganz gleich, von dem Augenblick der Eheschließung an ist das Kind ein eheliches, tritt in alle gefeßlichen Rechte und Pflichten des ehelichen Kindes ein. Das heißt unter anderem natürlich auch, daß der Vater nunmehr die elterliche Gewalt über das Kind hat, kein Vormund und kein Jugendamt hat sich mehr darum zu fümmern.
Eigentlich eine schöne und ideale Sache, diese glückliche Ver: einigung der Familie, so ohne alle bürokratischen Förmlichkeiten, einfach herrlich ja.
Es könnte eine ganz ideale Sache sein, wenn die Menschen ein wenig idealer wären,
als sie leider Gottes sind. Denn wenn man so nachdenkt und als Federvieh und Gerichtsreporter schon allerlei verfolgt und gesehen hat, es ist ganz merkwürdig. Es gibt unter den Kindermißhandlungsprozeffen eine ganze Reihe, bei denen gerade das älteste Rind der Familie immer der Sündenbock ist, dem alle Schläge, Stöße und Püffe treffen. Manchmal nicht immer, erfährt man dann, daß das unglückliche kleine Wesen ein voreheliches oder gar ein uneheliches Kind der Mutter war. Wie in dem schauderhaften Fall, der erst in diesem Jahre durch die Berliner Zeitungen ging. Da wurde ein dreieinhalbjähriges Kind totgeprügelt und diejes Kind war ein voreheliches, das sich bis zu dem Tage der EheSchließung der Eltern in Pflege bei fremden" Leuten befunden hatte, die das Kind sogar liebten und nur sehr ungern hergegeben hatten. Das Jugendamt aber hatte dafür gesorgt, daß das Kind feiner Familie zugeführt wurde, denn das Höchste ist doch die Familie, nicht wahr? Daß diese Familie feine menschenwürdige Wohnung hatte, Mann, Frau und das mittlerweile geborene zweite Rind in einer Laube hauften, daß für das Kind kein eigenes Bett vorhanden war, kam daneben gar nicht in Betracht. Das Kind hatte, zum Donnerwetter nochmal, durch die Eheschließung der Eltern die Rechte des ehelichen Kindes" erlangt und sollte nun auch ge= fälligft Gebrauch davon ma che n! Und nach einigen Monaten war das arme kleine Wurm totgeprügelt.
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Nun kann man, wenn man will, gegen das Jugendamt zu Felde ziehen und das wird sich dann hinter die diesbezüglichen Baragraphen verschanzen. Und nach den Baragraphen hat es recht, selbst in diesem Falle, in dem die materiellen Verhältnisse der Eltern so schlecht waren, daß ein pflichtgetreuer Vormund sein Mündel nie hätte dahin geben dürfen. In tausend und tausend anderen Fällen aber liegen die materiellen Verhältnisse viel besser und doch kommt das Kind, das durch Heirat der Eltern die gesetzlichen Rechte eines ehelichen Kindes erwirbt", damit in eine Hölle. Und es ist mertwürdig, daß diese Fälle selbst im Proletariat, in dem man schon seit Jahrzehnten den vorehelichen Geschlechtsverkehr auch der Mädchen vernünftigerweise nicht mehr als eine Sünde ansieht, wieder und wieder vorkommen. Die Geburt eines unehelichen Kindes wird, wenn der Unterhalt gesichert ist, nicht besonders tragisch genommen. Aber wenn das Kind in die Che eingebracht wird, so erlebt es, gleichgültig, ob es die gesetzlichen Rechte des ehelichen Kindes erwirbt, weil der Ehemann der Mutter sein Vater ist oder
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hatte fie war eine überzeugte Anhängerin freier Liebe. Da wurde fie eines Tages wieder schwanger, die Entbindung fand auswärts statt, und nun protestierte sie wütend dagegen, daß durch einen wahrheitsgemäßen Krankenbericht diefes dritte uneheliche Kind bekannt werden sollte! Und diese Frau hatte sich tapfer zu ihren beiden ersten unehelichen Kindern bekannt und dachte nicht daran, sich auch nur standrechtlich" zu verheiraten! Was soll man da von ungeschulten, armen Menschen verlangen? Ganz selbstverständlich wird, um so fleinbürgerlicher die Verhältnisse sind, von ihnen die Ehe als eine höhere Form der Lebensgemeinschaft angesehen und das voreheliche Kind, das immer daran erinnert, daß die Frau fich, wie der noch vielgebrauchte Ausdruck lautet, weggeschmissen" hat, läuft
als ewiger lebender Borwurf
herum. So wird es fast nie, auch wenn es nicht unter groben förperlichen Mißhandlungen zu leiden hat, als vollgültiges Familienmitglied behandelt. Und die seelischen Mißhandlungen hinterlassen, selbst wenn sie strafrechtlich nicht zu fassen sind, Spuren, die das ganze Leben des Kindes zugrunde richten können Es ist unglaublich, welche Grausamkeiten da pon den Eltern ausgedacht werden können. Ein kleiner Junge wurde gezwungen, die Lei che seines vom Bater erschlagenen Lieblingstieres in fein Bett zu nehmen! Oftmals werden auch die später geborenen Geschwister gegen das ungeliebte Kind aufgehetzt, immer wieder muß es hören:„ Du gehörst nicht zu uns, du bist nicht unsere Schwester, unser Bruder," und an all den Zärtlichkeitsbeweisen, die Mutter und Bater über die anderen Kinder ausschütten, hat es feinen Teil. Manchmal wird ihm nicht einmal eine Anrede mit seinem Namen gegönnt:„ Du Vieh!",„ Du Alas", dann weiß es, daß es gemeint ist. Es ist nicht weiter mertwürdig, daß in fast all diesen Fällen die leibliche Mutter graufamer gegen das Kind vorgeht als der Bater, selbst der Stief. pater. Denn in ihm ist der Begriff der„ Geschlechtsehre" ja nicht so lief im Unterbewußtsein verankert wie in der Mutter. Der Begriff der Reinheit" und der„ Geschlechtsehre", die durch jeden außerehelichen Geschlechtsverkehr unheilbar verlegt wurden, wurde ja nur dem weiblichen Geschlecht anerzogen, nur seine Reinheit" war ja zur Sicherung des Erbganges an blutsreine Nachkommenschaft für die feudale und bügerliche Gesellschaft von Interesse. Und dieses jahrhundertalte Gerümpel schleppen heute oft auch noch die herum, die sich ihrer ganzen Weltanschauung nach schon längst ven ,, bürgerlichen Vorurteilen" hätten befreien sollen.
Damit aufzuräumen, bei uns und bei jedem aufzuräumen, wird unsere eigene Sache sein. Aber einigermaßen deprimierend ist es doch, daß wir fonstatieren müssen, daß selbst unser im übrigen an so vielen Stellen dringend verbesserungsbedürftiges Recht hier weiter ist als große Teile der Arbeiterschaft. Vielleicht aber wäre es am Blake, bei jeder solchen Uebernahme eines unehelichen oder vorehelichen Kindes in die neugegründete Familie der Mutter zum mindesten eine lebergangspflegfchaft zu schaffen mit einem Pfleger, der die ersten zwei Jahre für das Wohl und Wehe des Kindes verantwwortlich bleibt. Unsere Jugendämter find in mancher Beziehung gewiß recht mangelhaft und verbesse rungsbedürftig und die Kräfte, die es in ihnen mit ihrer Aufgabe wirfrlich ernst nehmen. sind meist schlimmstens überlastet. Bielleicht bietet sich hier für die Arbeiterwohlfahrt und die Kinderfreunde ein dankbares Arbeitsfeld.
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Rose Ewald.
ob ein anderer Alimente für seinen Unterhalt zahlen muß, oftmals Die Frauenreichsfonferenz der britischen Arbeiter das gleiche Martyrium, ja, das Kind eines anderen Baters ist, vorausgesetzt, daß es einen pflichtgetreuen Vormund hat, manchmal noch besser gestellt. Die günstigste Lösung ist manchmal die, daß das Kind bei den Eltern der Mutter bleibt. Hier hat man sich mit seiner Eriftenz abgefunden und hier hat das Kind alle Liebe, die sein kleines Herz verlangt.
Kommt das Kind aber zu den Eltern, so kommt früher oder später der Tag, an dem die liebe Nachbarschaft erfährt, daß das Geburtsdatum des Kindes nicht recht mit dem der Eheschließung der Eltern übereinstimmt und damit fängt sein Martyrium an. Es ist in Wirklichkeit ja noch so, daß selbst die, die praktisch sich längst über die veralteten Formen der nur als Ehe im Sinne des Gesezes nicht unzüchtigen" Liebesbindung hinweggesetzt haben, irgendwo
in ihrem Unterbewußtsein nicht nur Angst vor der eigenen Courage haben, sondern ihre Lebensform meist selbst als„ gegen das Gefeh" empfinden.
Ewig denkwürdig wird mir der Fall einer in Berlin beamteten Dame bleiben, die wegen ihrer Tüchtigkeit und durch das Glüd, an hervorragend anständige und fortschrittliche Vorgesetzte geraten zu fein, im Amt bleiben fonnte, troßdem sie zwei uneheliche Kinder
hat unter außerordentlicher Beteiligung in London getagt und vom Borstand der Labour Party in einer Refolution gefordert, daß er die Frauenkonferenz zu einer offiziellen Veranstaltung mache und ihre Beschlüsse offiziell anerkenne. Zu den Hauptthemen Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und„ Erste Schritte zu einem Hausgehilfenrecht" lagen gedruckte ausführliche Berichte vor. Zur Frage des Hausangestelltenrechtes soll eine Umfrage auf breiter Grundlage veranstaltet werden, deren Ergebnisse dann der Konferenz von 1931 als ein Hausangestelltenvertrag vorgelegt werden sollen. Zur Familienunterstüßung wurde die Frage einer wöchentlichen staatlichen Unterstützung an alle Mütter bis zur Schulentlaffung des Kindes aus einem durch die direkte Besteuerung der Wohlhabenden gebildeten Fonds diskutiert, wobei die Abgeordnete Jenny Lee, das jüngste Mitglied des Unterhauses, erklärte: An diesem Derby- Tag( Tag der großen Pferderennen) verlangen wir von Ihnen, daß Sie für Familienunterstügungen weniger als ein Drittel der Summe ausgeben sollen, die gewöhnlich für Wetten ausgegeben wird, weniger als ein Biertel dessen, was vertrunken oder die Hälfte dessen, was für Rauchen ausgegeben wird."