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Schopenhauers Mutter.

Ein immer verzerrtes Charakterbild.- Intereffante Literaturgeschichte.

Zu den Menschen, deren Charakter dauernd verzerrt auf die Nachwelt kommt, gehört Johanna Schopenhauer  . Ihr Sohn, der berühmte Philosoph hatte ihr eine Reihe schlechter Eigen fchaften nachgesagt, hatte sich über fie lustig gemacht. Ihre litera­rischen Versuche galten ihm als, dilettantischer Trödel". Johanna schrieb in ihrem Testament, der Sohn hätte sich so schrecklich gegen te benommen, daß sie es nicht wiederholen fönnte. Sie fähe fich daher befugt, ihn zu enterben. Zudem hütte er bei dem großen Zu fammenbruch ihres Bermögens( nach dem Tode ihres Gatten) seinen Anteil gerettet. Er hätte niemals weder ihr noch seiner Schwester Adelheid im geringsten geholfen, und so sollte die Tochter ihre einzige Ervin sein. Arm und frank starb Johanna Schopenhauer   in Jena  . Der Großherzog Karl Friedrich ven Sachsen- Weimar   hatte ihr ein bescheidenes Jahrgeld ausgesetzt. Der Sohn hatte sich nie mehr um Mutter und Schwester gekümmert.

Und doch war Johanna Schopenhauer   eine bedeutende Frau, deren Salon in Weimar   eine große Rolle spielte. Goethe, der ein ständiger Gast von Johannas Teestunden war, sagte, daß Weimar   von diesem geselligen Wesen eine Art Kunstform erhalten würde durch die konzentrierte uno fonzentrierende Unterhaltung. In der Tat war Johanna eine Meisterin in der Kunst, bedeutende Menschen anzuziehen und einander näher zu bringen. Es gab unter den vielen berühmten Menschen, die damals in Weimar   lebten, teinen, der es nicht als Ehre ansah, ihr Gaft sein zu dürfen. Ebenfe war niemand unter den vielen Fremden, die gelegentlich nach Weimar  famen, der nicht bei ihr eingeführt zu werden versuchte. Dabci war die Bewirtung denkbar einfach. Johanna Heß jeden gewähren, führte nicht das Wort, machte sich nicht zum Mittelpunkt des Kreises, ließ vielmehr die Gesellschaft auf ihren eigenen Geist wirken. Goethe war jahrelang täglicher Gast Johannas. Aber auch dann, als er schon nicht mehr ausgehen fonnte, blieb ihrem Salon die alte Anziehungskraft. Für wie großzügig Goethe Joharina hielt, bewies er dadurch, daß er ihr die ihm eben angetraute Chriftiane Bulpius zuführte, über die die Weimarer Gesellschaft die Nase rümpfte.

Johannas Bildung war weit über dem Durchschnitt der da­maligen Zeit. Sie trieb Sprachen, musizierte, malte und schrift stellerte. Goethe, der selbst gern und viel zeichnete, hat sie sogar gewürdigt, mit ihm gemeinschaftlich eine Zeichnung anzufertigen. Landschaft und Rankenwert stammen von ihm; die beiden Figuren

im Vordergrunde zeichnete Johanna. Auch für ihre iiterarische Arbeiten hatte Goethe ein reges Interesse.

Johanna wurde damals aufgefordert, die Redaktion einer aus fchließlich für Freuen bestimmten Zeitung zu übernehmen in schmeichelhaften Ausdrücken", wie Johanna in ihrer Antwort schreibt. Johanna flagte darüber, daß unter den Frauen eine ganz große Sucht eingerissen wäre, sich durch schriftstellerische Arbeiten auszu zeichnen. Biele täten besser, die Nadel statt der Feder zu führen. Sollte fie fich zur Herausgabe einer Frauenzeitung entschließen, jo würde sie sehr streng vorgehen in der Aufnahme weiblicher Arbeiten. Die Zeiten, wo man für Frauen wie für Kinder eigene Bücher schreiben durfte, find längst vorüber." Die gebildeten und geist­reichsten Leserinnen würden verscheucht, wenn man nur für Frauen fchreiben wollte. Aber es würde nicht schwer sein, das Vorurteil gegen den Titel einer Frauenzeitung durch ihren inneren Wert 31% besiegen. Sie dächte sich das Ganze als einen geistreichen Zirkel, in welchem jeder zur Unterhaltung das seine beiträgt und bei dem fle die Wirtin machte und dafür sorgte, deß jeder Gast zufrieden sei. Auch Männer follten mitarbeiten.

Ben bekannten Frauen schlug sie u. a. als Mitarbeiterinnen ver: Frau von Chézy( die Textdichterin von Webers Oper Euryanthe"), Frau von Ahlefeld( die Freundin Immermanns), Therese Huber  , die Redakteurin des Cottaschen Morgenblatts in Stuttgart   u. a. Auch die geschäftlichen Angelegenheiten hat Johanna­Schopenhauer in ihren Vorschlägen flar und gewandt geregelt. Der Blan dieser Frauenzeitung ist nicht verwirklicht worden. Aber manche Frauenzeitung könnte aus Johanna Schopenhauers Bor. chlägen auch heute noch Nuzen ziehen.

In den Literaturgeschichten wurden ihre Romane als Ent agungsromane" bezeichnet. Goethe   schrieb über Gabriele", den bekanntesten ,, Fortschritt edler Gesinnung und Handelns, wodurch der Uebergang ins wahrhaft Große leicht, ja netwendig wird. Nichts Bhantastisches, fogar das Imaginative schließt sich rationell and Wirkliche. Das Problematische, ans unwahrscheinliche grenzend, bes antwortet sich selbst und ist mit großer Kühnheit behandelt. Und so lei eine reine, freundliche Teilnahme treulich und dankbar auss gefprochen." 1 In diesem Sinne sollte auch Johanna Schopenhauers Andenken von der Nachwelt geehrt werden. Anna Blos  .

Fußbekleidung im Wandel der Zeiten.

Einen interessanten historischen Rückblick auf die Verwendung des Leders zur Fußbekleidung der verschiedenen Völkerſtämme und Epochen bot in der letzten Septemberwoche die in Berlin   ver anstaltete Lederschau. Berglichen mit dem Schuhzeug unserer Tage, weist die Fußbekleidung früherer Zeiten bei einer für unsere Be griffe recht primitiven äußeren Form eine ungemein minutiöse und fomplizierte Verarbeitung auf. Der Phantasie und Geschicklichkeit find feine Schranken gefeßt, und man hat bei vielen Stücken das bestimmte Gefühl, daß hier in unendlich langer, mühevollster Arbeit ein Meisterwerf geschaffen wurde, das materiell und ideell einen Höchstwert besaß.

Da sind afrikanische Reiterstiefel aus seinstem Ziegenleder mit Applikationen, zierlichsten Stickereien und anderem Schmud, wild lederne Sandalen, reich gestickt oder geftanzt, weiß und farbig, andere wieder reich mit Straußenfedern geschmückt, so daß sie eher einem Fächer als einer Fußbekleidung ähneln. Kofette Zierknöpfe und Laschen, Lederriemchen und Schnallen schmücken die Fuß bekleidungen, die in ihrer reichen Verarbeitung und phantastischen Form wahre Prachtobjekte darstellen. Nordamerita um 1900 zeigt Sandalen, reich mit Perlen geftict, Tartarische Lederschuhe aus dem Jahre 1826 wirken durch eine ganz eigenartige Form des Absatzes; auch sie sind reich mit Perlen und Metallfäden bestickt. Höchst mert­würdig muten Schuhe aus Dioka an, die ein unserem Stiefeltnecht ähnliches Holzgestell darstellen, das mit einer ledernen Lasche über dem Fuße schließt. Man kann sich nicht gut vorstellen, daß die Bewegung auf solch unnachgiebiger Fläche sonderlich angenehm gewesen wäre. Reine Marterwerkzeuge aber stellen altchinesische Schuhe dar: Auf kleinen, schmalen Holzfüßchen mit zwei aufgestellten Brettchen ist der Schuh aufmontiert. Die Sohle ist, wie bei allem asiatischen Schuhwerk, stark erhöht, etwa wie bei unserem orthopä­dischen Schuhen Ebenso schmerzerregend wirken für unsere Begriffe foreanische Kinderschuhe, deren vorderer Teil ganz schmal, steil nach abwärts gehend gearbeitet ist, so daß der Fuß völlig eingezwängt, fast wie festgeschraubt darin fizen muß. Diese Form entsprach gewiß der künstlich verbildeten Form des Chinesenjußes. I

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| Den start erhöhten jogenannten Stelzenschuh findet man auch bel altvenezianischem Schuhwerk in der zweiten Hälfte des 16. Jahre hunderts: auf hohem, hölzernen Bodeft fizt ein winzig fleiner ziera licher Schuh oder die reichgestickte Sandale. Bon einer vernunft­mäßigen Hygiene der Fußbekleidung läßt sich hier wohl faum sprechen; es ward ausschließlich der damaligen Mode und ihrem Auswüchsen Rechnung getragen.

Doch nicht alle Völker hielten es mit fofetten Modelaunen. So erwecken beispielsweise wildlederne Frauenstrümpfe aus dem 17. Jahrhundert, unbekannten Ursprungs, mit reicher Lederstickerel, in ihrer meher als bequemen Weite den Eindruck angenehmsten Tragens. Sehr schön und kostbar wirken indische Sandalen mit goldbestickter Sohle und marottanische Schuhe mit eingelegten Perlmutterarbeiten. Bizarr in Form und Berarbeitung wirkt der gotische Schnabelschuh aus dem Spanien   des 16. Jahrhunderts, dessen unwahrscheinlich schmales Vorderteil in eine etwa 15 Zentimeter lange, ganz feine Spitze ausläuft. Ueberschuhe für Frauen hießen damals Trippen gab es schon im 15 Jahrhundert. Aller­dings waren das nur derbe Ledersohlen mit Riemenverschluß, die lediglich die Sohle des eigentlichen Schuhes vor Nässe schüßten. Ein römischer Schuh aus dem zweiten Jahrhundert n. Chr. zeigt reiche Lederarbeit. Ein Straßburger Stöckelschuh läuft im Hacken in die winzig kleine Fläche von etwa einem halben Zentimeter Durch messer aus.

sie

Die nordischen Völker Grönlands   und Islands zeigen grobe, derbe Lederschäfte aus Renntierfell, die Jakuten lange, bea stickte Lederstrümpfe. Eigenartig wirken Schuhe aus dem 18. Jahra hundert, die auf der Sohle den gekreuzigten Christus zeigen, jerner die sogenannten Kuhmaul- Schuhe aus dem 16. Jahrhundert, die aus. einer ganz breiten Vorderlasche und einem flachen Schaft bestehen. Die Schuhe der Kopten, Nachkommen der alten Aegypter, aus dem Jahre 600 n. Chr. sind eigentlich Lederftrümpfe oder Sandalen mit eingestickten Pflanzen- oder Tierornamenten, deren Farben und Vergoldungen bei der 1200 Jahre später erfolgten Ausgrabung noch erhalten waren.