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Arbeiterschutzgesetzgebung verlangt wurden. Lina Morgenstern   selbst sprach bei dieser Gelegenheit über gesundheitliche Fragen und forderte angesichts der vielen durch die linwissenheit der jungen Frauen ers folgten Erkrankungen auch eine Art Eheberatung.

Man wundert sich überhaupt bei dem Lesen ihrer Schriften, wie modern diese eigentlich der älteren" Frauenbewegung angehörende Frau noch heute wirkt. So sprach sie auf dem genannten Rongreß auch über die Friedensfrage und fand die mehr denn je zeit­gemäßen Worte: Auch die Schule sollte im Geschichtsunterricht den Nationalitätenhaß zu nähren vermeiden. Bei der Begeisterung und glühenden Liebe zum eigenen Vaterlande und zur Heimat sollten wir doch nie vergessen, daß die Erde unser aller Heimat ist und daß wir Menschen einen Ursprung und eine Erde haben, und nicht der Haß, sondern die Menschenverbrüderung aller Völker sei das letzte Ideal der Menschheit." Charlotte Reichel.

Die Frau in Tolstois Werfen.

und die dem erzürnten, weil abgewiesenen Freier ihrer Schwester kitty so flug zuredet: Sie machen Ihren Antrag, wenn Ihre Liebe völlig gereift ist, oder wenn Sie sich zwischen zwei Frauen. endgültig für eine entschieden haben. Das Mädchen tann aber nicht wählen, sondern nur ja oder nein sagen." Das Ideal einer Ehe bietet ble schließlich doch zustande pekommene Berbindung Kittys mit dem vorher abgewiesenen Konstantin Lewin. Wie Kittys Religiosität und Lewins Unglaube sich vertragen, Kitty als Pflegeri des sterbenden Schwagers Nitelai, Kitty und Lewin in Erwartung des Kindes, die Geburt selbst..., wie Lewin den Arzt alarmiert... -wer hat solche Dinge geschrieben, die so einfach und so erhaben zugleich sind, Dokumente des Alltags, irdische Hymnen, unvergeßlich in ihrer Wahrhaftigkeit!

Eine graufame Schilderung der in Konvention erftarrten Frau finden wir im Tod des Iwan Itfitsch":" Du folltest Morphium nehmen," sagt die Frau zu dem todtranten Gatten, bevor sie sich von ihm verabschiedet, um ins Theater zu fahren. Seelentos Geist und Gemüt im Rorsett erstickt. Dame im schlimmsten

Sinne.

erstehung". Waise, von zwei alten Adelsfräuleins als Haustochter Da ist endlich auch die Lebensgeschichte der Maslowa in Auf­gehalten, wird die Sechzehnjährige von dem jungen Neffen der Damen verführt. Sie erleidet das ganze traurige Schicksal, das der unehelichen Mutter damals noch zuteil wurde, und landet nach einiger Zeit im Bordell. Nach mehr als zehn Jahren tommt sie wegen einer Mordfache vor ein Gericht, dem Fürst Rechlindow, ihr ehe maliger Verführer, als Belsizer angehört, und wird von diesem erkannt. Als sie unschuldig, durch ein Fehlurteil zur Swangs­verschickung verurteilt wird, folgt ihr der Fürst und bietet ihr die Ehe an. Aber sie tann ihr Leben nicht mehr zurückbrehen bis zu der Stunde, da der junge Weltmann das einfache Mädchen bedentenlos verführt hatte. Sie will feine Genuptuung mehr. Gie heiratet einen Gefangenen. Hier wie auch in der Kreuger­fonate" tlingt start der Sexualethiker Tolstoi   durch. Wir machen die Frauen zu Stlaven, und sie rächen sich an uns durch die Ver. dorbenheit des Charafters, die wir selbst verursacht haben." In dieser Erkenntnis gipfelt die Darstellung der Kreugerfonate".

Tolstoi wurde etwa in jener Zeit als Schriftsteller bekannt, als der Kampf um die geistige Entfaltung der Frau seinen Anfang nahm. In den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mag auch in den russischen Bürger- und Adelsfamilier diskutiert worden sein über Kindererziehung. Mädchenbildung, Berufsarbeit der Frau, Mitbestimmung der Frau im Staate und ähnliche Fragen. Die Frauenrechtlerin in einfeitiafter Ausprägung war ein nicht seltener Typus. Die jungen Mädchen der besseren Kreise begannen einige Illufionen zu verlieren, was nicht weiter verwunderlich war, denn wie hätte etwa die Idee von der Heiligkeit der Ehe sich behaupten tönnen, wenn die Prostitution, das Verhältnis" im Leben der Männer eine solche Rolle spielten und das Junggesellenleben bald nach den Flitterwochen wieder aufgenommen wurde? Wie follten Ehe und Kinder zum Lebensinhalt werden, wenn der Haushalt von den Dienstboten versehen wurde und die Kinder von bezahlten Bersonen herandressiert wurden, wie es der Brauch verlangte? Tolstoi   hatte während seiner Jugendzeit ein rührend herzliches Ber­hältnis zu einer Berwandten, die an Stelle feiner frühverstorbenen Mutter dem Hauswesen vorstand. Bei seiner großen Empfänglich­feit für alle Eindrücke prägte sich diese Gestalt feinem Gemüte für immer ein. Während sonst in der Literatur die Frau, die über die erste Jugend hinaus war, und als Gegenstand der sinnlichen Leiden­schaft feine Rolle mehr spielte, überhaupt nicht existierte, hat Tolstoi  die Frau aller Lebensalter, aller Stände, schöne und reizlose, weltlich und himmlisch gerichtete lebendig und gegenwartsnah vor uns hin­gestellt. Sein umfassender Geist konnte nicht nur eine finnliche Beliebenswerten Frauengestalten Tolsto: s. ziehung zur Frau haben und auch seiner Gattin. die er mit fünf­unddreißig Jahren heiratete, brachte er die ganze Fülle von Herz und Seele entgegen, die ihm eigen war. Die späteren Stürme feines Ehelebens entsprangen der besonderen Charakteranlage der beiden start ausgeprägten Naturen. Niemals aber mußte Sonja Andre­jewna Tolstoi um die Treue ihres Batten besorgt sein. Litten beide Gatten Eifersuchtsqualen, so schrieben sie das ihrem eigenen stürmischen Temperament zu, ohne einander eigentlich zu verdäch tigen. Tolstoi hat viele der Frauen, die ihm in der Gesellschaft oder im Kreise der eigenen großen Familie begegneten, in seinen Werten festgebalten und sich damit als einem der besten Frauen­schilderer ein Denkmal' gesch:

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Da ist in Krieg und Frieden  " die entzückende Na­tajcha. Dunkel, schmal, lebhaft Sie nimmt eine Werbung an, weniger weil sie verliebt, als wei: fie auf den Bewerber stolz ist. Bei der Flucht aus Moskau   im Krigsherbst 1812 räumt fie rück­fichtslos die elterlichen Möbelwagen ab und läßt Vermundete darauf laden. Sie leidet Gewissensnot und erwacht erst wieder zum Leben, als es gilt, die Mutter zu trösten. Nach der Wiederkehr friedlicher Beiten heiratet sie. Am liebsten hatte sie solche Gäste. zu denen fie ,, ungefämmt, im Schlafrock, mit ihren großen Schritten aus dem Kinderzimmer hinauslaufen fonnte, um ihnen mit freudigem Gesicht eine Windel mit einem gelben Fled statt eines grünen zu zeigen und die tröstliche Versicherung zu hören, daß es jetzt dem Kinde viel beffer gebe. Nach fieben Jahren Ehelebens hatte Nataschas Batte ,, das feste Bewußtsein, daß er fein schlechter Mensch war, und er hatte dieses Bewußtsein deswegen. weil er sich felbst in seiner Frau widergespiegelt sah". Kann man schöner über eine Ehe schreiben? Nataschas Freundin und spätere Schwägerin Marja ist anders ver: anlagt. Häßlich, von tiefer Frommigfeit, innerlich lange unfrei durch Vereinsamung und tyrannische Liebe ihres alten Baters, findet sie in Nataschas Bruder einen Lebensgefährten. Nur so irgend­eine Malwine liebt man, weil sie schön ist.", betennt der Batte. ,, Wenn du nicht da bist, oder wenn zwischen uns etwas gewesen ist, bin ich wie verloren und tann nichts tun. Hier, liebe ich etwa meinen Finger? Nein! Aber versucht einmal, ihn mir abzuschneiden!" Das ist die Ehe zwischen Nikolas und Marja. Rührend in ihrer Lebenswärme sind auch andere Gestalten, so in Anna Karenina  ", die Gattin des leichtsinnigen Stephan Artadjewitsch, die fünffache Mutter Darja Alexandrowna, die auf ihre Kinder so stolz ist es sind eben igendwie besondere Kinder"),

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Rings um die großen Werte schlingt sich eine Fülle episoden. hafter Figuren in den tleineren Erzählungen., Bauernfrauen, Mägde, Großmütter, junge Mädchen. Alles( ein ledererer ländlicher Imbig) roch und schmeckte gewissermaßen nach Anisja Feodorowna, war ebenso faftig, fauber, weiß wie sie, und alles erinnerte an ihr freundliches Lächeln," heißt es von einer Haushälterin. Wahrheit immer, immer suchen," so entstanden die Luise Baumann,

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Mark Twains Krawatte.

Mark Twain  , der befannte amerikanische   Humorist, verwandte recht wenig Gorgfalt auf seine Kleidung. Eines Tages stattete er feiner Nachbarin, Frau Harriet Beecher Stowe  , der Autorin von Ontel Toms Hütte", einen Besuch ab. Als er nach Hause zurückfam, empfing ihn seine Gattin mit Vorwürfen: Deine Liederlichkeit übersteigt alle Grenzen! Du warst bei Mrs. Stowe chne Krawatte." Mark Twain   begab sich ohne ein Wort zu fagen, ins Schlafzimmer. Nach einer Welle fam er mit einein fleinen Bäckchen heraus und befahl dem Diener, das Päckchen auf der Stelle der Nachbarin zu bringen. In dem Päckchen lagen die blick erfahre ich von meiner Gattin. daß ich bei Ihnen eine halbe Krawatte und ein Brief mit folgendem Inhalt: In diesem Augen­Stunde lang ohne Krawatte gefeisen habe. Anbei meine Krawatte. Ich bitte Sie, diese eine Weile lang anzusehen und dann wieder zurückzuschicken."

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Kindergeist.

Das sechsjährige Rarlchen wird von einem Lajtauto angefahren und glücklicherweise nicht allzufchwer verlegt. Da der Junge bei den Nachbarn außerordentlich beliebt ist, werden ihm an sein Krankenbett allerlei Geschenke gebracht, u, a. auch eine Sparbüchse mit einer Mark Inhalt. Am vierten Tage nach seinem linfall fit spendeten Geschenke. Mutti." fragt er plöglich nachdenklich, gibt's Karlchen mit verbundenem Kopf im Bett und mustert die ihm ge­für eine Mark auch Bier?" Gewiß Liebling!" ,, Auch drei Flaschen?" Ja, die gibt's!" Ach, Muiti, dann hol' doch für mich' ne Malz und für Bati und dich jeder' ne Flasche belles Bier! Und dann machen wir Pro st", daß ich nicht totgefahren bin."

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Am Sonntag vor der Wahl tamen abends Lastkraftwagen mit Nazis vor dem Berkehrslokal in der Wiener Straße vorgefahren. freunden mit Heilrufen empfangen. Erwin sagte darauf: Meinen Die Hakenkreuzler wurden von einigen dort wartenden Gesinnungs­die nun, daß dort, wo sie waren, alles heil geblieben ist, oder daß sie alle hell wieder zurückgekominen find? Man weiß doch nu gar nicht, was hell ist? Wir rufen Freundschaft", dann wissen doch gleich alle, daß wir nur Freunde wollen und teine, die da immer gleich hauen.